Am Sonntag den 25. November wollte der in Gesellschaft
mehrerer Herren sich befindliche Weingrosshändler Adolf Welzel
aus Eger um 22 Uhr beim Fahrkartenschalter der Bahnstation Dassnitz
- Mariakulm eine Fahrkarte für den um 22 Uhr 19 Minuten abfahrenden
Zug lösen. Der Fahrkartenschalter war geschlossen und eine
allfällige Zugsverspätung nicht ersichtlich gemacht.
Auf das erste Klopfen rührte sich nichts im Fahrkartenausgaberaum.
Erst auf das zweite Klopfen hörte man ein Geräusch,
ähnlich dem eines plötzlich im Schreck erwachenden Menschen.
Der Beamte öffnete den Schalter und Adolf Welzel ersuchte
um eine Fahrkarte nach Eger. Der Beamte erklärte, ihm keine
Karte geben zu wollen. Er ging zu dem in der Mitte des Raumes
stehenden Tisch, holte eine Zigarette hervor und kam dann rauchend
wieder zum Schalter. Trotz wiederholtem Ersuchen, eine Karte auszufolgen,
weigerte er sich dies zu tun, warf dem obgenannten das Geld zurück
und erklärte, ihm keine Karte auszufolgen, angeblich weil
er keck gewesen sei. Adolf Welzel wies diese letztere unwahre
Behauptung zurück, forderte nochmals eine Karte und erklärte,
dass er sich über dieses ungeheuerliche Vorgehen des Beamten
beschweren werde. Auch dann lehnte der Beamte die Ausfolgung einer
Fahrkarte ab, sodass Adolf Welzel gezwungen war, ohne Fahrkarte
den Zug zu besteigen.
Als die Reisenden den Zug besteigen wollten,
kam ihnen ein jüngerer Eisenbahnangestellter nach und versuchte
den Zwischenfall so darzustellen, dass der den Fahrkartenschalter
bedienende Beamte wegen Mangel an Kenntnis der deutschen Sprache
nicht verstanden hätte, was die Herren wollen. Der ganze
Vorgang lässt nur den Schluss zu, dass der Beamte einerseits
unwillig war, dass er aus seinem Schlaf gestört wurde, und
ausserdem deutschen Reisenden gegenüber seine Macht zeigen
wollte. Für das Verhalten des Beamten ist weiterhin kennzeichnend,
dass Adolf Welzel, welcher mittels eingeschriebennen Briefes bei
der Station Dassnitz - Mariakulm unter Beigabe eines eingeschriebenen
Freibriefumschlages um Bekanntgabe des Namens des Beamten ersuchte,
überhaupt keine Antwort erhalten hat.
Die Unterzeichneten fragen daher an, ob der
Herr Minister bereit ist, diese Angelegenheit strengstens untersuchen
zu lassen, und den schuldigen Beamten zur vollen Verantwortung
zu ziehen.
Prag, am 15.
Dezember 1928.
Durch die reichsdeutsche Presse ging dieser Tage nachstehende
Notiz, die vom Bund der Kriegsbeschädigten, Witwen und Waisen
der Èechoslovakischen Republik in Deutschland,
Sitz Chemnitz E. V., Ortsgruppe Leipzig herausgegeben wurde:
"Der Kriegsbeschädigte Photograph
Karl Karwath, in Wiederau bei Pegau in Sachsen wohnend, wurde
im Jahre 1916 an der russischen Front am linken Unterschenkel
schwer verwundet. Wegen dieser Verletzung erhielt er vom Landesamt
für Kriegsbeschädigtenfürsorge in Prag eine Rente
von nur 8 RM. monatlich. Im Februar 1927 verschlimmerte sich seine
Kriegsverletzung derart, dass zur Operation (Entfernung der Kugel
an der Schlagader) und schliesslich im Juni 1927 zur Amputation
des linken Beines geschritten werden musste. Infolge des durch
die vielen Operationen geschwächten Gesundheitszustandes
trat eine Lungenentzündung mit nachfolgender Lungentuberkulose
ein. Auf Grund der Verschlimmerung seines Kriegsleidens
beantragte Karwath im Juni 1927 die Erhöhung seiner Rente
beim zuständigen èechoslovakischen Generalkonsulat
in Dresden. Den Antrag belegte er mit einem Zeugnis des Chefarztes
des Krankenhauses Zwenkau.
In seiner Hoffnung auf schnellste Bearbeitung
seines berechtigten Rentenanspruches wurde er bitter enttäuscht!
Anfang Oktober erhielt er endlich eine Zuschrift des Landesamtes
für Kriegsbeschädigtenfürsorge in Prag. Mit dieser
wurde aber nicht die Auszahlung der erhöhten Rente angekündigt,
sondern nochmals ein ärztliches Zeugnis über seinen
Leidenszustand gefordert, damit eine konsularärztliche Untersuchung
vorgenommen werden könne. Der Kranke sandte hierauf abermals
ein ärztliches Zeugnis ein mit der dringenden Bitte
um beschleunigte Erledigung seiner Rentenangelegenheit. Das Jahr
1927 ging zu Ende; das èechische Kriegsbeschädigtenfürsorgeamt
liess in der Sache trotz mehrerer Erinnerungsschreiben nichts
verlauten. Im Januar 1928, als vollständige Hilflosigkeit
eintrat und Karwath dauernd der Pflege und
Wartung bedurfte, wurde dem Generalkonsulat erneut ein ärztliches
Zeugnis übermittelt, in welchem ausdrücklich auf den
schweren und hoffnungslosen Leidenszustand hingewiesen und die
sofortige Zuerkennung der Vollrente erbeten wurde. Unterm 30.
Jänner 1928 ging ihm hierauf ein Bescheid des Generalkonsulates
Dresden zu, wonach - man hält dies kaum für glaublich
abermals ein ärztliches Gutachten über den Krankheitszustand
gefordert wurde, mit der Begründung, dass da Karwath bettlägerig
krank sei, an eine sozialärztliche Untersuchung in den Amtsräumen
des Konsulates nicht zu denken wäre. Der Kranke kam auch
diesem Verlangen nach und schickte nun das vierte ärztliche
Zeugnis ein.
Das weitere Schicksal des bedauernswerten Mannes
erfüllte sich, wie es sich zwangläufig erfüllen
musste. Im Februar 1928 wurde Karwath nach einjährigen ununterbrochenem
Krankenlager aus der Krankenkassa ausgesteuert. Er und seine Familie
hatten jetzt mit den bittersten Nahrungssorgen zu kämpfen.
Hilfe von den reichsdeutschen Fürsorgestellen wurde ihm nicht
gewährt, da er ja als Ausländer keinen Rechtsanspruch
auf Fürsorgemassnahmen hatte. Das Generalkonsulat Dresden
suchte sein Empfinden damit zu bekunden, dass es eine einmalige
Unterstützung von 10 (zehn) RM. bewilligte und am 13. Mai
1928 weitere Heilbehandlung ablehnte, da Karwath in seinem apatischen
Zustande versäumt hatte, um Weiterbewilligung der befristeten
Heilbehandlung nachzusuchen. Erst auf Einschreiten der Kriegsbeschädigtenorganisation
wurde Heilbehandlung auf weitere drei Monate bewilligt.
Inzwischen hatte sich sein Leidenszustand derart
verschlimmert, dass völlige Abzehrung und Entkräftung
eintrat. An Gehversuchen mit seinem im Frühjahr bewilligten
Kunstbein war nicht zu denken. Im Laufe des Sommers erinnerte
Karwath noch mehrere Male um endliche Auszahlung der 100prozentigen
Rente. Die verantwortlichen èechoslovakischen Kriegsbeschädigten
- Fürsorgestellen versagten nach wie vor und taten nicht
das Geringste, auf die begründeten Forderungen
des Schwerkriegsbeschädigten einzugehen. Am 2. August 1928
ist Karwath seinem unsagbar schweren Kriegsleiden erlegen. Der
Tod nur schaffte ihm Erleichterung! Am 8. August 1928, als er
bereits unter der Erde ruhte, teilte das Generalkonsulat in Dresden
mit, dass eine Erhöhung der Rente nur auf Grund einer amtsärztlichen
Untersuchung erfolge, dass diese bisher nicht möglich gewesen
sei, weil Karwath nicht reisefähig war und das Generalkonsulat
den Konsulararzt nicht habe schicken können. Er solle die
Anschrift eines Amtsarztes, der bei einer Behörde seiner
näheren Umgebung tätig sei, bekanntgeben, damit dieser
die Untersuchung vornehme.
Zu dieser Mitteilung benötigte man also
15 Monate!
Ist dieser Zustand schon unerhört, so
muss man es geradezu als eine Brüskierung der sozialen
Kriegsbeschädigtenfürsorge und der gesamten deutschen
Kriegsopfer èechoslovakischer Staatsangehörigkeit
bezeichnen, was hier geschehen ist. Angesichts dieser Tatsachen
fragt man sich: Warum veranlasste das èechoslovakische
Generalkonsulat in Dresden nicht im Juni 1927,
als Karwath um die Erhöhung seiner Rente nachsuchte, unverzüglich
die konsularärztliche Untersuchung? Zu welchem Zwecke wurden
überhaupt die ärztlichen Zeugnisse von dem Beschädigten
angefordert? Ist etwa das Zeugnis eines städtischen Krankenhausarztes
kein amtliches?
Heute ist dem Verstorbenen nicht mehr zu helfen, bestehen bleibt
aber die verantwortungslose Behandlung der èechoslovakischen
Kriegsbeschädigten in Deutschland."
Die Unterzeichneten fragen an, ob der Herr
Minister bereit ist, diesen Vorfall mit aller Strenge untersuchen
zu lassen und bekanntzugeben, was der Herr Minister vorgekehrt
hat, um in Zukunft eine solche unerhörte Behandlung von Kriegsverletzten
hintanzuhalten.
Prag, am 18.
Jänner 1929.
In Iglau hat der Vorsitzende des Stadtschulausschusses,
Bürgermeister Dr. Veverka folgenden Erlass an alle Schulleitungen
herausgegeben:
"Am 28. Oktober haben sich sämtliche
Schüler (Schüler und Lehrkörper) um 3/4
10 Uhr auf dem Platz vor dem Rathaus zu versammeln bezw.
aufzustellen. Die Platzanweisung geschieht durch die Polizei.
Nach einer festlichen Ansprache des Herrn Vorsitzenden des Stadtschulausschusses,
Bürgermeister Dr. Veverka wird die Staatsflagge durch 2 Schüler
(ein Èeche und ein Deutscher) hochgezogen
werden. Die Bestimmung eines deutschen Knaben wird noch erfolgen.
Die aufgetragene Feiern der einzelnen Schulen sind daher entsprechend
einzurichten. Nähere Weisungen werden noch ergehen."
Die in dem obigen Erlass erwähnte Bestellung
eines deutschen Knaben zur Hissung der Staatsflagge erfolgte nun
in der Weise, dass demjenigen, der sich hiezu meldet, ein neuer
Anzug versprochen wurde. Ueberdies lies der Bürgermeister
durch die städtische Sicherheitswache allen Hausbesitzern
eine schriftliche Aufforderung gegen Empfangsbestätigung
zustellen, ihre Häuser anlässlich des 28. Oktober zu
beflaggen, wobei in vielen Fällen mündlich zu verstehen
gegeben wurde, dass man sich jene gut merken werde die dieser
Aufforderung nicht nachkommen würden. Dasselbe geschah hinsichtlich
sämtlicher Vereine, die zur korporativen Teilnahme an der
Festlichkeit auf dem Stadtplatze in derselben Weise "eingeladen"
wurden.
Dieses eigenmächtige Vorgehen des Herrn
Dr. Veverka in seiner Eigenschaft als Bürgermeister und als
Vorsitzender des Stadtschulausschusses erscheint geeignet, die
Bürgerschaft, soweit sie wirtschaftlich von den derzeitigen
Machthabern abhängig ist, einzuschüchtern und zur Bekundung
eines Hurrapatriotismus zu veranlassen, wozu sie aus freien Stücken
nie zu haben wäre.
Bekanntlich ist die Èechoslovakei ein Rechtsstaat, in dem
alle Anordnungen und Verfügungen der Behörden auf einem
Gesetz beruhen müssen. Byzantinismus ist hier vorläufig
weder für Erwachsene noch für Schulkinder gesetzlich
vorgeschrieben, vielmehr gehört Geistes-
und Gewissensfreiheit noch zu den staatsgrundgesetzlich gewährleisteten
Rechten jedes Staatsbürgers.
Mithin hat Herr Dr. Veverka durch die vorgenannten
Verfügungen nicht nur seinen Wirkungskreis überschritten
sondern auch gegen die bestehender Gesetze verstossen. Die oben
angeführten Massnahmen dieses Herrn sind ungesetzlich, gesetzwidrig
und ungiltig.
Die Gefertigten stellen nun die Anfrage:
In welcher Weise wird der Bürgermeister
und Vorsitzende des Stadtschulausschusses von Iglau, Dr. Veverka
in die gesetzlichen Schranken gewiesen werden?
Prag, am 25.
Oktober 1928.
Am 10. Mai 1921 brachten die Abgeordneten Dr.
Schollich, Pittinger, Dr. W. Feierfeil, Simm und Kostka im Abgeordnetenhause
des Prager Parlamentes einen auf die Herausgabe eines Gesetzes
zur Errichtung einer deutschen Handels- und Wirtschaftshochschule
zielenden Antrag ein (Druck 2747/I). Dieser Antrag, ein solcher
aller deutschen Parteien, sah diese Anstalt als eine solche mit
3jähriger Unterrichtszeit vor, in ihrer Organisation selbständig,
wenn auch gebunden an die technische Hochschule in Prag. Ihr Sitz
sollte Aussig sein, ein Brennpunkt von Handel und Wirtschaft,
der weit über die Grenzen des Staates hinaus seine Bedeutung
besitzt und ein geradezu idealer Boden für eine Schule der
Handelswissenschaft ist. Die gennanten Abgeordneten glaubten mit
dem Antrage nicht zu viel zu fordern, sondern nur eine auf Recht
fussende Forderung des Sudetendeutschtums zu stellen, die zu erfüllen
selbst im Interesse des Staates liegt.
In einer Zeit, in der das deutsche Reich einen
wissenschaftlich gebildeten Nachwuchs in seinen hohen Schulen
für Handel in Berlin, Köln, Düsseldorf, Frankfurth
a. M., Leipzig, Mannheim und München schafft, Frankreich
in seinen hohen Schulen für Handel in Paris, Le Havre, Lyon,
Marseille und Nancy, Deutsch - Oesterreich in seiner Hochschule
für Welthandel in Wien, der eigene Staat für die Tschechen
in Prag, besteht für das 31/2 Millionen
Volk der Sudetendeutschen das fast in seiner Gänze Wirtschaftsträger
ist, keine Möglichkeit, sein Bedürfnis nach Ausbildung
seines Nachwuchses für Handel und Wirtschaft im Inlande zu
befriedigen. Das deutsche Volk des Staates muss vielmehr seine
jungen Menschen, die der erwähnten Aufgabe dienen wollen,
ins Ausland senden, aber gerade hieraus ergeben sich dann noch
anderweitige Schwierigkeiten, die anzudeuten schon überflüssig
ist, weil sie allzu bekannt sind.
Der Antrag der deutschen Abgeordneten vom 10.
Mai 1921 war sehr instruktiv. Er wies der Unterrichtsverwaltung
die Organisation der georderten Anstalt als Abteilung der technischen
Hochschule in Prag mit dem Sitz in Aussig. Es wurden aber auch
Mitteilungen über die Höhe der Kosten der Führung
der Anstalt gemacht und gerade hieraus sollte die Möglichkeit
der Errichtung auch in Hinsicht auf die Staatsfinanzen bewiesen
werden. Das Anfangserfordernis hätte lediglich Kè
200.000 ordentlich und Kè 100.000 ausserordentlich an Ausgaben
betragen, die später bei der Erweiterung der Anstalt eine
unbeträchtliche Steigerung erfahren hätten.
1925 wurde die bekannte Resolution Kaufmann
im Kulturausschusse des Abgeordnetenhauses angenommen, nach der
die Regierung beauftragt wurde, im Sinne des Antrages der deutschen
Abgeordneten wirklich ungesäumt zu Werke zu gehen.
Jahre sind seither vergangen, ohne dass die
berechtigten Forderung der Deutschen nach ihrer Handels- und Wirtschaftshochschule
erfüllt worden wäre. Es erscheint im Ansehen des Staates
und seiner Regierung gelegen, ein Wort, das längst gegeben
wurde, einzulösen.
Die Interpellanten fragen daher den Herrn Minister,
ob er in dieser Richtung initiativ vorgehen will?
Prag, den
12. Jänner 1929.
Die "Vossische Zeitung", ein Blatt,
dessen Franzosenfreundlichkeit im Deutschen Reiche sprichwörtlich
ist und ihm den bezeichnenden Namen "Gazette de Voss"
eingetragen hat und das auch als durchaus tschechenfreundlich
gilt, enthält einen Bericht über die Schwierigkeiten,
welche deutscher Volksangehörigen bei Ansuchen um die tschechoslowakische
Staatsbürgerschaft gemacht werden. In dem genannten Blatte
wird u. a. geschildert, dass solchen Personen die Erlangung der
Staatsbürgerschaft fast unmöglich sei. Männer,
die in der Tschechoslowakei geboren oder viele Jahre ansässig
sind, werden einfach abgewiesen. Insbesondere treffe diese Härte
Arbeiter und Angestellte, welche dadurch allen Schikanen des Gesetzes
zum Schutz des heimischen Arbeitsmarktes ausgesetzt sind.
Weiche merkwürdigen Methoden bei den Erhebungen
angewendet werden, zeigt folgender Auszug aus einem behördlichen
Schreiben:
"Zur vertraulichen Erhebung durch die
Gendarmerie, zu welcher Nationalität er sich bekennt, welcher
polit. Ueberzeugung er und seine Familienmitglieder sind, in welchem
nationalen Geist der Haushalt und die Erziehung der Kinder geführt
werden, in welche Schule diese gesendet werden, in welcher Gesellschaft
in nationaler Beziehung sich die Familienmitglieder vorwiegend
bewegen, welchen Vereinen oder polit. Parteien sie als Mitglieder
angehören und in welcher Weise sie überhaupt am polit.
Leben teilnehmen. Weiter, ob bzw. in welcher Weise der Genannte
Zuneigung zum tschechoslow. Staate äussert, insbes. ob und
mit welchem Betrage er sich selbst bzw. seine Gattin bisher an
der Zeichnung tschechoslow. Staatsanleihen oder öffentlichen
Wohltätigkeitsaktionen beteiligt hat."
So weit die "Vossische Zeitung".
Dieser Bericht und insbesondere der wiedergegebene Auszug aus
einem behördlichen Erhebungsschreiben klingen für jeden,
der die Praxis kennt, durchaus glaubwürdig. Die Unterfertigten
können aus eigener Erfahrung Beispiele dieser Art beibringen.
Es sei nur auf den geradezu schmählichen Fall des unterdessen
verstorbenen Schwerkriegsbeschädigten Slama (Znaim) hingewiesen,
der noch im alten Oesterreich als damaliger ungarischer Staatsbürger
eine Trafik erhalten hatte und welchem man diese wegnahm, nachdem
sein Gesuch um Erlangung der Staatsbürgerschaft abgewiesen
worden war. Die polit. Landesverwaltung Brünn wollte ihm
die Staatsbürgerschaft nur unter der Bedingung geben, dass
er seine sechs Kinder in die tschechische Schule schicke.
Auch in Troppau hat sich kürzlich ein
ähnlicher Fall ereignet. Hier wurde einem in Troppau Geborenen
und in Stellung Befindlichen, welcher noch dazu mit einer ehemaligen
tschechoslow. Staatsbürgerin verheiratet ist, die Staatsbürgerschaft
verweigert, trotzdem der Bruder des Betreffenden sie szt. erhalten
hatte. Ursache dieser Verweigerung war ein völlig unzutreffender
Bericht des Polizeidirektors von Troppau über angebliche
Gegnerschaft des Ansuchenden gegenüber dem Staate und eine
diesbezügliche Betätigung.
Derartige Fälle könnten noch in schwerer
Menge angeführt werden. Sie zeigen, welcher Mittel des Druckes
und Seelenkaufs sich das System bedient.
Da auf Grund der Erfahrungen, welche die Gefertigten
selbst gemacht haben, an der Richtigkeit der Darstellung der "Vossischen
Zeitung" nicht zu zweifeln ist, weisen sie blos auf den Ruf
hin, in welchen der Staat, welcher doch in Mitteleuropa liegt,
durch derartige Balkanmethoden gerät; und das im Zeichen
einer Regierung, an welcher auch deutsche Parteien und Minister
beteiligt sind.
Die Gefertigten stellen daher an den Herrn
Minister folgende Anfragen:
1. Wie will er die obengekennzeichneten bei
Ansuchen um Zuerkennung der Staatsbürgerschaft geübten
Methoden rechtfertigen?
2. Ist er bereit, diese Methoden aufzugeben
und den ihm unterstehenden Behörden entsprechende Weisungen
zu erteilen?
Prag, den
18. Jänner 1929.
Die tschechische, in Freiberg erscheinende
Zeitung "Moravsko-Slezský Týdeník",
das Kreisblatt der èsl. nationaldemokratischen Partei,
brachte in ihrer Nummer 50 vom 7. Dezember
1928 folgende bemerkenswerte Notiz:
"Beseitigung des nationalen Unrechtes
in den Nesselsdorfer Fabriken. Abg. Špaèek
ist Freitag beim Handelsminister Novák
in Angelegenheit der Beseitigung des nationalen Unrechtes, das
durch die persönlichen Verhältnisse unter der Beamtenschaft
der Tatrawerke verursacht wurde, eingeschritten. Er tat dies auf
Grund eines Memorandums, das durch den Ausschuss der Národní
jednota in Nesselsdorf laut Uebereinkommen
in der Versammlung des Abg. Špaèek
in den vergangenen Tagen ausgearbeitet wurde: Das Memorandum enthält
ein genaues Verzeichnis aller, Beamten mit der Angabe ihrer Volks-
und Staatszugehörigkeit und es ist daraus die vollständige
Unhaltbarkeit des bisherigen Zustandes ersichtlich. Minister Novák
ersuchte sofort um den Besuch des Dr. Ringhoffer, damit er mit
ihm über die im Memorandum enthaltenen Beschwerden verhandle
und er versprach, seinen ganzen persönlichen und ämtlichen
Einfluss zu verwenden, damit eine baldige und radikale Besserung
erzielt werde. Der erste Schritt wird die Anstellung eines neuen
nicht nur dem Namen, sondern auch dem Herzen, dem guten Willen
und der Macht nach tschechischen Direktors sein."
Es kann nicht angenommen werden, dass diese
Nachricht der Wahrheit entspricht, denn sie stellt eine durchauss
unbefugte Einmischung eines Ministers in private Angelegenheiten
und einen gröblichen Missbrauch der Amtsgewalt dar. Ein Minister,
welcher Nationalität und Partei er auch angehören möge,
hat sich aber bei seiner Amtsführung der grössten Objektivität
zu befleissigen, soll nicht das Ansehen der amtlichen Stellen
und das Vertrauen der Bevölkerung zu den amtlichen Verfügungen
schwer leiden und ganz vernichtet werden.
Die Gefertigten fragen daher den Vorsitzenden
der Regierung und den Handelsminister:
Ist der hier gemeldete Tatbestand richtig und
hat der Handelsminister irgend einen Einfluss auf die Tatrawerke
genommen, eine Rücksprache mit den Besitzern der Tatrawerke
gepflogen oder einen Zwang nach der Richtung ausgeübt, dass
an der Zusammensetzung der Beamten- und Arbeiterschaft Aenderungen
in nationaler Hinsicht vorgenommen werden?
Prag, am 22.
Jänner 1929.
Ungeachtet aller wohlbegründeten Vorstellungen
der früheren schlesischen Landesverwaltungskommission, die
Ueberführung der schlesischen Landesämter nach Brünn
nur allmählich und im Einvernehmen mit dieser Körperschaft
durchzuführen, wurde bekanntlich auch in Mähren - Schlesien
die Verwaltungsreform durch die Bürokratie auf eigene Faust
mit einem Schlag ins Werk gesetzt. Die schweren Schäden,
die wir bei diesem Vorgehen voraussagten, treten nun trotz aller
Vertuschungsversuche und § 19 - Berichtigungen immer klarer
zutage. Um den Wirrwar und die Zeitversäumnis, die naturgemäss
durch die überhastete Verlegung der schlesischen Landesämter
eingetreten sind, halbwegs wettzumachen, werden die nach Brünn
versetzten schlesischen Beamten von ihren Vorgesetzten zu einer
möglichst beschleunigten Erledigung der Gechäftsstücke
angetrieben, ohne dass man ihnen die dazu notwendigen eingearbeiteten
Hilfskräfte zur Verfügung stellt. Herausgerissen aus
den gewohnten Lebensverhältnissen, getrennt von der Familie,
für die sich in Brünn keine geeignete Wohnung findet,
gefoltert von der ständigen Sorge, wie die Kosten des doppelten
Haushalte von dem täglichen Gehalt gedeckt werden sollen,
plagt sich ein solcher von Troppau nach Brünn versetzter
Familienvater von früh bis spät abends bis zum äussersten,
um den ungeheuer gesteigerten dienstlichen Anforderungen zu entsprechen.
Unter solchen Verhältnissen ist es kein Wunder, wenn ein
derart hart betroffener Beamter sein seelisches Gleichgewicht
verliert und schliesslich, wenn er obendrein nervös veranlagt
ist, keinen anderen Ausweg aus diesem elenden Dasein sieht als
Selbstmord zu begehen.
Auf diese Weise endete am 12. Jänner 1929
der zur politischen Landesverwaltung in Brünn versetzte ehemals
schlesische Oberrechnungsrat Josef Retschek. Er war in Troppau,
dem Landesschulrate zugeteilt, einer der pflichteifrigsten und
tüchtigsten Beamten in seinem Fache. Kaum 44 Jahre alt, seit
nahezu 25 Jahren im Landesdienste, erfreute er sich allgemeiner
Beliebtheit, lebte mit seiner Familie im besten Einvernehmen und
in durchaus wirtschaftlich geordneten Verhältnissen und war
im Dienste sowohl sprachlich als auch fachlich sehr gut qualifiziert.
Auf seine Bitten ihn in Troppau zu belassen, war keine Rücksicht
genommen worden, in Brünn aber fand er die denkbar ungünstigsten
Arbeits- und Lebensbedingungen für sich vor und so wurde
er nun das erste Opfer der unseligen Verwaltungsreform.
Andere ehemals schlesische Landesbeamte stehen
unter dem gleichen seelischen Druck wie er, leiden ebenso unter
der Trennung von ihrer Familie und unter der unerhörten Ueberbürdung
und finden auch in ihrer schwierigen Lage nicht das geringste
Entgegenkommen von oben.
Diese unhaltbaren, eines geordneten Staatswesens
unwürdigen Verhältnisse veranlassen die Gefertigten,
den Herrn Minister des Innern zu fragen:
Was gedenken Sie zu tun, um einesteils der
Witwe und dem Kinde nach dem Oberrechnungsrat Retschek wenigstens
materielle Hilfe über das vorgeschriebene Ausmass angedeihen
zu lassen und um andernteils zu verhüten, dass andere in
ähnlicher Weise durch die Verwaltungsreform betroffene Landesangestellte
nicht ebenso in den Tod getrieben werden?
Prag, am 18.
Jänner 1929.
Mit Bescheid der Finanzbezirksdirektion vom
11. Oktober 1927, Zahl 29.940 wurde die Genannte als Teilhaberin
für die Tabaktrafik Krautzberger in Donitz und zwar rückwirkend
ab 1. September í927 bestellt. Da Krautzberger die Teilhaberschaft
verweigerte, wurde er behördlich gekündigt und hierauf
Kubiška als provisorischer Trafikant bestellt.
Als sie sich im Wege des Gefällsamtes
in Karlsbad mit Kubiška wegen der Teilhaberschaft ins Einvernehmen
setzte, erklärte ihr dieser, dass er diese Teilhaberschaft
erst bei definitiver Verleihung der Tabaktrafik anerkenne. Die
Tabaktrafik gelangte zur Ausschreibung und nachdem Kubiška
gegenüber dem Gefällskontrollamte erklärte, dass
er lieber Teilhaber als selbst Trafikant sein möchte, so
erhielt die oben Genannte von diesem Amte den Rat, sich ebenfalls
um die ausgeschriebene Tabaktrafik zu bewerben. Alle Versuche
in der Zwischenzeit im Wege des Gefällsamtes die seit 1.
September 1927 fällige Anteilquote ausbezahlt zu erhalten,
blieben ergebnislos und wurde ihr erklärt, dass diesbezüglich
nur die Finanzbezirksdirektion in Eger verfügen könne.
Theresia Eltner begab sich hierauf zur Finanzbezirksdirektion
in Eger und soll ihr Oberfinanzrat Dr. Klein erklärt haben,
dass ihre Teilhaberschaft an dieser Trafik aufrecht erhalten bleibt.
Mit Erlass der Finanzbezirksdirektion Eger
vom 5. November 1928, Zahl 44.472 wurde sie in Kenntnis gesetzt,
dass die Tabaktrafik anderweitig verliehen worden sei und jedem
sozialen Empfinden zum Hohne wurde ihr gleichzeitig mitgeteilt
dass der seinerzeitige Erlass, mit welchem ihr die Teilhaberschaft
an dieser Trafik ab 1. September 1927 zugesprochen wurde - nunmehr
als gegenstandslos zu betrachten sei.
Die Unterzeichneten fragen daher an, ob der
Herr Minister bereit ist, diese Angelegenheit mit aller Strenge
untersuchen zu lassen, da es doch nicht angeht, dass man einer
armen Kriegswitwe einerseits die Teilhaberschaft an einer Trafik
zuspricht und die Weigerung des betreffenden Trafikanten nach
Jahresfrist zum Anlasse nimmt, der Kriegswitwe die ihr zugesprochene
Beteiligung vollständig unbegründet nachträglich
wieder und ausserdem noch rückwirkend abzusprechen.
Die Unterfertigten fragen weiters an, ob der
Herr Minister geneigt ist, alle Vorkehrungen zu treffen, damit
die genannte Witwe wieder in die ihr zuerkannte Teilhaberschaft
der Tabaktrafik eingesetzt wird.
Prag, am 18.
Jänner 1929.