Seit einiger Zeit haben sich einige Zollämter
eine eigenartige Auslegung des Zoll-Tarifes zu eigen gemacht,
indem sie für solche Bücher, welche in Leinwand gebunden
sind, Zoll einheben und zwar nicht etwa für diewenigen Gramm
Leinwand des Einbandes, sondern für das ganze Buchgewicht.
Die Folge dieser Auslegung des Zoll-Tarifes ist ein Preisaufschlag
von ungefähr 6 Kè für Bücher kleineren und
12 bis 20 Kè für Bücher grösseren Formats.
Da bekanntlich eine grosse Anzahl von Büchern aus den ausländischen
Verlagsanstalten in die Tschechoslowakei eingeführt
wird, bedeutet diese Praxis der Zollbehörden eine gewaltige
Erhöhung des Buchpreises, die etwa 20% bis 30% des Buchpreises
erreicht und zum Teil noch überschreitet. Auf diese Art und
Weise wird den breiteren Schichten des Volkes ein halbwegs anständig
gebundenes Buch geradezu unerschwinglich. Es ist kein Zweifel,
dass die oben angeführte Auslegung des Zoll-Tarifes durch
die Zollbehörden unhaltbar ist und der Unterfertigte ist
der Ueberzeugung, dass sie der Herr Finanzminister nicht teilt.
Es wäre deshalb von grösster Wichtigkeit, wenn möglichst
bald diese, der Verbreitung von kulturellen Gütern, hemmend
im Wege stehende Auslegung des Zoll-Tarifes rückgängig
gemacht werden würde. Da insbesondere sämtliche wissenschaftliche
Bücher und auch zahlreiche schöngeistige Bücher
in gebundenem Zustande eingeführt werden und die Käufer
solcher Bücher meist nicht zu den vermögenden Volksschichten
gehören, bedeutet obige Auslegung des Zoll-Tarifes eine starke
Hemmung der kulturellen Belange zahlreicher Volksschichten in
der Tschechoslowakischen Republik.
Der Unterfertigte gestattet sich daher an den
Herrn Minister die dringende Anfrage zu richten, ob er bereit
ist, diese Angelegenheit einer raschen Untersuchung zu unterziehen
und die Auslegung des Zoll-Tarifes, der zufolge die Zollbehörden
für die in Leinen gebundenen Bücher Zolle im Gesamtgewicht
der Bücher einheben, zu beseitigen?
Prag, am 18.
Dezember 1928.
Das Troppauer Tagblatt "Deutsche Post"
brachte in seiner Ausgabe vom 7. Dezember l. J. folgende Mitteilung
über die Vorkommnisse in der Troppauer Nervenheilanstalt:
Es ist in fast allen Nervenheilanstalten üblich,
dass den Aermsten unter den Armen, den Irren und Nervenkranken
ein- oder zweimal im Jahr eine kleine Freude bereitet wird, indem
man den Patienten Gelegenheit gibt, einer Dilettanten - Vorstellung
beizuwohnen, um sich zu zerstreuen und auf andere Gedanken zu
kommen.
Mittwoch, den 5. Dezember fand nun in der Troppauer
Nervenheilanstalt eine solche Aufführung statt. Das Stück,
das von tschechischen Dilettanten gespielt wurde, war nicht nur
ein Missgriff, sondern geradezu ein Hohn auf Zweck und Ziel derartiger
Unterhaltungen für Kranke überhaupt und für Nervenkranke
im besonderen. Man spielte ein Schauspiel: "Sehnsucht nach
der Mutter". Da kommt eine Szene vor, worin drei österreichische
Soldaten in Uniform, von einem österreichischen Leutenant
geführt, auf einen tschechischen Ueberläufer schiessen!
Auch ein österreichischer General in Paradeuniform mit Tschako
und ein Major in Dienstuniform treten auf den Plan. Der Major
hält eine Ansprache an die slawischen Völker, während
der General das tschechische Volk beschimpt. Der tschechische
Ueberläufer ruft vor seinem Tod durch Erschiessen noch einmal
nach seiner Mutter...
Durch die Aufführung eines solchen Stückes
vor Nervenkranken hat sich die Direktion der Troppauer Nervenheilanstalt
selbst das Urteil gesprochen. Sie muss verantwortlich gemacht
werden dafür, wie es möglich ist, dass ein derartiges
Stück in einer Nervenheilanstalt vor nervenkranken Leuten
überhaupt aufgeführt werden konnte. Man bedenke: Vor
Nervenkranken werden auf der Bühne Schiessereien abgehalten!
So etwas, sollte man glauben, dürfte sich nicht einmal in
einem Irrenhaus ereignen.
Dem Ganzen wird noch die Krone aufgesetzt,
wenn man erfährt, dass dieses tschechische Chauvinistenstück
in der Hauskapelle der Irrenanstalt gespielt wurde, wo ansonsten
an Sonntagen der Gottesdienst abgehalten wird. Höher gehts
wahrhaftig nicht mehr, und man kann gespannt sein, ob die massgebenden
Stellen gegen ein solch unverantwortliches Vorgehen kranken Leuten
gegenüber einschreiten werden."
Ein solches Vorkommnis beweist nicht nur den
tschechisch - chauvinistischen Geist, der in der Troppauer Landesnervenheilanstalt
herrscht, sondern es zeigt auch, dass man darin selbst auf den
Zustand der Kranken nicht Rücksicht nimmt.
Die Interpellanten fragen daher die Heeren
Minister an:
1. Sind sie bereit, über obiges Vorkommnis
in der Troppauer Landesnervenheilanstalt eine strenge Untersuchung
durchzuführen und die Schuldtragenden zur Verantwortung zu
ziehen?
2. Sind sie weiter bereit, dafür zu sorgen,
dass in der Troppauer Landesnervenheilanstalt in Zukunft solche
Vorkommnisse sich nicht mehr wiederholen können?
Prag, den
19. Dezember 1928.
Nach privaten aber zuverlässigen Mitteilungen
soll aus Ersparungsmassnahmen eine grosse Anzahl, ungefähr
120 bestehender Sanitätsdistrikte aufgelassen, bezw. mit
anderen vereinigt werden. Diese Massregel würde bedeuten,
dass in vielen Gegenden die wirtschaftliche Existenz des dort
seine Praxis ausübenden Arztes vernichtet würde. Insbesondere
würde dies in den gebirgigen, ärmlichen und dünn
besiedelten deutschen Randgebieten und auch auf dem flachen Lande
des tschechischen Sprachgebietes der. Fall sein. Das höchste
Gut des Volkes ist seine Gesundheit. Mit dem Fehlen ärztlicher
Hilfe in grossen Gebieten des Staates würde die Seuchenbekämpfung,
alle sanitären Einrichtungen, die Beschaffung ärztlicher
Hilfe in Krankheitsfällen gerade den ärmsten Schichten
des Volkes unmöglich werden. Ein solcher Zustand wäre
eines Kulturstaates nicht würdig. Die dabei in Betracht kommenden
Summen (ein Arzt zu ungefähr 8000 Kè Gehalt
im Jahre) sind im Vergleich zu den Gütern, die dabei in Gefahr
kommen, gar nicht in die Wagschale fallend.
Es soll aber auch geplant sein, Gemeinden,
welche einen eigenen Gemeindearzt besolden, die dafür eingestellten
Summen aus dem Voranschlage zu streichen, sodass es der Bevölkerung
nicht einmal möglich gemacht würde, die für das
Gesundheitswesen fehlende Staatsfürsorge aus Eigenem 2u ersetzen.
Wir fragen den Herrn Minister:
1. Hat der Ministerrat einen derartigen Beschuss
gefasst oder in Erwägung gezogen?
2. Glaubt der Herr Minister es verantworten
zu können, seine Zustimmung zu einer so folgenschweren verderblichen
Massnahme zu geben?
3. Wenn der Herr Minister, wie wir annehmen
zu können glauben, die Folgen eines solchen Beschlusses für
das Gesundheitswesen der Bevölkerung erkennt, und sie für
ein Verbrechen am Wohle derselben hält, was gedenkt er zu
tun um den Beschluss, wenn er gefasst ist, rückgängig
zu machen oder wenn er bloss geplant ist. zu verhindern?
Prag, am 13.
Dezember 1928.
Die Wiener "Arbeiterzeitung" vom
14. Dezember 1928 meldet:
"Mittwoch nachmittag wurde bei der Donau
- Dampfschiffahrts - Gesellschaft ein nach Budapest bestimmter
Schlepper verladen. Beim Verladen brach eine Kiste, sodass der
Inhalt sichtbar wurde. Zur grössten Ueberraschung fand man
in der auf dem Frachtbrief als Rohölmotore deklarierten Kiste
Maschinengewehrgurten. Die diensthabenden Zollbeamten liessen
daraufhin die bereits verladenen sechs anderen Kisten derselben
Sendung wieder ausladen und beschlagnahmten sie. Bei der Oeffnung
ergab sich, dass sämtliche Kisten Maschinengewehrmaterial,
Läufe, Verschlussbestandteile usw. enthielten.
Die Kisten, die das Signum M. W. tragen, sind
von der Speditionsfirma Blum und Popper aufgegeben worden. Die
Auftraggeber, angeblich eine Motorenfabrik, die jedenfalls für
die falsche Deklarierung verantwortlich ist, wurde von den Zollorganen
telephonisch aufgerufen, konnte aber keine befriedigende Erklärung
geben. Die Kisten wurden später von der Polizei in Gewahrsam
genommen."
Das ungarische Telegraphen - Korrespondenzbüro
hat zwar mitgeteilt, dass in Budapest über diese Angelegenheit
nichts bekannt ist, doch kann diese offiziöse Ableugnung,
insbesondere nach dem bekannten Präzedenzfalle von St. Gotthard,
niemanden darüber hinwegtäuschen, dass tatsächlich
Waffenschmuggel nach Ungarn betrieben wird und es besteht die
berechtigte Befürchtung. dass neben den wenigen entdeckten
Schiebungen auch noch andere unentdeckt gebliebene Waffentransporte
durchgeführt worden sind.
Diese Erscheinungen sind geeignet, die grösste
Beunruhigung hervorzurufen. Wir sehen uns daher genötigt,
den Herrn Minister zu fragen:
Ist er bereit, dem Abgeordnetenhause über
die Waffentransporte nach Ungarn Bericht zu erstatten und mitzuteilen,
was die Regierung unternehmen will, um den daraus drohenden Gefahren
entgegenzuwirken?
Prag, den
19. Dezember 1928.
Das im Jahre 1926 beschlossene Gehaltsgesetz
hat die berechtigten Forderungen der staatlichen und öffentlichen
Angestellten keineswegs befriedigt, insbesondere den unteren Kategorien
gar keine materiellen Vorteile, dagegen aber eine Verchlechterung
ihner dienstrechtlichen Verhältnisse und insbesondere der
Beförderungs- und Vorrückungsbestimmungen gebracht und
das durch die Gesetze 394/1922 und 2861/1924 begangene Unrecht
nicht gutgemacht.
Wenn aber die im Jahre 1926 getroffene Regelung
schon damals völlig unzureichend und unglücklich war,
so ist sie durch die nachfolgende wirtschaftliche Entwicklung
ganz und gar unhaltbar geworden. Die Einführung fester Zölle
auf Getreide und Getreideprodukte, die Steuerpolitik der Regierung,
namentlich die Erhöhung der Zuckersteuer, endlich in nicht
geringem Masse auch die fortgesetzte Steigerung der Mietzinse
haben die Lebenshaltung der auf feste Gehalte oder Löhne
angewiesenen Schichten der Bevölkerung bedeutend verschlechtert.
Für die auf diese Weise herbeigeführte Erhöhung
des zum Lebensunterhalte unmittelbar notwendigen Aufwandes haben
die staatlichen und öffentlichen Angestellten keinerlei Aequivalent
erhalten, sie sind im Gegenteil durch die ohne Befragung der zuständigen
Organisationen diktatorisch durchgeführte Systemisierung
neuerlich empfindlich geschädigt worden.
Aus diesem Grunde haben die Gefertigten bereits
entsprechende Initiativanträge dem Parlament unterbreitet
(Druck 1825 und 1872). Es ist nun selbstverständlich notwendig,
dass die Regierung endlich ihre Stellungnahme zu einer für
Hunderttausende von Menschen geradezu lebenswichtigen Frage klar
präzisiert.
Wir fragen daher die Regierung:
Welche Stellung nimmt die Regierung gegenüber
der Auszahlung eines ausserordentlichen Teuerungszuschusses an
die oben genannten Staats- und öffentlichen Angestellten
ein?
Prag, den
19. Dezember 1928.
Durch die Regierungsverordnung vom 28. November
1928 soll eine Regelung des Flaschenbierhandels herbeigeführt
werden, die darin besteht, dass im allgemeinen Flaschenbierhandel
die Flaschen: a) mit einem Korkpfropf oder b) mit einem sogenannten
Kronenverschluss verschlossen werden müssen. Dabei wird aber
gleichzeitig festgesetzt, dass den zum Bierausschank berechtigten
Gast- und Schankgewerbetreibenden das Recht erteilt wird, im Flaschenbierhandel
den sogenannten Patentverschluss bei den Bierflaschen beizubehalten.
Es wird somit für einen Teil des Flaschenbiervertriebes
ein Privilegium geschaffen, welches weder fiskalisch noch volkswirtschaftlich
oder sozialpolitisch berechtigt ist. Ist der Patentverschluss
aus hygienischen Gründen als gesundheitsschädlich zu
beanständen, so gilt dies für den gesamten Flaschenbierverkehr,
gleichgültig welcher Kategorie die Flaschenbierhändler
angehören und wäre infolgedessen für alle ohne
Ausnahme zu verbieten. Trifft dies aber nicht zu, dann ist nicht
einzusehen, warum er nicht allgemein gestattet wird. Auf jeden
Fall fehlt die Berechtigung, einem Teile des Flaschenbierhandels
eine Ausnahmsstellung, ein Monopol zu gewähren und eine einseitigen
Bevorzugung zu schaffen, durch welche das Rechtsempfinden der
Bevölkerung im allgemeinen schwer verletzt werden würde.
Wir verweisen darauf, dass dem Handelsministerium
Gutachten des Bakteriologischen Institutes in Prag, des wissenschaftlichen
Institutes für Brauindustrie, sowie des Städtischen
Marktamtes in Prag vorliegen, aus denen hervorgeht, dass. der
Patentverschluss in gesundheitlicher Beziehung einwandfrei ist,
so dass als Grund der Verordnung nicht hygienische Bedenken geltend
gemacht werden können. Handelt es sich aber darum, den unbefugten
Ausschank oder einen unbefugten Handel mit Flaschenbier unmöglich
zu machen, so erscheint diese Verordnung nicht der geeignete Weg,
um dieses Ziel zu erreichen.
Im allgemeinen sollte es das Ziel der Regierung
sein, im Güterverkehr den rationellsten und billigsten Weg
zu suchen, der die Waren vom Produzenten zum Konsumenten führt.
Nun steht ausser Zweifel, dass durch die Vorschriften der Verordnung
über die Verkorkung oder den Kronenverschluss eine Mehrarbeit
und eine Mehrbelastung entsteht, welche naturgemäss zu einer
Verteuerung des Bieres führen muss. Dies kann unmöglich
der Zweck dieser Verordnung sein, weil dies den volkswirtschaftlichen
Interessen widersprechen würde.
Will die Regierung den unbefugten Handel mit
Flaschenbier treffen und beseitigen, dann kann dies nur so geschehen,
dass der Verschluss mit einer Bandrolle oder Plombe versehen wird,
um den Kontrollorganen zu jederzeit die Feststellung über
die Herkunft der Flaschen und die Ahndung von Gesetzesübertretungen
zu ermöglichen. Der Patentverschluss erfreut sich in Konsumentenkreisen
wegen seiner Bequemlichkeit grosser Beliebtheit und es würde
die Verletzung eines Gewohnheitsrechtes bedeuten, wenn nun plötzlich
die Verwendung dieses Verschlusses für einen Teil der Bierabfüllereien
verboten würde.
Die Interpellanten verweisen ferner darauf,
dass eine Menge von Materialien (Flaschen, Bügel, Gummi,
Gummiringe, Porzellanhülsen), vernichtet werden müsste,
was ebenfalls den volkswirtschaftlichen Interessen widerspricht.
Sie verweisen schliesslich darauf, dass in Oesterreich mit Verordnung
vom 12. Jänner 1927 Nr. 19 alle Beschränkungen bezüglich
der Verwendung des Patentverschlusses für Bierflaschen aufgehoben
worden sind. Es ist somit die Tschechoslowakische Republik der
einzige Nachfolgestaat der alten Monarchie, in welchem die Verordnung
vom Jahre 1899 zu neuem Leben erweckt werden soll und auch der
einzige Staat der Welt, in welchem der Patentverschluss dem Flaschenbiergewerbe
zum Zwecke der Gewährung eines Monopols für das Verschlussgewerbe
entzogen wird.
Die Gefertigten stellen daher die Fragen:
1. Wie rechtfertigt die Regierung die Bevorzugung
eines Teiles der Flaschenbierhändler, denen mit dieser Verordnung
eine Monopolstellung eingeräumt wird?
2. Ist die Regierung bereit, diese Verordnung
aus den vorangeführten Gründen aufzuheben und eine einheitliche
Behandlung für den Gesamtflaschenbierhandel einzuführen?
Prag, den
19. Dezember 1928.
Seit etwa 1 Monat werden fast sämtliche
in Leinen gebundene Bücher, die aus Deutschland kommen, mit
der Begründung verzollt, dass die zu den Einbänden verwendeten
Stoffe nicht Buchbinderleinen seien. Bisher waren alle
derartigen Bücher anstandslos zollfrei hereingekommen, nun
werden sogar Kosmosbändchen und Göschenbüchel,
die grobfasrigen Umschlagleinen gebunden sind, mit 12 Kè
für das Kilogramm Buchgewicht verzollt. Dadurch werden die
deutschen Bücher, die entsprechend ihrer
Massenerzeugung vielfach nicht anders als in Leinen gebunden geliefert
werden, um etwa 20% im Preise erhöht.
Die Zollmassnahme hat also die Wirkung einer
Abschnürung des Sudetendeutschtums vom Geistesleben jenseits
der Grenze, da bei den hiesigen schlechten Erwerbsverhältnissen
in der breiten Masse der Leser jede einzelne Krone ins Gewicht
fällt, die beim Bücherbezug mehr ausgegeben werden muss.
Auf diese Weise erschlägt der Fiskalismus in vielen Fällen
die Kulturbedürfnisse der Deutschen in der Èechoslovakei.
Da die Gefertigten nicht gesonnen sind dies
ruhig hinzunehmen, stellen sie hiemit an den Herrn Finanzminister
die Anfrage:
Sind Sie gewillt die Zolleinhebung auf Leinen
gebundene Bücher wieder einzustellen oder womit begründen
Sie diese Drangsalierung der deutschen Leserschaft in der
Èechoslovakei?
Prag, am 17.
Dezember 1928.
Den Eisenbahn - Pensionisten und Witwen - Pensionistinnen
sind von ihren Ruhe- und Versorgungsgenüssen für die
Jahre 1923 bis einschliesslich 1926 allmonatlich im Vorhinein
pauschalierter nach einer gewissen Schablone Personaleinkommensteuerabzüge
ohne Berücksichtigung des nach den gesetzlichen Bestimmungen
tatsächlich verbleibenden steuerpflichtigen Einkommens gemacht
worden. Diese schablonenhafte Art der Abzüge für Personaleinkommensteuer
hatte in den meisten Fällen ein Uebermass an Steuerleistung
zur Folge und es sollte alljährlich im Nachhinein eine Ueberprüfung,
bezw. ein Ausgleich durchgeführt und der zuviel in Abzug
gebrachte Betrag von der Liquidatur für Ruhe- und Vorsorgungsgenüsse
der tschechoslowakischen Staatsbahnen an die Pensionisten und
Witwen - Pensionistinnen zurückerstattet werden. Diese Steuerausgleiche,
bezw. Rückzahlungen der für die Jahre 1923 bis einschliesslich
1926 zuviel in Abzug gebrachten Geldbeträge an die Betroffenen
sind jedoch zum grossen Teile trotz ungezählter Reklamationen
und Interventionen bis zum heutigen Tage nicht durchgeführt
worden. Die den zur Bestreitung ihres Lebensunterhaltes auf ihre
kargen Ruhegenüsse angewiesenen Pensionisten und Witwen -
Pensionistinnen widerrechtlich zuviel in Abzug gebrachten und
seit Jahren vorenthaltenen Steuergelder betragen in vielen Fällen
hunderte von Kronen.
Die Ursache der bis heute nicht durchgeführten
Steuerausgleiche und der jahrelangen widerrechtlichen Vorenthaltung
der zuviel in Abzug gebrachten Steuerbeträge liegt hauptsächlich
an den unzulänglichen Personal- und Raumverhältnissen
der Liquidatur für Ruhe- und Versogungsgenüsse, die
ein Aufarbeiten der dort seit Jahren angesammelten und wirr durcheinander
aufgehäuften zehntausenden von Akten nicht ermöglichen.
Die in der Pensionsliquidatur der tschechoslowakischen Staatsbahnen
bestehenden skandalösen Zustände waren bereits wiederholt
Gegenstand von öffentlichen Kritiken sowohl in der Presse
als auch auf parlamentarischen Boden. Der Interpellant selbst
hat im Laufe der letzten Jahre schon zu wiederholtenmalen bei
verschiedenen Gelegenheiten sowohl in Ausschüssen als auch
im Plenum des Abgeordnetenhauses, so zuletzt auch bei der Beratung
des Kapitels Eisenbahnen des Staatsvoranschlages für das
Jahr 1929 die unhaltbaren Personal- und Raumverhältnisse
der Pensionsliquidatur einer kritischen Beleuchtung unterzogen
und hiebei an den Herrn Eisenbahnminister den Appel gerichtet,
er möge sich durch einen persönlichen Augenschein von
den geschilderten Tatsachen überzeugen und unverzüglich
Abhilfe schaffen.
In den unzulänglichen Personal- und Raumverhältnissen
der Liquidatur ist jedoch bisher nichtsgeändert worden und
es scheint auch in dieser Richtung nicht das Geringste veranlasst
worden zu sein. Die Kanzleiräume in der Abteilung für
Steuerangelegenheiten der Liquidatur sind geradezu schauderhaft,
sie sind im höchsten Masse gesundheitsschädlich und
für Kazleizwecke überhaupt nicht geeignet. Beweis hiefür
sind die vielen Erkrankungen der in diesen Räumen diensttuenden
Angestellten.
Eine Sanitätskontrolle hat in diesen Räumen
unseres Wissens nach noch niemals stattgefunden. Die Beamten und
Angestellten müssen dicht aneinandergedrängt in einem
vollständig unzureichenden Raume ihre Arbeiten verrichten,
in welchem ausserdem noch gegen 80.000 Akten aufgestappelt sind
und in welchem infolge der massenhaften Interventionen sich auch
ein starker Parteienverkehr abwickelt. Bei dieser Unordnung sind
schon häufig Dokumente in Verstoss oder Verlust geraten,
wodurch die betroffenen Pensionisten und Witwen - Pensionistinnen
genötigt waren, schon mehrmals beigebrachte Dokumente neuerlich
zu erbringen, was für sie zumeist auch mit nennenswerten
Unkosten durch Bahnfarten und Erlegung von Amtshandlungsgebühren
verbunden ist. Es verlangen z. B. einzelne Steuerämter für
die Ausfertigung einer Bestätigung über die erfolgte
Steuervorschreibung Beträge von 15 Kè bis 30 Kè
an Amtshandlungsgebühr, die von den Pensionisten selbst bezahlt
werden muss. Würde die Liquidatur über
solche in Verlust oder Verstoss, geratene Dokumente amtlich bei
den Steuerämtern anfordern, so würden diese Belege kostenlos
beigestellt werden. Das geschieht jedoch infolge der in der Liquidatur
herrschenden Zustände nicht.
Bis zum 1. Jänner 1927 waren noch viele
tausende Steuerakte unerledigt. Infolge der Arbeiten an den alten
Rückständen ist nun auch die laufende Arbeit nach dem
neuen Steuergesetze für das Steuerjahr 1927 in Rückstand
geraten, die nun vor allem jetzt nachgeholt werden soll. Mit dieser
letzteren Arbeit ist nun die Liquidatur bereits seit Anfang November
beschäftigt und es dürften, wenn in den geschilderten
Zuständen keine Abhilfe geschaffen wird, noch eine Reihe
von Monaten vergehen, bis diese laufende Arbeit fertiggestellt
sein wird. Inzwischen werden sich aber auch die Akten schon wieder
für das Steuerjahr 1928 anhäufen, sodass der Rückstand
einen immer grösseren Umfang annehmen wird. Dies hat nun
zur Folge, dass die alten Steuerakte der Jahre 1923 bis einschliesslich
1926, von denen noch cirka 30.000 unerledigt liegen, wieder auf
lange Zeit hinaus vollständig zurückgestellt und den
betroffenen Pensionisten die zuviel in Abzug gebrachten Personaleinkommensteuerbeträge
auch weiterhin widerrechtlich vorenthalten werden.
Die Gefertigten fragen deshalb den Herrn Eisenbahnminister:
Was gedenkt der Herr Minister zu tun, damit
die hier geschilderten skandalösen Zustände beseitigt
und die seit Jahren von den Ruhegenüssen für Personaleinkommensteuer
zuviel in Abzug gebrachten und widerrechtlich vorenthaltenen Geldbeträge
den betroffenen Pensionisten und Witwen - Pensionistinnen raschestens
zurückgezahlt werden?
Prag, den
19. Dezember 1928.