Die alte Erfahrung, dass alle sozialpolitischen
Gesetze erst durch eine wirksame Art der Durchführung ihren
Wert erhalten, gilt von Schutzbestimmungen zugunsten von Kindern
und jugendlichen Personen in erhöhtem Masse. Denn hier handelt
es sich um Personen, welche den Weg der Selbsthilfe zu betreten
noch nicht imstande sind, denen also die Möglichkeit fehlt,
aus eigener Kraft die Durchführung von Gesetzbestimmungen
zu erzwingen. Umso dringender ist es notwendig, dass der Staat
die entsprechende Vorsorge trifft, um seinen Anordnungen praktische
Geltung zu verschaffen und umso schwerer die Verantwortung aller
zuständigen Faktoren, wenn sie in dieser Beziehung nicht
voll ihre Pflicht erfüllen. Von diesem Gesichtspunkte aus
muss gegen das Ministerium für soziale Fürsorge der
schwere Vorwurf erhoben werden, dass es die notwendigen Durchführungsmassnahmen
zum Gesetze über die Kinderarbeit (Gesetz vom 17. Juli 1919,
Slg. d. G. u. V. Nr. 420) noch nicht getroffen hat. § 13
dieses Gesetzes ordnet an, dass zur Ueberwachung der Kinderarbeit
besondere Inspektionsorgane bestellt werden, dass die Politische
Landesverwaltung besondere Kommissionen für die Ueberwachung
der Kinderarbeit bilden könne, dass die Organisationen für
Kinderschutz und Jugendfürsorge zur Mitarbeit heranzuziehen
sind, wofür das Ministerium für soziale Fürsorge
nähere Ausführungsbestimmungen zu erlassen hat.
Diese Massnahmen sind bisher nicht verwirklicht
worden, obwohl erst sie das Gesetz wirksam machen würden.
Insbesonders ist die Unterlassung der Bestellung von eigenen Inspektionsorganen
ein schwerer Mangel, der die guten Absichten des Gesetzgebers
zum grossen Teil vereitelt. Unsere Gewerbeinspektion liegt ja
überhaupt im Argen, es sind zu wenig Inspektionsorgane vorhanden.
Unsere alten Forderungen, dass den Gewerbeinspektoren die entsprechende
Exekutivgewalt verliehen, dass die Arbeiter in den Betrieben zur
Mitwirkung herangezogen und dass weibliche Gewerbeinspektionsorgane
bestellt werden, bleiben einfach unbeachtet. Dass die an sich
unzureichende Gewerbeinspektion den besonderen Aufgaben, die sich
aus der Ueberwachung der Kinderarbeit ergeben, nicht gewachsen
sein kann, ist durchaus selbstverständlich. Es ist einleuchtend,
dass gerade für diesen Zweig der sozialen Fürsorge besonders
qualifizierte Arbeitskräfte, welche die notwendige Energie
mit Verständnis und Taktgefühl verbinden, erforderlich
sind. Auch die enge Zusammenarbeit mit den Organisationen für
Kinderschutz und Jugendfürsorge erweist sich aus diesen Gründen
als dringend erforderlich.
Da das Ministerium für soziale Fürsorge
diesen Dingen bisher durchaus nicht die notwendige Aufmerksamkeit
gewidmet hat, fragen die Gefertigten:
Wann gedenkt der Herr Minister, die im §
13 des Gesetzes vom 17. Juli 1919, Nr. 420 Slg. d. G. u. V., vorgesehenen
Durchführungsmassnahmen zu verwirklichen und ins besonders
die dort vorgeschriebene Bestellung eigener Aufsichtsorgane tatsächlich
durchzuführen?
Prag, den
14. Februar 1929.
Das Gesetz vom 13. Juli 1922, Nr. 236 Slg.
d. G. u. V., schreibt im § 5 vor, dass in allen politischen
Bezirken Bezirkssanitätsräte, bezw. in den Städten
mit eigenen Statuten Gemeindesanitätsräte errichtet
werden. In diese Körperschaften sind nach dem Gesetze Mitglieder
der Gemeindevertretungen, Vertreter der Krankenversicherungsanstalten
und der gewerkschaftlichen Organisationen der Arbeiter, sowie
Fachmänner zu berufen.
Die Sanitätsräte haben die Aufgabe,
Anträge und Gutachten in sanitären, sozial - sanitären
und humanitär - sanitären Angelegenheiten zu erstatten
und bei der Aufsicht über die diesen Zwecken dienenden Anstalten
und Einrichtungen mitzuwirken, ferner bei Epidemien als Epidemie
- Kommissionen zu fungieren. Es bedarf keiner näheren Ausführung,
dass diese Körperschaften eine ausserordentlich segensreiche
Wirksamkeit zu entfalten vermöchten, wenn sie, wie das Gesetz
vorschreibt, zeitgerecht. konstituiert worden wären.
Dies ist aber bisher noch immer nicht geschehen,
obwohl die Verordnung vom 11. Jänner 1923, Nr. 24 Slg. d.
G. u. V., im § 10 vorschreibt, dass die Sanitätsräte
binnen 3 Monaten nach Kundmachung der Verordnung errichtet werden
müssen. In dieser Verordnung wird auch den Krankenversicherungsanstalten
und gewerkschaftlichen Organisationen ein Vorschlagsrecht hinsichtlich
der aus ihrem Kreise zu berufenden Mitglieder, sowie den Bezirksausschüssen
hinsichtlich eines Teiles der Fachmänner eingeräumt.
Die zitierte Verordnung ist am 12. Februar
1923 kundgemacht worden, es sind also nicht 3 Monate, sondern
6 Jahre verstrichen, ohne dass das Gesundheitsministerium die
dort festgelegten Vorschriften erfüllt hätte.
Da demnach eine schwere Pflichtverletzung des
Gesundheitsministeriums vorliegt, fragen wir den Herrn Minister:
Wann gedenkt er die im § 5 des Gesetzes
236/22, bezw. in der Verordnung 24/23 vorgesehenen Bezirks- und
Gemeindesanitätsräte zu errichten?
Prag, am 14.
Februar 1929.
Am 8. Feber 1929 hat der Leiter der politischen
Bezirksbehörde in Komotau, Dr. Theodor Wagner die Gemeindeverwaltungskommission,
die seit der erfolgten Vereinigung der Städte Komotau und
Oberdorf bis zur Wahl der neuen Stadtvertretung deren Geschäfte
führte, aufgelöst. Diesen Gewaltakt begründete
der Bezirkshauptmann mit folgenden Worten seiner amtlichen Kundmachung:
"Die aus deutschen Nationalsozialisten,
Kommunisten und Deutschnationalen bestehende Mehrheit der von
der Staatsverwaltung eingesetzten Gemeindeverwaltungskommission
in Komotau glaubte wegen Übergehung ihrer Parteien bei der
Ernennung von Fachleuten für die Bezirksvertretung in Komotau
gegen die Staatsregierung demonstrieren zu müssen, indem
sie den für die definitive Unterbringung der Bezirksbehörde
in Komotau vorgesehenen Kredit aus dem Voranschlage ausgeschieden
hat."
Der Bezirkshauptmann hat damit eine amtliche
Kundmachung dazu missbraucht, um bewusst und mit Absicht eine
unrichtige Darstellung zu geben und dieselbe zum Anlasse eines
ungesetzlichen Aktes zu machen. Die Gemeindeverwaltungskommission
hat unter den Auswirkungen des Gemeindefinanzgesetzes sich
veranlasst gesehen, einen Kredit von 1,250.000 Kè für
den Aufbau eines Stockwerkes auf das Gerichtsgebäude zwecks
Unterbringung des Bezirksamtes abzulehnen, weil die Bezirksbehörde
genügend Lokalitäten von der Gemeinde und auf Kosten
der Gemeinde beigestellt erhielt. Es ist unerhört,
dass der Bezirkshauptmann den Beschluss einer autonomen Körperschaft
in einer bewusst unrichtigen und frei erfundenen Weise zu interpretieren
wagt und diese seine Interpretierung zum Anlasse eines behördlichen
Gewaltaktes nimmt.
Als die Gründe für die Auflosung
der Gemeindeverwaltungskommission wahrheitsgemäss in Nr.
33 des Deutschen Volksblattes in Komotau vom gewesenen Bürgermeister
Dr. Storch geschildert wurden, hat der Bezirkshauptmann unter
Berufung auf § 19 des Pressgesetzes diesem Blatte eine Berichtigung
geschickt, in welcher er seine unrichtigen Behauptungen und seine
frei erfundene Interpretierung des Kommissionsbeschlusses wiederholt.
Das Vorgehen des Bezirkshauptmannes ist auch
vollkommen ungesetzlich. Nach der noch heute geltenden Gemeindeordnung
ist der Bezirkshauptmann verpflichtet, im Falle der Auflösung
bis zur Einsetzung der neuen Gemeindevertretung die erforderlichen
Massnahmen im Einverständnis mit dem Bezirksausschuss zu
treffen. Das hat der Bezirkshauptmann nicht getan, sondern hat
eigenmächtig einen Regierungskommissär ernannt und in
sein Amt eingesetzt.
Als am Sonntag, den 10. d. M. eine Volksversammlung
in Komotau stattfand, in welcher die erregte Bevölkerung
von dem gewesenen Bürgermeister Dr. Storch über die
Auflösung der Gemeindeverwaltungskommission in einwandfreier
und richtiger Weise hätte aufgeklärt werden sollen,
liess Bezirkshauptmann Dr. Wagner durch den Regierungsvertreter,
Rat Dr. Huder die Versammlung vorzeitig auflösen und wollte
sogar durch Gensdarme mit aufgepflanztem Bajonett den Saal räumen
lassen. Damit hat der Bezirkshauptmann selbst gezeigt, dass seine
Handlungsweise das Urteil der Oeffentlichkeit scheuen muss und
hat sich hinter den Schutz von Gensdarmeriebajonetten verschanzt.
Die Unterzeichneten fragen daher den Herrn
Innenminister:
1. Ob er bereit ist, die ungesetzliche und
mit falschen Behauptungen begründete Massnahme der Auflosung
der Gemeindeverwaltungskommission von Komotau sofort aufzuheben
und die Gemeindeverwaltungskommission wieder in ihre Rechte einzusetzen?
2. Ob er bereit ist, den Bezirkshauptmann Dr.
Theodor Wagner, der sich ein ungesetzliches Vorgehen hat zuschulden
kommen lassen, in Untersuchung zu ziehen und bis zum Abschlusse
der Untersuchung von seinem gegenwärtigen Dienstposten in
Komotau zu entheben?
Prag, am 14.
Februar 1939.