Die Stadt Buchau war, weil sie bei der letzten
Volkszählung 2014 Einwohner hatte, im Sinne des § 12
des Gesetzes 103/1926 in die Aktivitätszulagen-Klasse C eingereiht.
In der nachfolgenden Zeit wurde der Ortsteil Taschwitz von der
Gemeinde Buchau abgetrennt. Dieser Ortsteil hatte bei der letzten
Volkszählung 191 Einwohnung die Einwohnerzahl von Buchau
unter 2000, weshalb Buchau in die Aktivitätszulagen-Klasse
D eingereiht wurde.
Diese Rückversetzung in die niedrigere
Aktivitätszulagen-Klasse entspricht zwar streng dem Wortlauf
des Gesetzes, keineswegs aber dem Geiste des Gesetzes.
Auf Grund dieser Preisverhältnisse wäre
es sicherlich recht und billig, die Stadt Buchau widerum in die
höhere Ortsklasse C einzureihen und den ursprünglichen
Zustand wieder herzustellen.
Die Unterzeichneten fragen daher den Herrn
Innenminister und den Herrn Finanzminister, ob dieselben geneigt
und bereit sind, die Stadt Buchau im Verordnungswege wiederum
in die Aktivitätszulagenklasse C im Sinne des § 12 des
Gesetzes 103/1926 umzureihen?
Prag, am 8.
März 1929.
Mit Beginn des Schuljahres 1928 - 1929 wurde
in der Gemeinde Brosdorf bei Wagstadt für 7 schulbesuchende
Kinder eine tschech. Minderheitsschule errichtet. Eine zum Zwecke
der Sicherstellung der notwendigen Räumlichkeiten in die
Gemeinde entsandte Kommission konnte geeignete Räumlichkeiten
nicht auffinden. Es wurde darauf der Turnsaal in der deutschen
Schule für die tschech. Minderheitsschule beschlagnahmt und
diese dort untergebracht. Später gelang es der Gemeinde.
für das Gendarmeriepostenkommando. das im alten Schulhause
dcr Gemeinde in Miete war, andere Räume bereitzustellen.
Die Räume des Gertdarmeriepostenkommandos wurden bei der
Kommissionierung für die Minderheitsschule geeignet befunden.
Als das Gendarmeriepostenkommando übersiedelt war, verständigte
die Gemeinde die politische Bezirksverwaltung Wagstadt, dass die
Räume des Gendarmeriepostenkommandos (Küche und 2 Zimmer)
für die Minderheitsschule nun zur Verfügung stünden
und diese übersiedeln könne. Von der politischen Bezirksverwaltung
langte keine Antwort ein. Als 2 Vertreter des Gemeinderates darnach
beim Bezirkshauptmann vorsprachen, erklärte dieser, dass
das Schulministerium nicht gewillt sei zu übersiedeln, bevor
nicht der ganze erste Stock des alten Schulgebäudes für
die Minderheitsschule mit 7 Kindern geräumt sei. Dieses Ansinnen
ist umso ungeheuerlicher als bei der Kommissionierung die Räume
des Gendarmeriepostenkommandos für geeignet und genügend
befunden worden waren und kurz vorher in einer ähnlichen
Beschwerde das Oberste Verwaltungsgericht entschieden hatte, dass
Turnsäle unumgänglich notwendige Lehrräume einer
Schule seien und nicht beschlagnahmt werden dürfen. Es ist
dies ein Schulbeispiel dafür, wie sich die Behörden
über eine Verwaltungsgerichtliche Entscheidung hinwegsetzen
und mit allen Mitteln eine deutsche Gemeinde zu schikanieren und
die deutsche Schule zu unterdrücken trachten.
Die Interpellanten fragen daher die beteiligten
Minister an:
Sind sie bereit, diesen Fall sofort strenge
zu untersuchen, den Turnsaal der deutschen Schule frei zu geben
und die Minderheitsschule in die bereitgestellten Räume zu
übersiedeln?
Prag, den
6. März 1929.
Die Finanzlandesdirektion in Troppau hat mit
Erlass vom 22. Feber 1929 Zl. II 41/7 auf meine schriftliche Vorstellung
vom 18. Feber 1929 mitgeteilt, dass sie nicht in der Lage ist,
im Hultschiner Gebiet tschechisch - deutsche Bekenntnisformulare
und tschechisch - deutsche Drucksorten überhaupt auszugeben,
weil der Hultschiner Gerichtsbezirk nach dem amtlich verlautbarten
Ergebnisse der letzten Volkszählung keine 20% deutsche Minderheit
besitzt, weshalb für sämtliche Bewohner dieses Gerichtsbezirkes
die allgemeinen Bestimmungen des Sprachengesetzes gelten.
Demgegenüber ist allgemein bekannt, dass
eine grosse Anzahl von Steuerpflichtigen im Hultschiner Bezirk
die tschechische Sprache nicht beherrscht. Diesen erwächst
nun durch die Verpflichtung zur Abgabe rein tschechischer Steuerbekenntnisse
ein schwerer Nachteil, der gewiss vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt
war. Es widerspricht dem gesunden Menschenverstand, einen Steuerträger
2u zwingen, sein Einbekenntnis in einer ihm unverständlichen
Sprache abzulegen.
Es wäre gewiss keine Verletzung des Sprachengesetzes,
wenn das Steueramt Hultschin einzelnen Personen, die darum ansuchen,
doppelsprachige Bekenntnisformulare ausfolgen würde. Wenn
der Staat das deutsche Geld nimmt, muss er dem deutschen Steuerzahler
auch im Hultschiner Ländchen gestatten, in seiner Sprache
einzubekennen. Zudem haben die Ergebnisse sämtlicher Wahlen
im Hultschiner Ländchen unzweideutig erwiesen, dass die deutsche
Minderheit in diesem Gebiete weit über 20% beträgt und
dass die letzte Volkszählung, die während des Ausnahmszustandes
im Hultschiner Gebiete unter einem ganz besonderen Drucke stattfand,
ein falsches Bild über das Nationalitätenverhältnis
gegeben hat. Deshalb erscheint es nur recht und billig, wenn auch
beim Steueramte in Hultschin%doppelsprachige Drucksorten aufgelegt
werden.
Da die Finanzlandesdirektion in Troppau einem
diesbezüglichen Wunsche nicht nachkam, stellen die Gefertigten
hiemit an den Herrn Finanzminister folgende Anfrage:
Sind Sie gewillt dafür zu sorgen, dass
im Hultschiner Gebiete tschechisch - deutsche Bekenntnisformulare
und tschechisch - deutsche Drucksorten überhaupt aufgelegt
und an alle Parteien ausgefolgt werden, die solche verlangen?
Prag, am 6.
März 1929.
Die Bezirksbehörde in Jägerndorf
hat dem Stadtrat die Mitteilung gemacht, dass alle Feierlichkeiten
zum Gedächtnisse für die bei den Unruhen am 4. März
1919 gefallenen Personen, in welcher Form immer sie veranstaltet
werden mögen, unzulässig sind und dass wegen Veranstaltung
von derartigen Feiern die Veranstalter sowohl von den Gerichten
als auch von den Polizeiämtern zur Verantwortung gezogen
werden können.
Diese Verlautbarung der Bezirksbehörde
Jägerndorf ist in der ganzen Republik einzig dastehend, denn
sie verbietet vom vornherein alle, auch die würdigsten und
ernstesten Totenfeiern für die unglücklichen Opfer des
4. März 1919. Es ist auch eine Verleugnung geschichtlicher
Tatsachen, wenn die Bezirksbehörde die blutigen Massnahmen
nervösgewordener Truppenkommandanten gegen die für das
Selbstbestimmungsrecht in ruhiger Art demonstrierende Bevölkerung
vom 4. März 1919 zu Unruhen stempelt. Es ist wohl ein für
einen demokratischen Staat unmöglicher Zustand, wenn eine
politische Bezirksbehörde in einer Weise, wie dies in Jägerndorf
der Fall ist, der Bevölkerung von vornherein auch jede ruhige
Totenfeier verbietet, während solche in hundert anderen Bezirken
anstandslos bewilligt wurden und stattfinden konnten.
Die Interpellanten fragen daher den Herrn Minister
an:
Ist er bereit, der Politischen Bezirksverwaltung
Jägerndorf Weisungen zu geben, damit sie diese sinnlose Bevormundung
und Beschränkung der Freiheit der Bevölkerung endlich
einstelle?
Prag, den
6. März 1929.
In der Reichenberger Zeitung vom 20. Feber
d. J. veröffentlichte die Bezirksbehörde in Warnsdorf
unter Zahl 124/35 B eine öffentliche Wettbewerbsausschreibung
für die Handwerker arbeiten beim Neubau des Bezirkssiechenhauses
in Warnsdorf. In dieser Ausschreibung findet sich folgender Absatz:
"Bewerber, welche tschechoslowakische
Staatsanleihe gezeichnet haben, haben zur Offerte den Nachweis
über die Höhe der Zeichnung beizuschliessen."
Dieser Zusatz, der an und für sich mit
dem Wettbewerbe logischerweise gar nichts zu tun hat, kann nur
die Bedeutung haben, dass die politische Bezirksbehörde Warnsdorf,
bezw. der Bezirksausschuss Warnsdorf denjenigen Offerenten den
Vorzug geben will, welche nachweisen, dass sie Staatsanleihe gezeichnet
haben.
Abgesehen davon, dass derzeit gar keine Staatsanleihe
zur Zeichnung aufliegt, dass die tschechoslowakischen Staatsanleihen
heute eine sehr gute Kapitalsanlage bilden, daher all überall
gerne gekauft werden und sich im Besitze einer grossen Anzahl
von Staatsbürgern befinden, welche sie nach der Emission
gekauft haben, ohne sich an der vorangehenden Zeichnung beteiligt
zu haben, abgesehen also davon, dass es jetzt, mehrere Jahre nach
dem Ablaufe der Zeichnungsfrist für diese Staatsanleihen,
geradezu ein Unding ist, zu verlangen, dass der Nachweis einer
Zeichnung auf Staatsanleihe beigebracht wird, ist dieser Zusatz
aus dem Grunde ungemein verdächtig, weil er die Befürchtung
gerechtfertigt erscheinen lässt, dass die ausschreibende
Behörde die Arbeiten nicht nach gerechten und sachlichen
Gesichtspunkten vergeben will, sondern nach anderen, insbesondere
nach politischen und nationalen.
Bei der Zusammensetzung der Warnsdorfer Bezirksvertretung
ist es ganz ausgeschlossen, dass sie jene Absatz beschlossen hätte.
Es ist vielmehr anzunehmen, dass die politische Bezirksbehörde
Warnsdorf diesen Zusatz eigenmächtig der Ausschreibung beigefügt
hat. Sie will offenbar deutsche Offerenten vom Wettbewerbe ausschliessen
und die Arbeiten tschechischen Handwerkern vergeben, obgleich
der Bezirk Warnsdorf ein rein deutscher Bezirk ist.
Die Gefertigten erblicken infolgedessen darin
den Versuch, das heimische Handwerk zu schädigen und fragen
demnach den Herrn Minister des Innern an:
1. Ist er gewillt, den vorstehenden Tatbestand
zu erheben?
2. Der politischen Bezirksverwaltung in Warnsdorf,
bezw. dem Bezirksausschusse in Warnsdorf aufzutragen, die Handwerks
arbeiten für das Warnsdorfer Siechenhaus neuerlich auszuschreiben
und den. oben angeführten Zusatz in dieser Ausschreibung
auszulassen?
Prag, am 7.
März 1929.
Die strenge Kälte des heurigen Winters
hat den Eisenbahnverkehr fast vollständig lahm gelegt, die
Organisationen des Verkehres aufgelöst und einen Zustand
geschaffen, wie er in Mitteleuropa wohl einzig dasteht. Wohl war
die Kälte heuer eine ausserordentliche Naturerscheinung,
aber sie war es in den Nachbarstaaten
nicht minder als in der Èechoslovakei. Nirgends aber sind
so trostlose Zustände eingetreten als hier zu Lande, denn
selbst die unter den allerschwierigsten Verhältnissen verkehrenden
Alpenbahnen im Staate Oesterreich haben ihre
Ordnung und Tüchtigkeit bewiesen. Damit ist auch gesagt,
dass die Kälte des heurigen Winters nur Folgeerscheinungen
der bereits zehn Jahre dauernden Sünden des hier herrschenden
Systems in krassester Weise ans Licht gebracht hat.
Durch zehn Jahre hat man
die Eisenbahnen zum Tummelplatz des èechischen Chauvinismus
gemacht. Bewährte und gewissenhafte deutsche Arbeitskräfte
wurden in grosser Zahl abgebaut und entlassen, an ihre Stelle
èechische Kräfte eingestellt, für deren Aufnahme
nur die Legitimation oder
das Sokolabzeichen massgebend war, wie es in letzer Zeit die Unterschlagung
von fast einer halben Million Kronen bei der Brünner Staatsbahn
- Direktion bewies. Èechischen Organisationen und Veranstaltungen
wurden Sonderzüge und Sonderfahrten im weitesten
Masse umsonst bewilligt und um trotz dieses Einnahmenentfalles
aktiv zu scheinen, sparte man an Neuanschaffungen und an Erneuerung
schadhaften Materials.
Unsere Bahnen hatten nur ganz unzureichende
Kohlenvorräte und diese ungeschützt angelegt, sodass
sie unter dem Einfluss der Witterung teilweise entwertet wurden.
Das aus gewissen Gruben nicht ohne protektionelle Rücksichten
bezogene Feuerungsmaterial, hat sich zum Teil als so minderwertig
erwiesen, dass es den durch die Kälte gesteigerten Anforderungen
an die Leistungen der Maschinen
nicht entsprechen konnte. Die vielfach in sehr verantwortungsvollen
Stellen befindlichen jungen èech. Bahnangestellten sind
den Anforderungen in keiner Weise gewachsen. So musste es kommen,
dass eine grosse Anzahl von Maschinen
nicht bei der Fahrt, sondern wärend der Ruhe im Heizhaus,
in dem man sie auskühlen liess und nicht Fachmännisch
behandelte schwere Schäden erlitten und für den Fahrdienst
unbrauchbar wurden. So war dies beispielsweise in einem Heizhaus,
in Niemes, in einer Nacht bei neun Lokomotiven der Fall.
In der gleichen Weise erlitten Waggons, ihre
Kuppelungs-, Beheizungs-, Beleuchtungs-, Brems- und Signaleinrichtungen
schwere Schäden und sind heute zum Grossteil unbrauchbar.
Selbst offizielle Stellen beziffern den Schaden
der Eisenbahnverwaltung auf 1 Milliarde Kronen, der Verkehr von
ca 1000 Personenzügen ist eingestellt, der Frachtenverkehr
stockt vollständig, fast kein Bahnamt kann Auskunft geben,
wann und ob einzelne Züge verkehren und ihr Ziel erreichen,
ja nicht einmal ein Verzeichniss der verkehrenden und eingestellten
Züge ist auf den Bahnhöfen angeschlagen oder erhältlich.
Industrien mussten wegen der stockenden Zufuhr stillgelegt werden
und obwohl im Lande Mangel an Kohle herrscht, mussten die Bergwerke
Feierschichten einlegen, weil die Bahn die Kohle nicht abtransportieren
konnte. Mit einem Wort, es herrscht ein vollständiger Zusammenbruch
der Organisationen des Eisenbahnwesens.
Unter solchen Umständen ist es unerklärlich,
warum die Eisenbahnverwaltung ein Anbot der sächsischen Bahnen,
50 Lokomotiven und entsprechendes Waggonmaterial samt Personal
zur Aushilfe zur Verfügung zu stellen, unter den fadenscheinigsten
und kleinlichsten Ausreden ablehnte.
Auch die organisierte rasche und zielbewuste
Einsetzung des gesamten Militärstandes zur Durchführung
von Notstandsarbeiten erfolgte unerklärlicher Weise nicht.
Vereinzeltes Eingreifen kleiner Abteilungen ändert an dieser
Tatsache nichts. In allen Kulturstaaten ist die Aufgabe der, militärischen
Ausbildung nicht nur die Heranbildung zum Kriegsdienste, sondern
auch die Ausbildung zu raschem und geschickten Eingreifen im Kampfe
gegen Elementarkatastrophen. Der Militärverwaltung hätte
der ungewöhnliche Winter ein willkommener Anlass sein müssen,
die Mannschaft im Kampfe gegen die Folgen des Unwetters einzusetzen
und sie dabei schulen zu können. Ein enges Zusammenarbeiten
in dieser Beziehung mit der Eisenbahnverwaltung hätte viel
von dem heutigen Verkehrschaos verhindert.
Die Eisenbahnverwaltung muss heute aus den
bestehenden Zuständen bereits die Folgerungen gezogen haben.
Sie muss feste Richtlinien aufstellen, nach denen auf Grund der
Erfahrung des letzten Jahres das ganze Eisenbahnwesen des Staates
neu aufgebaut und neu organisiert werden muss.
Die Fragesteller fragen daher den Herrn Minister
an:
Ist er bereit, jene Personen, die sich als
unfähig erwiesen haben, von den verantwortlichen Stellen
sofort zu entfernen und jene Richtlinien bekannt zugeben, nach
denen nunmehr in strenger und gewissenhafterweise die Neuorganisierung
des ganzen Eisenbahnwesens erfolgen soll?
Prag, den
7. März 1929.