Die in Deutschland wohnenden èechoslovakischen Staatsangehörigen
besitzen auf Grund der Reziprozität Anspruch auf eine Arbeitslosenunterstützung
auf Grund des dortigen Gesetzes über die Versicherung für
den Fall der Arbeitslosigkeit vom 16. Juli 1927 und umgekehrt
haben die reichsdeutschen Statsangehörigen, die in der Èechoslovakischen
Republik ansässig sind, Anspruch auf den Staatsbeitrag zur
Unterstützung im Falle der Arbeitslosigkeit auf Grund des
Gesetzes vom 19. Juli 1921, S. d. G. u. V.
Nr. 267.
Was die èechoslovakischen Angehörigen anbelangt, die
in Deutschland arbeiten, jedoch auf dem Gebiete des èechoslovakischen
Staates wohnen und welche der aus der Versicherung gegen Arbeitslosigkeit
erwachsenden Vorteile nicht teilhaftig werden
können, trotzdem sie zur Beitragsleistung an diese Versicherung
in Deutschland verpflichtet sind, wurde unsererseits bereits mehrere
Male der deutschen Regierung der Antrag gestellt, diese Frage
in Verhandlung zu ziehen.
Die deutsche Regierung hat zu diesem Antrage
bisher keine Stellung genommen.
Prag, am 4.
Mai 1929.
Die Feier der zehnjährigen Wiederkehr
der staatlichen Selbstständigkeit ist in Iglau auf Grund
eines Beschlusses des Stadtrates veranstaltet worden, in welchem
auch die Vertreter der deutschen Bevölkerung sitzen.
Zu der Feier, an der sich eine ungewöhnlich
große Menge von Einwohnern ohne Unterschied der Nationalität
und des Standes beteiligt haben, waren auch die Schulen und verschiedene
Vereine und Korporationen des Ortes eingeladen worden. Mit den
Hauseigentümern ist nicht separat verhandelt worden, sondern
sie sind ebenso wie die übrige Bevölkerung durch öffentliche,
Kundmachungen eingeladen worden, an der Feier teilzunehmen und
die Häuser mit Fahnen zu schmücken.
Mit der Aufgabe der Hissung der Staatsflagge
wurden seitens der zuständigen Schulleitungen zwei Schüler
betraut, welche vor der Feier - im Hinblicke auf den feiertagsmäßigen
Charakter der ganzen Feierlichkeit - mit einem Anzuge von gleicher
Farbe und gleichem Schnitte beteilt worden sind.
Der Bürgermeister der Stadt, welcher gleichzeitig
Vorsitzender des städtischen Schulausschusses ist, hat alle
einschlägigen Verfügungen in den Grenzen seiner Kompetenz
getroffen und liegt daher zu irgendeiner Verfügung kein Grung
vor.
Prag, den
18. April 1929.
Das Ministerium für soziale Fürsorge
widmet den Bestrebungen der Blindenvereine und Organisationen,
welche darauf abzielen, den Blinden einen selbständigem Erwerb
zu ermöglichen, bereits längere Zeit seine Aufmerksamkeit
und unterstützt sie in den Grenzen der Möglichkeit.
Es handelt sich hier nicht bloß um den Absatz der Bürstenbinder-
und Korbflechtererzeugnisse, sondern auch um die Beschaffung einer
Beschäftigung für die Blinden in den verschiedenen Produktionsunternehmungen.
Das Ministerium hat sich über ähnliche Bestrebungen
im Auslande, namentlich in Deutschland informiert und hat wahrgenommen,
daß es eine ganze Reihe von Fabriks- und anderen Unternehmungen
gibt, welche mit Erfolg in manchen Produktionszweigen Blinde beschäftigen
könnten, womit einer stattlichen Anzahl von Blinden eine
Existenz geschaffen werden könnte. Über direkte Anregung
des Ministeriums sind mehrere Blinden von der Firma Baa
in Zlín und in den Tabakfabriken aufgenommen worden. In
beiden Unternehmungen sind die Versuche sehr gut gelungen und
die Blinden haben einen anständigen Verdienst erreicht, der
im Laufe der Zeit bloß um weniges kleiner war; als der Verdienst
der sehenden Personen. Es ist zu erhoffen,
daß mit der Zeit es gelingen wird, den Blinden auch in anderen
Unternehmungen eine Beschäftigung zu beschaffen.
Was den Absatz der Bürstenbinder- und
Korbflechtererzeugnisse der Blinden anbelangt, hat das Ministerium
für soziale Fürsorge bereits mit seinem Erlasse vom
16. September 1922, Z. 7941/I, die kompetenten Staats- und Landeszentralbehörden
auf die Notwendigkeit aufmerksam gemacht, den Blindenvereinen
und Institutionen den Absatz dieser Erzeugnisse zu ermöglichen
und war in der Weise, daß der Bedarf der Amtsstellen und
Anstalten wenigstens zum Teile durch Einkauf bei ihnen gedeckt
werde. Diese Aufforderung wurde wiederholt und hatte guten Erfog.
Prag, am 27.
Mai 1929.
Der Film "Letzte Hoffnung" ist ein
amerikanisches Erzeugnis mit einer Tendenz gegen den Krieg, jedoch
nicht gegen die deutsche Nationalität gerichtet. Und nicltt
einmal die drei kurzen, in der Interpellation erwähnten episodischen
Szenen haben die Tendenz "das Ansehen des deutschen Volkes
herabzusetzen". Bei der Vorführung des genannten Films
auf der Prager Filmbörse waren auch Vertreter der Prager
deutschen Blätter anwesend und keines von diesen Blättern
hat in dem Film die in der Interpellation erwähnte Tendenz
gefunden Auch später, als der Film im Biograph "Metro"
in Prag öffentlich vorgeführt wurde, gab er keinen Anlaß
zur Beschwerde.
Die Leihanstalt hat übrigens diesen Film
nur au jene Biographen vergeben, die gleich nach seiner Vorführung
auf der Filmbörse auf ihn verbindliche Bestellungen gemacht
haben, und wird denselben nach Realisierung dieser Bestellungen
nicht weiter abgeben. Unter diesen Umständen habe ich keinen
Anlaß auf der Anregung der Interpellation hin eine Verfügung
zu treffen.
Prag, am 16.
Mai 1929.
Die Presseaufsicht über die in Reichenberg
erscheinende Druckschrift "Freigeist" übt die Staatsanwaltschaft
in Reichenberg aus. Deshalb habe ich die Beanwortung der angeführten
Interpellation übernommen.
Die Staatsanwaltschaft in Reichenberg beschlagnahmte
die Nr. 22 der genannten Druckschrift vom 9. März 1929 wegen
der in der Interpellation angeführten Stelle, in deren Inhalt
sie den Tatbestand des Vergehens nach § 300 StG. erblickte.
Das Kreisgericht in Reichenberg bestätigte
die Beschlagnahme, der Einspruch des Herausgebers der Zeitschrift
wurde als unbegründet verworfen, ebenso wurde von dem Obergericht
in Prag die gegen diese Entscheidung eingebrachte Beschwerde abgewiesen.
Da somit das Vorgehen der Staatsanwaltschaft
durch die Gerichte im Instanzenzuge überprüft und gesetzmäßig
befunden wurde, kann an der Beschlagnahme nichts ausgesetzt werden.
Bei diesem Stande der Dinge habe ich keine
rechtliche Grundlage für eine etwaige Verfügung.
Prag, den
15. Mai 1929.
Die Interpellation gibt nicht an, in welcher
Schule das in der Interpellation zitierte Buch von Karl May, das
aus der Schülerbibliothek an die Schüler verliehen wird,
sich befindet; dem Ministerium. für Schulwesen und Volkskultur
ist, ein solcher Fall nicht bekannt, und es war daher nicht möglich,
ihn zum Gegenstand einer Untersuchung zu machen. Zur Information
wird bemerkt, daß die Bücher für die Schülerbibliotheken
der Volksschulen keine Lehrmittel sind und daher der Approbation
des Ministeriums für Schulwesen und Volkskultur nicht unterliegen.
Was den in der Interpellation beanstandeten
Satz aus dem Artikel von Jan Herben "Der Weiße Berg"
im dritten Teile des Lesebuches für èechische Bürgerschulen
von Jursa "Auferstehung" betrifft, so wird konstatiert,
daß der Satz - der nicht vollständig zitiert ist -
nicht von der deutschen Nation spricht, sondern
sichtlich die Herrscher aus dem Hause Habsburg seit dem Jahre
1526 im Auge hat, wie aus dem zweiten Teile des interpellierten
Satzes und auch aus dem Sinne des ganzen Artikels zu entnehmen
ist.
Prag, des
11. Mai 1929.
Die in der Interpellation vorgebrachte Beschwerde
habe ich genau untersuchen lassen, und es sei mir gestattet, nach
dem Ergebnis dieser amtlichen Erhebungen zunächst einige
ungenaue oder unrichtige Angaben der Interpellation auf das richtige
Maß zurückzuführen.
Der Name des Beamten, den die Interpellation
betrifft, war dem Reisenden bekannt, wie am besten aus der Zuschrift
seines Rechtsfreundes hervorgeht, die von Eger den 28. November
19,28 datiert und an den erwähnten Eisenbahnbeamten adressiert
ist. Mit dieser Zuschrift verlangte der Rechtsfreund des Reisenden,
daß der erwähnte Eisenbahnbeamte, wenn er der gerichtlichen
Verfolgung und der Anzeige an die vorgesetzte Behörde sowie
der parlamentarischen Interpellation entgehen wolle, sein;
Bedauern ausspreche und zu Gunsten der Egerer Ortsgruppe des "Bundes
der Deutschen in Böhmen" den Betrag von 50 Kè
erlege.
Im Hinblick auf diese Tatsache war die Beantwortung
der Frage nach dem Namen des Beamten für die Station gegenstandslos.
Die schwere Beschuldigung gegen den Beamten,
als ob er im Dienste geschlafen hätte, hat sich nicht als
richtig erwiesen, und zwar schon deshalb, weil der Eisenbahnbeamte
gerade zu dieser Zeit mit der Abfertigung der Züge Nr. 1590
um 21.46 Uhr, des Schnellzuges Nr. 68 um 22.06 Uhr sowie mit den
Arbeiten für den Zug Nr. 1503, beschäftigt war, mit
welchem der Reisende fahren sollte und welcher um 22,19 Uhr abfährt.
Auch zur Anzeige einer Verspätung des Zuges bestand kein
Anlaß.
An die Kasse, die ganz im Einklang mit den
geltenden Vorschriften zu der Zeit noch geschlossen war, kam der
Reisende um 21.46 Uhr und keineswegs um 22 Uhr, wie in der Interpellation
gesagt wird. Allein der Expedient öffnete trotzdem sogleich
die Kasse und ersuchte den Reisenden um ein wenig Geduld, damit
er die Lampe zum Schalter schieben und die Kasse zur Ausgabe der
Fahrkarten vorbereiten könnte. Der Reisende verhielt sich
bei dieser Gelegenheit nicht ruhig, sondern sprach laut etwas
im Egerer, für den Beamten unverständlichen Dialekt,
wobei er in verschiedenem Zusammenhang das Wort "èechische"
gebrauchte. Die Zehnkronennote, die er in der Hand hielt, wollte
er nicht früher hergeben, als bis er die Fahrkarte erhält.
Der Reisende benahm sich somit nicht auf eine
Art und Weise, wie dies die Eisenbahnvorschriften und insbesondere
die Eisenbahnbetriebs- und Verkehrsordnung als Minimum der Pflichten
der Reisenden im Interesse der Ordnung verlangen, sodaß
die Ablehnung der Ausgabe einer Fahrkarte durch den Eisenbahnkassier
unter diesen Umständen nicht unbegründet, sondern im
Einklang mit der geltenden Rechtsordnung war.
Allerdings, die Bemerkung des Eisenbahnbeamten,
über welche sich die Interpellation auch beschwert, war ungehörig,
und ich habe angeordnet, daß dem Beamten deshalb eine Rüge
erteilt werde.
Prag, den
16. Mai 1929.
Der mährisch-schlesische Landesschulrat
amtiert auf Grund des Sprachengesetzes in der Regel in der staatlichen,
ofiziellen Sprache. Mit den Gemeinden, Ortsschulräten, Schulverwaltungen
und mit der Lehrerschaft korrespondiert er nicht direkt, sondern
in der Regel im Wege der Bezirks (Stadt-) Schulausschüsse,
nur ausnahmsweise direkt. Die Erledigung der bei diesem Sprachgebrauche
entstandenen allfälligen Streitigkeiten kann mit Rücksicht
auf die Verschiedenheit der einzelnen Fälle nicht allgemein
geregelt werden, sondern bleibt auf Grund des § 7 des Sprachengesetzes
der Judikatur der zuständigen staatlichen Aufsichtsbehörden
vor behalten, welcher Judikatur nicht vorgegriffen werden kann.
Prag, am 8.
Mai 1929.
Der tragische Tod der in der Interpellation
genannten Schülerin der Schulexpositur in Oberschlag ist
durch die heurigen abnormalen Fröste und durch den unglücklichen
Zufall verschuldet worden, daß am 15. Jänner 1929 zu
der Zeit, als die Schülerin aus der Schule nach Hause ging,
ein starker Schneesturm ausgebrochen ist, wie in der Interpellation
selbst angeführt wird; von diesem Sturme ist die Schülerin
unterwegs überrascht worden und ihm unterlegen. Diese Umstände
sind am 16. Jänner 1929 von der zuständigen Gendarmeriestation
und durch die aus Anlaß der Interpellation vorgenommene
Untersuchung ermittelt worden.
Das tragische Ende der Schülerin kann
deshalb mit den Mängeln in der Unterbringung der Schulexpositur
in Oberschlag nicht in ursächlichem Zusammenhang gebracht
werden. Diese Mängel sind der Schulverwaltung bekannt und
die Schulbehörden haben alles unternommen, was in ihrer Kompetenz
stand, um durch Errichtung eines geeigneten Gebäudes Abhilfe
zu schaffen, wobei sie dauernd auf den Widerstand der örtlichen
Träger des Sachaufwandes für die genannte Schulexpositur
gestoßen sind. Die näheren Einzelheiten sind den Herren
Interpellanten wahrscheinlich bekannt, wie aus dem letzten Absatze
der Interpellation geschlossen werden kann, und es wird deshalb
bloß konstatiert, daß nach wiederholten und nachdrücklichen
Schritten der Schulbehörden im Jahre 1927 entsprechende Baupläne
vorgelegt und genehmigt worden sind und daß erreicht worden
ist, daß im Jahre 1928 der Ortsschulrat die Vornahme des
Baues beschlossen hat. Zur Durchführung des Baues wird geschritten
wenden können, sobald die Beschlüsse des Ortsschulrates
und der Gemeindevertretung (Beschluß vom 25. Februar 1929)
über die Beschaffung der Bedeckung des Bauaufwandes genehmigt
sein werden.
Prag, am 16.
Mai 1924.