Das Gehaltsgesetz Nr. 104/26 hat eine Reihe
von Fragen offen gelassen und ihre Regelung wie in vielen anderen
Fällen der Regierungsverordnung überlassen, § 23,
Abs. 2 sagt, daß durch Regierungsverordnung bestimmt werden
soll, wann außer den "im Gesetze bestimmten Fällen
und in welchem Umfange ein bestimmter Dienst in einem anderen
Dienstverhältnisse oder eine andere Anstellung für die
Erhöhung des Gehaltes angerechnet wird."
Dieser allgemein gehaltene Satz im Gehaltsgesetz
ist für viele Beamte, besonders aber für die Lehrerschaft
von großer Bedeutung, da unter diesen Begriff die Anrechnung
der Dienstzeit an Privatschulen, Taubstummen- und Blindenanstalten,
Übungsschulen, im Staatsdienste u. a., aber auch die stellvertretende
Dienstzeit an Bürgerschulen und die Regelung der Zuzählung
der Kriegsjahre für die Bürgerschuldienstzeit fällt.
Ebenso fällt darunter auch die Dienstzeit literarischer Lehrerinnen
als Handarbeitslehrerinnen und umgekehrt.
Seit 3 Jahren läßt diese Regierungsverordnung
nunmehr schon auf sich warten und den Betroffenen gehen monatlich
hunderte Kronen dadurch verloren. Wie verlautet, soll sie nun
endlich erscheinen, dabei aber Bestimmungen enthalten, welche
alle Hoffnungen vernichten. Die Verordnung sollte nach dem Willen
der Gesetzgeber die drückenden Härtendes Gehaltsgesetzes
mildern, bezw. beseitigen. Wenn es aber richtig ist, daß
die Verordnung die Bestimmung enthält, daß Nachzahlungen
für die Zeit vor Überreichung des Gesuches ausgeschlossen
sind - die Gesuche um Anrechnung von Dienstjahren können
erst nach Erscheinender Regierungsverordung eingebracht werden
- dann bedeutet ihr spätes Erscheinen nichts anderes, als
daß die Regierung die Beamten bezw. Lehrerschaft um ihre
wohl erworbenen Rechte betrügen wollte und aus diesem Grunde
die Herausgabe mit Absicht drei Jahre verzögerte. Gewiß
würden auf diesem Wege Millionen von Kronen erspart, das
Rechtsbewußtsein der Bevölkerung aber schwer erschüttert
werden, abgesehen davon, daß der § 213 unzweifelhaft
einen Rechtsanspruch auf die Anrechnung besonderer Dienstzeit
u. zw. vom Zeitpunkte der Gesetzwerdung, das ist also mit Wirksamkeit
vom d. Jänner 1926 gilt.
Die Gefertigten fragen daher den Herrn Minister
für Schulwesen und Volkskultur:
Sind Sie bereit, die fällige Regierungsverordnung
zum Gehaltsgesetz Nr. 104/26 über die Anrechnung besonderer
sofort herauszugebem und bekanntzugeben, warum sich die Herausgabe
drei Jahre lang verzögert hat?
Prag, am 23.
Mai 1929.
Der Bezirksverband Luditz des Bundes der Deutschen
in Böhmen überreichte im März d. J. ein Gesuch
bei der Bezirksbehörde in Luditz um Bewilligung der Veranstaltung
von Vereinsvorträgen, unter Vorlage der diesbezüglichen
Plakate. Die Bezirksbehörde bewilligte unter Zahl 7775 vom
5. April 1929 diese Veranstaltungen, jedoch mit der einschränkenden
Bestimmung, daß die Benützung von Plakaten mit gelber
Grundfarbe und schwarzem Drucke unzuläßig sei, weil
diese Farben den jetzigen staatsrechtlichen Verhältnissen
nicht entsprechend sind und daher öffentlichen Anstoß
erregen könnten.
Herr Staatspräsident Masaryk hat einmal
erklärt, daß er jede Politik kleinlicher Nadelstiche
als dumm bezeichnen muß, Man muß beider oben zitierten
Entscheidung sich unwillkürlich an diese Worte erinnern,
denn es ist mehr als lächerlich, wenn im jetzigen demokratischen
Zeitalter eine Staatliche Behörde Methoden anwendet, die
nicht einmal im Vormärz Anwendung gefunden haben.
Die Unterzeichneten fragen daher an, ob der
Herr Minister bereit ist, alles vorzukehren, damit sich solch
unsinnige Übergriffe untergeordneter Behörden nicht
wiederholen?
Prag, am 23.
Mai 1929.
Am 10. Mai d. J. hatte der Betriebsausschuß der Firma Haas
a Cjžek in Chodau nach Arbeitsschluß
eine Betriebsversammlung einberufen, in welcher über Urlaubsfragen
verhandelt werden sollte, Während der Betriebsausschuß
über die Verhandlung mit der Firma Bericht erstattete, erschien
der Kommandant der Gendarmerie Herr Kral mit 12 Gendarmen, erklärte
die Betriebsversammlung mit der Begründung, daß Betriebsversammlungen
nur im Betriebe gestattet sind, für verboten und lies die
Versammelten aus dem Lokale entfernen; als die Arbeiter auf die
Straße kamen, wurden sie von cca 40 - 50 Gendarmen empfangen
und es wurde eine Hetzjagd gegen de angesammelten Massen veranstaltet.
Der Staabswachtmeister Karlik hat einen Arbeiter mit dem Gewehrkolben
erheblich verletzt, obwohl nicht der geringste Anlaß dazu
gegeben war. Der Kommandant Kral bedrohte den Abgeordneten Haiblick
mit dem Säbel und forderte Gendarmen zu weiteren Attacken
gegen die Arbeiter an. Es ist dies nur ein einzelner Fall der
Gewalttaten der staatlichen Macht gegen das Proletariat, besonders
im Chodauer Gebiet während der Ausnahmezustandes, der verhängt
wurde, um die Kapitalisten und das Streikbrechertum zu schützen.
Dieses System von Gewalttaten gegen die Arbeiterklasse
wird von der Regierung veranlaßt und gefördert.
Wir fragen die Regierung:
1. Wird sie den, Ausnahmezustand welcher über
10 Gemeinden des Bezirkes Elbogen verhängt wurde, sofort
aufheben?
2. Ist sie bereit, den Kapitän Kral und
Staabswachtmeister Karlik sofort vom Dienst zu entheben und gegen
sie das Strafverfahren einzuleiten?
Prag, am 17.
Mai 1929.
Im "Orbis" Verlag, einem bekanntlich vom Aussenministerium
unterstützten Unternehmen, ist eine Buchveröffentlichung,
"Die Èechoslovakische Republik, Jahrgang 1928"
erschienen, in welcher u. a. auch eine Abhandlung über die
"Èechoslovakische Bodenreform" enthalten
ist. Als Verfasser dieser Abhandlung zeichnet der Ministerialrat
der Bodenamtes Ing. Anton Pavel. Die in dieser Abhandlung enthaltene
Behauptung, daß die parlamentarische Kontrolle über
die Tätigkeit des Bodenamtes einem von der Nationalversammlung
gewählten zwölfgliedrigen Verwaltungsausschusse zusteht,
ist eine Verhöhnung des wahren Sachverhaltes und eine unglaubliche
Irreführung der gesamten Öffentlichkeit des In- und
Auslandes, an welche sich ja diese Propagandaschrift wendet. Im
§ 9 des Gesetzes vom 11. Juni 1929, S. d. G. u. V. Nr. 330
über das Bodenamt heißt es wohl; "Die Aufsicht
über die Tätigkeit des Bodenamtes wird von einem Verwaltungsausschuß
ausgeübt, der aus zwölf von der Nationalversammlung
auf die Dauer von drei Jahren gewählten Mitgliedern zusammengesetzt
ist, wobei das Amt des Verwaltungsausschusses stes bis zu den
Neuwahlen dauert."
Im Jahre 1919 begann zwar die Amtsdauer dieses
auf drei Jahre gewählten Verwaltungsausschusses; trotzdem
seither zwei Parlamentswahlen durchgeführt wurden, ist es
jedoch zu keiner Neuwahl mehr gekommen, so daß die Behauptung
des Herrn Ministerialrates Ing. Pavel von der parlamentarischen
Kontrolle ein offenkundiger Hohn und, eine glatte Irreführung
der Öffentlichkeit ist. In diesem Zusammenhange darf wohl
auf die Tatsache hingewiesen werden, daß der I. Vorsitzende
des Verwaltungsausschusses, der tchech. Abgeordnete Laube, bereits
vor Jahren seinen Rücktritt vollzog und diesen damit begründete,
daß er - um seine eigene Worte zu gebrauchen - "von
den Schweinereien des Bodenamtes nichts mehr wissen wolle."
Diese Tatsache übergeht Herr Ministerialrat
Ing. Anton Pavel vollkommen. Er übergeht aber auch weiters
die Tatsache, daß gelegentlich der Bodenbeschlagnahmen über
60.000 Menschen vom Bodenamt mit geringfügigen Abfertigungen
abgefertigt wurden, d. h. Brot und Erwerb verloren. Über
diese "sozialen Auswirkungen" der sogenannten Bodenreform
sind sich heute nicht nur die Deutschen, sondern auch weite Kreise
des tschechischen Volkes vollständig einig. Verfolgte sie
jemals soziale Maßnahmen, so ist sie in dieser Hinsicht
jedenfalls vollständig daneben geraten. Einen Beweis hiefür
liefern die ständigen gegenseitigen Anklagen der der früheren
alltschechischen Koaliton angehörigen Parteien, Anklagen,
welche in der Presse, also vor der gesamten Öffentlichkeit,
erhoben werden. Eine Abhandlung über die angeblichen Vorzüge
und Wohltaten der Bodenreform sollte sich lediglich an die Besitzer
von Restgütern wenden, und wäre für diese herzustellen.
Die Öffentlichkeit aber möge man mit Darstellungen -
noch dazu mit solchen, die der Wahrheit geradezu ins Gesicht schlagen
wie jene des Ministerialrates Ing. Pavel - verschonen.
Die Gefertigten stellen an den Herrn Vorsitzenden
der Regierung folgende Anfragen:
1.) Ist ihm die angeführte Veröffentlichung
des Ministerialrates Ing. Anton Pavel bekannt und wie äußert
er sich dazu?
2.) Ist er bereit, in Hinkunft derartige den
Tatsachen nicht entsprechende Veröffentlichungen hintanzuhalten?
3.) Ist er endlich gewillt, die längst
fälligen Wahlen in den Verwaltungsausschuß des Bodenamtes
durch das Parlament vornehmen zu lassen?
Prag, den
23. Mai 1929.
An den beiden Pfingstfeiertagen führte
eine Abteilung der Brüxer Garnison im Erzgebirge, unmittelbar
an der Grenze, militärische Übungen aus. Ohne vorherige
Anmeldung erschien die Truppe abends in den von Ausflüglern
überfüllten Gebirgsdörfern und requirierte Quartiere.
Jedem, nur einigermaßen mit den Verhältnissen Vertrauten,
ist bekannt, daß zu solchen Ferialtagen in den Ortschaften
des Gebirges jeder Wohnraum schon wochenlang vorher vermietet
ist. Für einen Teil der Gebirgsbevölkerung bilden die
Ausflügler eine entscheidende Erwerbsquelle. Die in Rede
stehende militärische Einquartierung bedeutete daher eine
materielle Schädigung der ohnedies durch große Steuerlasten
beschwerten Bevölkerung, sie erregte aber auch berechtigten
Unwillen der Ausflügler, denen die Quartiere weggenommen
wurden. Die Zweckmäßigkeit der Vornahme militärische
Übungen zu solcher Zeit und in solcher Gegend ist für
die ganze Bevölkerung unverständlich und es ist ein
solches Verhalten der Militärbehörden sicherlich nicht
danach angetan, daß angestrebte gute Einvernehmen zwischen
Militär und Zivilbevölkerung zu fördern.
Die Gefertigten erlauben sich Vorstehendes
dem Herrn Minister für nationale Verteidigung zur Kenntnis
zu bringen und den Herrn Minister zu fragen:
1.) Welchen Zweck verfolgen solche Übungen?
2.) Können solche Übungen nicht zu
einer Zeit durch geführt werden, da der Bevölkerung
durch dieselben keine Schädigung und Unannehmlichkeit erwächst?
Prag, den
23. Mai 1929.
Vor einigen Wochen hat das Oberste Verwaltungsgericht
eine bedeutsame sprachenrechtliche Entscheidung gefällt,
worin ausgesprochen wurde, daß Zivilingenieure und Geometer
keine Organe des Staates sind und sich daher keiner Prüfung
in tschechischer Sprache unterwerfen müssen. Die deutschen
Zivilingenieure, die mach dieser Entscheidung eine Besserung ihrer
Lage erhofften, haben sich getäuscht. Regierung und Arbeitsministerium
mißachten das Erkenntnis des unabhängigen Gerichtes,
das verfassungsmäßig zur Kontrolle ihrer Tätigkeit
berufen ist. Die Zivilingenieure wurden weiter tschechisch geprüft
und obwohl Arbeitsminister Spina einer Abordnung deutscher Zivilingenieure
und Geometer das Versprechen gegeben hatte, daß die Prüfungen
in ihrem Fach künftighin der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung
entsprechend abgehalten werden sollen, mußten sich doch
kürzlich zwei Zivilingenieure aus Deutschböhmen nach
der alten gesetzwidrigen Prüfungsordnung einer zu zwei Dritteln
in tschechischer Sprache abgehaltenen Prüfung unterwerfen.
Das Arbeitsministerium begründet sein
Vorehen damit, daß es erklärt, die Entscheidung: des
Verwaltungsgerichtshofes gelte nur für die einzelnem bestimmtem
Fälle.
Diese Auffassung des Arbeitsministeriums steht
aber in klarem Widerspruch zu dem Gesetz Über den Verwaltungsgerichtshof,
worin es ausdrücklich heißt, daß die Verwaltungsbehörden
an die Rechtsanschauung des Obersten Verwaltungsgerichtes gebunden
sind. Das Landesamt, das als Vollzugsorgan des Arbeitsministeriums
die Prüfung durchführt, erklärt, keinen Einfluß
auf die Art der Prüfungen zu haben, es sei an die alte Prüfungsordnung
gebunden, solange das Ministerium keinen neuen Erlaß herausgebe.
Man hat in den letzten Tagen einen solchen Erlaß erwartet,
dieser ist aber ausgeblieben, so daß auch der letzte Kandidat,
der Ende dieses Monats an die Reihe kommt, sich noch wird bequemen
müssen, zwei Drittel der Fragen tschechisch zu beantworten.
Die Mißachtung des Verwaltungsgerichtes
durch das Arbeitsministerium wirft ein schlechtes Licht auf die
herrschenden Zustände in der Verwaltung. Nicht einmal das
Oberste Verwaltungsgericht ist imstande, den Bürger vor den
Übergriffen der Vollzugsgewalt in Schutz zu nehmen. Aus diesen
Gründen fragen die Gefertigten an:
1.) Ist der Minister für öffentliche
Arbeiten tatsächlich der Auffassung, daß die Entscheidung
des Verwaltungsgerichtes nur für die einzelnen bestimmten
Fälle gelte und wie begründet er diese Auffassung?
2.) Weshalb hat er nicht sofort nach Bekanntwerden
der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes in Angelegenheit der
Zivilingenieure eine Änderung der Prüfungsordnung veranlaßt?
3.) Ist er gewillt, diese Änderung der
Prüfungsordnung sofort zu veranlassen, gleichzeitig aber
auch zu veranlassen, daß etwaige Folgen schlechter Prüfungsergebnisse
bei bereits Geprüften nicht eintreten?
Prag, den
23. Mai 1929.
Nach der Novellierung des Krankenversicherungsgesetzes
hegte man allgemein die Hoffnung, daß es nun endlich zur
Ausschreibung und Durchführung ordnungsgemäßer
Wahlen der verantwortlichen Leitungen der Krankenversicherungsanstalten
kommen werde. Zur größten Überraschung aller Beteiligten
traf das Ministerium für soziale Fürsorge die Vorbereitungen
für die Durchführung neuerlicher Ernennungen der Vorstände,
der Überwachungsausschüsse und Schiedsgerichte. Infolgedessen
sah sich auch die Ortsgruppe des deutschen Hauptverbandes der
Industrie in Graslitz gezwungen, Vorschlage für diese Ernennungen
auszuarbeiten. Bei der Aufstellung dieser Vorschläge ließ
sie sich in erster Linie von wirtschaftlichen Interessen leiten
und brachte nur solche. Personen in Vorschlag, die Inhaber, bezw.
Mitinhaber protokollierter Firmen sind. Auf die politische Einstellung,
wurde mit Rücksicht auf den rein wirtschaftlichen unpolitischen
Karakter der Sozialversicherungsanstalten, keine Rücksicht
genommen, sondern waren für die erstatteten Vorschläge,
nur rein sachliche Erwägungen maßgebend. Für den
Vorstand wurden 2 Mitglieder und Ersatzmitglieder, für den
Überwachungsausschuß 6 Mitglieder und 6 Ersatzmitglieder
und in das Schiedsgericht 3 Mitglieder in Vorschlag gebracht.
Festgestellt sei, daß die Industrie des Graslitzer Bezirkes
an der Beitragsleistung für die Bezirkskrankenversicherungsanstalt
mit 48% beteiligt ist.
Trotz dieses Sachverhaltes wurde entgegen den
gesetzlichen Bestimmungen für den Vorstand nicht ein einziger
Industrievertreter ernannt, hingegen a Landwirte und ein Gewerbetreibender,
welche zusammen 7 Arbeitnehmer beschäftigen.
Die ernannten Ersatzmänner beschäftigen
zusammen 15 Arbeitnehmer. In den Überwachungsausschuß
wurde ebenfalls keiner von den vorgeschlagenen Arbeitgebern ernannt,
sodaß auch dort nicht eine einzige protokollierte Firma
vertreten ist. Im Schiedsgerichte blieb die Gruppe der protokollierten
Firmen ebenfalls unberücksichtigt.
Wie bei der Ernennungen vorgegangen wurde,
erhellt z. B. aus der Tatsache, daß ein angestellter Werksbeamter
als Arbeitsgeber ernannt wurde, wobei zu berücksichtigen
ist, daß die Arbeiter des Werkes, bei welchem dieser Beamte
angestellt ist, bei der Bruderlage versichert sind und er daher
nur als Arbeitgeber für seine Hausgehilfin in Frage kommt.
Die ernannten Personen gehören fast ausschließlich
der Landwirtschaft anderen versicherte Arbeitnehmer im ganzen
Bezirke Graslitz, 1,8% der Versicherten ausmachen. In der Gruppe
der Arbeitgeber ist die Landwirtschaft, trotz dieses geringfügigen
Prozentsatzes von 1;8% versicherter Arbeitnehmer mit 60% ernannter
Mitglieder vertreten. Die als Arbeitgeber ernannten, ordentlichen
Mitglieder des Vorstandes und des Überwachungsausschusses
beschäftigen 89 Versicherte, also noch einmal 1% der Gesamtzahl
der Versicherten, die im Bezirke rund 10.000 beträgt.
Auf Grund dieser, allen sachlichen Erwägungen
hohnsprechenden Ernennungspraxis ist die Industrie, die den größten
Teil der Beiträge für die Bezirkskrankenversicherungsanstalt
leistet, von jeder Anteilnahme an der Verwaltung der Bezirkskrankenversicherungsanstalt
ausgeschlossen worden. Ja, man muß offen von einer Brüskierung
dieses Teiles der Arbeitgeber sprechen und die empörende
Tatsache feststellen, daß bei diesen Ernennungen sachliche
Erwägungen bewußt in den Hintergrund gestellt wurden
und nur rein parteipolitische Erwägungen maßgebend
gewesen sein müssen. Durch dieses Vorgehen hat die Regierung
den Beweis erbracht, daß sie ohne Rücksichtnahme auf
die wirtschaftlichen Organisationen vorgeht, wenn es gilt, parteiegoistische
Ziele zu fördern, - also ein Zustand, der jeder Demokratie
hohnspricht. Außerdem verstoßen diese Ernennungen
gegen die gesetzlichen Bestimmungen des Artikels 2 § 131
d. G. Nr. 148/1928, als auch der §§ 69 und 54 dieses
Gesetzes.
Ähnlich wie im Bezirke Graslitz wurde
auch in den anderen Bezirken vorgegangen, so in Asch und Elbogen,
wo die aus industriellen Kreisen vorgeschlagenen Vertreter der
Arbeitgeber, ebenfalls restlos übergangen wurden, obwohl
die in der Industrie beschäftigten Versicherten, z. Bsp.
im Bezirke Asch 69%, im Bezirke Elbogen 76%, im Bezirke Falkenau
56%, in Neudek 75% und in Kaaden 72% der Gesamtzahl der Versicherten
erreichen. Vollständig unbefriedigend sind auch die Ernennungen
in dieser Richtung in den Bezirken Karlsbad und Eger.
Daß auch bei den Ernennungen auf die
Zusammensetzung der Bevölkerung in nationaler Beziehung keine
Rücksicht genommen wurde, braucht wohl nach den Erfahrungen
bei den 1/3 Ernennungen in die Bezirks-
und Landesvertretungen nicht Wunder nehmen.
Aus diesen Feststellungen allein geht hervor,
daß diese Zustände unhaltbar sind und fragen daher
die Unterzeichneten an, ob der Herr Minister bereit ist:
1. die durchgeführten Ernennungen sofort
zu widerrufen und unter Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen
und unter gerechter Berücksichtigung der erstatteten Vorschläge,
Neuernennungen durchzuführen,
2. alle Vorkehrungen zu treffen, damit ehestens
die ordnungsgemäßen Wahlen in diese Körperschaften
durchgeführt werden können.
Prag, am 23.
Mai 1929.
Studierenden der Hochschule wird durch die
Eisenbahnverwaltung über ihr Ansuchen bei Nachweis der Würdigkeit
und Bedürftigkeit zu Beginn der Ferien eine ermäßigte
Rückfahrkarte ausgefolgt. Das Recht, die Wündigkeit
und Bedürftigkeit solcher Gesuche zu bestätigen, wurde
über Verfügung des Eisenbahnministeriums dem "Svaz"
der èsl. Studenten gegeben, in Ansuchen
des Vereines "Deutsche Studentenfürsorge" um Bewilligung
zur Ausstellung dieser Bestätigungen für die deutschen
Studierenden wurde vom Eisenbahnministerium mit der Begründung
abgewiesen, daß die Satzungen der "Deutschen Studentenfürsorger
keinen beamteten Vertreter des Ministeriums für Schulwesen
und Volkskultur im Vereinsausschuß haben.
Die "Deutsche Studentenfürsorge"
ist ein Verein, in dessen Ausschuß die Fakultäten der
Hochschulen 10 Professoren und die studierenden Gruppen 10 Studierende
zu gemeinsamer sozialer Fürsorge entsenden. Die verdienstvolle
Tätigkeit der "Deutschen Studentenfürsorge"
wird in aller Öffentlichkeit ausgeübt und kann jederzeit
auch von Vertretern des Unterrichtsministeriums überprüft
werden. Einen offiziellen Vertreter dieses Ministeriums - wahrscheinlich
einen tschechischen. Beamten, da es deutsche Beamte ja fast gar
nicht in diesem Ministerium gibt - in den Ausschuß dieses
deutschen Vereines aufzunehmen, geht wohl über das Ausmaß
dessen, was man uns Deutschen zumuten kann, zumal übrigens
gerade das Ministerium für Schulwesen und Volkskultur bisher
allen Fürsorgeaktionen zu Gunsten der deutschen studierenden
nur ein sehr geringes Verständnis und Entgegenkommen bewiesen
hat. Andererseits ist die Zumutung, zum tschechischen "Svaz"
um die Bestätigung gehen zu müssen, für deutsche
Studierende beschämend und entwürdigend.
Die Gefertigten Fragen daher den Herrn Minister
für Schulwesen und Volkskultur und den Eisenbahnminister:
Sind Sie gewillt, diese durch nichts gerechtfertigte
und beschämende Verfügung sofort außer Kraft zu
setzen und der "Deutschen Studentenfürsorge" das
Recht zur Ausstellung der Bestätigungen für deutsche
Studierende zu geben?
Prag, am 3.
Mai 1929.
Unter dem 4. Jänner l. J. hat das Eisenbahnministerium
einen Erlaß Zl. 39.391-Pers. 1-1928 herausgegeben, welcher
den Titel führt; "Nachsicht der Folgen einer ungünstigen
Qualifikation, zuerkannt den Bedienstetenwegen Unkenntnis der
Dienstsprache."
Der Wortlaut dieses Erlasses ist folgender:
"Das E. M. konstatiert, daß bei Durchführung des
Erl. vom 24. Feber 1923, Z. 1772/I/4 über Prüfungen
aus der Dienstsprache sehr nachsichtig vorgegangen wurde. Ein
Beweis dessen ist außer anderem auch der Fakt, daß
an das E. M. keine Beschwerden einlangten, welche dokumentierten,
daß in konkreten Fällen allzustrenge und gegen Intentionen
des zit. Erl. vorgegangen worden wäre.
Insoweit es sich um die Gehaltsschädigungen
der Bediensteten handelt, bei welchen eine Unkenntnis der Dienstsprache
sichergestellt wurde, macht das E. M. aufmerksam, daß die
Unkenntnis der Dienstsprache keine unmittelbare Ursache einer
eventuellen Gehaltsschädigung war, sonder n es handelte sich
um die Fragen einer mindergünstigen Qualifikation. Die Bahnverwaltung
hat dann nach der Bestimmung der Regierungsverordnung 15/1927
S. d. G. u. V. keine Möglichkeit, diese Folgen einer ungünstigem
Qualifikation zu korrigieren, denn die Zeit, während welcher
die ungünstige Qualifikation dauerte, d. i. bis 1. Jänner
1926, war für eine zeitliche Erhöhung, auch wenn nur
eine genügende Note, und für die zeitliche und gehaltische
Vorrückung mit einer Note ungemügend, nach dem 1. Jänner
1926 für eine Gehaltserhöhung eine vorwiegend genügende
in die entscheidende Dauer für die Überführung
nicht einberechenbar, auch nicht einberechenbar für die Gehaltserhöhung.
Für das E. M. Dr. Kroužilka m. p." |
Wie aus diesem Erlaß hervorgeht, leugnet
das Eisenbahnministerium, daß Unkenntnis der Dienstsprache
eine Ursache von Gehaltsschädigungen bildet. Andererseits
gibt es jedoch wieder zu, daß diese Unikenntnis Ursache
einer ungünstigen Qualifikation und auf diese Weise schließlich
doch die eigentliche Ursache von Gehaltsschädigungen ist.
Dem Bediensteten kann es vollständig, gleichbleiben, ob die
Unkenntnis (besser wohl mangelhafte Kenntnis denn vollständige
Unkenntnis dürfte kaum vorkommen) die "unmittelbare"
oder mittelbare Ursache seiner Gehaltsschädigung darstellt.
Tatsache ist, daß viele Bedienstete trotz der durch ihre
Volkszugehörigkeit bedingten vorzüglichen Kenntnis der
Dienstsprache eine durchaus nicht hervorragende Diensteignung
aufweisen, wie u. a. die Lahmlegung des Verkehrs in der Kälteperiode
bewies, während es eine Anzahl deutscher Bediensteter gibt,
welche trotz ungenügender Kenntnis der Dienstsprache eine
vorzügliche Dienstleistung aufweisen. Kenntnis oder Unkenntnis
einer Sprache ist beim Eisenbahndienst keineswegs ausschlaggebend.
Maßgebend sind vielmehr ganz andere Momente, wie Pflichteifer,
Geistesgegenwart u. dgl.
Die Staatseisenbahnverwaltung drückt sich
also, wie der zitierte Erlaß beweist, um die soziale Notwendigkeit
herum, die Folgen der Sprachenprüfungen, bei vvelchen es
doch wesentlich auf die Einstellung der Prüfenden zum Prüfling
ankam, aufzuheben. Das ist der kurze Inhalt des Erlasses, dessen
Tendenz keineswegs der vom Ministerpräsidenten Švehla
am 16. Oktober 1926 abgegebenen Regierungserklärung entspricht,
wonach "Gleiche mit Gleichen" über die Probleme
des Staates, der Kultur und Wirtschaft verhandeln sollen.
Aus diesen Gründen stellen die Gefertigten
an den Eisenbahnminister folgende Anfrage:
1.) Ist er sich bewußt, daß des
zitierte Erlaß Z. 39.391 - v. 4. Jänner 1929 den in
der genannten Regierungserklärung bekanntgegebenen Absichten
widerspricht und daß es ein Gebot sozialer und nationaler
Gerechtigkeit ist, die Folgen des Sprachenprüfungen - mögen
diese nun unmittelbare oder mittelbare sein - endlich aufzuheben?
2.) Ist er bereit, diese Aufhebung sofort durchzuführen?
Prag, den
22. Mai 1929.
Bei der Handels- und Gewerbekammer für
Schlesien in Troppau wurden anfangs dieses Jahres durch Ableben
und Niederlegung drei Kammerratsmandate frei. Der Zentralverband
gewerblicher Genossenschaften und Verbände im Kammerbezirke
Troppau sowie der Troppauer Gewerbeverein schlugen der Handels-
und Gewerbekammer in Troppau einvernehmlich folgende Personen
vor: Rudolf Hampel, Bäckermeister und Mitglied der Landesvertretung;
Rudolf Gudrich, Stadtrat, Schneidermeister und Vorstand des Zentralverbandes
der Schneidergenossenschaften; ferner den Obmann des Gewerbevereines
Herrn Langer.
Der zweitgenannte ist Mitglied der deutschem
nationalsoz. Arbeiterpartei. Daß er das Vertrauen der gewerblichen
Kreise genießt, beweist seine Stellung als Obmann des Reichsverbandes
der Schneidergenossenschaft, Obmannstellvertreter der gewerbl.
Kreditkasse, Direktor - Stellvertreter des schlesischen Gewerbe-
Förderungsinstituts, Leiter der fachlichen Fortbildungsschule
der Schneidergewerbe u. s. w.
Trotzdem - wie bemerkt - der Vorschlag durchaus
einmütig erfolgte und die Handels- und Gewerbekammer ihn
weiterleitete, wunde Herr Gudrich nicht ernannt. An seiner Stelle
wurde vielmehr der Schuhmachermeister Karl Mende, Obmann des Landesverbandes
der Schuhmachergenossenschaften, ernannt. Es ist dies der zweite
Schuhmacher, welcher im Kammerrate vertreten ist, während
die Schneidermeister dort überhaupt nicht vertreten sind.
Die diesfalls angestellten Erhebungen haben
zutage gefördert, daß ein Mitglied der Troppauer Ortsgruppe
der deutschen Gewerbepartei bei Herrn Abgeordneten Tichý
vorsprach und dieser sich für die Nichternennung des Herrn
Gudrich und die Ernennung des Herrn Mende verwendet hat. Herr
Abgeordnete Tichý hat diesen Umstand dem Abgeordneten Ing.
Rud. Jung, ausdrücklich zugegeben.
Herr Abgeordnete Tichý hat auch hiebei
ausdrücklich betont, daß die Parteizugehörigkeit
des Herrn Gudrich für dessen Nichternennung maßgebend
war, Damit ist der klare Nachweis erbracht, daß für
Ernennungen in fachliche Körperschaften durchaus nicht die
fachliche Eignung, sondern nur die Zugehörigkeit zu bestimmten
Parteien ausschlaggebend ist. Gewisse Parteien wenden ohne Rücksicht
darauf, ob in ihren Reihen ausgezeichnet qualifizierte Fachleute
vorhanden sind, bei den Ernennungen übergangen. So war es
bei den Ernennungen in die Landesund Bezirksvertretungen und auch
bei den Ernennungen in die Bezirks - Sozialversicherungsanstalten.
Allerdings hat in beiden Fällen die Regierung abgeleugnet,
daß bei der Ernennung eine bestimmte Parteizugehörigkeit
maßgebend was. Eine derartige Ausrede ist in diesem Fall
nicht möglich, weil des klare Beweis vorliegt.
Die Gefertigten richten daher an die beidem
Minister folgende Anfrage:
1.) Wie vermögen sie den ausgesprochenen
Fall politischer Korruption, welcher sich bei der Besetzung der
Troppauer Kammerratsmandate ereignete, zu rechtfertigen?
2.) Sind sie bereit, diese auf so merkwürdige
Art zustande gekommenen, Besetzung rückgängig zu machen
und dem Wunsche der fachlichen Organisationen nach Ernennung des
Hernn Rudolf Gudrich Rechnung zu tragen?"
Prag, den
22. Mai 1929.