Nun ein Wort vom neuen Staatshaushalt. Dasselbe Bild. Wir haben
den Staatsvoranschlag vor uns liegen, der mit einem allerdings
läcb erlich kleinen Aktiv um von ungefähr 1 1/2 Millionen
abschließt. Aber selbst dieses kleine Aktivum wäre
erfreulich, wenn es wahr wäre. Aber trotzdem werden wir wohl
damit rechnen müssen, daß auch diesmal die gewohnte
Enttäuschung nicht ausbleibt. Die Unaufrichtigkeit dieser
Art der Budgetierung ist diesmal ganz besonders leicht zu erweisen.
Die Krise, die hoffentlich in den letzten Jahren den Tiefstand
erreicht hat, hat selbstverständlich stete Rückgänge
der Steuereingänge zur Folge, so daß im laufenden Jahre
schon in den ersten neun Monaten die Steuern um eine Milliarde
hinter dem Voranschlag zurückgeblieben sind. Trotzdem rechnet
der neue Voranschlag abermals mit erhöhten Steuereingängen,
wozu der Herr Generalreferent des Budgets selbst bemerkt, daß
das nach dem Gange der Ereignisse durchaus ungerechtfertigt ist.
Andererseits besteht kein Zweifel, daß die auf knappste
bemessenen Ausgaben schon im laufenden Jahre nicht ausreichen,
sondern bei weitem überschritten werden. Auch da ist es wiederum
der Generalreferent, der schon jetzt mit dem ungeheuren Defizit
von 1.100 Millionen für das laufende Jahr rechnet. Darum
ist es unwahrscheinlich, daß die Erhöhung der Ausgaben
für das nächste Jahr um 350 Millionen - wozu der Herr
Generalberichterstatter wieder bemerkt, daß sie auf der
Seite der Einnahmen nicht begründet ist - nicht ausreichen
wird, denn von diesen 350 Millionen sind von vornherein 150 Millionen
für die Wiederaufnahme des Verlosungsdienstes und der Rest
ausschließlich für erhöhte Auslagen für die
äußere und innere Sicherheit berechnet, so daß
alle anderen Mehrauslagen dadurch noch nicht gedeckt erscheinen.
Es ist darum sehr wahrscheinlich, daß wir wieder mit einem
gewaltigen Defizit werden rechnen müssen, zumal ja schon
jetzt im vorliegenden Budget 925 Millionen für die Lehrergehalte
und 650 Millionen für die Arbeitslosenfürsorge nicht
im ordentlichen Budget gedeckt sind und überdies der auß
erordentliche Rüstungsfonds von 360 Millionen und ein Investitionsfo
nds vom 790 Millionen bewilligt werden soll, die erst durch Kreditoperationen
zu decken sind. Das alles also rechtfertigt es, den Staatsvoranschlag
als unerfreulich zu bezeichnen. Unerfreulich ist er aber auch
deshalb, weil er wieder nicht dem seinerzeit angekündigten
Versprechen Rechnung trägt, daß es mit der Deflationspolitik
ein Ende haben soll. Das äußert sich namentlich darin,
daß der Abbau der Staatsangestelltenbezüge in voller
Höhe und in voller Schärfe aufrecht erhalten wird. Das
ist nicht bloß eine schwere Belastung für die unmittelbar
Betroffenen, sondern es bedeutet zugleich eine Schwächung
der allgemeinen Kaufkraft um mehr als 1/2 Milliarde, und die Staatsangestellten
werden dadurch noch arbeitsunlustiger. Und das alles geschieht,
obwohl gleichzeitig ein Steigen des Großh andelsindex um
20%, des Lebensmittelindex um 30% eingetreten ist, so daß
die Èechoslovakei allmählich zu einem der teuersten
Länder mit den niedrigsten Löhnen und Gehältern
geworden ist und die heute so bek annten Schlagworte von der gesunkenen
Kaufkraft und der abermals anwachsenden Arbeitslosigkeit das Schreckgespenst
für die nächste Zukunft darstellen. Sicherlich sind
Ersparnisse im Haushalt dringend geboten. Aber schon ein altes
chinesisches Sprichwort sagt: "Es ist nicht klug von Eheleuten,
früh schlafen zu gehen, um das Licht zu sparen, wenn das
Ergebnis Zwillinge sind", das heißt Sparen und Sparen
ist zweierlei. Das richtige Sparen hat man bei uns noch immer
nicht gelernt. Daß die übermässige Kürzung
der Staatsangestelltenbezüge nicht das Richtige ist, habe
ich schon angedeutet. Wenn man diesen Abbau schon nicht abbaut,
müßte man den Staatsangestellten wenigstens in anderer
Weise entgegenkommen durch Wiederherstellung des normalen Zahlungstermins,
durch Einleitung einer entsprechenden Entschuldungsaktion, durch
die Besserung der Beförderungsverhältnisse und durch
die endliche Herausgabe der entsprechenden Ausführungsverordnungen
zum Staatsangestelltengesetz, durch einen entsprechenden Ersatz
für den Abbau des Mieterschutzes und vor allem auch durch
die endliche gerechte Regelung der Pensionistenfrage, daß
endlich die berühmte, ich muß schon sagen berüchtigte
IV. Etappe der Pensionisten zum Zuge kommt, daß die Behandlung
der Auslandspensionisten entsprech ender wird usw.
Anderseits wäre es natürlich - ich möchte sagen
- demagogisch, in der heutigen leider nur zu kriegsschwangeren
Zeit von Abrüstung zu sprechen, sich gegen die Militärlasten
auszusprechen. Wir werden gegen das Budget stimmen, aber unsere
Abstimmung hat nicht den Sinn, daß wir dem Staate die Mittel
zum Leben verweigern wollen, daß wir ihm die notwendigen
Mittel zur Rüstung entziehen wollen. Das ist nicht der Sinn
unserer Abstimmung. Wenn es auf unsere St immen ankäme, würden
wir auch für diese Forderungen stimmen. Unsere Abstimmung
hat lediglich den Sinn des Ausdruckes des Mißtrauens gegen
das heutige Regierungssystem. Ich sagte schon, ich wolle nicht
gegen die Militärlasten als solche sprechen, aber ich will
gegen die unwirtschaftliche Art und Weise sprechen, mit der die
Militärverwaltung mit den ihr zur Verfügung gestellten
Mitteln umgeht. Ich erinnere daran, daß es verkehrt ist,
auf Kosten des Menschenmaterials an der Verpflegung und Kleidung
der Soldaten zu sparen. Anderseits aber sehen wir, daß gewisse
Industrien und gewisse Genossenschaften, oder sagen wir noch deutlicher,
gewisse Parteikassen auf Kosten der Steuerträger überfüttert
werden, indem man ihnen unverhältnismäßige, über
das allgemeine Niveau weit hinausgehende Preise zahlt.
Es unterliegt keinem Zweifel, daß auch das Schulwesen das
Letzte ist, an dem gespart werden soll und darf, im Gegenteil.
Heuer wurden leider wiederum die Auslagen für das Hoch- und
Mittelschulwesen im Budget bedeutend gesenkt. Besonders schwer
ist das deutsche Schulwesen betroffen. Die deutsche Musikakademie
erhält von Jahr zu Jahr immer weniger, die deutsche Musikschule
in Petschau so gut wie nichts. Wir haben endlich die Verstaatlichung
der deutschen pädagogischen Akademie erreicht, aber die finanziellen
Mittel, die ihr gewährt werden, und auch die sonstige Art
ihrer Behandlung ist derart, daß eine gedeihliche Entwicklung
dieser Anstalt nicht möglich ist. Zahlreiche deutsche Mittelschulen
wurden gesperrt und die Zustände am Preßburger deutschen
Gymnasium, das 1000 Schüler zählt, sind in rä umlicher
und anderer Beziehung geradezu trostlos.
Von dem Volksschulwesen gar nicht zu sprechen. In dem Schuljahre
1934/35 wurden den Deutschen drei Bürgerschulen und 12 Volksschulen
mit mehr als 100 Klassen genommen, was zum Teil gerechtfertigt
sein mag, weil die Schülerzahl in dieser Zeit zurückgegangen
ist. Das ist richtig; aber dasselbe ist auch auf èechischer
Seite der Fall, und trotzdem hat dort eine Vermehrung um 48 Schulen
und 792 Klassen stattgefunden. In Krawarn in Hultschin hat man
beispielsweise für 4 Kinder eine neue Schule mit einem Kostenaufwand
von 4 Millionen Kè errichtet. Dafür ist der deutsche
Privatunterricht in Hultschin unterbunden und man trägt sich
angeblich mit der Absicht, den Privatunterricht aus begreiflichen
Gründen überhaupt zu verbieten.
Demgegenüber schießen die Auslagen für die sogenannten
Minderheitsschulen - ich sage sogenannte, weil der harmlose Ausländer
meinen könnte, daß es sich dabei um Schulen für
die nationalen Minderheiten handelt, während wir wissen,
daß 99 oder fast 100% dieser Schulen für die sogenannten
èechischen Minderheiten in dem Gott sei Dank noch recht
breiten deutschen Randgebiet errichtet sind - die Auslagen für
diese Minderheitsschulen schießen selbst nach der Meinung
vernünftiger, ruhig denkender Angehöriger des èechischen
Volkes über das Ziel, so daß die Schulautonomie nicht
bloß aus nationalen Gründen, sondern ebenso sehr aus
religiösen Gründen, wie sie am besten in Holland verwirklicht
ist, eine immer dringendere Forderung wird.
Nicht weniger beklagenswert sind die geplanten Ersparungen an
der Jugend. Niemand wünscht, daß die sozialen Ausgaben
für die èechische Studentenschaft verringert werden,
wohl ab er verlangen wir eine entsprechende Erhöhung der
Gesamtauslagen um den gewiß nicht unerschwinglichen Betrag
von 1 1/2 Millionen Kè, um die deutsche Stud entenschaft
entsprechend bedenken zu können und der in einer Denkschrift
der deutschen Studentenschaft in geradezu erschütternden
Weise zum Ausdruck gek ommenen Not einigermaß en zu steuern.
Ebenso dringend zu wünschen ist, daß die für die
Jugendfürsorge best immten Posten im Rahmen der Ministerien
für soziale Fürsorge und für Gesundheit wieder
in der Höhe des Jahres 1931 hergestellt werden.
Gewiß muß das budgetäre Gleichgewicht mit aller
Macht hergestellt werden. Aber wenn das mit Erfolg geschehen soll,
so genügen die von Fall zu Fall unternommenen Versuche nicht,
sondern man muß dem Grundübel an den Leib gehen. Dazu
würde die von allen Seiten einmütig verlangte, aber
vorläufig den Schneckengang gehende Reform der Verwaltung
gehören, eine Verwaltungsreform, die auf eine Vereinfachung
und Beschleunigung des Verfahrens und auf eine weitgehende Dezentralisation
gerichtet sein muß. Es muß ebenso die Vereinigung
gewisser Zentralstellen zu einem einheitlichen Verkehrsministerium
angestrebt werden, nicht um ein paar Beamte zu ersparen, sondern
um diese sich gegenseitig konkurrenzierenden Unternehmungen zusammenzufassen.
Ich erinnere daran, daß die Postautos den Autos des Eisenbahnministeriums
Konkurrenz machen. Diese unzweckmäßige, unwirtschaftliche
Konkurrenzierung muß beseitigt werden, und die staatlichen
Unternehmungen sollen nach wirklichen kaufmännischen Grundsätzen
geführt werden, um erträgnisreich gemacht zu werden.
Ich erinnere an die Post, die bei uns mit einem ständigen
Passiv um arbeitet, während sie in England nicht nur das
beste Geschäft des Staates, sondern in England überhaupt
darstellt. Ich erinnere ferner an unsere Tabakregie, die zwar
noch immer das einzige aktive Unternehmen des Staates ist, deren
Einnahmen aber infolge Mangels eines entsprechenden kaufmännischen
Betriebes von Jahr zu Jahr zurückgehen. Was bisher an grundsätzlichen
Lös ungen versucht wurde, hat versagt. Die sogenannte Sanierung
der Selbstverwaltungskörper, die vorläufig nur auf dem
Papier steht, die jedenfalls wiederum nur ein Provisorium darstellt,
wird solange auf dem Papier stehen bleiben, als nicht die erforderlichen
finanziellen Mittel zur Verfügung stehen.
Vor allem ist aber den Staatsfinanzen nicht zu helfen, wenn nicht
der Privatwirtschaft geholfen wird: den verschiedenen Ständen
der Bevölkerung ohne Unterschied, der Landwirtschaft ebenso
wie der Industrie, dem Handel wie dem Gewerbe, den Festbesoldeten
wie den Arbeitern. In dieser Hinsicht wäre es ungerecht,
der Regi erung den Vorwurf zu machen, daß sie nicht den
guten Willen hat, aber ihre Tätigkeit beschränkt sich
bisher darauf, von Zeit zu Zeit immer wieder ein möglichst
großzügiges Wirtschaftsprogramm zu entwickeln, und
auch heute haben wir vom Herrn Ministerpräsidenten nichts
anderes gehört. Das erinnert mich an die sensationelle Schrift:
"12 Methoden, um Millionär zu werden", deren Verfasser
leider Hungers gestorben ist, bevor er eine dieser Methoden in
die Tat umsetzen konnte. Es muß endlich etwas geschehen.
Das erste wäre ein der Konkurrenz der politischen Parteien
entzogener Wirtschaftsplan, der von einem staatlichen Wirtschaftsrat
auszuarbeiten wäre, wie ihn der Verband der chr-istlichen
Gewerkschaften in einer auch sonst sehr bemerkenswerten Denkschrift
vorgeschlagen hat und wie ihn auch die sozialistischen Parteien
in einem gemeinsamen Antrag angeregt haben. Ein solcher Wirtschaftsplan
müßte einerseits die Autonomie der Produktion gewährleisten,
andererseits dem Staate das nötige Aufsichtsrecht sichern,
die Produktion von politischen Einflüssen und den Staat von
unmittelbaren Wirtschaftsaufgaben befreien, die staatlich subventionierte
Wirtschaft abbauen, die eine geordnete Führung der Staatsfinanzen
unmöglich macht, wie bereits das Getreidemonopol zu zeigen
scheint und wie es noch mehr der Fall wäre, wenn es zur sogenannten
Verstaatlichung der Kohlengruben käme. Das ist eine Absicht,
die von verschiedenen Seiten geäußert wurde und die
an ein englisches Sprichwort erinnert: Wenn ein Engländer
von der Bibel spricht, so meint er Baumwolle. Denn hinter dieser
wirtschaftlichen Idee der Verstaatlichung der Kohlengruben verbirgt
sich nichts anderes, als eine nationalistische Forderung, den
deutschen Besitz in èechische Hände überzuführen.
Jed enfalls muß etwas geschehen. Der Gehirntrust, den sich
das Ministerratspräsidium in der Gestalt einer Wirtschaftsabteilung
geschaffen hat, wäre berufen, statt allgemeiner Redensarten
konkrete Anträge zu stellen. Kampf gegen die Arbeitslosigkeit,
Vermehrung des Geldumlaufes, Verbilligung des Kredits, Belebung
der Wirtschaft, Investitionen, Hebung der Kaufkraft usw. sind
sehr schöne und vernünftige Gedanken, aber man müßte
einmal zeigen, wie diese Gedanken im einzelnen in die Tat umgesetzt
werden sollen. Da ist die Frage der 40 Stunden-Woche, die endlich
in einer für die Industrie annehmbaren, also individuell
zu gestaltenden Form gelöst werden muß. Die Sozialversicherung
wäre durch Herabsetzung des Pensionsalters zu reformieren,
womit für jüngere Arbeitskräfte Raum geschaffen
würde. Die Frauenarbeit müßte schrittweise durch
den Familienlohn ausgeschaltet werden, mit dem z. B. das große
Pneumatikunternehmen "Michelin" die besten Erfolge,
namentlich auch in bevölkerungspolitischer Hinsicht erzielt
hat. Wirksame Bauförderung und planmäßige Siedlungsaktion
müßten zur Wirklichkeit werden, sowie auf die rechtzeitige
Befragung und auf eine zweckmäßige Zusammenarbeit der
Zentralstelle mit den entsprechenden Fachkörperschaften mehr
Gewicht gelegt werden.
Die Industrie muß durch Kreditausweitung finanziert und
zu diesem Zwecke die an sich gesunde Idee des Reeskomptes durch
Mobilisierung des Hypothekarkredites ausgebaut werden, wofür
dem Wirtschaftsrat schon längst ein geeigneter Entwurf von
deutscher Seite vorliegt und es wäre wünschenswert,
diesen Gedanken zu prüfen und zu verwirklichen.
Ebenso wünschenswert sind Investitionen. Ich erinnere an
die schon längere Zeit betriebene Forderung der Talsperre
an der Mohra. Investitionen müssen in größerem
Stile durchgeführt werden, wenn man sich auch darüber
klar sein muß, daß damit die Industrie nicht dauernd
befruchtet werden kann. Die Handelspolitik muß energischer
und erfolgreicher den Abschluß günstiger Handelsverträge
fördern, die längst fällige Reform des Gebührengesetzes
und des Zolltarifes durchführen, auf die Lockerung der Devisenwirtschaft,
vor allem aber auf eine wesentliche Vereinfachung und Vereinheitlichung
der handelspolitischen Agenda bedacht sein. Mit solcher Exportpolitik,
die das Exportinstitut nicht durch überflü ssige Sprachenkämpfe
erschweren darf, muß eine auf die Hebung der inneren Kaufkraft
bedachte Steuer- und Lohnpolitik Hand in Hand gehen. Die Erhöhung
unzweckmäßiger Steuern vermag deren Rückgang nicht
zu ersetzen. Kein geringerer als der derzeitige Gouverneur der
Nationalbank und frühere Minister Dr. Engliš
hat neulich in einer Artikelserie ausgeführt, daß nicht
durch Erhöhung, sondern gerade nur durch Steuerabbau man
allmählich ins Gleichgewicht kommen werde. Dauernd bloß
auf dem Papier stehende Steuerrückstände müssen
dagegen irgendwie, vor allem durch vernünftigen Ausgleich
mit den Schuldnern aus der Welt geschafft werden. Ebenso gefährlich
ist die rücksichtslose Eintreibung von Steuern, weil sie
in keinem Verhältnis zu den dadurch bedingten Gefahren der
Stillegung von Betrieben und der Erhöhung der Arbeitslosigkeit
steht.
Nicht minder müßte eine planmäßige Förderung
des Gewerbes schon zur Erhaltung des für die staatliche und
gesellschaftliche Ordnung unentbehrlichen Mittelstandes platzgreifen.
Es wäre notwendig, die Novellierung der Gewerbeordnung wenigstens
in Form der wiederholt versprochenen sogenannten kleinen Gewerbenovelle
vorzunehmen, ferner die Aufhebung der Steuerungleichheit gegenüber
den Genossenschaften und Konsumvereinen, umsomehr als deren Kundenkreis
nicht mehr auf Mitglieder beschränkt ist, u. dgl. m. Andererseits
muß eine wirkliche Konsumentenpolitik der bereits gefahrdrohenden
Teuerung energisch entgegentreten und den bisher bloß theoretischen
Kampf gegen die übertrieb enen Kartellpreise endlich in die
Tat umsetzen. Durch eine fortschreitende Organisierung des Geld-
und Kapitalmarktes muß das Vertrauen zum Kredit- und Sparwesen
wieder hergestellt und zu diesem Zwecke insbesondere auch die
bereits über Gebühr verschleppte Mobilmachung der Einlagen
der Zentralbank der deutschen Sparkassen, sowie der Deutschen
Landbank unter besonderer Berücksichtigung der kleinen Einleger
und der Volksgeldanstalten endlich durchgeführt werden.
Das und vieles andere ist freilich nur möglich durch das
Zusammenwirken von Landwirtschaft und Industrie. Denn gerade unser
Staat muß als Exportstaat, schon zur Bekämpfung der
Arbeitslosigkeit, eine Politik der offenen Tür treiben, er
darf nicht umgekehrt wie bisher durch Autarkie und Protektionismus
unsere Industrie immer mehr und mehr aus dem Welthandel ausschalten.
Er muß vielmehr, wie die jüngst ausgegebene Denkschrift
der Industrie anführt, durch Förderung der Ausfuhrindustrie
die innere Kaufkraft und den Inlandsmarkt im Interesse der Landwirtschaft
stärk en, der bisher auch mit dem Getreidemonopol nur teilweise
und fragwürdig geholfen ist. Die Wirtschaft darf mit anderen
Worten nicht zum Objekt der Politik gemacht werden, weder außennoch
innenpolitisch. Außenpolitisch ist der Mangel an Handelsverträgen
mit den Staaten, die stets unsere Hauptabnehmer waren und es wieder
werden müßten, wenn Handel und Industrie wirklich gedeihen
sollen, mit Deutschland, Österreich und Ungarn, ebenso beklagenswert
wie die ungünstigen Handelsverträge mit Frankreich und
anderen Staaten, deren politische Freundschaft damit zu teuer
bezahlt wird und die gerade, ohne dadurch zu Schaden zu kommen,
noch große Möglichkeiten bieten würden. Was wir
brauchen, ist ein großer Wirtschaftsraum, für den weder
die Kleine Wirtschaftsentente, abgesehen von anderen gewichtigen
Umständen, unter denen ihre geringe Zahlungsfähigkeit
und Zahlungslust oben an stehen, schon wegen ihres überwiegend
agrarischen Charakters keinen genügenden Ersatz zu bieten
vermag, noch Sowjetrußland hinlänglichen Trost gewährt,
bei dem wir - von den politischen und sonstigen Bedenken ganz
zu schweigen - trotz seiner noch unbegrenzten Möglichkeiten
anscheinend wieder einmal zu spät gekommen sind. Dazu bedarf
es vielmehr - und hier könnten sich Politik und Wirtschaft
finden der Organisierung des Donauraumes, der zugleich das entsprechende
Wirtschaftsgebiet für uns bildet.
Innerpolitisch aber darf die Wirtschaft nicht den Gegenstand eines
ständigen Machtkampfes bilden, weder eines wirtschaftspolitischen
noch eines nationalpolitischen. Denn eine Politik, die auf die
vitalen Interessen der Industrie keine Rücksicht nimmt, schwächt
nicht bloß die moralische und militärische Widerstandskraft
des Staates gegen äußere Gefahren, sondern gefährdet
auch das ureigene staatliche Interesse. Die fortschreitende Stillegung
namentlich der nordböhmis chen Industrie und die dadurch
bis zur Unerträglichkeit gesteigerte Not der deutschen Bevölkerung
ist der beste Nährboden für eine wenig staatsfreundliche
Gesinnung, umsomehr we nn das förmlich absichtlich zu geschehen
scheint, wie bei der bisherigen Verteilung des Margarinekontingentes,
die für das kommende Jahr einer dringenden und gründlichen
Korrektur namentlich auch in nationaler Hinsicht bedarf. Hier
erwächst gerade der èechischen Agrarpartei als der
größten und mächtigsten Partei die verantwortungsvolle
Aufgabe, das Parteiinteresse hinter das Staatsinteresse zu stellen
und die Führung zu übernehmen in einer allen Ständen
und Berufen und allen Völkern des Staates gerechtwerdenden
Wirtschaftspolitik, deren Ergebnis nur ein Kompromiß sein
kann.