Ètvrtek 5. prosince 1935

Nun ein Wort vom neuen Staatshaushalt. Dasselbe Bild. Wir haben den Staatsvoranschlag vor uns liegen, der mit einem allerdings läcb erlich kleinen Aktiv um von ungefähr 1 1/2 Millionen abschließt. Aber selbst dieses kleine Aktivum wäre erfreulich, wenn es wahr wäre. Aber trotzdem werden wir wohl damit rechnen müssen, daß auch diesmal die gewohnte Enttäuschung nicht ausbleibt. Die Unaufrichtigkeit dieser Art der Budgetierung ist diesmal ganz besonders leicht zu erweisen. Die Krise, die hoffentlich in den letzten Jahren den Tiefstand erreicht hat, hat selbstverständlich stete Rückgänge der Steuereingänge zur Folge, so daß im laufenden Jahre schon in den ersten neun Monaten die Steuern um eine Milliarde hinter dem Voranschlag zurückgeblieben sind. Trotzdem rechnet der neue Voranschlag abermals mit erhöhten Steuereingängen, wozu der Herr Generalreferent des Budgets selbst bemerkt, daß das nach dem Gange der Ereignisse durchaus ungerechtfertigt ist. Andererseits besteht kein Zweifel, daß die auf knappste bemessenen Ausgaben schon im laufenden Jahre nicht ausreichen, sondern bei weitem überschritten werden. Auch da ist es wiederum der Generalreferent, der schon jetzt mit dem ungeheuren Defizit von 1.100 Millionen für das laufende Jahr rechnet. Darum ist es unwahrscheinlich, daß die Erhöhung der Ausgaben für das nächste Jahr um 350 Millionen - wozu der Herr Generalberichterstatter wieder bemerkt, daß sie auf der Seite der Einnahmen nicht begründet ist - nicht ausreichen wird, denn von diesen 350 Millionen sind von vornherein 150 Millionen für die Wiederaufnahme des Verlosungsdienstes und der Rest ausschließlich für erhöhte Auslagen für die äußere und innere Sicherheit berechnet, so daß alle anderen Mehrauslagen dadurch noch nicht gedeckt erscheinen. Es ist darum sehr wahrscheinlich, daß wir wieder mit einem gewaltigen Defizit werden rechnen müssen, zumal ja schon jetzt im vorliegenden Budget 925 Millionen für die Lehrergehalte und 650 Millionen für die Arbeitslosenfürsorge nicht im ordentlichen Budget gedeckt sind und überdies der auß erordentliche Rüstungsfonds von 360 Millionen und ein Investitionsfo nds vom 790 Millionen bewilligt werden soll, die erst durch Kreditoperationen zu decken sind. Das alles also rechtfertigt es, den Staatsvoranschlag als unerfreulich zu bezeichnen. Unerfreulich ist er aber auch deshalb, weil er wieder nicht dem seinerzeit angekündigten Versprechen Rechnung trägt, daß es mit der Deflationspolitik ein Ende haben soll. Das äußert sich namentlich darin, daß der Abbau der Staatsangestelltenbezüge in voller Höhe und in voller Schärfe aufrecht erhalten wird. Das ist nicht bloß eine schwere Belastung für die unmittelbar Betroffenen, sondern es bedeutet zugleich eine Schwächung der allgemeinen Kaufkraft um mehr als 1/2 Milliarde, und die Staatsangestellten werden dadurch noch arbeitsunlustiger. Und das alles geschieht, obwohl gleichzeitig ein Steigen des Großh andelsindex um 20%, des Lebensmittelindex um 30% eingetreten ist, so daß die Èechoslovakei allmählich zu einem der teuersten Länder mit den niedrigsten Löhnen und Gehältern geworden ist und die heute so bek annten Schlagworte von der gesunkenen Kaufkraft und der abermals anwachsenden Arbeitslosigkeit das Schreckgespenst für die nächste Zukunft darstellen. Sicherlich sind Ersparnisse im Haushalt dringend geboten. Aber schon ein altes chinesisches Sprichwort sagt: "Es ist nicht klug von Eheleuten, früh schlafen zu gehen, um das Licht zu sparen, wenn das Ergebnis Zwillinge sind", das heißt Sparen und Sparen ist zweierlei. Das richtige Sparen hat man bei uns noch immer nicht gelernt. Daß die übermässige Kürzung der Staatsangestelltenbezüge nicht das Richtige ist, habe ich schon angedeutet. Wenn man diesen Abbau schon nicht abbaut, müßte man den Staatsangestellten wenigstens in anderer Weise entgegenkommen durch Wiederherstellung des normalen Zahlungstermins, durch Einleitung einer entsprechenden Entschuldungsaktion, durch die Besserung der Beförderungsverhältnisse und durch die endliche Herausgabe der entsprechenden Ausführungsverordnungen zum Staatsangestelltengesetz, durch einen entsprechenden Ersatz für den Abbau des Mieterschutzes und vor allem auch durch die endliche gerechte Regelung der Pensionistenfrage, daß endlich die berühmte, ich muß schon sagen berüchtigte IV. Etappe der Pensionisten zum Zuge kommt, daß die Behandlung der Auslandspensionisten entsprech ender wird usw.

Anderseits wäre es natürlich - ich möchte sagen - demagogisch, in der heutigen leider nur zu kriegsschwangeren Zeit von Abrüstung zu sprechen, sich gegen die Militärlasten auszusprechen. Wir werden gegen das Budget stimmen, aber unsere Abstimmung hat nicht den Sinn, daß wir dem Staate die Mittel zum Leben verweigern wollen, daß wir ihm die notwendigen Mittel zur Rüstung entziehen wollen. Das ist nicht der Sinn unserer Abstimmung. Wenn es auf unsere St immen ankäme, würden wir auch für diese Forderungen stimmen. Unsere Abstimmung hat lediglich den Sinn des Ausdruckes des Mißtrauens gegen das heutige Regierungssystem. Ich sagte schon, ich wolle nicht gegen die Militärlasten als solche sprechen, aber ich will gegen die unwirtschaftliche Art und Weise sprechen, mit der die Militärverwaltung mit den ihr zur Verfügung gestellten Mitteln umgeht. Ich erinnere daran, daß es verkehrt ist, auf Kosten des Menschenmaterials an der Verpflegung und Kleidung der Soldaten zu sparen. Anderseits aber sehen wir, daß gewisse Industrien und gewisse Genossenschaften, oder sagen wir noch deutlicher, gewisse Parteikassen auf Kosten der Steuerträger überfüttert werden, indem man ihnen unverhältnismäßige, über das allgemeine Niveau weit hinausgehende Preise zahlt.

Es unterliegt keinem Zweifel, daß auch das Schulwesen das Letzte ist, an dem gespart werden soll und darf, im Gegenteil. Heuer wurden leider wiederum die Auslagen für das Hoch- und Mittelschulwesen im Budget bedeutend gesenkt. Besonders schwer ist das deutsche Schulwesen betroffen. Die deutsche Musikakademie erhält von Jahr zu Jahr immer weniger, die deutsche Musikschule in Petschau so gut wie nichts. Wir haben endlich die Verstaatlichung der deutschen pädagogischen Akademie erreicht, aber die finanziellen Mittel, die ihr gewährt werden, und auch die sonstige Art ihrer Behandlung ist derart, daß eine gedeihliche Entwicklung dieser Anstalt nicht möglich ist. Zahlreiche deutsche Mittelschulen wurden gesperrt und die Zustände am Preßburger deutschen Gymnasium, das 1000 Schüler zählt, sind in rä umlicher und anderer Beziehung geradezu trostlos.

Von dem Volksschulwesen gar nicht zu sprechen. In dem Schuljahre 1934/35 wurden den Deutschen drei Bürgerschulen und 12 Volksschulen mit mehr als 100 Klassen genommen, was zum Teil gerechtfertigt sein mag, weil die Schülerzahl in dieser Zeit zurückgegangen ist. Das ist richtig; aber dasselbe ist auch auf èechischer Seite der Fall, und trotzdem hat dort eine Vermehrung um 48 Schulen und 792 Klassen stattgefunden. In Krawarn in Hultschin hat man beispielsweise für 4 Kinder eine neue Schule mit einem Kostenaufwand von 4 Millionen Kè errichtet. Dafür ist der deutsche Privatunterricht in Hultschin unterbunden und man trägt sich angeblich mit der Absicht, den Privatunterricht aus begreiflichen Gründen überhaupt zu verbieten.

Demgegenüber schießen die Auslagen für die sogenannten Minderheitsschulen - ich sage sogenannte, weil der harmlose Ausländer meinen könnte, daß es sich dabei um Schulen für die nationalen Minderheiten handelt, während wir wissen, daß 99 oder fast 100% dieser Schulen für die sogenannten èechischen Minderheiten in dem Gott sei Dank noch recht breiten deutschen Randgebiet errichtet sind - die Auslagen für diese Minderheitsschulen schießen selbst nach der Meinung vernünftiger, ruhig denkender Angehöriger des èechischen Volkes über das Ziel, so daß die Schulautonomie nicht bloß aus nationalen Gründen, sondern ebenso sehr aus religiösen Gründen, wie sie am besten in Holland verwirklicht ist, eine immer dringendere Forderung wird.

Nicht weniger beklagenswert sind die geplanten Ersparungen an der Jugend. Niemand wünscht, daß die sozialen Ausgaben für die èechische Studentenschaft verringert werden, wohl ab er verlangen wir eine entsprechende Erhöhung der Gesamtauslagen um den gewiß nicht unerschwinglichen Betrag von 1 1/2 Millionen Kè, um die deutsche Stud entenschaft entsprechend bedenken zu können und der in einer Denkschrift der deutschen Studentenschaft in geradezu erschütternden Weise zum Ausdruck gek ommenen Not einigermaß en zu steuern.

Ebenso dringend zu wünschen ist, daß die für die Jugendfürsorge best immten Posten im Rahmen der Ministerien für soziale Fürsorge und für Gesundheit wieder in der Höhe des Jahres 1931 hergestellt werden.

Gewiß muß das budgetäre Gleichgewicht mit aller Macht hergestellt werden. Aber wenn das mit Erfolg geschehen soll, so genügen die von Fall zu Fall unternommenen Versuche nicht, sondern man muß dem Grundübel an den Leib gehen. Dazu würde die von allen Seiten einmütig verlangte, aber vorläufig den Schneckengang gehende Reform der Verwaltung gehören, eine Verwaltungsreform, die auf eine Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens und auf eine weitgehende Dezentralisation gerichtet sein muß. Es muß ebenso die Vereinigung gewisser Zentralstellen zu einem einheitlichen Verkehrsministerium angestrebt werden, nicht um ein paar Beamte zu ersparen, sondern um diese sich gegenseitig konkurrenzierenden Unternehmungen zusammenzufassen. Ich erinnere daran, daß die Postautos den Autos des Eisenbahnministeriums Konkurrenz machen. Diese unzweckmäßige, unwirtschaftliche Konkurrenzierung muß beseitigt werden, und die staatlichen Unternehmungen sollen nach wirklichen kaufmännischen Grundsätzen geführt werden, um erträgnisreich gemacht zu werden. Ich erinnere an die Post, die bei uns mit einem ständigen Passiv um arbeitet, während sie in England nicht nur das beste Geschäft des Staates, sondern in England überhaupt darstellt. Ich erinnere ferner an unsere Tabakregie, die zwar noch immer das einzige aktive Unternehmen des Staates ist, deren Einnahmen aber infolge Mangels eines entsprechenden kaufmännischen Betriebes von Jahr zu Jahr zurückgehen. Was bisher an grundsätzlichen Lös ungen versucht wurde, hat versagt. Die sogenannte Sanierung der Selbstverwaltungskörper, die vorläufig nur auf dem Papier steht, die jedenfalls wiederum nur ein Provisorium darstellt, wird solange auf dem Papier stehen bleiben, als nicht die erforderlichen finanziellen Mittel zur Verfügung stehen.

Vor allem ist aber den Staatsfinanzen nicht zu helfen, wenn nicht der Privatwirtschaft geholfen wird: den verschiedenen Ständen der Bevölkerung ohne Unterschied, der Landwirtschaft ebenso wie der Industrie, dem Handel wie dem Gewerbe, den Festbesoldeten wie den Arbeitern. In dieser Hinsicht wäre es ungerecht, der Regi erung den Vorwurf zu machen, daß sie nicht den guten Willen hat, aber ihre Tätigkeit beschränkt sich bisher darauf, von Zeit zu Zeit immer wieder ein möglichst großzügiges Wirtschaftsprogramm zu entwickeln, und auch heute haben wir vom Herrn Ministerpräsidenten nichts anderes gehört. Das erinnert mich an die sensationelle Schrift: "12 Methoden, um Millionär zu werden", deren Verfasser leider Hungers gestorben ist, bevor er eine dieser Methoden in die Tat umsetzen konnte. Es muß endlich etwas geschehen. Das erste wäre ein der Konkurrenz der politischen Parteien entzogener Wirtschaftsplan, der von einem staatlichen Wirtschaftsrat auszuarbeiten wäre, wie ihn der Verband der chr-istlichen Gewerkschaften in einer auch sonst sehr bemerkenswerten Denkschrift vorgeschlagen hat und wie ihn auch die sozialistischen Parteien in einem gemeinsamen Antrag angeregt haben. Ein solcher Wirtschaftsplan müßte einerseits die Autonomie der Produktion gewährleisten, andererseits dem Staate das nötige Aufsichtsrecht sichern, die Produktion von politischen Einflüssen und den Staat von unmittelbaren Wirtschaftsaufgaben befreien, die staatlich subventionierte Wirtschaft abbauen, die eine geordnete Führung der Staatsfinanzen unmöglich macht, wie bereits das Getreidemonopol zu zeigen scheint und wie es noch mehr der Fall wäre, wenn es zur sogenannten Verstaatlichung der Kohlengruben käme. Das ist eine Absicht, die von verschiedenen Seiten geäußert wurde und die an ein englisches Sprichwort erinnert: Wenn ein Engländer von der Bibel spricht, so meint er Baumwolle. Denn hinter dieser wirtschaftlichen Idee der Verstaatlichung der Kohlengruben verbirgt sich nichts anderes, als eine nationalistische Forderung, den deutschen Besitz in èechische Hände überzuführen.

Jed enfalls muß etwas geschehen. Der Gehirntrust, den sich das Ministerratspräsidium in der Gestalt einer Wirtschaftsabteilung geschaffen hat, wäre berufen, statt allgemeiner Redensarten konkrete Anträge zu stellen. Kampf gegen die Arbeitslosigkeit, Vermehrung des Geldumlaufes, Verbilligung des Kredits, Belebung der Wirtschaft, Investitionen, Hebung der Kaufkraft usw. sind sehr schöne und vernünftige Gedanken, aber man müßte einmal zeigen, wie diese Gedanken im einzelnen in die Tat umgesetzt werden sollen. Da ist die Frage der 40 Stunden-Woche, die endlich in einer für die Industrie annehmbaren, also individuell zu gestaltenden Form gelöst werden muß. Die Sozialversicherung wäre durch Herabsetzung des Pensionsalters zu reformieren, womit für jüngere Arbeitskräfte Raum geschaffen würde. Die Frauenarbeit müßte schrittweise durch den Familienlohn ausgeschaltet werden, mit dem z. B. das große Pneumatikunternehmen "Michelin" die besten Erfolge, namentlich auch in bevölkerungspolitischer Hinsicht erzielt hat. Wirksame Bauförderung und planmäßige Siedlungsaktion müßten zur Wirklichkeit werden, sowie auf die rechtzeitige Befragung und auf eine zweckmäßige Zusammenarbeit der Zentralstelle mit den entsprechenden Fachkörperschaften mehr Gewicht gelegt werden.

Die Industrie muß durch Kreditausweitung finanziert und zu diesem Zwecke die an sich gesunde Idee des Reeskomptes durch Mobilisierung des Hypothekarkredites ausgebaut werden, wofür dem Wirtschaftsrat schon längst ein geeigneter Entwurf von deutscher Seite vorliegt und es wäre wünschenswert, diesen Gedanken zu prüfen und zu verwirklichen.

Ebenso wünschenswert sind Investitionen. Ich erinnere an die schon längere Zeit betriebene Forderung der Talsperre an der Mohra. Investitionen müssen in größerem Stile durchgeführt werden, wenn man sich auch darüber klar sein muß, daß damit die Industrie nicht dauernd befruchtet werden kann. Die Handelspolitik muß energischer und erfolgreicher den Abschluß günstiger Handelsverträge fördern, die längst fällige Reform des Gebührengesetzes und des Zolltarifes durchführen, auf die Lockerung der Devisenwirtschaft, vor allem aber auf eine wesentliche Vereinfachung und Vereinheitlichung der handelspolitischen Agenda bedacht sein. Mit solcher Exportpolitik, die das Exportinstitut nicht durch überflü ssige Sprachenkämpfe erschweren darf, muß eine auf die Hebung der inneren Kaufkraft bedachte Steuer- und Lohnpolitik Hand in Hand gehen. Die Erhöhung unzweckmäßiger Steuern vermag deren Rückgang nicht zu ersetzen. Kein geringerer als der derzeitige Gouverneur der Nationalbank und frühere Minister Dr. Engliš hat neulich in einer Artikelserie ausgeführt, daß nicht durch Erhöhung, sondern gerade nur durch Steuerabbau man allmählich ins Gleichgewicht kommen werde. Dauernd bloß auf dem Papier stehende Steuerrückstände müssen dagegen irgendwie, vor allem durch vernünftigen Ausgleich mit den Schuldnern aus der Welt geschafft werden. Ebenso gefährlich ist die rücksichtslose Eintreibung von Steuern, weil sie in keinem Verhältnis zu den dadurch bedingten Gefahren der Stillegung von Betrieben und der Erhöhung der Arbeitslosigkeit steht.

Nicht minder müßte eine planmäßige Förderung des Gewerbes schon zur Erhaltung des für die staatliche und gesellschaftliche Ordnung unentbehrlichen Mittelstandes platzgreifen. Es wäre notwendig, die Novellierung der Gewerbeordnung wenigstens in Form der wiederholt versprochenen sogenannten kleinen Gewerbenovelle vorzunehmen, ferner die Aufhebung der Steuerungleichheit gegenüber den Genossenschaften und Konsumvereinen, umsomehr als deren Kundenkreis nicht mehr auf Mitglieder beschränkt ist, u. dgl. m. Andererseits muß eine wirkliche Konsumentenpolitik der bereits gefahrdrohenden Teuerung energisch entgegentreten und den bisher bloß theoretischen Kampf gegen die übertrieb enen Kartellpreise endlich in die Tat umsetzen. Durch eine fortschreitende Organisierung des Geld- und Kapitalmarktes muß das Vertrauen zum Kredit- und Sparwesen wieder hergestellt und zu diesem Zwecke insbesondere auch die bereits über Gebühr verschleppte Mobilmachung der Einlagen der Zentralbank der deutschen Sparkassen, sowie der Deutschen Landbank unter besonderer Berücksichtigung der kleinen Einleger und der Volksgeldanstalten endlich durchgeführt werden.

Das und vieles andere ist freilich nur möglich durch das Zusammenwirken von Landwirtschaft und Industrie. Denn gerade unser Staat muß als Exportstaat, schon zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, eine Politik der offenen Tür treiben, er darf nicht umgekehrt wie bisher durch Autarkie und Protektionismus unsere Industrie immer mehr und mehr aus dem Welthandel ausschalten. Er muß vielmehr, wie die jüngst ausgegebene Denkschrift der Industrie anführt, durch Förderung der Ausfuhrindustrie die innere Kaufkraft und den Inlandsmarkt im Interesse der Landwirtschaft stärk en, der bisher auch mit dem Getreidemonopol nur teilweise und fragwürdig geholfen ist. Die Wirtschaft darf mit anderen Worten nicht zum Objekt der Politik gemacht werden, weder außennoch innenpolitisch. Außenpolitisch ist der Mangel an Handelsverträgen mit den Staaten, die stets unsere Hauptabnehmer waren und es wieder werden müßten, wenn Handel und Industrie wirklich gedeihen sollen, mit Deutschland, Österreich und Ungarn, ebenso beklagenswert wie die ungünstigen Handelsverträge mit Frankreich und anderen Staaten, deren politische Freundschaft damit zu teuer bezahlt wird und die gerade, ohne dadurch zu Schaden zu kommen, noch große Möglichkeiten bieten würden. Was wir brauchen, ist ein großer Wirtschaftsraum, für den weder die Kleine Wirtschaftsentente, abgesehen von anderen gewichtigen Umständen, unter denen ihre geringe Zahlungsfähigkeit und Zahlungslust oben an stehen, schon wegen ihres überwiegend agrarischen Charakters keinen genügenden Ersatz zu bieten vermag, noch Sowjetrußland hinlänglichen Trost gewährt, bei dem wir - von den politischen und sonstigen Bedenken ganz zu schweigen - trotz seiner noch unbegrenzten Möglichkeiten anscheinend wieder einmal zu spät gekommen sind. Dazu bedarf es vielmehr - und hier könnten sich Politik und Wirtschaft finden der Organisierung des Donauraumes, der zugleich das entsprechende Wirtschaftsgebiet für uns bildet.

Innerpolitisch aber darf die Wirtschaft nicht den Gegenstand eines ständigen Machtkampfes bilden, weder eines wirtschaftspolitischen noch eines nationalpolitischen. Denn eine Politik, die auf die vitalen Interessen der Industrie keine Rücksicht nimmt, schwächt nicht bloß die moralische und militärische Widerstandskraft des Staates gegen äußere Gefahren, sondern gefährdet auch das ureigene staatliche Interesse. Die fortschreitende Stillegung namentlich der nordböhmis chen Industrie und die dadurch bis zur Unerträglichkeit gesteigerte Not der deutschen Bevölkerung ist der beste Nährboden für eine wenig staatsfreundliche Gesinnung, umsomehr we nn das förmlich absichtlich zu geschehen scheint, wie bei der bisherigen Verteilung des Margarinekontingentes, die für das kommende Jahr einer dringenden und gründlichen Korrektur namentlich auch in nationaler Hinsicht bedarf. Hier erwächst gerade der èechischen Agrarpartei als der größten und mächtigsten Partei die verantwortungsvolle Aufgabe, das Parteiinteresse hinter das Staatsinteresse zu stellen und die Führung zu übernehmen in einer allen Ständen und Berufen und allen Völkern des Staates gerechtwerdenden Wirtschaftspolitik, deren Ergebnis nur ein Kompromiß sein kann.


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