Meine Herren! Nach den hierzulande herrschenden Begriffen von
Loyalität ist es zweifellos der am loyalsten, der zu dem
Kapitel über die staatliche Finanzwirtschaft schweigt, sofern
er sich nicht entschließt, der offiziellen Schönfärberei
beizutreten. Wir können uns dazu leider nicht entschließen,
weil wir allzu deutlich am eigenen Leibe erfahren haben, daß
die wirtschaftliche und politische Situation nicht durch konziliante
Rhetorik, auch nicht durch unverbindliche Resolutionen, sondern
einzig und allein durch Taten gebessert werden kann. Wir halten
es vielmehr für unsere Pflicht, die Dinge so hinzustellen,
wie sie sind, wobei wir die Regierung für das, was sie tut
und was sie unterlassen hat, zur Verantwortung ziehen. Wir sind
deshalb "oben" nicht allzu beliebt, weil wir leider
nur zu sehr in der Lage sind nachzuweisen, wieviel die Regierung
unterlassen hat und wieviel von dem, was sie tut, besser hätte
unterbleiben sollen. Wenn man aber im Ministerkollegium der Zukunft
des Staates eine größere Bedeutung beimäße,
als der Bequemlichkeit der Politik des "als ob" und
der Bequemlichkeit der Politik des Scheins, so müßte
man sich zu einer grundlegenden Änderung der Außen-,
Innen- und Wirtschaftspolitik entschließen.
Die Sudetendeutsche Partei hat von jeher darauf hingewiesen, daß
sie die Staatswirtschaft als eine Wirtschaft des Scheines betrachtet.
In allen Budgetbesprechungen haben wir festgestellt, daß
die Staatswirtschaft in keinem Verhältnis zum Wohlstande
der Bevölkerung und ihrer Steuerkraft steht. War schon früher
die Staatswirtschaft infolge der Überdimensionierun-g der
Verwaltung und infolge der Unrentabilität der staatlichen
Unternehmungen und der durch die Außenpolitik hervorgerufenen
Handelsverluste eine Wirtschaft, die man mit der Wirtschaft eines
leichtsinnigen Kaufmannes vergleichen konnte, so sind die neugeplanten
Ausgaben und Steuern geradezu danach angetan, die Bevölkerung
zu einem dauernden Verzicht auf eine Steigerung der Lebenshaltung
zu zwingen. Sie werden mir da vielleicht entgegenhalten, daß
die neuen Steuerauflagen keineswegs dauernd sind, sondern zeitlich
beschränkt werden sollen. Ich kann darauf aber antworten,
daß viele, schon seit Jahren in Geltung befindliche Steuern
seinerzeit bei der Einführung als vorübergehend bezeichnet
wurden. Ich erinnere nur an die Umsatzsteuer, die heute das Rückgrat
des Steuerhaushaltes darstellt, während man sie früher
als vorübergehend bezeichnet hat, ferner an die Krisensteuer,
die auch heute noch in Geltung bleibt, trotzdem im kommenden Jahre
außer der Krisensteuer noch eine Konjunktursteuer eingeführt
werden soll.
Wenn Sie auf der èechischen Seite diese Entwicklung als
unabänderliches Schicksal einfach fatalistisch hinnehmen
und auf die Steigerung des Lebensstandards Ihres Volkes verzichten,
so wäre das Ihre Sache, wenn nicht auch das Schicksal unserer
Volksgruppe an das Ihre gebunden wäre. Wir sind nicht der
Überzeugung, daß alles das hat so kommen müssen,
und wir sind auch nicht der Überzeugung, daß die Verarmung,
der Verzicht auf sozialen und kulturellen Wohlstand der einzig
mögliche Kaufpreis für die Erhaltung der staatlichen
Souveränität ist. Wir sind vielmehr der Ansicht, daß
Sie sich auch heute noch von einem Großteile der wirtschaftlichen
und fast von allen politischen Sorgen befreien könnten, wenn
Sie sich entschließen würden, gegenüber dem Deutschtum
nach Außen und nach Innen eine andere Haltung zu beziehen.
(Souhlas poslancù sudetskonìmecké strany.)
Es ist hier nicht meine Aufgabe, diesen Gedankengang umfassend
weiter auszubauen; es ist auch nicht notwendig, weil dies meine
Kameraden bei der Budgetbesprechung schon vor mir getan haben.
Daß aber die katastrophale Situation der staatlichen Finanzen
und insbesondere der hohe Stand der Verschuldung nicht zuletzt
auf politische Ursachen zurückzuführen ist, beweist
nichts besser, als die auch von offizieller Seite festgestellte
Tatsache, daß der Voranschlag für das Jahr 1938 ganz
im Zeichen der Rüstungen steht. Allein für die deklarierten
Rüstungsausgaben sind nicht weniger als 4500 Millionen Kè
ausgeworfen. Wenn man diese Ziffer, ohne sie durch die Millionenbeträge
für indirekte Rüstungen, etwa für strategische
Straßen, Bahnen, Brücken usw. der anderen Ressorts
zu vergrößern, mit dem Staatsrechnungsabschluß
1936 vergleicht, so kommt man zu der bezeichnenden Tatsache, daß
der Ertrag sämtlicher Steuern und Zölle des Jahres 1936
gerade ausreichen würde, um allein die deklarierten Rüstungsausgaben
für 1938 zu decken. Dies scheint uns für die Feststellung
der Ursachen der Finanzlage des Staates genügend zu sein,
wobei wir es ruhig übersehen wollen, daß das Verteidigungsministerium
wahrscheinlich wieder nicht mit den budgetären Mitteln im
kommenden Jahre das Auslangen finden wird, wie es bisher und auch
in diesem Jahre das Auslangen nicht gefunden hat.
Im Finanzgesetz für das kommende Jahr wird der Finanzminister
ermächtigt, durch Kreditoperationen jene Beträge zu
beschaffen, die das Verteidigungsministerium im laufenden Jahre
1937 ausgegeben hat, ohne dafür im Voranschlag eine Deckung
zu besitzen. Das Verteidigungsministerium überschreitet daher
auch im laufenden Jahre wiederum den Voranschlag und wird dies
sicher auch weiterhin im kommenden Jahre tun. Die Ermächtigung
aber setzt wahrscheinlich allein den Herrn Finanzminister in die
Lage, in seinem Exposé zu erklären, daß der
Rechnungsabschluß des Jahres 1937 kein Defizit aufweisen
dürfte. An dem tatsächlichen Auftreten des Defizits
wird aber auch diese Verschleierungsmethode nichts ändern
können.
Sie ist genau so wertvoll wie die formelle Ausgeglichenheit des
Budgets, auf die Sie Jahr für Jahr im Herbst so besonders
stolz sind und die Sie diesmal sogar sittlich und erzieherisch
nennen. Während aber die Regierung mit der Vorlage des ausgeglichenen
Budgets gegenüber der Bevölkerung Jahr für Jahr
ein Versprechen übernimmt, beweist der Staatsrechnungsabschluß,
daß die Regierung nicht in der Lage war, dieses Versprechen
zu erfüllen. Dieser weniger sittliche, aber immerhin erzieherische,
weil informative Beweis, wird seit 1930 Jahr für Jahr geliefert.
Die Rechnungsabschlüsse seit 1930 beweisen eindeutig, daß
sich dieses Spiel Jahr für Jahr wiederholt hat. Seit 1930
sind mit Ausnahme des Jahres 1934 die Ausgaben ständig gestiegen,
dagegen die Einnahmen ständig gesunken. Seit 1930 haben mit
Ausnahme des Jahres 1934 die tatsächlichen Einnahmen niemals
die im Voranschlag erwarteten erreicht. Dagegen haben seit 1930
in jedem Jahre, mit Ausnahme von 1931, die tatsächlichen
Ausgaben den Voranschlag überschritten. Seit 1931 endet diese
Wirtschaft des Scheins mit einem Defizit von 8139 Millionen Kè
und die Staatsschulden haben bis Ende 1936 gegen 45.527 Millionen
erreicht. Wie angesichts dieser Tatsachen der Herr Finanzminister
noch in der Lage ist, den formellen Ausgleich des Budgets als
sittlich und erzieherisch hinzustellen, ist uns unbegreiflich.
Wir fänden es für weitaus sittlicher, den Voranschlag
von vornherein an die Tragfähigkeit der Bevölkerung
anzupassen, und wir fänden es für weitaus erziehlicher,
diesen Voranschlag auch dann nicht zu überschreiten. Unter
Hinweis darauf, daß im Voranschlag für 1938 die Schuldensumme
"nur" auf 47.094 Millionen gestiegen ist, unternimmt
es der Herr Finanzm inister, diese Verschuldung als "nicht
übermäßig" zu bezeichnen. Er führt dazu
Vergleiche mit der Vorkriegsschuld des alten Österreich an
und errechnet den auf uns entfallenden Anteil mit 6 Milliarden
österreichischer Goldkronen. Diese 6 Milliarden rechnet er
dann mit 60 Milliarden um. Ohne diesen Vergleich eine besondere
Bedeutung beizumessen, wollen wir doch darauf hinweisen, daß
die Umrechnung der Goldkrone mit 10 Kè der tatsächlichen
Relation nicht entspricht. Wir dürfen hier nicht nur den
reinen Goldwert der Krone in Relation bringen, sondern wir müssen
auch, um den beiden Abwertungsgesetzen sinngemäß zu
entsprechen, die Kaufkraft der Kè in Relation bringen.
Dazu gibt uns der Index der Lebenshaltungskosten wohl die einzige
Möglichkeit. Wenn wir diesen Index für 1936 durchschnittlich
mit 700 gegenüber 1914 mit 100 annehmen. so ergibt sich,
daß wir nur auf eine Schuld von 42 Milliarden kämen,
also noch lange nicht die Ziffer von 47.094 Millionen erreicht
hätten. Auch ein Vergleich mit Italien hinkt, weil die Èechoslovakei
kein Imperium aufbaut und auch nicht Abessinien erobert hat. (Veselost
poslancù sudetskonìmecké strany.) Naheliegender
wäre ein Vergleich mit dem benachbarten Deutschen Reiche,
das wirtschaftlich und politisch unter schlechteren Voraussetzungen
als die Republik zu kämpfen hat. Unter Zugrundelegung der
Angaben des statistischen Reichsamtes wird eine Schuldenkopfquote
im Juli 1937 von 245 Mark errechnet. Dies ergibt bei einem der
Kaufkraft etwa entsprechenden Umrechnungskurs von 8 Kè
eine Kopfquote von 1960 Kè, also erst 64 % der vom Finanzminister
errechneten èechoslovakischen Kopfverschuldung von 3101
Kè, die wir jedoch zum Vergleiche mit 1937 auf 3170 Kè
erhöhen müssen. Dabei hat Deutschland aus dem Nichts
eine Armee und aus dem Elend eine wirtschaftliche Binnenkonjunktur
geschaffen.
Diese Vergleiche, wie überhaupt die Höhe der Schulden,
sagen jedoch hinsichtlich der Tragfähigkeit und der Solidität
des Schuldners nichts, wenn der Verschuldung eine entsprechende
Steuerkraft gegenübersteht. Das ist aber bei uns nicht der
Fall gewesen und wird es auch 1938 nicht sein. Hier wäre
es schon aufschluß reicher, die Belastung durch die Staatsschuld
nicht auf die Bevölkerung, sondern auf die Steuerzahler umzurechnen.
Wenn wir annehmen, daß die Èechoslovakei im ganzen
2.3 Millionen Steuerträger hat, deren Einkommen über
dem Existenzminimum liegt, so ergibt dies die gewaltige Kopfquote
von 20.500 Kè, was wohl auf der ganzen Welt beachtlich
und in Mitteleuropa einzig dastehend ist. (Souhlas.) [
]
Ich denke weniger an die Kredite, die unlängst dem rumänischen
Bundesgenossen für Rüstungszwecke gewährt wurden,
vielmehr daran, daß es dem chinesischen Finanzminister möglich
gewesen ist, in der Èechoslovakei Kredite von insgesamt
1 1/4 Milliarden unterzubringen. Man könnte sich immerhin
auf den zwar falschen Standpunkt stellen, daß uns diese
Transaktion nichts anginge, weil sie einzig und allein auf das
Risiko der beteiligten Rüstungsindustrien geht. Das ist aber
nicht der Fall. Denn die auf Grund des Kredites durchgeführten
Lieferungen fallen unter die staatliche Exportgarantie und betreffen
daher in ihrem weiteren Verlaufe die Allgemeinheit, also auch
das Sudetendeutschtum. Ganz abgesehen von der drückenden
Wirtschaftslage der Èechoslovakei, die den Einsatz aller
Mittel im Inlande erforderte. muß es Bedenken erregen, wenn
man sich den Garanten für diesen Milliardenkredit ansieht.
Die Zentralbank für China hat die Sicherheit der Anleihe
verbürgt, eine Bank, von der man in internationalen Finanzkreisen
sehr genau weiß, daß sie nicht in der Lage ist, im
Ernstfalle die Garantien einzulösen. Trotzdem gewährt
die Èechoslovakische Republik Kredite, die nur in geringem
Maße die Zehnjahrs-Grenze unterschreiten. Jeder verantwortungsbewußte
Bürger muß sich in Anbetracht dieser Umstände
daher die Frage vorlegen: Wie kommt denn die ohnehin um ihre eigene
Existenz schwer kämpfende Èechoslovakei dazu, ausgerechnet
an China einen Riesenkredit zu geben, während doch China,
von fast allen anderen Staaten als kreditunwürdig angesehen
wird? Warum, so muß sich jeder Steuerträger fragen,
wird dieser Milliardenbetrag nicht im eigenen Lande verbraucht,
wo er infolge der Kreditknappheit im Inlande zur Belebung der
Wirtschaft und zur Beseitigung der Arbeitslosigkeit dringend notwendig
wäre? Man muß sich weiter fragen, ob bei dieser Transaktion
der gesunde Menschenverstand prinzipiell ausgeschaltet wurde,
und ob man dazumal nicht das Außenministerium zu Rate gezogen
hat, und wenn man dies schon nicht tat, muß man sich fragen,
ob man damals keine Zeitungen las. Es konnte doch nicht verborgen
bleiben, wie sich in China inzwischen die Situation entwickelt
hat. Oder ist man hierzulande grundsätzlich der Überzeugung,
stets auf die falsche Karte setzen zu müssen, wie man es
mit Abessinien oder mit Rotspanien zu tun als seine Ehrenpflicht
angesehen hat? Es muß doch jedem klar sein, daß das
Risiko dieses èechoslovakischen Kredits bei der gegenwärtigen
Situation Chinas ungeheuer groß ist. (Pøedsednictví
pøevzal místopøedseda Košek.) Wenn
Japan über China siegt, wird Japan selbstverständlich
nicht bereit sein, den èechoslovakischen Kredit zu bezahlen,
der dazu verwendet wurde, um gegen Japan schießen zu können.
Es wird auch China nicht in der Lage sein. Selbst wenn es siegen
sollte, was ich zu bezweifeln wage. China wird ausgeblutet und
noch weniger in der Lage sein, den èechoslovakischen Kredit
zu zahlen. Es wird wahrscheinlich in Revolutionen gestürzt
werden und die neuen Herren werden nicht daran denken, die Schuld
der alten Herren gerade an die Èechoslovakei zu bezahlen.
Darüber hinaus wird die Garantie der chinesischen Zentralbank
an diesen Zuständen nichts ändern. Man müßte
annehmen, daß auch den èechoslovakischen Financiers
diese Gedanken, die nicht allzuferne liegen, gekommen sein müssen,
und gerade weil man dies annehmen muß, gewinnen die Gerüchte
an Wahrscheinlichkeit, die davon sprechen, daß hinter dem
ganzen Kredit vor allem die Interessen Sowjetrußlands stehen,
das auf dem Umwege über den èechoslovakischen Kredit
weiteren Einfluß in Südchina erlangen wollte.
Wir hätten, meine Damen und Herren, wahrlich nichts dagegen,
wenn man alle günstigen Umstände dazu benützen
würde, um den Export unserer industriellen Erzeugnisse zu
beleben, zu unterstützen und anzukurbeln. Sie werden es aber
verstehen, daß wir gerade das China-Geschäft nicht
als eine günstige Gelegenheit zur Exportförderung betrachten.
Gerade wir Sudetendeutschen können daher diese Transaktion
nur mit Entrüs tung zur Kenntnis nehmen, weil sich diese
Art staatlicher Exportförderung wiederum nur einseitig für
die rein èechischen Interessen der Rüstungsindustrie
einsetzt und weil es andererseits wiederum auch die Sudetendeutschen
sein werden, die bei der Inanspruchn ahme der Exportgarantie ihren
Anteil zu leisten haben.
Die Arbeitslosen im sudetendeutschen Raum, die Kleingewerbetreibenden
und Hausarbeiter, werden sich schwerlich damit trösten können,
daß sie durch ihre Opfer die Škodaaktien, die Aktien
der Flugzeugwerke, der Gasmaskengesellschaft und der Brünner
Waffenfabrik in die Höhe trieben und diesen Kreisen einen
anständigen Profit verschafft haben.
Der Herr Finanzminister beruft sich bei der Ankündigung des
neuen Steuerprogr amms auf den Aufschwung der Wirtschaft. In anderen
Ländern hat man diesen Aufschwung durch Reduktion der öffentlichen
Lasten gefördert. Bei uns geht man daran, die aufkeimende
Wirtschaftsbesserung durch neue Lasten sofort zu erdrücken.
Wenn Sie auf Grund des Rechnungsabschlusses die tatsächlichen
Einnahmen des Jahres 1936 den Voranschlagsausgaben für 1938
gegenüberstellen, kommen Sie zu dem Resultate, daß
aus der Bevölkerung im kommenden Jahr um sage und schreibe
3335 Millionen oder um 47 Prozent mehr herausgesteuert werden
muß, als die Bevölkerung im Jahre 1936 tatsächlich
im ganzen aufgebracht hat. Dabei darf nicht unberücksichtigt
bleiben, daß das Jahr 1936 zweifellos hinsichtlich des Steuerertrages
ein günstiges ist, weil in diesem Jahre die sogenannte Steuerdepurierungsaktion
durchgeführt wurde, die infolge der vielen Steuerausgleiche,
der Abschlagszahlungen u. s. w. einen gewaltigen Ertrag gebracht
haben. Allerdings wird man sich hüten müssen, die Eingänge
aus der Depurierungsaktion als laufende Eingänge zu betrachten
und ich kann da dem Herrn Generalberichterstatter Remeš
nicht ganz zustimmen, wenn er für das kommende Jahr gerade
aus der Mobilisierung der sogenannten Steuerreserven sich noch
einen beachtlichen Betrag verspricht.
Diese Betrachtungen sind für das im Jahre 1938 erwartete
Steueraufkommen unerläßlich, denn es ist ohne Zweifel
leichter, das Erträgnis geltender Steuern auszurechnen, als
das Erträgnis noch nicht ausprobierter Steuerbelastungen.
Und daß bereits das Erträgnis der geltenden Steuern
nicht ausreicht, beweisen mit Eindringlichkeit die Defizitrechnungen
der Staatsrechnungsabschlüsse. Auch im Jahre 1938 wird es
nicht anders sein. Denn man hat leider den Fehler gemacht, den
Beginn des Wirtschaftsaufsch wunges einer allzu optimistischen
Einkommenschätzung zugrundezulegen. Dabei ist unverkennbar,
und auch der Vorsitzende der Prager Handelskammer hat es am 24.
November d. J. festgestellt, daß die Steilheit des Aufstieges
abgebogen wurde und daß es in vielen Zweigen der Wirtschaft
zu einem Stillstand, ja sogar zu einem Rücklauf gekommen
ist. Und weil mit diesen Möglichkeiten der Staatsvoranschlag
für 1938 nicht rechnet, weil er vielmehr in seinem Optimismus
der Wirtschaft neuerliche, enorme Steuern auflastet, wird die
Staatswirtschaft im kommenden Jahre nicht dazu beitragen die Privatwirtschaft
zu beleben sein, sondern vielmehr dazu beitragen, den Rücklauf
der Wirtschaftsentwicklung einzuleiten. (Posl. Beuer: Wie stehen
Sie zur Konju nktursteuer?) Darüber werde ich noch sprechen.
Aber nicht nur durch Besteuerung nimmt die Staatswirtschaft hemmend
auf die Entwicklung der Privatwirtschaft Einfluß, sondern
auch durch die wachsende staatliche Inanspruchnahme des Kreditmarktes.
Selbst der Herr Finanzminister hat in einem Teil seines Exposes
zugeben müssen, daß es namentlich die Inanspruchnahme
des Staates für die Staatsverteidigungserfordernisse war,
die im Herbst 1937 eine gewisse Verknappung der disponiblen Mittel
herbeigeführt hat. Wir stellen jedenfalls fest, daß
die letzten Spareinlagen der Sparkassen und Volksgeldanstalten
vom Staate in Anspruch genommen werden. Jeder Staatsbürger
zeichnet heutzutage Staatsanleihen oder Staatskassenscheine. [
] Welche Folgen aber diese Kreditverknappung mit sich bringen
muß, hat uns die letzte Krise mit besonderer Eindringlichkeit
gezeigt. Die Finanzverwaltung scheint aber in ihrem fiskalischen
Egoismus nicht daran zu glauben, daß ihr Erfolg sich letzten
Endes auf dem Erfolg der Privatwirtschaft aufbaut. Denn die Steuern
sind wohl als Teile der privatwirtschaftlichen Erfolge anzusprechen.
Als vor ca 6 Wochen die Öffentlichkeit durch die bekanntgewordenen
Budgetsorgen beunruhigt wurde, erklärte der Nationalbankgouverneur
Herr Dr. Engliš, daß die ordentlichen regelmäßigen
Ausgaben bis zur Höhe des Budgetgleichgewichtes durch Steuern
gedeckt würden. Dieses Prinzip. meinte er, dürfe allerdings
nicht die Produktionsfähigkeit und Unternehmungslust herabsetzen.
Der Herr Finanzminister erklärte am gleichen Tage, daß
die Bedeckung des Budgets darauf Bedacht nimmt, daß das
Preisniveau und das Niveau der allgemeinen Lebenshaltung nicht
tangiert werde, weil dazu, wie er meinte, keine Gründe vorhanden
sein.
Diese Mitteilung mußte allerdings der Herr Finanzminister,
dem Zwange der harten Logik folgend, dahin abändern, daß
er in seinem Exposé zum Budget sagte, daß die Opfer,
die gebracht werden müßten, ohne allzu große
Schädigung des Lebensstandards der Nation sein würden.
Diese Erklärung, meine Damen und Herren, ist schon richtiger,
denn es ist uns vollkommen klar, daß die Durchführung
der Steuerpläne ohne Schädigung des Lebensstandards
einfach unmöglich ist. Schon anläßlich der letzten
Abwertung wurden ähnliche Beteuerungen laut. Heute läßt
sich nicht in Abrede stellen, daß entgegen diesen Versicherungen
alle Gegenstände des täglichen Verbrauches insbesondere
Lebensmittel und Baumaterialien, eine mehr oder weniger große
Verteuerung mitgemacht haben. Dagegen hat das Einkommen des Einzelnen
fast keine oder keine nennenswerte Steigerung erfahren. Wir können
wohl ruhig sagen, daß die Abwertung eine Art Steuer war
und sich auch wie eine Steuer auswirkte, die allerdings damals
zugunsten des Exportes eingehoben wurde. Wenn man jetzt wiederum
erklärt, daß die neuen Steuern die Lebenshaltung nicht
tangieren werden, kann man diesen Erklärungen schwerlich
Glauben schenken. Denn wie sollte es auch möglich sein, daß
man jemanden etwas wegnimmt, ohne das der, dem man es wegnimmt,
es merken sollte, und die Steuern nehmen der Bevölkerung
einen Teil ihrer Kaufkraft weg. Diese weggenommene Kaufkraft fehlt
der Bevölkerung bei der Erhaltung ihres Lebensniveaus und
es ist die weitere logische Folge, daß die Steuern das Niveau
der Lebenshaltung senken müssen. Es wäre ein schlechter
Einwand, wenn Sie mir sagen wollten, daß die Steuern im
Wege über die Investitionen der Rüstungsindustrie wieder
Kaufkraft schaffen. Denn dazu sind diese Investitionen viel zu
unproduktiv um auf lange Sicht eine Steigerung des Konsums und
noch dazu eine stabile Steigerung des Konsums hervorrufen zu können.
Wenn dieser Einwand stichhältig wäre, dann wäre
es ja das leichteste, durch Einhebung neuer Steuern zusätzliche
Kaufkraft und Arbeitsgelegenheit zu schaffen. Was die Behauptung
der Erhaltung des Preisniveaus anlangt, so ist es eigentlich überflüssig
darüber zu diskutieren. Denn es ist letzten Endes ganz gleichgültig,
ob ich eine Ware deshalb nicht kaufen kann, weil der Preis dieser
Ware zu hoch ist, oder ob ich mir eine Ware deshalb nicht kaufe,
weil mir das dazu notwendige Geld weggesteuert wurde. Eine Senkung
des Lebensniveaus ist zwangsläufig gleichbedeutend mit einer
Steigerung der Preise, ebenso wie eine Steigerung der Preise zu
einer Senkung des Lebensniveaus führt, wenn der Steigerung
der Preise nicht die Steigerung der Einkommen gegenübersteht.
Außerdem wird man einem alten Rezept folgen, und wo es nur
irgendmöglich ist. die neuen Steuern auf die Konsumenten
abwälzen und es werden letzten Endes die breiten Massen sein,
die diese Steuern wiederum zu tragen haben. Man hat sich ohne
Zweifel mit großem Geschick die unmittelbaren Steuerträger
für die hauptsächlichen Steuerbelastungen ausgesucht.
Die Angestellt en, die Beamten, die gehobenen Arbeiter, die Angehörigen
der freien Berufe und des Gewerbestandes werden es sein, die den
Hauptteil der neuen Steuern zu tragen haben. Man hat dabei nicht
mit Unrecht spekuliert, daß gerade diese unmittelbar betroffenen
Schichten, die den Rest des sogenannten Mittelstandes darstellen,
politisch am schwächsten vertreten sind und daß daher
von diesen Schichten der geringste politische Widerstand gegen
die neuen Steuern zu erwarten ist. Wenn aber der Herr Finanzminister
behauptet, daß gerade der sogenannte Beitrag zur Staatsverteidigung
das Preisniveau nicht tangiert, weil er nur die Haushaltungen
trifft, so begeht der Finanzminister sichtlich einen gefährlichen
Trugschluß. Denn gerade die Haushaltungen sind es, die bedeutende
Konsumenten der Volkswirtschaft darstellen und wenn man ihnen
die Kaufkraft entzieht, so entsteht der vorhin geschilderte Vorgang,
der mit einer Senkung der Lebenshaltung endet, die gleichbedeutend
ist mit einer Steigerung des Preisniveaus. Darüber aber,
was es letzten Endes bedeutet, wenn man die gerade noch kulturtragenden
Schichten der Bevölkerung verproletarisiert, darüber
sollte sich jeder Staatsmann im klaren sein. Der Staat kann sich
nicht ungestraft die Mittel für eine Staatswirtschaft beschaffen,
die über die Tragfähigkeit der Bevölkerung hinausgeht.
Es muß dann immer zwangsläufig ein Absinken des Lebensniveaus
und die Verarmung der Bevölkerung die Folge sein. Und diesen
Weg, meine Herren von der Regierungsseite, haben Sie nun eingeschlagen.