Meine Damen und Herren! Auch von dieser Regierungskoalition,
auch von dieser Regierung gilt die alte politische Regel: Man
muß ihnen auf die Fäuste sehen, und nicht aufs Maul.
Man darf nichts auf das geben, was die Herren uns hier gesagt
haben, nicht das Geschwätz des Herrn Švehla und
seiner Lakaien ist hier maßgebend, maßgebend ist vielmehr,
was die Koalition tut. Diese Koalition ist wie ein alter Topf,
der jeden Tag neu geflickt werden muß, weil jeden Tag ein
neuer Sprung entsteht; jeden Tag muß der Oberdrahtbinder
der Republik Švehla zu Hilfe eilen, um den alten Topf
wieder neu zu flicken, wie es heute im Budgetausschuß der
Fall war. Heute sehen wir gleich in der ersten wirklichen Sitzung
dieses Hauses auch die erste Tat der neuen Regierungskoalition.
Und ich möchte nicht sagen, daß es ein Zufall, oder
gar ein merkwürdiger Zufall war, ich glaube vielmehr, daß
es eine ganz selbstverständliche Sache bei dieser unter dem
Diktat der Kapitalisten stehenden Regierungskoalition ist, daß
die erste Tat eine neue Demonstration für die Belastung der
breiten Massen mit den Lasten des Staates ist. Wir haben hier
heute auch die Rede eines Gewerbetreibenden gehört. Was Worte
anlangt, hat ja diese Partei genug geleistet, und wir werden Gelegenheit
haben, die Gewerbepartei vielleicht schon morgen auf die Tatprobe
zu stellen. Heute im Budgetausschuß hat sie die Probe nicht
bestanden. Die Regierung hat die Vorlage über die Verlängerung
der gesetzlichen Bestimmungen betreffs Einhebung der Kriegszuschläge
zu den verschiedenen direkten Steuern vorgelegt, der Budgetausschuß
hat sie angenommen und die Vertreter der Gewerbetreibenden als
Vertreter einer Koalitionspartei haben für die Vorlage gestimmt,
ohne auch nur im geringsten den Versuch zu unternehmen, wenigstens
für die kleinen Steuerzahler eine Streichung der Kriegszuschläge
durchzusetzen. (Výkøiky na levici.) Morgen
werden sie Gelegenheit haben, hier im Hause zu deklarieren, wie
sie nun, da sie in der Regierung sitzen, die Steuerinteressen
ihrer Wähler vertreten.
Die erste Tat dieser Regierung ist das Gesetz
über die Zuckersteuer, die Verlängerung dieser krassesten
der indirekten Steuern. Sie ist nicht deshalb das krasseste Beispiel
der indirekten Steuern, weil sie vielleicht im Verhältnis
zum Preis die höchste wäre, aber die krasseste in dem
Sinne, daß gerade die Zuckerwirtschaft bei uns als ein Schulbeispiel
für die Wirtschaftspolitik der ganzen Koalition gelten kann.
Und ich muß schon sagen: Dazu, daß die erste Tat der
Regierung gleich die Demonstration ist, daß man die alte
Steuerpolitik weiter führe, dazu haben wir keinen neuen Finanzminister
gebraucht. Wir wissen ganz gut, daß zwischen dem alten und
dem neuen Finanzminister ein kleiner Unterschied besteht; wir
wissen, das Herr Beèka das war, was man ein
Waserl nennt - er ist von der Živnostenská banka hieher
geschickt worden und hatte zu machen, was dort im Verwaltungsrat
beschlossen wurde während der jetzige Herr Finanzminister
als eine bedeutende Autorität auf dem Gebiete der Wirtschaft
und Finanzwissenschaft gilt. Aber ich muß schon sagen: allen
Respekt vor den Autoritäten auf dem Gebiete der Finanzwissenschaft,
aber zu so einem Gesetz, zur Demonstration, daß die alte
Leier fortgehen soll, brauchten wir wirklich nicht die Finanzwissenschaft
zu strapazieren. Das hätte Beèka auch
zustande gebracht. Es ist die alte Finanzpolitik der Abwälzung
aller Staatslasten auf die arbeitenden Klassen. Wenn wir die Steuerziffern
des Voranschlages durchgehen, sehen wir, daß die arbeitenden
Massen mindestens 80% der gesamten Steuerlasten tragen müssen,
während kaum 20% von den besitzenden Klassen aufzubringen
sind. In dieser Ziffer spiegelt sich ganz der soziale Inhalt dieser
Republik. Dieses Beispiel zeigt, daß das Wort von der sozialen
Republik ebenso eine Lüge war, wie das Wort der Verfassung
von der Souveränität des Volkes in dieser Republik und
von der Autonomie Karpathorußlands. Eine Lüge reiht
sich in der Politik dieses Staates an die andere.
Wenn wir die Ziffern der Rechnungsabschlüsse
und Budgets von der Zeit der Gründung der Republik bis einschließlich
des Budgets für 1926 verfolgen, sehen wir, daß die
Zuckersteuer allein nicht weniger als 11/2
Milliarden in dieser ganzen Zeit eingetragen hat, beziehungsweise
einschließlich des nächsten Jahres eingetragen
haben wird. Die Zuckerwirtschaft unseres Staates zeigt sich am
besten in folgender Tatsache: Die Èechoslovakei ist der
bedeutendste Zuckerproduzent, sie hat in Bezug auf den Rübenzucker
unter allen Staaten der ganzen Welt die größte Ausfuhr
überhaupt. Wir sind das reichste Zuckerland
und in der Lage, eine ganze Reihe von Staaten mit Zucker zu versorgen.
Auf der anderen Seite aber haben wir den höchsten Zuckerpreis
und gehören zu den Staaten mit dem niedrigsten inländischen
Zuckerverbrauch. Das reichste Zuckerland gehört zu den Staaten
des geringsten Zuckerverbrauches! Wir sehen also, daß wir
in Bezug auf die Zuckerwirtschaft in der Republik nichts anderes
haben, als eine Fortsetz der alten "bewährten"
Zuckerwirtschaft von Österreich. Ich erinnere insbesondere
die èechischen Sozialdemokraten und Sozialisten daran,
besonders die, die schon vor dem Kriege im alten Österreich
politisch tätig waren, auf wieviel hundert Versammlungen
sie seinerzeit den Arbeitern von dieser Schweinerei im alten Österreich
erzählt haben, daß soviel Zucker produziert und so
wenig konsumiert wird und daß Österreich die höchsten
Zuckerpreise habe. In wieviel Versammlungen haben Sie den Skandal
kritisiert und es als bezeichnend für die Wirtschaft des
alten Österreich angeführt, daß der österreichische
Zucker im Auslande billiger war als im Inland! Und heute haben
Sie in der Republik noch genau dieselben Verhältnisse. Auch
heute ist der èechoslovakische Zucker in den Ländern,
in die er exportiert wird, billiger als bei uns in der
Èechoslovakei. Der Skandal des alten Österreich findet
in diesem Punkte heute ebenso seine Fortsetzung, wie auf so vielen
anderen politischen und wirtschaftlichen Gebieten. Wir haben z.
B. gesehen, wie in der Zeit, als der Preis des Zuckers auf dem
Weltmarkt im Sinken begriffen war, bei uns
der Zuckerpreis nicht gesunken ist. Wir haben auch gesehen, daß
der Zuckerkonsum bei uns in den letzten Jahren nicht gestiegen
ist. Im Gegenteil, der Zuckerkonsum ist noch gesunken. Wir verzeichnen
also auf diesem Gebiete nicht den mindesten Fortschritt.
Wir haben zu diesem Gesetzentwurf, respektive
zu dem Berichte des Budgetausschusses zwei Anträge eingebracht.
Vor allem einen Antrag auf Übergang zur Tagesordnung. Dieser
Antrag soll bedeuten, daß wir gegen diese ganze Steuerwirtschaft
demonstrieren, gegen diese ungeheuerliche Belastung der arbeitenden
Massen, wogegen die Reichen im Verhältnis zu ihrem Besitz
und Einkommen fast gar keine Steuern in diesem Staate zahlen.
Dieser Antrag bedeutet, daß wir diese Steuerwirtschaft ablehnen.
Für diesen Antrag müssen alle stimmen, die die Interessen
der arbeitenden Klassen zu vertreten vorgeben. Wir haben dann
einen zweiten Antrag eingebracht. Wir rechnen damit, daß
es uns im Plenum so gehen wird, wie im Budgetausschuß, daß
selbstverständlich die Regierungsparteien geschlossen
dagegen stimmen werden, wobei sich die èechischen Regierungssozialisten
darauf ausreden werden, daß die Ablehnung, die Nichterledigung
dieser Regierungsvorlage nicht möglich sei, weil dann dem
Staate die Einnahmen der Zuckersteuer im nächsten
Jahre entgehen würden. Um den Regierungssozialisten Gelegenheit
zu geben, zu zeigen, daß sie geneigt sind, wenigstens einen
kleinen Schritt zu tun, einen bescheidenen Schritt zum Abbau der
indirekten Steuern, haben wir nun für diesen erwarteten Fall
der Ablehnung einen Abänderungsantrag eingebracht auf Streichung
der Bestimmungen über den Zuschlag von 16 Kronen per Meterzentner
zu der Zuckersteuer von 38 Kronen. Die Annahme dieses Antrages
würde das Staatsbudget im nächsten Jahre nicht ins Wanken
bringen. Und dabei würde die Annahme dieses Antrages gewiß
den arbeitenden Massen eine kleine Erleichterung bringen. Die
Herrschaften beschweren sich immer darüber, daß wir
Anträge stellen, die nicht verwirklicht werden können.
Nun, dieser Antrag kann verwirklicht werden. Wenn Sie auch nur
einen kleinen Rest von gutem Willen haben, zu zeigen, daß
Sie den Abbau der indirekten Steuern, der ungeheueren Belastung
der arbeitenden Klassen, den Abbau des ungeheuerlichen Steuerunrechtes
in diesem Staate vornehmen wollen, dann müssen Sie für
unseren Antrag stimmen. Wenn Sie ihn ablehnen, dann zeigen Sie
damit, daß Sie selbst von dem geringsten Abbau dieses ungeheuerlichen
Steuersystems nicht das Mindeste wissen wollen. Unser Antrag auf
Streichung der Zuckersteuer beziehungsweise auf ihre Herabsetzung
wenigstens um den Zuschlag von 16 K hat vor allem den Zweck, den
Inlandkonsum zu heben, der weit unter dem Durchschnitt steht,
der so gering ist, wie in den Ländern mit dem geringsten
Zuckerkonsum. Dieser Zweck, den Zuckerkonsum im Inland zu heben,
ist nicht nur im Interesse der arbeitenden Massen als Konsumenten
gelegen, sondern er ist auch im Interesse der Zuckerindustrie
selbst gelegen, besonders in der jetzigen Zeit, wo wir sehen,
daß unser Zuckerexport vielfach bedroht ist, was ja auch
der Herr Finanzminister im Budgetausschuß zugestanden hat,
der sagte, daß die Entwicklung der Zuckerindustrie in der
nächsten Zeit, daß unser Zuckerexport überhaupt
der Regierung schwere Sorgen macht.
Wir haben zu verzeichnen, daß
z. B. in England, dem Lande, das eines der größten
Absatzgebiete für èechoslovakischen Zucker ist, die
Regierung mit aller Kraft dahin strebt, die eigene Zuckerproduktion
zu heben. In der Produktionsperiode 1924/25 betrug die englische
Eigenzuckerproduktion 24.000 Tonnen, in der laufenden Produktionsperiode
1925/26 soll sie bereits auf 60.000 Tonnen erhöht werden.
Nicht weniger als 8 neue Zuckerfabriken sollen im Jahre 1926 in
England erbaut werden. Das bedeutet, daß unser Zuckerexport
nach England zurückgehen wird. Italien, auch eines der wichtigsten
Exportländer für unseren Zucker, hat eine Zollerhöhung
vorgenommen, und zwar eine Verdoppelung des Zolles auf eingeführten
Zucker. Die Schweiz plant, wie die Zeitungen unlängst meldeten,
die Einhebung eines Zolles von 12 Frank per Meterzentner Kristallzucker.
Wir sehen also, daß unser Zuckerexport bedroht ist. Das
bedeutet eine Gefahr für unsere Zuckerindustrie. Wir können
diese Gefahr wettmachen, indem wir den inländischen Zuckerkonsum
heben. Auch das ist der Sinn unseres Antrages. Die Verbilligung
des Zuckers ist daher im Interesse der Zuckerindustrie und unserer
gesamten Wirtschaft gelegen. Die Regierung aber verfolgt gar nicht
die Politik, die Zuckerindustrie und unser Wirtschaftsleben zu
fördern, sondern sie verfolgt die Politik des Profites der
Zuckerbarone. Heute sind sie keine Barone mehr. Den Barontitel
haben Sie mit dem Fall des alten Österreich ablegen müssen,
aber sie verdienen dafür heute in der Èechoslovakei
viel mehr als im alten Österreich, und
dafür sind sie sehr gern bereit, der Republik den Titel des
Barons und Grafen nachzusehen. Und die Zuckerindustriellen, wie
schon Herr Kollege Dietl erwähnt hat, streichen
besonders hier in der Èechoslovakei ungeheuerliche Profite
ein. Die Politik der Regierung aber ist ausschließlich
darauf gerichtet, diese ungeheuren Profite der Zuckerindustrie
sicherzustellen.
In der heutigen Sitzung des Budgetausschusses
hat der Herr Referent Abg. Rýpar eine sehr interessante
Äußerung getan. Dieser Herr Sachverständige für
Fragen der Zuckerindustrie, der zu diesem Sachverständigen
heute ernannt worden ist, hat reagiert auf den Resolutionsantrag
des Herrn Abg. Windirsch, wonach die Regierung aufgefordert
wird, dafür zu sorgen, daß in der nächsten Kampagne
eine Herabsetzung des Zuckerpreises erfolge. Das ist gewiß
eine sehr unschuldige Resolution, es ist ein Wunsch, der da ausgedrückt
wird und die Regierung könnte diesem Wunsche ganz gut entsprechen.
Aber die Regierungsparteien einschließlich der èechischen
Sozialisten und Sozialdemokraten natürlich, haben diesen
Resolutionsantrag heute in der Budgetausschußsitzung selbstverständlich
auch abgelehnt, sie wollen nicht nur - von einer Aufhebung gar
nicht zu reden - keine Ermäßigung der Zuckersteuer,
sondern auch keine Herabsetzung des Zuckerpreises, selbst wenn
diese Herabsetzung auf Kosten der Zuckerfabrikantenginge, denn
ihre Regierung hat die Herabsetzung des Zuckerpreises auf Kosten
des Profits der Zuckerindustrie in der Hand. Davon wollen
die èechischen Sozialdemokraten und Sozialisten nichts
wissen, ihnen ist das Profitinteresse der Zuckerindustriellen
wichtiger, als das Interesse der Arbeiterklasse. Der Herr Referent
hat nun im Namen der Regierungskoalition, ohne daß die èechischen
Sozialdemokraten und Sozialisten auch nur einen Muckser dabei
getan hätten, erklärt: "Die Herabsetzung des Zuckerpreises
würde dem Programm der Regierung widersprechen." Das
heißt also: Die Teuerung ist das Programm dieser Regierung.
Diesen Satz halten wir fest, dieser Satz ist wichtiger als das
ganze Geschwätz des Herrn Švehla und seiner Regierungslakaien.
(Potlesk na levici.)