Pátek 12. bøezna 1926

Pøíloha k tìsnopisecké zprávì

o 14. schùzi poslanecké snìmovny Národního shromáždìní

republiky Èeskoslovenské

v Praze v pátek dne 12. bøezna 1926

1. Øeè posl. Knirsche (viz str. 775 tìsnopisecké zprávy)

Sehr geehrte Damen und Herren! Bevor ich zum Gegenstand der Tagesordnung spreche, gebietet es mir die Pflicht, einleitend unserer Volksgenossen im Reiche und Deutschösterreich zu gedenken, die in diesen Tagen in besonders erhebender Weise unsere Sache zu ihrer Sache gemacht haben. (Souhlas na levici.) Uns Sudetendeutschen war es durch behördiches Verbot verwehrt, das Andenken an die Blutzeugen unseres Kampfes für das Recht der freien Selbstbestimmung so zu ehren, wie es uns das Herz und die Pflicht geboten. Wir legen gegen diese rückschrittlichen Regierungsmethoden, die vor geheiligten Gräbern nicht Halt machen, auch von dieser Stelle aufs schärfste Verwahrung ein. (Souhlas na levici.) Je mehr man uns Sudetendeutsche auf unserem Heimatboden stumm macht, desto lauter spricht die Stimme unseres 80 Millionen Volkes zum Weltgewissen und rüttelt es auf. In diesen Tagen fanden in fast allen größeren Städten des Deutschen Reiches und Deutsch-Österreichs Gedenkfeiern für unsere Märzgefallenen statt. Die Feiern gestalteten sich zu einer würdigen Ehrung der Toten des 4. März, zu erhebenden Kundgebungen deutscher Volks- und Schicksalsgemeinschaft über alle trennenden Grenzen hinweg (Souhlas na levici.) und zeigten, daß die Idee des Selbstbestimmungsrechtes lebt und marschiert (Potlesk na levici.), Tausende und Abertausende Stammesgenossen des Reiches und Deutschösterreichs ohne Unterschied der Partei und Klasse scharten sich um das Banner unserer sudetendeutschen Heimatsbünde und bekundeten so vor uns und vor aller Welt, daß unsere Sprache auch ihre Sache ist. (Potlesk na levici.) Diese Sprache des Herzens und des Blutes stand in erfreulichem Gegensatze zur Sprache der Diplomaten, die anläßlich des jüngsten Besuches des Außenministers Dr. Beneš in Wien gesprochen wurde. Ich glaube mich in Übereinstimmung mit ganz Sudetendeutschland zu befinden, wenn ich die erste sich bietende Gelegenheit benütze, um von der Tribüne des Prager Parlaments aus unseren Volksgenossen jenseits der Grenzen für die uns zum Ausdruck gebrachte Treugesinnung ein Wort wärmsten und herzlichsten Dankes zu sagen. (Potlesk na levici.) Dieser Dank gilt insbesondere der opferfreudigen Arbeit der Führer und Anhänger unserer Heimatbünde. Wir wissen, daß die èechischen Machthaber diese Arbeit als hetzerische hochverräterische Umtriebe hinstellen Das wird uns nicht abhalten, für unsere Ideale weiterhin das höchste einzusetzen in dem Bewußtsein, auf dem Boden des sittlich reinen Rechtes eines jeden Volkes dieser Erde zu stehen, sich sein staatliches Schicksal selbst zu bestimmen. (Potlesk na levici.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Nun einiges zum Gegenstand der Tagesordnung. Vor allem anderen kann ich nicht umhin, den Tiefstand, auf dem der Parlamentarismus hier angelangt ist, zu streifen. Der Niedergang des Parlamentarismus ist sicherlich keine spezifisch èechische Erscheinung, der Niedergang ist allüberall zu bemerken, und selbst an dem klassischen Parlamentarismus Englands sind die Zeiten nicht spurlos vorüber gegangen. Aber ein Tiefstand, wie er sich hier aufzeigt, ist nirgendwo in der Welt zu finden, und die Ursachen des Tiefstandes und Niederganges der Parlamentarismus hier in diesem Staate sind sicherlich auch andere, noch viele andere, als die Erscheinungen, die anderwärts den Niedergang verursachten. Es kostet einen immer Überwindung, angesichts eines solchen Parlamentarismus hier das Wort zu ergreifen, Überwindung einesteils aus Verachtung vor einem solchen Parlament, anderseits aus dem Gefühl heraus, daß jedes Wort hier nutzlos gesprochen ist. (Výkøiky na levici.) Meine Herren! Was soll man dazu sagen, wenn hier Kollegen der Regierungsparteien aufstehen und einem oppositionellen Abgeordneten, der in seinem sonstigen Beruf Staatsbeamter ist, seine Stellung als Staatsbeamter vorwerfen ihm seine Bezüge vorhalten und erklären, daß ein Staatsbeamter kein Recht habe, hier Kritik an dem System zu üben. (Posl. Simm: Kein politisches Taktgefühl! Posl. inž. Jung: Schon im Jahre 1848 waren die Hauptspitzel des Grafen Sedlnicki lauter Èechen!) Sehr richtig. Das zeigt, daß diesen Herren jedes Gefühl dafür verloren gegangen ist, was ein Abgeordnetenmandat bedeutet, daß das Mandat die höchste staatsbürgerliche Würde beinhaltet. Was soll man weiters dazu sagen, wenn hier die Berichterstatter das Wort nehmen und anstatt, wie es ihre Pflicht wären, einen objektiven Bericht über die Anschauungen des betreffenden Ausschusses wiederzugeben, von der Tribüne des Berichterstatters eine maßlos verlogene Hetz- und Brandrede gegen die Opposition oder gegen die Minderheitsvölker halten, wie es hier von dieser Stelle aus gestern seitens des Kollegen Dr. Hajn geschehen ist. (Výkøiky na levici.)

Es hat gestern der hochverehrte Herr Kollege Dr. Czech den Unterschied aufgezeigt, der zwischen der Auffassung der Pflichten eines Berichterstatters im alten österreichischen Parlamente und in diesem Parlamente besteht, aufgezeigt den Unterschied von der Auffassung der Pflichten und des Benehmens eines Ministers im alten Österreich und hier in diesem Staate. Er hat uns eine Episode erzählt - und ich war selbst Zeuge derselben - daß ein einziges Wort, eine Entgleisung eines Ministers, der das Wort "zulässig" gebrauchte, genügte, um eine Parlamentskrise hervorzurufen und die Demission des Ministers durchzusetzen. (Posl. Simm: Hier bricht eine Krise in der Koalition aus, wenn sich einmal ein Minister uns gegenüber anständig benimmt! - Veselost a souhlas na levici.) Ich war im österreichischen Parlamente Zeuge eines Vorfalles, der ebenso bezeichnend ist. Der Berichterstatter des Budgets Dr. Steinwender erlaubte sich als Berichterstatter von der Tribune des Hauses eine Kritik der Opposition, und bei dieser Kritik entschlüpfte ihm auch ein unbedachtes Wort. Da erhob sich von den Bänken der Opposition, voran die Wortführer der Èechen, ein Sturm der Entrüstung, der Empörung. Die Tribüne wurde fast gestürmt, der Berichterstatter durfte kein Wort mehr weitersprechen, die Sitzung wurde unterbrochen, und die Regierung mußte mit der Opposition über die Fortführung der Parlamentsgeschäfte verhandeln. (Posl. Horpynka: Der Pendrekminister Støíbrný will sich für seine Gemeinheit im Senate nicht einmal entschuldigen!)

Pøedseda (zvoní): Volám pana posl. Horpynku k poøádku. (Výkøiky na levici. - Pøedseda zvoní.)

Posl. Knirsch (pokraèuje): Wer jemals einer Parlamentssitzung eines anderen Staates beizuwohnen Gelegenheit hatte, das Verhalten der Minister oder der Regierungsvertreter dem Parlamente oder der Opposition gegenüber in einem anderen Staate zu beobachten, der wird darüber deprimiert sein, was sich in diesem Hause die Minister (Výkøiky posl. inž Kalliny.) für ein persönliches und sachliches Benehmen gegenüber der Opposition und damit doch gegenüber dem ganzen Parlamente erlauben. (Výkøiky posl. Patzela.) Ich frage, was in einem anderen Parlamente geschehen wäre, wenn ein Minister sich einer ganzen Partei gegenüber so verhalten hätte, wie im Senat der Minister Støíbrný, der einer ganzen Partei mit dem Pendrek drohte! Was soll man zu einem Benehmen sagen, wie wir es in den letzten Debatten vom Regierungschef Dr. Švehla gesehen haben, der mit faszistischem Gruße von der Tribüne herabsteigt und Grimassen schneidet? Es wäre in einem anderen Parlamente unmöglich, daß ein Minister aufsteht und eine Regierungserklärung abgibt, die zum großen Teile nichts anderes enthält als Zeitungsausschnitte und Versammlungsreden, Mitteilungen von Polizeispitzeln, der damit nichts anderes bezwecken will, als unsere sachlichen Darlegungen hier einfach zu bagatellisieren, und das Ausland über Tatsachen hinwegzutäuschen und seine Konnationalen in ihrem Hause gegen die Minderheitsnationen dieses Staates aufzupeitschen.

Es hat aber immer als unfair gegolten, daß Abgeordnete von der Trubüne des Parlamentes mit einer derartigen Zeitungszettelwirtschaft aufwarten, wie es gestern der Minister getan hat. Wenn das noch von Seiten eines Ministers geschieht. Es kostet, wie schon das Wort zu ergreifen. (Výkøiky posl. dr Jurigy.)

Minister Nosek hat im Senate drüben darauf hingewiesen daß alle Bedrückungsmaßnahmen von Seiten der Regierung und der behördlichen Organe uns gegenüber deshalb notwendig sind, weil wir uns dem Staate gegenüber nicht wohlwollend verhalten. Ich nehme keinen Anstand, offen zu erklären, da ß wir Sudetendeutsche keine Ursache hatten, uns bei der Staatsgründung wohlwollend zu verhalten, und heute erst recht keine Ursache haben, uns diesem Staate und dem Regierungssystem gegenüber wohlwollend zu verhalten. Aber es ist eine vollständige Verdrehung der Tatsachen, wenn die Herren aus dieser unserer Haltung etwa die Berechtigung ihres Verhaltens und Vorgehens ableiten. Es ist umgekehrt: Unser Verhalten resultiert aus Ihrem Verhalten. (Souhlas na levici.) Es ist eine Verdrehung der geschichtlichen Tatsachen und der Wahrheit, wenn Sie die Dinge immer so darstellen, als ob ein illoyales, staatsfeindliches, hochverräterisches Verhalten der Minderheitsnationen Sie dazu zwingt, derartige Gewaltmaßnahmen zu treffen.

Wie wir Sudetendeutsche uns zu diesem Staate bei seiner Gründung stellten, haben wir in unseren staatsrechtlichen Erklärungen begründet und feierlich niedergelegt. Aber ich muß hervorgeben, daß wir Sudetendeutsche, unbeschadet des uns angetanen Unrechtes, unbeschadet des Bruches des feierlichen Versprechens, daß die Neuordnung auf Grund des Selbstbestimmungsrechtes der Völker aufgebaut werden wird, bereit zeigten, um die Wunden des Krieges zu heilen, um das soziale Elend zu beheben, um eine wirtschaftliche Zusammenarbeit im Interesse aller arbeitenden Schichten in die Wege zu leiten, mit der Mehrheit dieses Hauses ehrlich und guten Willens zusammenzuarbeiten. Es wurde uns gestern wiederholt in Reden und Zwischenrufen vorgehalten, daß diese unsere Auffassung über die Völkerfreiheit und Zusammenarbeit erst von den Tagen des Umsturzes datiere und ich höre jetzt schon den Herrn Dr. Kramáø, der heute zu Wort kommen wird, wiederum seine alten Geschichten aus Alt-Österreich dem Hause vortragen. (Posl. Buøíval: Ty jsou vám velmi nepøíjemné, die Geschichten!) Ich höre schon, wie er uns wieder darlegen wird, daß wir die Bedrücker der èechischen Nation gewesen sind, daß Sie diejenigen gewesen sind, die von uns in jahrhundertelanger Unterdrückung und Knechtung um die primitivsten Rechte eines Volkes gebracht wurden und daß der heutige Zustand nur begründet sei in unserer Haltung im alten Österreich. Und da muß ich doch von dieser Stelle aus die Herren daran erinnern, daß das eine Entstellung der geschichtlichen Tatsachen und der Wahrheit ist. Wenn Sie wahrheitsliebend wären, müßten Sie bekennen, daß wir Sudetendeutsche im alten Österreich die Verfechter auch Ihrer nationalen Interessen und Ihrer Freiheit waren. Der Herr Kollege Buøíval lacht. Er hat mir gestern zugerufen: "Auch der Herr Knirsch hat sich geändert im Laufe der Jahre!" Ich kann nur sagen, nicht wir haben uns geändert, die Èechen haben sich geändert. Jawohl, ich erinnere an die Zeiten, da die Kollegen von den èechischen Bänken zu uns gekommen sind, auch während des Krieges, uns dankten für unsere Haltung, die dahin ging, den Nationalitätenstaat Österreich einer Verfassungsrevision zuzuführen, aus dem zentralistischen Nationalitätenstaat von damals einen Staat gleichberechtigter, sich selbst verwaltender Völker zu machen. Ich erinnere daran, daß die größte deutsche Partei, die im Jahre 1920 nach den Wahlen in dieses Haus einzog, die deutsche Sozialdemokratie, doch seit Jahrzenten - wie gestern schon hervorgehoben wurde - Verfechterin des Gedankens der Autonomie im alten Österreich gewesen ist. Ich darf die Herren èechischen Sozialdemokraten daran erinnern, daß sie den deutschen Arbeitern unendlich viel an Erziehungsarbeit, an Kulturarbeit zu danken haben, und daß sie heute bei weitem nicht das wären, was sie sind, wenn sie nicht die Erziehungsarbeit ihrer deutschen Genossen genossen hätten. Ist das richtig oder nicht? Und ich erinnere daran, daß der Führer der deutschen Nationalpartei Dr. von Lodgman schon im alten Österreich dieselben Grundsätze verfochten und vertreten hat, die er hier im Hause so oft darzulegen in der Lage war, daß er bereits im alten Österreich auf dem Standpunkt der Souveränität der Nationen, auf dem Standpunkt einer bundesstaatlichen Verfassung gestanden ist und diesen Gedanken rückhaltlos verfochten hat. Also nicht erst seit den Tagen des Umsturzes, sondern schon zu einer Zeit, wo Ihr dankbar gewesen seid für diese Haltung. Ich darf daran erinnern, daß auch meine Partei bereits in der Vorkriegszeit diese Grundsätze verfochten hat. Herr Kollege Buøíval, Sie lachen wiederum. Sie gehörten doch unter mein Auditorium, als ich im Wiener Parlament zu einer Zeit, da die èechische Volksvertretung kleinmütig und deprimiert herumging, weil die Waffen der Mittelmächte auf der Höhe der militärischen Erfolge standen, damals, als Sie sehr verzagt in die Zukunft blickten, die sofortige Verfassungsrevision im Sinne der Gleichberechtgung der Völker verlangte und verfochten habe. Sehen Sie, so war unsere Haltung im alten Österreich und Sie werden sich vergeblich bemühen, diese unsere Haltung einfach hinwegzudisputieren. Es ist für einen Menschen mit rechtlichem Empfinden und Gefühl unverständlich, wie hier Kollegen sitzen können, die diese Tatsachen im österreichischen Parlament persönlich miterlebt, die mit uns verhandelt, uns öffentlich Worte des Dankes gesagt und die jetzt auf einmal die Stirne haben, hier aufzutreten und uns hinzustellen als ihre Bedrücker und Knechter, die den Mut haben, durch die Vertreter ihrer Regierung der Öffentlichkeit vorzumachen, daß unsere Beschwerde und unser Standpunkt Querelen sind und wir Querulantentum betreiben. Es ist eine geschichtliche Tatsache, daß, soweit das sudetendeutsche Volk in Betracht kommt, dieses seit Jahr und Tag bestrebt war, die Zweiteilung der Länder, d. h. die autonome Verfassung in den einzelnen Ländern durchzuführen, daß Deutsche in Mähren den Ausgleich geschaffen haben, freiwillig von ihrer Macht abgetreten sind. Ich verweise darauf, daß der böhmische Landtag lahm gelegt wurde, weil die Èechen die Forderung nach nationaler Zweiteilung, nach kultureller Autonomie einfach nicht anerkennen wollten. Machen Sie also sich selbst, uns und der Welt nicht vor, als ob wir erst von heute auf Morgen die Forderung nach Selbstbestimmung erheben.

Ich habe eingangs gesagt, daß wir trotz unserer grundsätzlichen ablehnenden Einstellung zum Staate und zum Staatsgedanken bemüht gewesen sind und wiederholt ernstliche Versuche gemacht haben, mit Ihnen zu einer Zusammenarbeit auf dem Boden des Parlamentes und auf dem Boden des Staates zu kommen. Ich erinnere an unseren ersten Versuch im Jahre 1920, damals haben wir, weil uns gesagt wurde, wir möchten die dringendsten Forderungen, die sich ohne Verfassungsrevision durchführen lassen, formulieren und sie Ihnen zur Kenntnis bringen, damit wir auf dieser Grundlage beraten und möglicherweise ein Zusammenarbeiten in die Wege leiten können. Wir haben bescheidene Forderungen formuliert und diese in einer dringlichen Interpellation am 27. Oktober 1920 in diesem Hause eingebracht. In dieser Interpellation sagten wir, daß wir in die Nationalversammlung in der Hoffnung und sicheren Erwartung eingetreten sind, daß die feierlichen Verpflichtungen, welche die Organe dieses Staates während der Friedensverhandlungen aber auch in der Revolutionsversammlung abgegebenen und die vertragsmäßigen Verpflichtungen, die Sie übernommen haben, wonach auch die nationalen Minderheiten geschützt und ihnen vollkommene Gleichberechtigung gewährleistet werden soll, ihre Erfüllung finden werden. Zum mindesten mußten wir annehmen, daß sich die Regierung und das Parlament bemühen werden, wenigsten einigermaßen den deutschen Volksvertretern und der deutschen Bevölkerung entgegenzukommen und daß sie sich der Pflicht bewußt sein werden, die Sie einem Volke gegenüber haben, auf dessen Einverleibung in den Staat Sie in Ihrem eigenen Interesse das größte Gewicht gelegt haben, so zwar, daß diesem Volke gegenüber der feierlich verkündete Grundsatz des Selbstbestimmungsrechtes verleugnet wird. (Pøedsednictví pøevzal místopøedseda inž. Dostálek.)

Das war der erste Versuch zu einer Verständigung, zu einer Zusammenarbeit zu kommen. Die Forderungen, die wir in dieser dringlichen Interpellation niedergelegt haben, sind wahrhaftig keine grundsätzlichen, sondern sie sind mehr Forderungen an die Verwaltung und Administrative gewesen, die Sie also ohne Verfassungsänderung bei einigem aufrichtigen Willen hätten ruhig durchführen können. Wir haben auf diese dringliche Interpellation trotz mehrfacher Urgenz bis heute keine Antwort bekommen.

Als Sie daran gingen, den ersten Staatsvoranschlag ordnungsgemäß unter Dach und Fach zu bringen, und zwar zu einer Zeit, da Ihr Staat noch auf sehr schwachen Füßen stand, da Sie schwer Auslandskredite sich beschaffen konnten, da unendlich viel für Ihren Staat davon abhing, ob der erste Staatsvoranschlag in diesem Hause wird einer ordnungsgemäßen Erledigung zugeführt werden können, in diesen Nöten fanden Sie wieder den Weg zu uns und Sie verhandelten mit den Vertretern der deutschen Parteien, die die ordnungsmäßige Erledigung des Voranschlages zu verhindern in der Lage gewesen wären. Sie leiteten die Verhandlung so, daß wir uns im Glauben befinden mußten, daß wir es mit aufrichtigen, ehrlichen Vertretern der anderen Nation zu tun haben, die diese Verhandlungen nicht zu dem Zwecke führen, um aus einer schwierigen Situation hinwegzukommen, sondern um wirklich eine Zusammenarbeit anzubahnen. Wir haben damals kurz vor Beendigung der Debatte über das Budget an unsere Unterhändler - es waren dies Herr Dr. Spina, Dr. Lodgman und Dr. Kafka - die Frage gestellt, ob sie glauben, daß, wenn wir den Staatsvoranschlag passieren lassen, nachher die Verhandlungen doch noch zu einem guten Ende führen werden. Damals haben uns die Unterhändler im Glauben, daß sie es mit Männern zu tun haben, gesagt: Jawohl wir glauben, daß die Verhandlungen nicht ergebnislos verlaufen werden. Wir ließen daraufhin den Staatsvoranschlag passieren, Sie hatten ihn unter Dach und Fach, Sie bekamen auf Grund dieser ordnungsgemäßen Erledigung des Staatsvoranschlages Auslandskredite. Die Antwort war die Überrumpelung mit der Verstaatlichungsvorlage der Eisenbahnen, die darauf abzielte, die deutschen Eisenbahner von den Verkehrsstraßen zu entfernen, sie brotlos zu machen und die durch die deutschen Gebiete führenden Bahnen der Èechisierung zuzuführen. Wir lehnten uns damals in unserer tiefsten Empörung über eine derartige Treulosigkeit auf. Es kam hier zu den ersten stürmischen Szenen. Da Sie damals doch Ihrer Sache, Ihrer Konsolidiertheit nicht so sicher waren, haben Sie wiederum den Weg zu Verhandlungen gesucht und Sie haben wieder eine große deutsche Partei getäuscht, indem Sie die durch Zusicherungen davon abhielten, sich mit allen gegebenen Mitteln gegen ein solches Vorgehen der Vergewaltigung zur Wehre zu setzen. Sie haben das feierliche schriftliche Versprechen gegeben, daß Sie, bevor Sie die Verstaatlichung der Verwirklichung zuführen werden, über die Sicherstellung des deutschen Personales mit der deutschen Volksvertretung ernste Verhandlungen führen werden. Und im Vertrauen darauf, daß ein Ministerwort, im Vertrauen darauf, daß das Wort von Parteiführern doch Geltung haben wird, haben wir wiederum mit unserer Opposition zurückgesteckt, haben den Weg parlamentarischer Arbeit gesucht und sind ihn gegangen. Bis eines Tages um die Mitternachtsstunde die Vorlage über die Durchführung der Verstaatlichung hier, ohne mit uns zu beraten, aufgelegt wurde und wir wieder zur Erkenntnis kommen mußten, daß weder Ministerworte noch Worte von èechischen Unterhändlern etwas gelten. Und so ging es von Etappe zu Etappe (Posl. Patzel: Von Wortbruch zu Wortbruch!) von Wortbruch zu Wortbruch, von Lug und Betrug zu Lug und Betrug und da habt Ihr noch die Schamlosigkeit, angesichts einer solchen Haltung die Dinge so darzustellen, als ob wir Querulantentum treiben und als ob unsere Haltung etwa Ihre Haltung erst herausfordern würde. Es ist also eine bewußte Verdrehung, wenn man die Dinge im Inland und im Ausland, besonders im Ausland, so darstellt, als ob Ihre Haltung uns gegenüber notwendig wäre aus dem Verhalten, das wir Ihrem Staate, dem Regierungssystem und Ihrem Staatsgedanken entgegenbringen.

So liegen die Dinge und ich gehe nicht fehl, wenn ich sage, daß all die Reden, die gestern hier von der Tribüne aus gehalten wurden, von den Berichterstattern, von dem Minister und den Wortführern der Mehrheit einzig und allein zum Fenster hinaus gesprochen wurden, um das In- und Ausland irrezuführen, besonders gerade jetzt angesichts der Tagung des Völkerbundes in Genf, wo die Minderheitsfragen in den Vordergrund gerückt sind.

Und wenn der Herr Minister Nosek in seinem gestrigen Exposé sagte, es ist notwendig, diese seine Auffassung und seine Argumente hier vorzutragen und dies öffentlich zu erklären, damit das nicht genügend informierte und manchmal irregeführte Ausland seine unrichtige Anschauung korrigiere, so erkläre ich, daß es auch notwendig war, von dieser Stelle aus Ihnen ein wenig diesen Spiegel vorzuhalten, um das verfälschte Bild einer Korrektur zu unterziehen. Es wird unsere Pflicht und unsere Aufgabe sein, alles daran zu setzen, ohne Unterschied der Partei und Richtung, im In- und Auslande Ihnen Ihre heuchlerische Maske vom Gesicht zu reißen und Sie Ihnen ins Gesicht zu schlagen, daß die Fetzen fliegen. (Potlesk na levici.)

2. Øeè posl. dr. Spiny (viz str. 784 tìsnopisecké zprávy):

Meine Damen und Herren! Wir sind im Verlaufe der Entwicklung des Prager Parlamentes zu ganz merkwürdigen Resultaten gelangt. Ich meine da nicht die gestrige Ministerpremiere des Herrn Chefs des Innern, von dem wir, da wir ihn ja als kenntnisreichen und klugen Mann aus den Ausschüssen und aus dem Plenum kennen - ich bitte ihn, daß er mir das nicht übel nehme - doch ein anderes Niveau erwartet hätten, als die im Grunde doch unnötig aufreizende Verlesung von Jahre alten Polizeiberichten... (Posl. Hackenberg: Was seine eigenen Parteigenossen in ihren Versammlungen über Masaryk gesagt haben, das sollte er hier auch verlesen!) Ganz richtig!... und aus dem Zusammenhang gerissener und daher sehr lecht mißverständlicher Zitate, statt einer großzügigen Verteidigung des Regierungsstandpunktes in der Mißtrauensfrage und in der Sprachenverordnung. Wenn ich von dieser eigentümlichen Entwicklung spreche, meine ich etwas ganz anderes: die ganz eigentümliche Rolle, zu der sich das Regime der koalierten Regierungsparteien, dieser Beherrscherin aller politischen und parlamentarischen Macht, uns oppositionellen Parteien gegenüber allmählich ausgewachsen hat; daran haben wir uns ja in den 6 oder 7 Jahren gewöhnt, ich meine an die Tatsache, daß das, was die Koalition als gut und nützlich anerkennt, auch in Wirklichkeit gut und nützlich ist. Und wenn die Opposition auch mit den durchschlagendsten kritischen Gegengründen kommt und wenn sie mit aller Vernunft und mit Engelszungen redet, an dem Granitblock der in der absoluten vìtšina verkörperten Koalition prallt jede noch so vernünftige Erwägung der Opposition, prallt wirkungslos alle Überzeugung ab. Ich sage, an das haben wir uns im Verlauf der Jahre fast gewöhnt. Aber in der letzten Zeit ist etwas neues hinzugetreten. Das Koalitionsregime hat bei uns die politische Ideologie bereits derart überwuchert, daß jede Kritik, auch die sachlichste, die an der Koalition geübt wird, von dieser nicht als gegen sie selbst, als gegen die Koalition, sondern als ein gegen den Staat gerichteter feindseliger Akt erklärt und der Welt verkündet wird. Die Regierungsform der Koalition ist heute zur vollständigen Identifizierung mit dem Staatsbegriff gelangt. Und das hat sich in geradezu klassischer Weise bei dem Mißtrauensantrag der Opposition gezeigt, der heute zur Debatte steht.


Související odkazy



Pøihlásit/registrovat se do ISP