Pátek 12. bøezna 1926

Dieser Mißtrauensantrag richtet sich naturgemäß und ausdrücklich gegen eine Regierung gegen ein System, das als solches wie jede Regierung in jedem Staate eine vorübergehende Erscheinung ist, eine vorübergehende Verwalterin der staatlichen Interessen darstellt. Nichtsdestoweniger hat die Koalition diesen Mißtrauensantrag wiederum nicht als einen gegen sich, sondern direkt gegen den Staat abgeschossenen Pfeil behandelt, denn anders wäre es nicht denkbar, daß sie ihn mit ganzer Gewalt und unter den formalsten Ausflüchten dem einzig berufenen Form entzogen hätte, dem Staatsgerichtshof oder dem Ministergerichtshof. Gerade das Gegenteil hätte eintreten sollen. Eine Regierung und eine Koalition, die diesen Ministergerichtshof nicht zu scheuen hätte und die sich insbesondere dessen bewußt gewesen wäre, die Interessen des Gesamtstaates redlich und nützlich verwaltet zu haben, die hätte eine solche Gelegenheit benützen müssen, um durch ein unparteiisches Forum sich vor aller Welt ihr richtiges Verhalten dem Staatsinteresse gegenüber bestätigen zu lassen. Nun aber verhindert die Koalition die Erörterung ihres Wertes oder Unwertes vor dem höchsten kompetenten Forum, dem Ministergerichtshof. Sie zwingt die Sache wiederum auf einen Weg, der von den ersten Parlamentskämpfen des Jahres 1920 angefangen bis heute nicht nur in den Millionen des deutschen Volkes, sondern in der ganzen Opposition das Gefühl der tiefsten Verletzung, der tiefsten Empörung hervorgerufen hat und der die Hauptschuld an dem Niedergang des hiesigen Parlamentarismus trägt. Wir kommen auch in diesem Falle des Vertrauens oder Mißtrauens nicht zum verfassungsmäßig einzig kompetenten Forum des Gerichtshofes, wir kommen vielmehr zur brutalen Abstimmungsentscheidung hier im Hause: To je vìtšina, und damit ist die Sache absolviert.

Wie ganz anders ist die Stellung der Opposition. Die hat durch die Stellung des Mißtrauensantrages geradezu ihr Vertrauen zu der durch die Verfassung begründeten staatspolitischen Institution dieses Staatsgerichtshofes ausgedrückt, während die Koalition durch die von ihr beschlossene Behandlung des Mißtrauensantrages nicht nur ihr schlechtes Gewissen verrät, sondern das Vertrauen zu dieser Obersten Staatsgerichtsstelle selbst untergräbt. Man operiert schon wieder mit dem Vorwurf der angeblichen Staatsfeindlichkeit: wir haben das aus den gestrigen Reden gehört, wir werden das heute noch mehr hören, denn es stehen uns ja noch die Ausführungen des Herrn Dr. Kramáø bevor und wir hören das aus der Regierungspresse in allen Tonarten, die alten Melodien von der Loyalität und von der Illoyalität. Aber wären wir tatsächlich staatsfeindlich in dem Sinne, wie wir immer hingestellt werden, ich frage: hätten wir dann ein System, das wir als schädlich erachten, vor einen innerpolitischen Richterstuhl und vor den einzig kompetenten innerpolitischen Richterstuhl fordern können?

Man wirft uns immer vor, daß wir ins Ausland gehen. Schön, aber man nimmt uns jede Gelegenheit, im Inland mit unseren Beschwerden hervorzutreten und sie einem legitimen Forum zu unterbreiten. Wir haben es wieder versucht, vor dieses legitime Forum zu gehen, indem wir einen Mißtrauensantrag eingebracht haben, und wiederum ist dieser Versuch der deutschen Politiker, vor einem inländischen Forum Gehör und Abhilfe zu finden, mißlungen, oder genauer gesagt, zum Mißlingen gebracht worden. Dieses Mißlingen geht aber schließlich auf Rechnung der Einstellung der Gegenseite, auf Rechnung des schlechten Willens und jener Illoyalität, die gegenüber allen Ansprüchen des Sudetendeutschtums, auch den berechtigsten immer vorhanden ist und die zu den immanenten Eigenschaften des herrschenden Systems zu gehören scheint. Dabei fordert man aber vom Sudetendeutschtum immer und immer wieder die Loyalität und stellenweise geht man mit dieser Forderung bis zur Geschmacklosigkeit herunter. Bringt aber das Sudetendeutschtum loyal gesetzlich e Mittel zur Verbesserung seiner Lage in Anwendung, so sieht es sich immer und immer wieder durch diese Illoyalität der Gegenseite, hinter der sich nichts anderes verkörpert als unversöhnlicher Machtwille, auf andere Wege gedrängt.

Der Geist dieser illoyalen Unversöhnlichkeit ist es auch, der zu der Inkongruenz zwischen Innen- und Außenpolitik führt, die jetzt geradezu schreiend in Erscheinung getreten ist. Zur gleichen Zeit, wo man in der Weltpolitik sich an der Schaffung eines Locarno beteiligte, wird in der Innenpolitik ein zweites kleines Saint Germain geschaffen, das Saint Germain der Sprachenverordnungen, und das im siebenten Jahre nach dem großen Saint Germain und das in den Tagen, wo um den Eintritt Deutschlands in den Völkerbund gerungen wird. Kann es einen größeren Gegensatz geben, als den, den wir in den letzten Monaten hierzulande erlebt haben? In Locarno und im Salon der Weltpolitik tritt Dr. Beneš für eine systematische Pazifizierung der einzelnen Staaten und Nationen ein. Er entwickelt einen geradezu rührenden Übereifer in der Schaffung immer neuer Friedenskombinationen und Befriedungsvorschläge. Er geht soweit, im heftigsten Kugelregen der Propaganda von hüben und drüben selbst Ungarn ein Locarno anzubieten. Und zur gleichen Zeit wird hier im Inneren zu dem Sprachenoktroi vom Jahre 1920 ein zweites schlimmeres Oktroi hinzugefügt, die Sprachenverordnungen. Denn, meine Herren, das erste Sprachenoktroi vom Feber 1920 konnte ja immerhin noch die unmittelbare Nachkriegsatmosphäre, die Nachkriegsmentalität, um dieses schöne Wort wieder einmal zu zitieren, auf seiner Habenseite verbuchen. Außerdem enthält ja dieses erste Oktroi eine Reihe von Rahmenparagraphen über die Regelung des Sprachenverkehrs bei den Verwaltungsbehörden, bei den Gemeinden u. s. w., vor deren Ausfüllung man sich im Jahre 1920 gescheut hat. Selbst die nationalen Heißsporne des Jahres 1920 haben damals vor der Ausfüllung dieser Rahmenparagraphen durch einen bloß ernannten Revolutionskonvent zurückgescheut, und heute ist es für uns eine sehr intessante Lektüre, die damaligen Stimmen zum Sprachengesetz auf èechischer Seite zu verfolgen, die Stimmen, wie sie niedergelegt sind in den Verhandlungsschriften des Nationalkonvents und die Stimmen der Zeitungen und die Stimmen, die auf den Prager Gassen und Plätzen ertönten. Ich behaupte, daß es im Jahre 1920 mehr Hemmungen gegeben hat, mehr reale Einsicht vorhanden war, als im Februar 1926. (Pøedsednictví se ujal pøedseda Malypetr.)

Fiel einmal hier die für den Revolutionskonvent vielleicht noch möglich gewesene Ausrede weg, daß sich die Deutschen freiwillig von der legislativen Mitarbeit ausgeschlossen hätten, so gilt das für das zweite Oktroi absolut nicht mehr, denn das zweitemal lag eine ganz offiziele Zusage an die Deutschen vor, daß die Sprachenverordnungen den Weg der Verhandlungen passieren werden, bevor sie erlassen würden, und der Herr Innenminister hat sich gestern abends sehr bemüht, diesen heiklen Punkt durch eine langatmige Erklärung zu entkräften, mit der er sehr we nig Glück gehabt hat und die in ihrer Art die zweite Überraschung war, die er persönlich uns bereitet hat. Meine Herren! Mit einem noch so langatmigen Dreh schafft man solche Verstöße nicht aus der Welt und es ist sehr bedenklich, wenn hochstehende offizielle Stellen zu solchen Kunststückchen ihre Zuflucht nehmen müssen. Was von der Regierung Tusar als Notwendigkeit versprochen worden ist, in einer innerstaatlichen Angelegenheit, an der in erster Reihe dreieinhalb Millionen des zweitstärksten Volkes dieses Staates auf das Stärkste interessiert waren, das mußte unter allen Bedingungen von den folgenden Regierungen diesen dreieinhalb Millionen gegenüber eingehalten werden. Das verlangte vor allem die politische Klugheit, und ich wäre dem Herrn Dr Kramáø, der ja später zu Worte kommen wird, sehr dankbar, wenn er bei seinen Erinnerungen an die alte österreichische Zeit, die er uns heute im Anschluß an die Ausführungen des Herrn Kollegen Dr Czech geben wird und zu denen Herr Kollege Knirsch auch sehr dankenswerte Erinnerungen gebracht hat, wenn er uns sagen würde, wie sich denn die altösterreichischen Ministerpräsidenten verhalten haben. Mir ist nur bekannt, daß Badeni, Gautsch, Koerber bei ihren Verordnungen und Sprachengesetzen die beiden Parteien verständigt haben. Wie es der alte Taaffe getan hat, weiß ich freilich nicht, aber ich glaube nicht, daß die Maximen speziell dieses Mannes vorbildlich sein müßten für alle anderen.

Würden also die gegenwärtigen Sprachenverordnungen inhaltlich auch nicht zu den geringsten Bemängelungen Anlaß geben, so sind sie vom formalen Standpunkte, durch die Art und Weise, wie sie erlassen wurden, eine schwere Illoyalität gegen die deutsche Bevölkerung. Es ist keine Entschuldigung, es verstärkt die Schuld, daß diese Illoyalität, dieses Verharren auf dem Standpunkte der bekannten harten Faust, die man den Deutschen nur zeigen müsse, auf das Drängen der chauvinistischesten Gruppe in der Regierungskoalition zurückzuführen ist.

Leider gesellte sich aber zu dieser formalen Illoyalität eine noch bedeutendere inhaltliche. Darüber haben berufene Kenner des Sprachenrechtes geschrieben und gesprochen, darüber wurde in der bisherigen Debatte wertvolles Material beigebracht, darüber wird noch sehr viel gesprochen werden und darüber werden vor allem jene Instanzen zu sprechen haben - und wir Deutsche haben die feste Überzeugung, daß sie darüber nur eindeutig in unserem Sinne sprechen werden - jene Instanzen, deren Existenz in jedem geordneten Staate mit dem Spruche steht und fällt, der über dem Tore der Wiener Hofburg steht: "Justitia regnorum fundamentum." Der Verwaltungsgerichtshof wird mit diesen unseligen Sprachenverordnungen noch viel Arbeit haben. Der Präsident hat gesagt: "Jeder Mensch hat das Recht sich zu wehren." Auch unser Volk hat in diesem Falle das Recht sich zu wehren und insbesondere dann, wenn es in seinen autonomen Körperschaften so eingeschränkt wird, wird und muß es an jene Instanzen gehen, die schließlich die Entscheidung zu bringen haben.

Es ist eine sehr schwere Schädigung, die dem deutschen Volke durch diese Sprachenverordnungen zugefügt wurde. Weit müßten wir in der Geschichte der böhmischen Länder, für die das wechselvolle Ringen der beiden Sprachen um ihren Geltungsbereich eines der charakteristischen negativen Merkmale bildet, zurückgehen, vielleicht vier Jahrhunderte, vielleicht in das Jahr 1500, vielleicht bis 1615, um ein Gesetz, eine Verordnung, eine Landesordnung zu finden, die von der gleichen Wucht und Schwere für das deutsche Volk war.

Zu diesen schweren materiellen Schäden, die in erster Linie unsere autonomen Gemeinden treffen werden, gesellt sich aber auch das brennende Gefühl, daß man es uns Deutschen mit allen Mitteln unmöglich macht, wie eben die Verhandlung des Mißtrauensantrages wieder zeigt, zu einer der jure-Anerkennung unserer berechtigten Beschwerden zu kommen. Dieses Gefühl geht in unsere breiten Volksmassen immer mehr über, es durchdringt heute alle Schichten und es ist sehr unklug von den Machthabern dieses Staates, diese tiefe Erregung eines Millionenvolkes gering zu schätzen, eines Volkes, zu dessen ureigenstem Wesen ein ausgebildetes Gefühl für Gerechtigkeit, für Recht und Unrecht gehört, und in dem nun einmal die Überzeugung - und ich möchte lieber sagen der Kinderglaube verwurzelt ist, daß der oberste unerschütterliche Schützer jeden Rechtes in erster Linie die Staatsgewalt sein muß. Das sind Eigenschaften, die einem Volke hohen inneren Wert verleihen, und die Schritt für Schritt höher steigende Geltung Nachkriegsdeutschlands in der internationalen Welt ist der beste Beweis dafür, daß man den inneren Wert des deutschen Volkes überall in der Welt anders einschätzt als hierzulande. (Souhlas na levici.) Ein Chauvinist vom Range Viktor Dyks konnte sich freilich gestern im Senat den haßgeschwollenen Ausspruch leisten, das Sudetendeutschtum sei ein verdorrender Zweig. Der Wunsch ist hier der Vater des Gedankens.

Ich möchte diese hervorragende Eigenschaft, dieses Ethos unseres sudetendeutschen Volkes mit einer Goldader vergleichen, die freilich leider mitten in einem großen drohenden Granitkoloß eingesprengt und dadurch von der Welt und von der Wirksamkeit abgeschlossen ist. Dieser Granitkoloß ist der èechische Chauvinismus in allen seinen Schattierungen. Gibt es in diesem Staate noch Staatsmänner mit Weitblick, dann mögen sie, so lange es Zeit ist, dafür sorgen, daß dieser Granitblok Stück für Stück abgetragen wird. Und es ist bei Gott sehr viel abzutragen, weil in den letzten acht Jahren unendlich viel aufgehäuft wurde, und dann kann die Zeit kommen, wo diese Erzader schon sichtbar werden wird. Ihr habt sie verschüttet, nur Ihr könnt sie wieder freilegen! Einer Regierung aber, die immer neue Granitkolosse zu sammenträgt, um diese Ader zu verschütten, dieser Regierung sprechen wir und sprechen alle unterdrückten Minderheiten dieses Staates ihr schärfstes Mißtrauen aus. (Potlesk na levici.)

3. Øeè posl. Pohla (viz str. 793 tìsnopisecké zprávy):

Hohes Haus! Für die Notwendigkeit der Einbringung des Mißtrauensantrages und für die Notwendigkeit zu dessen Annahme spricht, glauben wir, ein politisches Ereignis aus den letzten Tagen eine beredte Sprache, und zwar ist es die Suspendierung der staatsbürgerlich gewährleisteten Rechte in Fischern. Ich weiß, daß im Senat die Kollegen unserer Partei darüber gesprochen haben und daß der Minister Dr. Nosek darauf geantwortet hat. Aber dieser Vorfall ist weder durch die Antwort des Ministers aufgeklärt, noch ist diese Antwort zufriedenstellend, noch sind die Antwort und der ganze Vorfall darnach, daß wir ihn im Zusammenhang mit dem Mißtrauensantrag nicht erwähnen sollten. Ich darf wohl sagen: so leichtfertig, so grundlos und so ungesetzlich sind wohl kaum jemals in einem Staate staatsgrundgesetzlich gewährleistete Rechte suspendiert worden. Diese Suspendierung der staatsbürgerlich gewährleisteten Rechte muß als ungeheuerlich bezeichnet werden, ungeheuerlich wegen ihrer Ursache.

Was ist geschehen? Der Polizeirat von Karlsbad erklärte, die öffentliche Ruhe wurde gestört, die Sicherheit der Person und des Eigentums der Bewohner wurde gefährdet. (Výkøik: Von wem wurde sie gestört?) Wir haben die öffentliche Ruhe und Ordnung nicht gestört, die Sicherheit der Person und des Eigentums der Bewohner nicht gefährdet, vielmehr tat dies die Polizei und außer der Polizei niemand. (Souhlas na levici.) Sie hat wehrlose Menschen niedergeknüppelt, das Eigentum der Stadtgemeinde Fischern und das der Gewerbetreibenden schwer gefährdet. Man kann um die Ursachen befragt werden und der Herr Minister wurde darum befragt, und er hat im Senat eine mehr als unzureichende Antwort darauf gegeben. Und doch wäre es einfach gewesen, die richtige Antwort darauf zu geben. Ich möchte sie mit einem Satze feststellen: ein verrückter Baumeister hat nicht nur die Polizei in Karlsbad, sondern die Staatsverwaltung und scheinbar auch die Mehrheit der Minister um Besinnung und Verstand gebracht. Anders läßt sich dieses Ereignis absolut nicht qualifizieren. Wenn Sie glauben, daß dies eine Staatsverwaltung schon dazu berechtigt zu drohen, wie es der Minister des Innern für gut befindet, wenn Sie glauben, daß das Stärke einer Staatsgewalt ist, dann dürften Sie einem großen Irrtum verfallen sein. Das ist nicht Stärke, das ist lächerliche Furcht, die man sich nur verursacht denken kann durch das schlechte Gewissen der Staatsverwaltung gegenüber den deutschen Arbeitern im besonderen und den Minoritäten im allgemeinen. Der Ausnahmszustand wurde aufgehoben, aber die Aufhebung ist fast noch merkwürdiger als die Verhängung. Der Polizeirat erklärt in der Aufhebungskundmachung ganz unrichtig, daß die Einhaltung von Ruhe und Ordnung ihm verbürgt wurde. Kein Mensch kann Aufklärung darüber geben. In einer riesigen Vertrauensmännerversammlung unserer Partei wurde die Frage gestellt; von unserer Partei hat er keine Bürgschaft dafür erhalten. Und von anderer Seite auch nicht. Aber nicht nur daß diese Aufhebungskundmachung diese Unwahrheit enthält, die Aufhebungskundmachung droht auch für den Fall, als sich irgend welche Unruhen wiederholen würden, mit der neuerlichen Außerkraftsetzung der staatsbürgerlichen Rechte. Man spricht hier so oft von Vergleichen mit dem alten Österreich. Ich möchte auch vergleichen und möchte deshalb von den Vorgängen von 1908 reden. Im Jahre 1908 gab es in Prag Krawalle, gar nicht unbedeutende Krawalle wegen des Studentenbummels der farbentragenden Studenten am Graben, Krawalle, die sich durch Wochen und Monate hingezogen haben, Krawalle, bei denen es schon etwas abgab. Prüfen wir, was die österreichische Regierung, von der wir uns angeblich soweit entfernt haben, damals getan hat. Der Bericht darüber lautet: Als die Krawalle sich wiederholten, erhielt Statthalter Graf Coudenhove den Auftrag, mit den schärfsten Mitteln zu drohen, aber erst nach Wiederholung dieser Krawalle und wenn die Ordnung nicht hergestellt wäre, diese Drohungen auch anzuwenden. Und daraufhin, meine Herren, hat die Prager Polizeidirektion mit einem Erlaß die Ansammlungen in Prag verboten und die zeitliche Torsperre angeordnet, auf Grund alter österreichischer Polizeiverfügungen und Polizeiverordnungen. Bezeichnend ist weiter: Erst als die Verhandlungen der Parteiobmänner im Abgeordnetenhause, die über diese Angelegenheit stattgefunden haben zur Bereinigung dieser Angelegenheit, zur Vermeidung von Zusammenstößen in Prag, wirkungslos geblieben waren, hat der Statthalter den Auftrag erhalten, das Standrecht zu verhängen. So geschah es in Österreich. Verhandelt hat die Regierung mit den Parteiobmännern. Gemessen an dem, was in Fischern geschehen ist, muß man sich doch fragen, ob denn eine Großstadt der Welt überhaupt noch ohne Ausnahmszustand existieren würde, wenn solch lächerliche Ereignisse wie ein angeblicher Steinwurf, der einen Polizisten am Fuße traf und ihn, wie der Minister ausdrücklich zugibt, ganz leicht verletzt hat, genügend Anlaß sein sollten, um die persönlich gewährleisteten Freiheiten der Bevölkerung einer ganzen Stadt einzuschränken. Da dürften in Wien, Paris, New-York und London niemals die vollen staatsbürgerlichen Rechte in Kraft sein, denn dort kommen ganz andere Sachen vor. Die Sache ist nicht anders zu erklären, als daß wirklich jemand die Besinnung verloren hat. Und wenn von den Regierungsbänken die Oppositionsparteien und daher auch wir zu Besinnung gemahnt werden, so möchte ich demgegenüber ruhig und leidenschaftslos antworten: Nein, wir, die Vertreter der deutschen Arbeiter, haben die Besinnung keinen Moment verloren; wir haben sie Gott sei Dank nicht verloren, auch dann nicht, als Sie sie anscheinend verloren hatten. Ich möchte Sie aber nun an die Äußerungen unseres unvergeßlichen Genossen Adler erinnern, die er im österreichischen Parlament 1908 zur Zeit des Standrechtes in Prag getan hat. Er sagte: "Das Standrecht ist wirklich eine einfache Lösung. Es gehört nicht viel Verstand dazu, den Henker von Wien nach Prag zu rufen. Es ist nichts anderes, als der nackteste Bankerott der alten österreichischen Regierungsmethoden, ein Beweis für die völlige Unfähigkeit der herrschenden Parteien." Meine Herren, die Worte, die Adler damals über die österreichische Regierung sprach, die kann man heute getrost auf das Regierungssystem dieses Staates anwenden. Getrost kann man den Vergleich anstellen, der Vergleich fällt keineswegs zum Nachteil Österreichs aus. (Souhlas na levici.)

Wenn jemand glaubt, daß die Karlsbader Ereignisse nicht von der Polizei provoziert wurden, so lese man doch die Versammlungsbewilligung eines ganz einfachen Polizeirates nach, der hineinschrieb: "Sie haben den Anordnungen der Polizei zu gehorchen." Man muß lange in der Geschichte der österreichischen Bürokratie such en, ehe man einen solchen rohen und rüpelhaften Polizeiton gegenüber den Staatsbürgern findet. Ich möchte Ihnen, die Sie die Wünsche und die Verlangen der deutschen arbeitenden Bevölkerung in allem und jedem mißachten, die Unabhängigkeitserklärung in Erinnerung bringen, die Sie am 18. Oktober 1918 in Paris abgegeben haben, u. z. w. der jetzige Staatspräsident Masaryk, General Štefánik und Dr. Eduard Beneš. Wie heißt es in dieser Unabhängigkeitserklärung? "Die Demokratie hat die theokratische Autokratie aus dem Felde geschlagen, der Militarismus ist überwunden, die Demokratie ist siegreich. Auf der Grundlage der Demokratie wird die Menschheit reorganisiert werden. Die Macht der Finsternis hat dem Sieg des Lichtes gedient, die ersehnte Zeit der Menschlichkeit beginnt zu tagen". Nun, wenn man die Debatte am gestrigen und heutigen Tage verfolgt, so schaut das (Pøedsednictví pøevzal místopøedseda Slavíèek.) verflucht wenig nach Menschlichkeit und sehr wenig nach Demokratie aus. Sie sind mit allen Fehlern des alten Österreich belastet in ihren neuen Staat eingegangen und sind großartige gelehrige Schüler, die österreichischen Zustände nicht nur mechanisch zu übertragen, sondern sie noch zu steigern, was vordem als schwer, als schier unmöglich bezeichnet worden wäre. Die Außerkraftsetzung der staatsbürgerlichen Rechte ist auch eine glatte Ungesetzlichkeit, das ist schon wiederholt nachgewiesen worden. Ich will rekapitulieren. Auf Grund einer Ministerialverordnung setzt der Polizeikommissär staatsbürgerliche Rechte außer Kraft, während der § 113 der Verfassungsurkunde der Èechoslovakischen Republik bestimmt, daß nur durch Gesetz bestimmt werden kann, inwieweit und ob staatsgrundgesetzlich gewährleistete Rechte eingeschränkt werden können. (Posl. Heeger: Aus welchem Jahr stammt diese Ministerialverordnung?) Aus dem Jahre 23. (Posl. Heeger: 1823?) Nein, 1923! In dem Gesetz über die Beschränkung der Freiheiten vom 14. April 1920 heißt es in § 3: "Zu den außerordentlichen Verfügungen ist ein vom Präsidenten der Republik genehmigter Beschluß der Regierung notwendig" und ich frage mich, wie so es denn möglich ist, daß das ganze èechische Volk einschließlich der èechischen Arbeiter und ihrer politischen und parlamentarischen Vertretungen an einer so willkürlichen, an einer so mutwilligen Einschränkung der staatsbürgerlich gewährleisteten Rechte so achtlos vorüber geht. Das ist ein Kennzeichen des Tiefstandes unserer Demokratie, aber auch des Tiefstandes unserer politischen Verhältnisse. Der Herr Minister Dr. Nosek hat im Senat diese Maßnahme, die wir immer als den Auswuchs, als den Übergriff eines nicht mehr ganz gesunden Polizeigehirns bezeichneten, gutgeheiß en und gedeckt und mit Säbelrasseln - als Säbel kann man das eigentlich nicht bezeichnen - geantwortet. Ich glaube, daß nach dieser Rede des Herrn Minister Dr. Nosek im Senat der Mißtrauensantrag, der hier vorliegt, auf diesen mitausgedehnt werden muß, weil die Regierung die Ungesetzlichkeit von Fischern hier offiziell gedeckt hat. (Souhlas na levici.)

Nun glauben Sie, daß die Debatte etwa irgendeine Wirkung zum Besseren ausgeübt hat? Es hat an guten Anregungen und vernünftigen Argumenten seitens der Opposition während dieser Debatte nicht gefehlt. Sie wollen Loyalität. Zehnmal haben wir es gehört. Meine Herren, wir wollen nicht illoyal sein wie ihr gegenwärtiger Minister Viškovský, der in Österreich gefragt hat: "Was bekommen wir dafür, zahlt es sich aus, loyal zu sein in diesem Staate?" Aber fragen wir: wo nehmen Sie die Kühnheit her, an uns überhaupt eine solche Zumutung zu stellen, nach der Art, wie Sie uns seit sieben Jahren behandeln, nach dem System, wo jeder Buchstabe des Gesetzes, der Verordnungen und der Vollzugsgewalt Haß und Rache gegen die Klasse der Arbeiter und gegen die deutsche Bevölkerung im allgemeinen atmet. Eine solche Debatte würde in einem anderen Staate reinigend wirken, man käme dort zur Besinnung, daß man zu weit gegangen ist. Hier ist das nicht der Fall. Aber wir lassen uns durch Ihren Scheinradikalismus, durch Ihre Scheinstärke nicht täuschen. Je schwächer Sie werden in der Koalition, je größer der Widerstand wird und je weniger Fähigkeiten Sie beweisen, den Staat mit Ihren Methoden zu regieren, um so gewalttätiger müssen Sie gegen die anderen werden. (Souhlas na levici.) Das ist ein Faktum. Aber auf Bajonetten kann man nicht dauernd sitzen und mit dem Ausnahmszustand, hat ein Politiker einmal gesagt, kann zwar jeder Esel regieren, aber nicht auf immer, nur für eine vorübergehende Zeit. (Souhlas na levici.) Von einer Einkehr ist bei Ihnen, wie gesagt, nichts zu sehen. Ich erhielt heute vormittag den Bericht, daß die politische Bezirksverwaltung in Weipert uns für den 15. d. M. eine ordnungsgemäß angemeldete Volksversammlung verboten hat, mit der Begründung, daß anläßlich der herrschenden Zustände im Lande (Hört! Hört!) die Aufrechthaltung der Ruhe und Ordnung nicht verbürgt wäre. Ich muß sagen, wenn das die Demokratie ist, von der uns so viel gesprochen wird, (Posl. Heeger: Uns hat man die Versammlung am Sonntag verboten, weil der Präsident Geburtstag hat!) wenn zur Zeit der Tagung des Parlamentes ein derart offensichtlicher Übergriff eines untergeordneten Polizei- oder Staatsorganes vorliegt, was macht man? Man wendet sich an den Herrn Minister. Das habe ich vor 20 Minuten getan. Ich habe dem Herrn Minister das Innern Dr. Nosek mitgeteilt: das und das ist geschehen, wollen Sie nicht die Liebenswürdigkeit haben, den Fall untersuchen zu lassen und sich Bericht erstatten zu lassen, womit das Verbot begründet ist und eventuell die Aufhebung dieses unsinnigen Verbotes zu bewirken. Darauf hat mir Herr Dr. Nosek zur Antwort gegeben: "Nein, der Bezirkshauptmann wird schon gewußt haben, warum er sie verboten hat. Ordnung muß sein im Staate!" (Posl. Myslivec: Vejprty nejsou daleko od Karlových Varù!) Sie waren nicht hier, Herr Kollege Myslivec, reden Sie nicht von Karlsbad. Ich habe vorhin den Fall besprochen und wiederhole es privat für Sie. In Karlsbad hat niemand die öffentliche Ruhe und Ordnung gestört als die Polizei und dafür gibt es nur eine Entschuldigung, daß durch die Narretei, durch einen verrückten Baumeister die Staatsgewalt und Polizei um den Verstand gekommen ist. Ich bitte das zur Kenntnis zunehmen. Karlsbad ist kein Objekt, auf das Sie sich berufen können. Ich möchte fragen, was im alten Österreich ein èechischer Abgeordneter getan hätte, wenn ihm seitens eines Ministers eine solche provokatorische Antwort in einer so eminent wichtigen politischen Frage erteilt worden wäre! Sie haben alle Ihre sogenannte demokratische Erziehung vergessen, und wenn jemand einen Appell zu richten berechtigt ist, so niemals Sie an uns, immer wir an Sie. Kehren Sie zurück zu Ihren demokratischen Traditionen, so lange es nicht zu spät ist, schaffen Sie die Grundlage dafür, daß alle Bewohner dieses Staates Ursache haben, sich in dem Staate als gleich- und vollberechtigte Bürger zu fühlen und Sie brauchen kein Bekenntnis der Loyalität. Die deutsche Arbeiterschaft und die gesamte deutsche Bevölkerung wird zu diesem Staate stehen wenn Sie ihn wohnbar gemacht haben, wenn wir uns darin heimisch fühlen können. Ihre ganze Vergangenheit - unser Genosse Dr. Czech hat Ihnen eine ganze Auslese vorgelesen, wir könnten sie fortsetzen bis in die jüngste Zeit - haben Sie ganz vergessen und nichts gelernt. Bauen Sie ab den Haß, das ist der Rat, den wir Ihnen zurufen, bauen Sie ab die Rache, versuchen Sie sich hineinzudenken in eine Situation, in der es weder Unterdrückte noch Unterdrücker gibt, damit nicht der Eindruck entsteht, daß die èechische Nation und ganz besonders ihr Bürgertum nur in zwei Funktionen leben können; entweder als Unterdrückte oder als Unterdrücker. Was Sie als Unterdrücker in den letzten Jahren getan haben, dessen ist das Maß voll, die Sprachenverordnungen, die Einschränkung der persönlichen Freiheit sind Krankheitssypmtome eines Staatswesens und nicht Symptome der Konsolidierung, nicht Symptome der Stärke und inneren Gesundheit, sondern das Gegenteil davon. Und wenn Sie Ihre Republik lieben, sowie Sie es vorgeben, und Sie wirklich gern haben, dann befolgen Sie den Rat und das Beispiel Ihrer großen Männer über das Verhältnis zu den anderen Nationen, zu dem Staate, und Sie werden der Republik, die Sie angeblich lieben, den größten Dienst erwiesen haben; und wenn Sie es ernsthaft meinen, dann stimmen Sie mit für unseren Ausgleichsautrag und schaffen sie weg dieses Regierungssystem, das Werk der Koalition. (Souhlas a potlesk na levici.)


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