Meine Damen und Herren! Die drei Regierungsvorlagen,
die uns heute beschäftigen, Druck 118, weiters Druck 80 und
81, bilden ein zusammenhängendes Ganzes. Wenn ich infolgedessen
zur ersten Regierungsvorlage das Wort ergreife, so werde ich mich
selbstverständlich auch auf den Inhalt der beiden anderen
beziehen. Es handelt sich um Vereinbarungen, durch welche endlich
die Lage einer Gruppe von staatlichen Pensionisten, der sogenannten
Auslandruheständler der Nachfolgestaaten des alten Österreich
geklärt werden soll. Man muß hiebei freilich dem Befremden
Ausdruck verleihen, daß diese Angelegenheit so lange verschleppt
worden ist. (Nepokoj.) Die Herren wünschen anscheinend,
daß ich meine Redezeit ausdehne.
Das Übereinkommen von Rom wurde am 6.
April 1922 geschlossen, jenes von Wien am 30. November
1923. Von den sechs Staaten Österreich, Italien, Polen, Rumänien,
Südslavien und Èechoslovakei, die beide Übereinkommen
abschlossen, haben Italien und Österreich sie schon anfangs
1924 ratifiziert. Zwei Jahre sind also seitdem
verflossen, bevor man sich auch hier zu Lande endlich dazu aufgerafft
hat, das ungeheuere Elend einer Anzahl von Menschen, die nichts
anderes verbrochen haben, als daß sie gewissen Leuten nicht
zu Gesicht gestanden sind, notdürftig zu beseitigen. Wenn
ich heute das Wort ergreife, so geschieht es aus dem Grunde, weil
in den Verträgen von Rom und Wien eine Gruppe von Bediensteten
der ehemaligen Staatsbahnen ausdrücklich vom Bezug der Ruhegenüsse
ausgeschlossen wird. Der Vertrag von Rom hat die Eisenbahnpensionen
überhaupt ausgeschlossen und die Frage ihrer Regelung der
späteren Konferenz überlassen, welche dann - 11/2 Jahre
später - in Wien tagte. Aber auch der Vertrag von Wien schließt
in Artikel zwei von der Gewährung von Ruhebezügen ausdrücklich
folgende Personen aus: 1. Solche, welche den Dienst in jenem Staate
ablehnten, dessen Angehörige sie wurden, oder welche den
von ihnen geforderten Eid oder das Gelöbnis nicht ablegten.
2. Welche ihren Dienst verließen. 3. Welche durch eigene
Schuld der allgemeinen oder besonderen Aufforderung zum Dienstantritt
oder Überreichung einer Anmeldung nicht entsprachen und endlich
4. jene, deren Übernahme in den Dienst aus öffentlichem
Interesse abgelehnt wurde. Das ist ein besonders kennzeichnender
Punkt. Diese harten Bestimmungen beziehen sich unter anderem auch
auf die 50 enthobenen deutschen Eisenbahner, deren Elend schon
einigemale Anlaß bot, sich für sie einzusetzen. Ich
kann in diesem Zusammenhang auch auf die vergangene Parlamentsperiode
hinweisen, in welcher ich selbst in einer An zahl von Anträgen
und Anfragen - wie u. a. Druck 249 vom 15. Juni 1920, und Druck
1458 vom 20. Jänner 1921 - ferner im damals bestehenden Staatsangestelltenausschuß
und zwar vor der Konferenz zu Rom mich mit diesen Angelegenheiten
beschäftigte. Ich kann auch hinweisen auf die stürmische
Sitzung, in welcher die Vorlage über die Verstaatlichung
der Aussig-Teplitzer Bahn behandelt wurde und ferner auf zahlreiche
Schritte, die von der Gewerkschaft deutscher Eisenbahner und vom
Verein deutscher Eisenbahnbeamten unternommen wurden, um das Elend
dieser Personen zu lindern. Der Motivenbericht zur Regierungsvorlage
Druck 81, also zum Übereinkommen von Wien, äußert
sich nun zu den vier vorher angeführten Ausschließungsgründen
folgendermaßen: "In den ersten drei Punkten handelt
es sich um ehemalige österreichische Bedienstete, welche
entweder durch die Tat oder ausdrücklich an den Tag legten,
daß sie dem Staat ihrer Zugehörigkeit nicht dienen
wollten. Ihre Handlungsweise ist hinsichtlich der Rechtswirkung
identisch mit dem freiwilligen Austritt aus dem Dienst gemäß
den §§ 84 bis 86 der Dienstpragmatik und, sofern es
sich um Eisenbahnbedienstete handelt, gemäß den Bestimmungen
des § 137 der Dienstordnung für Staatseisenbahnbedienstete.
Die Konferenz hat es als selbstverständlich erachtet, daß
ihnen gegenüber der Staat, zu welchem sich die betreffenden
Bediensteten nicht bekannten und dessen Gesetzen, bei uns die
Proklamation des Národní výbor vom 29. Oktober
1918 und das Gesetz vom 7. Feber 1919, Z. 74 S. d. G. u. V.),
welche ihnen den Eintritt in den Staatsdienst ermöglichten,
nicht nachkamen, zu nichts verpflichtet ist. Fälle ad 4 kommen
nur ganz vereinzelt vor." Zu dieser Begründung muß
denn doch bemerkt werden, daß jene, die sie verfaßten,
anscheinend über die Verhältnisse, die bis zum Friedensdiktat
von St. Germain herrschten, nicht unterrichtet sind, oder, besser
gesagt, nicht unterrichtet sein wollen. Es erfolgten doch schon
eine ganze Zeit vor Erlassung des Gesetzes vom 7. Feber 1919,
des sogenannten Eidgesetzes, zahlreiche Enthebungen vom Dienste,
auch solcher Personen, die durchaus gesonnen waren, Dienst zu
machen und dies ausdrücklich erklärten. Ich kenne diese
Dinge ja aus eigener Erfahrung und brauche unter anderem nur auf
die Heizhausleitung Iglau zu verweisen, der ich angehörte
und bei der Ende November 1919 trotz der ausdrücklichen Erklärung,
Dienst zu machen, sämtliche technischen Beamten binnen wenigen
Stunden enthoben wurden. Veränderungen standen in dieser
Zeit auf der Tagesordnung, jeder èechische Bedienstete,
der einmal eine Strafe erhalten oder dem man etwas ausgesetzt
hatte, erachtete die Zeit für gekommen, sich nun durch Angeberei
zu rächen, wie es ja übrigens auch beim Abbau geschieht.
Die Verlautbarung des sogenannten Eidgesetzes,
also des Gesetzes vom 7. Feber 1919, erfolgte überdies so
mangelhaft, daß viele Personen gar nichts davon wußten.
Ein bezeichnendes Beispiel für diese Behauptung habe ich
seinerzeit in meiner Parlamentsrede zur Verstaatlichungsvorlage
der Aussig-Teplitzer Bahn vorgebracht und ich wiederhole es. Zwei
Bahnwärter der Bahnerhaltungsektion Lundenburg haben im Feldsberger
Gebiet Dienst gemacht. Sie sind erst nach der Zuweisung dieses
- das ist ein volles Jahr nach Ablauf der Frist, die das Eidgesetz
verlautbarte - überhaupt in die Lage gekommen, in
den Bereich der Èechoslovakei zu gelangen. Ich habe damals
die Frage gestellt und stelle sie auch heute, wie denn diese zwei,
deren vorgesetzte Behörde damals die Nordbahndirektion in
Wien war, hier ein Gelöbnis hätten
ablegen sollen. Aber alle Vernunftgründe nützten nichts,
man hat sich vielmehr an den starren Buchstaben des Gesetzes gehalten.
Wie in diesen beiden Fällen, so lassen
sich auch in allen anderen Entschuldigungsgründe finden.
Es wäre wohl, 7 1/2 Jahre nach dem Umsturze, überhaupt
hoch an der Zeit, mit dieser Art Revolutionsgesetzgebung endlich
einmal Schluß zu machen. Freilich merkt man hievon nichts,
wie ja unter anderem auch zwei erst kürzlich in Troppau und
in Iglau durchgeführte Prozesse beweisen, die zu einer
Verurteilung aus dem einfachen Grunde führten, weil die Betreffenden
mit Vereinen angeblich hochverräterischer Tendenz in Verbindung
gestanden sind. Die maßgebenden Kreise des Èechentums
vermögen sich nicht zu der Auffassung durchzuringen, die
staatsaufbauende und staatserhaltende Völker
auszeichnen muß, daß das Vergessen vermeintlicher
Vergehen gegen den Staat das erste Erfordernis der Staatserhaltung
ist. Absatz 2 des § 1 der Regierungsvorlage Druck 118, bietet
nun die Möglichkeit, das Unrecht, das den Enthobenen bisher
zugefügt wurde und das auch in den Verträgen von Rom
und Wien nicht beseitigt wurde, gutzumachen. Er lautet: "In
besonders berücksichtigungswerten Fällen können
die im vorigen Absatz angeführten Ruhe- und Versorgungsgenüsse
nach freiem Ermessen solchen Personen zuerkannt werden,
welche entweder schon èechoslovakische Staatsbürger
sind oder es werden und nicht unter die Bestimmungen des ersten
Absatzes fallen. Dasselbe gilt hinsichtlich der Hinterbliebenen
dieser Personen." An dieser Fassung ist
natürlich sehr viel, ja alles auszusetzen. Es ist selbstverständlich,
daß wir eine andere Fassung gewünscht hätten,
so zwar, daß man nicht von Gnade spricht, nichts dem freien
Ermessen überläßt, wo es sich einfach um die Gutmachung
eines begangenen Unrechtes handelt.
Einen Abänderungsantrag einzubringen,
ist wohl angesichts der Verhältnisse in diesem Hause zwecklos,
weil er ohnehin abgelehnt würde. Ich kann daher nichts anderes
tun, als von dieser Stelle aus auf das unverschuldete Elend der
enthobenen Eisenbahner hinzuweisen und dafür einzutreten,
daß diese Opfer der Umsturzzeit endlich einigermaßen
für ihre Leiden und Entbehrungen entschädigt werden.
Was natürlich von diesen 50 mir namentlich bekannten deutschen
Eisenbahnern gilt, gilt auch von denen, die sich nicht in
unserem Verzeichnisse befinden und eigentlich von allen Staatsangestellten,
deren Namen mir ebenfalls nicht bekannt sind. (Souhlas na levici.)
Hohes Haus! Die vorliegenden Regierungsanträge,
namentlich der Druck 118, befassen sich mit der Regelung eines
Teiles jener Momente, die sich als Begleiterscheinungen des Umsturzes
einstellten, vielleicht zum Teile auch einstellen mußten,
die aber im Laufe der 8 Jahre schon lange, wenn man den ernstlichen
Willen hätte, hätten gelöst und befriedigend abgebaut
werden können. Das sind Erscheinungen, unter denen gar viele,
nach Hunderten und vielleicht nach Tausenden zählend, großen
materiellen Schaden erlitten haben und erleiden, Erscheinungen,
welche für viele geradezu die Existenzbedingungen vernichtet
haben, Erscheinungen in dem Sinne, daß gar mancher, der
vielleicht 20 und 30 Jahre im öffentlichen Dienste, im Dienste
des Staates gestanden ist, zum Schlusse nichts anderes davon hat,
als den bekannten Spruch, Mohr, du hast deine Schuldigkeit getan,
nun kannst Du gehen!
Die èechische Außenpolitik ist großzügig,
wenigstens in Bezug auf das Hineinreden in die Weltgestaltung,
wenn sich auch der èechoslovakische Außenminister
sehr oft eine Zurechtweisung gefallen lassen
muß, beispielsweise jetzt wieder bei dem Vertrage, den Deutschland
mit Rußland geschlossen hat. Es wäre eine sehr interessante
Blütenlese anzuführen, wie etwa andere Kräfte,
welche auch außenpolitisch eine gewisse Bedeutung
haben, den Schritt des èechoslovakichen Außenministers
beurteilt haben. Vielleicht kann man diese Blütenlese einmal
bringen. Aber ich will nur sagen: Das, was der Außenminister
in dieser Hinsicht getan hat, ist nichts anderes, als die weitere
Fortsetzung der bisherigen Praxis. Sobald in
Europa irgendetwas geschieht, was sich etwa in deutschlandfreundlichem
Sinne auswirken könnte, was dazu angetan sein könnte,
Deutschland aus der Rechtlosigkeit, in die es durch die sogenannten
Friedensverträge gefesselt worden ist, Herauszuhelfen,
ist sogleich die Èechoslovakei am Platze, um das unmöglich
zu machen, oder, soweit sie kann, zu erschweren. Gelingen wird
ihr das schließlich und letztlich nicht, sie wird den Aufstieg
Deutschlands nicht niederhalten können. Einmal
wird die gründliche Abrechnung mit dieser èechoslovakischen
Außenpolitik kommen. Bei dieser Großzügigkeit
der èechoslovakischen Außenpolitik werden natürlich
Dinge, die der vorliegende Antrag, nur nebenbei behandelt, manchmal
nur so, daß dem lateinischen Worte entsprochen
wird "ut aliquid fecisse videatur", sonst nichts. Ansonsten
hätte die vorliegende Angelegenheit im Laufe der 8 Jahre
schon längst beseitigt sein müssen.
Der vorliegende Druck 118 betrifft einen Gegenstand,
der im Jahre 1923 verhandelt worden ist. Wie damals vereinbart
wurde, ist das Abkommen im österreichischen und italienischen
Parlament sogleich in Behandlung genommen worden, nur die Èechoslovakei
hat die Sache bis 1926 hinausgeschoben. Hier, wie in anderen Dingen,
verhindert man die Wiederkehr der Vorkriegszustände.
Gerade in letzter Zeit ist eine Botschaft zu uns gekommen, die
allgemeinen Unwillen erregen muß, die Botschaft, daß
die Belästigungen, die mit dem Paß- und Visumwesen
verbunden sind, nicht abgebaut werden. Die Polizei muß wissen,
wer im Staat aus- und eingeht. Das ist doch naiv, denn wenn einer
in unlauterer Absicht die Staatsgrenze überschreiten will,
dann kommt er ohne Paß und ohne Visum über die Grenze.
Von den Schwierigkeiten werden nur die unverdächtigen Reisenden
getroffen. Von einem Abbau der Verkehrshindernisse ist keine Rede,
ja, einer ganzen Gruppe von Leuten, den Pensionisten, macht man
nach besonderen gesetzlichen Vorschriften Schwierigkeiten und
Widerstände, so oft sie die Grenze überschreiten müssen.
Es ist doch einleuchtend, daß Familienbeziehungen aus alter
Zeit weit über die Grenzen des Staates bestehen. Es ist ein
natürliches Recht, diese Familienbeziehungen zu pflegen.
Gerade den Pensionisten aber wird es unmöglich gemacht, man
zieht ihre Ansuchen hinaus, bis es zu spät ist, bis die Zeit,
für welche die Überschreitung der Grenze gefordert wird,
schon vorbei ist. Den wahrhaftigen Dank von Hunderten könnte
sich das Außenministerium erwerben, wenn es diese Zustände
abschaffen wollte. Aber es ist überhaupt nicht der Wille
hier, Erleichterungen zu schaffen, selbst bestehende Gesetze werden
inhuman und unnatürlich ausgelegt. Jeder von uns kennt Hunderte
solcher Fälle.
Am allerärgsten sieht es oft mit der Zuerkennung
der Staatsbürgerschaft aus. Nur ein Fall aus vielen: Er spielt
in Schlesien. Die Botschafterkonferenz vom Jahre 1920 sicherte
das Optionsrecht zu. Auf Grund dieses Optionsrechtes strebte einer
der dort Wohnenden die Staatsbürgerschaft an. Das Innenministerium
weist das Ansuchen ab, weil angeblich die Frist, die die Botschafterkonferenz
gestellt hat, schon verfallen war. Die Sache ging an das Oberste
Verwaltungsgericht, welches die Entscheidung aufhob. Das Oberste
Verwaltungsgericht erklärte, daß der Beschluß
der Botschafterkonferenz mit der Frist von einem Jahr zur
Geltendmachung der Option zwar aus dem Jahre 1920 stamme, daß
dieser Beschluß der Botschafterkonferenz in der Èechoslovakei
aber erst Geltung erlangt habe von der Zeit der offiziellen Verlautbarung
an. Diese erfolgte aber erst im Jahre 1925. Darum
war die Optionsfrist für den Betreffenden nicht verfallen
und die Entscheidung des Innenministeriums wurde aufgehoben. Man
sollte nun meinen, daß das Innenministerium daraufhin das
Gesuch positiv erledigt hat. Nein, es geschah das Gleiche wie
im Falle Marienbad, wo man sich um die Entscheidung der obersten
Rechtsstelle nicht kümmerte, sich über sie hinwegsetzte,
um seiner Gewaltanschauung Geltung zu verschaffen. Das Innenministerium
hat die Entscheidung des Obersten Verwaltungsgerichtshofes mit
der Erklärung ignoriert, der Beschluß der Botschafterkonferenz
sei ein internationaler Vertrag, aus welchem individuelle Rechte
nicht abgeleitet werden können. Da muß man kein Jurist
sein, man braucht nur den gesunden Menschenverstand zu haben,
um zu erkennen: Das ist ungeheuerlich!
Wozu dienen denn internationale Verträge,
wenn aus denselben keine individuellen Rechte abgeleitet werden
können? Die Sache ist um so fürchterlicher, weil die
Botschafterkonferenz ausdrücklich bestimmt hat: Die Ausübung
dieses Optionsrechtes wird keinen Schwierigkeiten begegnen und
es wird denjenigen, auf welche sich das Optionsrecht bezieht,
die Erwerbung der Staatsbürgerschaft ohne jede Einschränkung
möglich gemacht sein. Und trotzdem dieses Verhalten des Innenministeriums!
Von allem anderen abgesehen, ist das zumindest eine grobe Verletzung
des Rechtsbewußtseins, genau so, wie das Verhalten des Bodenamtes
in Bezug auf Marienbad und Tepl eine grobe Verletzung allen Rechtsbewußtseins
vorstellt.
Der vorliegende Vertrag zeigt in seinen Wortlaute
wenigstens den Willen, daß man berechtigten Ansprüchen
entgegenkommen wolle. Es ist wahrhaftig zu wünschen, daß
die Durchführung des Vertrages, sobald er Gesetz wird, möglichst
rasch erfolge, denn 8 Jahre sind inzwischen dahingegangen. Man
kann sich die Verzweiflung von Hunderten vorstellen, welche nicht
zu ihrem Rechte kamen, weil diese Bestimmung nicht schon vor Jahren
zur Geltung gebracht worden ist. Insbesondere aber empfehle ich
den Absatz 2 des § 1 einer liberalen Handhabung. Dort heißt
es: "In besonders berücksichtigungswürdigen Fällen
können die angeführten Ruhe- und Versorgungsgenüsse
auch jenen Personen nach freiem Ermessen zuerkannt werden, welche
dem Wortlaut nach nicht gerade anspruchsberechtigt wären".
Das ist zwar eine sonderbare Fassung, es ist wieder der Gnadenweg
und nicht der Rechtsweg, aber immerhin wäre es etwas.
Zu § 2 dieses Antrages gestatte ich mir
einen Antrag zu stellen, der dahin geht, daß die Schlußworte
des § 2, nämlich "Sonst bleiben die Bestimmungen
dieses Gesetzes und das dasselbe ergänzende Gesetz unberührt",
gestrichen werden. Wenn dieser Zusatz aufgenommen wird, sind viele
von vornherein von der Wohltat des Gesetzes wieder ausgeschlossen.
Außerdem gestatte ich mir im Anschluß
an die Vorlage den Antrag zu stellen, daß die Regierung
zu dem Gesetz vom Jahre 1920, durch welches die Ruhegenüsse
der Militärgagisten geordnet werden, eine Novellierungsvorlage
einbringe, welche entsprechend der seinerzeitigen Regierungsvorlage
aus dem Jahre 1920 gewisse Härten, die in dem Gesetz enthalten
sind, und durch welche gewisse Grade der Gagisten ausgeschlossen
sind, beseitigt. Mag man militaristisch oder antimilitaristisch
eingestellt sein, mag man dem Kriege gegenüberstehen in welcher
Ideenvorstellung immer, aber eines wird festzuhalten sein: Was
erworbenes Recht ist, muß erworbenes Recht bleiben, jedermann
gegenüber. (Souhlas na levici.)
Meine Damen und Herren! Bei der Behandlung
der Vorlage betreffend die Übernahme und Zuerkennung der
Ruhe- und Versorgungsgenüsse im Zusammenhang mit den Verträgen
von Rom und Wien über die vereinbarten Pensionsübereinkommen
kommt man nicht darüber hinweg, an jene Zeit zurückzudenken,
wo Tausende von Staatsbediensteten ihrer Stellen enthoben worden
sind. Die ganze Tragödie steigt vor dem geistigen Auge wieder
auf, die Tausende von Menschen durchgemacht haben, welche von
keinem der Nachfolgestaaten übernommen worden sind. Die Leidensgeschichte
der damals enthobenen Staatsbediensteten und Eisenbahner, das
tausendfältige Unrecht, welches an diesen Menschen verübt
worden ist, bildet ein besonderes Kapitel in der Geschichte der
Nachfolgestaaten. Nicht dienstliche Gründe sind es gewesen,
die zur Enthebung dieser Bediensteten geführt haben, es waren
vielfach lügenhafte und denunziatorische Angaben. In keinem
einzigen Falle ist ein Disziplinarverfahren gegen irgend einen
dieser Bediensteten eingeleitet worden.
Der Wiener Vertrag vom 30. November 1923 handelt
im Art. 2, Punkt 1, 2, 3, 4 von jenen Personen, welche von den
Begünstigungen dieses Vertrages entschieden ausgeschlossen
werden. Insbesondere werden da jene genannt, die den Dienst in
dem Staate, dessen Angehörige sie wurden, ablehnten, oder
das von ihnen amtlich geforderte Gelöbnis oder den Diensteid
nicht ablegten, zweitens jene, die ihren Dienst verlassen haben,
drittens jene, die aus eigenem Verschulden der allgemeinen oder
besonderen Aufforderung, daß sie ihren Dienst antreten oder
eine Anmeldung zu diesem Zwecke einbringen sollen, nicht Folge
leisteten oder deren Übernahme in den Dienst im öffentlichen
Interesse abgelehnt wurde. Was nun jene Bestimmung betrifft, die
sich darauf bezieht, daß eine Reihe von Staatsbediensteten
das Gelöbnis oder den Diensteid nicht geleistet haben, wird
hier nicht berücksichtigt, daß diese Menschen vielfach
keine Kenntnis davon hatten, daß sie sich zur Ablegung des
Diensteides oder des Gelöbnisses einfinden sollen, weil sie
oftmals in entfernten Ortschaften von ihrem früheren Dienstorte
sich aufgehalten haben und kein Mensch sie aufgefordert hat, dieser
ihrer Pflicht nachzukommen. Es gibt aber auch viele, die sich
gemeldet haben, denen aber das Gelöbnis oder der Diensteid
nicht abgenommen worden ist. Absichtlich hat man das getan, um
sie dauernd vom Dienst entheben zu können, um sie kurzerhand
loszuwerden.
In den ersten drei Punkten handelt es sich
um ehemalige österreichische Bedienstete, die entweder durch
die Tat oder ausdrücklich zu verstehen gaben, daß sie
dem Staate ihrer Zugehörigkeit nicht dienen wollen. Ihre
Handlung, so sagt der Motivenbericht, gleicht in Bezug auf die
Rechtswirksamkeit einem freiwilligen Austritte aus dem Dienste
nach §§ 84 bis 86 der Dienstpragmatik und, soferne es
sich um Eisenbahnbedienstete handelt, laut Bestimmung des §
137 der Dienstordnung für Bedienstete der Staatsbahnen. Hier
weiß man also, daß Bestimmungen der Dienstordnung
vorhanden sind, und beruft sich darauf, daß ihre Handlung
einem freiwilligen Austritte gleicht. Dort aber, wo man die Leute
gewaltsam aus dem Dienste entfernt hat, hat man an kein Disziplinarverfahren
gedacht, sondern man berief sich einfach auf das Revolutionsrecht.
Die Akten, die seinerzeit über die Enthobenen geführt
wurden, bilden kein Ruhmesblatt in der Geschichte dieses Staates.
Es hat kolossale Mühe gekostet, die Staatsverwaltung und
insbesondere die Eisenbahnverwaltung dahin zu bringen, daß
sie die Regelung der Frage der Enthobenen in Angriff genommen
und erledigt hat. Vieler Eingaben und ungezählter Interventionen
seitens des Verbandes der Eisenbahner hat es bedurft, ehe an die
Regelung dieser Frage geschritten wurde. In sehr vielen Fällen
erhielten die aus dem Dienste Entfernten nur 60% ihrer Bezüge,
40% wurden zurückbehalten und es ist noch gar nicht so lange
her, als wir erst die letzten Fälle einer günstigen
Erledigung zuzuführen vermocht haben - ich weiß nicht,
ob nicht noch außerhalb unseres Organisationsbereiches des
Verbandes der Eisenbahner Fälle vorhanden sind, die noch
nicht geregelt sind - ich kann aber sagen, daß alle jene
Fälle, die wir in Behandlung gehabt haben, bezüglich
der Nachzahlung der zurückbehaltenen 40% an Bezügen
günstig erledigt wurden. Den Schaden, den diese Menschen
erlitten haben, ersetzt der Staat aber nicht, vom Zinsenverlust
gar nicht zu reden. Sehr vielen dieser nicht übernommenen
Staatsbediensteten haben wir dann nach langen Bemühungen
Alimente erwirkt, die aber nur auf der Grundlage der normalen
Pensionen bemessen worden sind. Wie gegen Bedienstete vorgegangen
worden ist, die man loswerden wollte, will ich an einigen Beispielen
aufzeigen. Zwei Fälle aus Grußbach-Schönau, Peter
Schaden und Josef Kratochwill. Der Erstgenannte befand sich zur
Zeit des Umsturzes mit einer schweren Influenza
im Krankenstande. Als er sich zum Dienste meldete, sagte ihm der
damalige Vorstand Tomaschek, er möge zu Hause bleiben,
er könne sich dadurch am besten schützen, die Èechen
werden ihm nichts anhaben können.
Schaden kam dieser Ratschlag verdächtig
vor, dies umsomehr, als der Vorstand Tomaschek ihn auch gefragt
hatte, ob er auf einen Posten in Deutschösterreich reflektiere,
was Schaden verneinte. Mit 1. Oktober 1919 wurden beide, sowohl
Schaden Peter als auch Kratochwill Josef vom Dienste vollständig
enthoben, ohne Angabe irgendwelcher Gründe. Auf die Frage,
warum sie enthoben wurden, die die beiden an den Vorstand stellten,
antwortete dieser, daß der Grund wahrscheinlich darin zu
suchen sei, daß sie das Gelöbnis in der vorgeschriebenen
Zeit nicht abgelegt haben. Zuerst also hat man die Leute gezwungen,
im Krankenstand zu verbleiben, und zwar über die Zeit hinaus,
innerhalb welcher der Diensteid, bezw. das Gelöbnis abgelegt
werden sollte, und als man sie enthob, hat man dies damit begründet,
daß sie das Gelöbnis nicht abgelegt haben, obzwar sie
nichts davon gewußt haben.
Ein weiterer Fall ist der des ehemaligen
Bahnwächters Helmer in Saitz. Der Mann erhielt die èechoslovakische
Staatsbürgerschaft auf Grund der Ablegung des Staatsbürgerschaftseides
zuerkannt. Die politische Landesverwaltung in Mähren - ich
habe das Dokument vor mir - hat den Karl Helmer,
Bahnwächter in Saitz, wie folgt verständigt: "Ich
finde Ihnen über das Ansuchen vom 14. Feber 1920, auf Grund
der Ihnen mit Beschluß der Gemeindevertretung in Saitz vom
19. Juli 1920 zugesicherten Aufnahme in den Heimatsverband dieser
Gemeinde das èechoslovakische Staatsbürgerrecht zu
verleihen. Durch diese Verleihung erlangen auch Ihre Ehegattin
und Ihre minderjährigen ehelichen Kinder die èechoslovakischen
Staatsbürgerrechte. Ihre Erklärung, daß Sie sich
aller Ansprüche gegen den èechoslovakischen
Staat aus dem Besitze von Kriegsanleihen begeben, wird zur Kenntnis
genommen. Behufs Ablegung des Staatsbürgerschaftseides werden
Sie sich bei der politischen Bezirksverwaltung in Auspitz zu melden
haben." "Herr Karl Helmer" - so lautet dann
noch eine Fußnote - "und seine Ehegattin Suzanna haben
den vorgeschriebenen Eid als èechoslovakische Staatsbürger
am heutigen Tage beim hiesigen Amte abgelegt. Auspitz, 29. Oktober
1920. Gezeichnet der Amtsleiter Ranela." Die politische Bezirksverwaltung
von Auspitz hatte Herrn Helmer unter dem 13. Oktober 1920 mit
folgenden Schriftstück verständigt: "Herrn Karl
Helmer, Bahnwächter in Saitz. Anbei wird Ihnen das Dekret,
laut welchem Ihnen die èechoslovakische Staatsbürgerschaft
verliehen wurde, samt sämtlichen Beilagen
übermittelt. Mit diesem Dekret haben Sie sich mit Ihrer Gattin
behufs Ablegung des Staatsbürgerschaftseides bei der hiesigen
Bezirksverwaltung zu melden." Das war am 13. Oktober 1920,
und am 29. Oktober 1920 hat der Mann bereits den Staatsbürgerschaftseid
abgelegt, desgleichen auch seine Frau. Trotzdem ist der Mann heute
noch nicht von der èechoslovakischen Verwaltung als Pensionist
mit ordentlicher Pension übernommen worden, sondern steht
noch immer nur im Bezuge von Alimenten. Als eine recht
kleinliche durch nichts begründete Maßnahme muß
man es auch bezeichnen, daß den Beziehern von Alimenten
sämtliche Regiebegünstigungen vorenthalten werden, die
den ordentlichen Pensionisten gewährleistet sind.