Solche Fälle wie der, den ich soeben vorgetragen
habe, gibt es noch mehrere, wo man zuwarten will, bis Verträge
mit den Nachfolgestaaten abgeschlossen und von allen Nachfolgestaaten
ratifiziert sind. Aber ich will noch einen krasseren Fall herausgreifen,
Es handelt sich um einen pensionierten Obergeometer namens
Nedvìd Martin, in Olmütz. Der Mann ist geboren 1846
in Budweis in Böhmen, bis 1870 nach Hrozòowitz, Bezirk
Moldautein in Böhmen zuständig. Auch die unverehelichte
Mutter war in Böhmen geboren und nach Hrozòowitz zuständig.
Er trat im Jahre 1870 in den österreichischen
Staatsdienst, und war von nun an an verschiedenen Orten bedienstet
und dort heimatsberechtigt. Er war kurze Zeit in Troppau, in Ravensburg
in Niederösterreich, in Czernowitz und auch in Galizien tätig.
Die längste Zeit in Tirol, Meran, Reutte, Kitzbühel.
Sein letzter Dienstort war Kitzbühel. Er wurde pensioniert
im April 1902 und ist seit dieser Zeit ununterbrochen in Olmütz
wohnhaft gewesen. Das ihm auf Grund des Heimatsgesetzes vom Jahre
1896 gebührende Heimatsrecht in Olmütz wurde
ihm verweigert. Nach dem Gesetze vom April 1920 ist er unzweifelhaft
èechoslovakischer Staatsbürger. Doch wurde sein Ansuchen
um Zuerkennung der Staatsbürgerschaft abgewiesen, mit der
Begründung, daß dieses Gesetz auf ihn keine Anwendung
finden könne, da seine Mutter zur Zeit
des Inkrafttretens des Gesetzes nicht mehr am Leben war und daher
zu jener Zeit das Heimatsrecht in Böhmen nicht mehr besitzen
konnte. Also sogar auf die Mutter hat man sich berufen, um dem
alten Mann das Heimatsrecht abzuerkennen. Das ist jedenfalls eine
ganz merkwürdige Entscheidung. Denn wesentlich ist doch nur,
daß die Bedingungen des Gesetzes von 1920 schon lange vor
dessen Inkrafttreten erfüllt waren. Die Mutter Anna starb
bereits 1888. Eine neue Eingabe blieb unerledigt und liegt mit
wichtigen Dokumenten beim. Ministerium des Innern. Aus dem österreichischen
Staatsverbande ist er ebenfalls ausgeschieden und derzeit tatsächlich
heimatslos. Pension erhält er von keiner Seite, seine Bemühungen
um Erlangung des Heimats- und Staatsbürgerrechtes reichen
bis in die Jahre 1919 und 1920 zurück. Es handelt sich in
diesem Falle um Zuerkennung des Heimats- und Staatsbürgerrechtes
an einen 79jährigen vollständig erblindeten Mann, um
Anweisung seiner Pension und Nachzahlung der seit dem Umsturz
ihm vorenthaltenen Pensionsbezüge. Wie ich bereits gesagt
habe, ist der Mann vollständig blind, delogiert, war bis
in die letzte Zeit von seinem Schwiegersohn unterstützt worden,
einem schlecht bezahlten Professor, der es nun auch nicht mehr
aushalten kann. Der Mann mußte seine Möbel in einem
Magazin unterbringen, wo sie derart verbarrikadiert sind, sodaß
nicht einmal die Möglichkeit besteht, noch vorhandene Dokumente
zur Stelle zu bringen. Ich habe wiederholt im Ministerium des
Innern und bei der politischen Landesverwaltung in Brünn
interveniert, habe den Fall sogar nach Österreich hinuntergeleitet.
Der bedauernswerte Mann ist bis heute noch immer ohne jede Ruhegenüsse,
da er noch von keinem der Staaten übernommen wurde. Es ist
absolut kein Grund einzusehen, warum noch zugewartet werden soll,
um diesen alten erblindeten Mann endlich zu seinem Rechte kommen
zu lassen. Wozu braucht man in solchen Fällen erst die Inkraftsetzung
von Verträgen, wo es doch klar ist, daß der Mann von
einem der beiden Staaten übernommen werden muß.
Bei der Teilung Ostschlesiens auf Grund des
Machtspruches des Botschafterrates wurden 91 Eisenbahnerfamilien
gewaltsam aus dem polnischen Gebiet aus Dzieditz und Bilitz-Biala
entfernt. Es handelt sich um lauter Eisenbahner, die von der
èechoslovakischen Eisenbahnverwaltung und zwar vom ersten
Eisenbahnminister, den seither verstorbenen Zahradník
und vom Plebiszitkommissär in Teschen aufgefordert worden
waren, sie sollen nur auf ihrem Dienstposten verbleiben und gewissenhaft
Dienst machen, sie werden, wenn über das Gebiet entschieden
sein werde, vom èechoslovakischen Staate übernommen
werden. Als aber dann über das Gebiet entschieden worden
war, wurden die Leute, wie ich bereits gesagt habe, gewaltsam
entfernt. Ein Extrazug, mit dem diese 91 Familien
nach Oderberg gekommen waren, hat dort 8 Tage gestanden, die Familien
ohne jeden Unterhalt, sodaß sich die Öffentlichkeit
ihrer erbarmte und eine Sammlung einleitete, um sie nur einigermaßen
zu unterstützen. Nach 8 Tagen wurde schließlich dieser
Transport, der eingentlich auf Grund der Versprechungen, die den
Bediensteten gemacht worden waren, von der Èechoslovakei
hätte übernommen werden sollen, nach Österreich
abgeschoben. Es wurde einfach erklärt, Österreich sei
das Mutterland und dieses habe sie zu
übernehmen. Aber nicht allein das, vielen dieser Menschen,
die damals auf ihrem Dienstposten ausgehalten haben, ist das geradezu
zum Verhängnis geworden. Sie wurden von der èechoslovakischen
Staatsbahnverwaltung nämlich nicht nur aufgefordert,
den Dienst zu machen, sondern auch zu agitieren für
die Èechoslovakei für den Fall, als über das
Gebiet Ostschlesien durch Abstimmung entschieden werde. Dieser
Aufgabe haben sich viele von den damaligen Eisenbahnbediensteten
unterzogen, sie sind dabei Gefahr gelaufen,
von den Polen nicht nur verhaftet, sondern auch tätlich mißhandelt
worden. Ich verweise darauf, daß viele von diesen Bediensteten
in den polnischen Internierungslagern untergebracht wurden, wo
sie an Krankheiten zugrunde gingen. Der Lohn, der ihnen zuteil
geworden ist, war, daß man sie nicht übernahm, daß
sie heimatslos geworden sind, keinen Unterstand und keine Existenz
mehr gehabt haben. Bei der Unifizierung der Bediensteten der ehemaligen
Kaschau-Oderberger Bahn sind ebenfalls große Unrechte
an den Bediensteten verübt worden. Obzwar ihnen die Èechoslovakei
Staatsbürgerschaftslegitimationen ausgefolgt hatte, wollte
sie ihnen dann die Staatsbürgerschaft doch nicht zuerkennen.
Die èechoslovakische Staatsbahnverwaltung wollte sie auch
nur als provisorische Bedienstete übernehmen,
obwohl es sich um langgediente definitive Bedienstete handelte.
Aber das ist noch nicht alles, was diesen Bediensteten an Unrecht
zugefügt worden ist, sondern man hat ihnen auch, soweit sie
pensioniert wurden, die Kriegshalbjahre und die Kriegsjahre nicht
eingerechnet, und zwar mit Berufung darauf, daß die Kaschau-Oderberger
Bahn diese Einrechnung nicht eingeführt habe. Nun haben sich
die Dinge damals ja so verhalten, daß die Kaschau-Oderberger
Bahn zu der Zeit, wo über das Gebiet Ostschlesien
nicht entschieden war, gar nicht wußte, wohin eigentlich
das Gebiet fallen werde, und sie konnte daher weder Verfügungen
treffen, die von der polnischen Seite herkamen, noch Verfügungen,
die die èechoslovakische Regierung getroffen hat.
Daneben bestand auch noch der Einfluß von ungarischer Seite.
Büßen mußten das alles die armen Teufel bei ihrer
Pensionierung, indem ihnen die Begünstigung der Einrechnung
der Kriegshalbjahre und Kriegsjahre vorenthalten worden ist. Es
muß bei dieser Gelegenheit auch darauf verwiesen werden,
daß heute noch viele Staatsbürgerschaftsansuchen in
den Zentralämtern des Staates liegen, die ihrer Erledigung
harren. Man kann intervenieren, so oft man will, eine Erledigung
ist einfach nicht herauszubringen. In den Fällen, wo man
den Leuten auf ihre Ansuchen doch eine Antwort gegeben hat, hat
man ihnen mitgeteilt: Ja, sie können die Staatsbürgerschaft
zuerkannt bekommen, wenn sie auf ihre Ruhegenüsse verzichten.
Das konnten natürlich diese armen Menschen nicht tun und
infolgedessen wurde ihnen die Staatsbürgerschaft vorenthalten.
Bis zum August 1921 wurde der Grundsatz der Territorialität
bei der Zuerkennung von Pensionen oder Vorschüssen auf Pensionen
eingehalten. Mit 1. September wurden hunderte von Pensionisten
mit einem Schlage an Österreich überwiesen, die
aber persönlich gar keine Ahnung von dieser Transferierung
ihrer Pensionsgenüsse hatten und die erst darauf kamen, als
sie das erste Mal die von Österreich angewiesene, in èechoslovakische
Kronen umgewandelte niedrigere Pension in die
Hände bekamen. Die Leute haben dabei infolge der Valutadifferenz
einen ungeheueren Schaden erlitten. Ein großer Mangel besteht
in den Verträgen auch darin, daß kein Schadenersatz
vorgesehen ist für die Verluste, die die nicht übernommenen
Pensionisten erlitten haben. Es wäre Pflicht der Regierung,
dieses Unrecht wieder gutzumachen, die Möglichkeit dazu ist
in den Verträgen gegeben. Die Verträge überlassen
es den einzelnen Staaten gegenüber ihren Angehörigen
Schutzverfügungen zu treffen. Es wird also vor allem an der
Regierung und den Verwaltungsbehörden liegen, diese Bestimmungen
der Verträge zu Gunsten der pensionierten Bediensteten anzuwenden.
Dasselbe gilt natürlich auch bezüglich
der Nachzahlung von nicht ausgezahlten Ruhegenüssen. Das
überlassen die Verträge auch wieder den einzelnen Staaten,
wie sie ihre Angehörigen zu entschädigen gedenken. Es
wäre schon notwendig gewesen, daß bei den Unterhandlungen
in Rom und in Wien getrachtet worden wäre, eine Bestimmung
in die Verträge hineinzubringen, welche darüber Präzises
sagt, denn sonst wird es vielfach von der Protektion abhängen,
ob einem übernommenen Pensionisten eine Nachzahlung gewährt
wird oder nicht.
Die Vertragsparteien haben am Schlusse der
Verhandlungen auch gewisse Erklärungen abgegeben. Da heißt
es z. B. in einer dieser Erklärungen: "Die hohen Vertragsparteien
erklären, daß sie bereit sind, mit der größten
Benevolenz die Ansuchen um Zahlung der Ruhegenüsse im Auslande
zu überprüfen und daß sie auf die besonderen Verhältnisse
der Gesuchsteller auch dann Rücksicht nehmen, falls ein früheres
Ansuchen abgewiesen wurde". Es haben sich also das erste
Mal alle Nachfolgestaaten gewissermaßen verpflichtet, benevolent
gegenüber den Ansuchen um Zuerkennung der Pensionen im Ausland
vorzugehen. Die Praxis wird es lehren, wie diese Erklärungen
eingehalten werden. Nach den Erfahrungen, die wir gemacht haben,
können wir uns keinen besonderen Hoffnungen hingeben. Man
hat den im Ausland lebenden Pensionisten schon alle möglichen
Schwierigkeiten bereitet in Bezug auf ihre Ruhegenüsse. Wenn
einem Pensionisten der Bezug seiner Pension in das Ausland bewilligt
wird, so nur die Grundpension ohne Teuerungszulagen. Man hat sogar
den Inlandspensionisten, wenn sie nur eine Reise ins Ausland zu
unternehmen gezwungen sind, die größten Hindernisse
bereitet. Es wäre zu erwarten, daß endlich einmal damit
gebrochen wird und die Pensionisten in wirklich entgegenkommender
Weise behandelt werden.
Art. 6 des Wiener Vertrages enthält die
Bestimmung, daß die Vertragsstaaten überein gekommen
sind, die Zahlung der Pensionen an jene Personen, die innerhalb
eines Jahres nach Wirksamkeit des Vertrages ein Ansuchen an den
betreffenden Staat einbringen, zu übernehmen. Wir werden
wiederum die Erfahrung machen, daß, wenn die Verträge
in Wirksamkeit getreten sein werden, nicht alle Pensionisten,
die auf die Übernahme durch den einen oder anderen Nachfolgestaat
warten, davon Kenntnis erlangen und so den Termin nicht einzuhalten
vermögen. Es wäre Pflicht der Regierung und der Verwaltungsbehörden,
dafür zu sorgen, daß alle in Betracht kommenden Personen
davon eine amtliche Verständigung erhalten. Wie werden es
denn die Ruheständler in den entlegenen Ortschaften draußen
erfahren, bis zu welchem Zeitpunkt sie ein Ansuchen einzubringen
haben? Wenn dieser Zeitpunkt abgelaufen sein wird, werden sie
selbstverständlich abgewiesen werden.
Ebenso unklar ist die Bestimmung im Art. 7,
die vom Schiedsgericht handelt. Es soll ein Schiedsgericht in
allen jenen Fällen entscheiden, in welchen zwischen den einzelnen
Nachfolgestaaten Streitigkeiten über die Staatsbürgerschaft
eines noch nicht übernommenen, bezw. zu übernehmenden
Pensionisten bestehen. Wie dieses Schiedsgericht zusammengesetzt
sein soll oder wird und an welchem Orte es seinen Sitz hat, darüber
sagen die Verträge nichts. Es wäre notwendig gewesen,
auch hier eine klarere Bestimmung in den Vertrag aufzunehmen.
Dann ist im Art. 7 eine weitere Bestimmung, die auch nicht die
Gewähr bietet, daß innerhalb eines Jahres über
die strittigen Fälle entschieden wird. Da muß entweder
die bezugsberechtigte Person ansuchen oder der betreffende Staat,
an den diese Person ihr Ansuchen gerichtet hat. Diese Bestimmung
ist zu unklar, als daß man voraussetzen könnte, daß
die Leute von ihr rechtzeitig und ordentlich Gebrauch machen werden.
Der größte Mangel der Verträge besteht aber darin,
daß nicht alle bisher nicht übernommenen Pensionisten
und aktiven Bediensteten übernommen werden, sondern nur jene,
die von der ehemaligen österreichischen Verwaltung pensioniert
wurden, nicht aber die von der ungarischen Verwaltung pensionierten.
Die große Zahl der slovakischen Pensionisten wird mit den
Verträgen von Rom und Wien noch immer nicht erfaßt,
für diese gibt es auch weiterhin noch keine gesetzliche Regelung
ihrer Ruhe- und Versorgungsgenüsse.
Der Kreis, der durch die Regierungsvorlage
gezogen ist, ist auch zu eng. Es bleiben noch weite Kreise von
Pensionisten außerhalb dieser Verträge und außerhalb
des Gesetzes, deren Schicksal auch weiterhin sozusagen in der
Luft hängen wird. (Pøedsednictví
pøevzal místopøedseda inž. Dostálek.)
Im Abs. 2 des § 1 der Regierungsvorlage
ist zwar von einer liberalen Behandlung berücksichtigungswürdiger
durch das Gesetz und die Verträge nicht gedeckter Pensionsfälle
die Rede, aber diese Bestimmung ist in der vorliegenden Fassung
unzureichend. Wir haben deshalb einen diesbezüglichen Antrag
eingebracht, in welchem wir sagen, wie die Bestimmung lauten müßte,
um es nicht dem freien Ermessen der Regierung zu überlassen,
sondern sie zu verpflichten, in allen jenen Fällen, wo es
sich um Pensionisten handelt, deren Staatsbürgerschaft nicht
geklärt ist, oder auch um solche Fälle, die unter Art.
2 des Wiener Vertrages fallen, das Gesetz und die Verträge
in humaner Weise zu handhaben.
Die Verträge sollen nach dem Motivenbericht
so rasch als möglich ratifiziert werden. Nun liegen die Verträge
der Nationalversammlung bereits seit 15. Jänner d. J. vor,
und erst jetzt kommen wir zur Verhandlung und Verabschiedung derselben.
Es ist noch immer die Frage, wieviel Monate vergehen werden, bevor
die Ratifizierung endgültig durchgeführt sein wird.
Unsere parlamentarischen Ausschüsse, sowohl der sozialpolitische,
wie auch die anderen Ausschüsse, die die Verträge und
die Regierungsvorlage zu behandeln gehabt haben, haben in ihren
Berichten den Wunsch ausgesprochen, daß auch die übrigen
Staaten die Ratifizierung der Vereinbarungen in der nächsten
Zeit durchführen. Ich glaube, dieser Appell wäre in
erster Linie bei uns selbst am Platze gewesen, nachdem beispielsweise
Österreich den römischen Vertrag bereits am 8. März
1924 und Italien denselben Vertrag am 11. März 1924 ratifiziert
haben. Es wäre reichlich Zeit gewesen, daß auch bei
uns diese Verträge längst hätten verabschiedet
werden können. Zu beklagen ist auch der Umstand, daß
nicht beide Verträge sofort nach ihrer Ratifizierung durch
einzelne Staaten in Wirksamkeit treten. Während der römische
Vertrag sogleich nach der Ratifizierung, bezw. der Hinterlegung
der Ratifikationsurkunde zwischen zwei Staaten Wirksamkeit erlangt,
tritt der Wiener Vertrag erst in Kraft, bis er von sämtlichen
Vertragsstaaten ratifiziert ist, bezw., wenn die letzte Ratifikationsurkunde
hinterlegt sein wird. Weder im Gesetz noch im Motivenbericht des
Vertrages ist irgend eine Begründung dafür enthalten,
warum der Wiener Vertrag nicht auch sofort nach dessen Ratifizierung
in Kraft tritt. Darüber hätte die Regierung schon etwas
Näheres sagen sollen. Aber nicht nur, daß dieses unterlassen
wurde, es wird auch der römische Vertrag dadurch hinausgezogen,
daß er erst jetzt zur Behandlung gekommen ist. Das arme
Österreich, welches so viele Pensionisten und aktive Bedienstete
hat übernehmen müssen, hat sich rascher dazu entschlossen,
den römischen Vertrag zu ratifizieren, obzwar es damit sehr
große Lasten übernommenhat. Bei uns hat man sich damit
Zeit gelassen und die Leute pendeln weiter in der Luft, in Hangen
und Bangen um ihr ferneres Schicksal. Es wäre nur zu wünschen,
daß die Regierung nun so rasch als möglich die Ratifizierung
durchführt und auch den Vertrag in Rom hinterlegt,
damit zumindest mit den beiden Staaten Österreich und Italien
der Austausch, bezw. die Übernahme der Pensionisten durchgeführt
werden könnte. Sehr viele Bedienstete haben nach dem 3. November
1918 in irgend einem der Nachfolgestaaten noch aktive Dienste
geleistet, ohne daß sie später von dem betreffenden
Staate übernommen worden wären oder dessen Staatsbürgerschaft
erhalten hätten. Auch das ist eine mangelhafte Bestimmung
in den Verträgen, die die Regierung durchaus nicht verpflichtet,
alle Unrechte an diesen Menschen gut zu machen. Auch diesbezüglich
haben wir in unseren Abänderungsanträgen zum Ausdruck
gebracht, wie wir uns die Behandlung dieser später nicht
übernommenen Bediensteten vorstellen, welche noch nach dem
3. November 1918 eine Reihe von Jahren Dienste geleistet haben.
Wir werden für die Ratifizierung der beiden
Verträge stimmen, weil damit endlich eine Regelung der Rechtsverhältnisse
für Tausende in schwerer Sorge um ihr Schicksal bangender
Menschen geschaffen wird, obwohl die Verträge unserer Auffassung
und unseren Forderungen nicht entsprechen, was wir durch unsere
Abänderungsanträge zum Ausdrucke gebracht haben. (Souhlas
a potlesk na levici.)
Meine Damen und Herren, man sollte eigentlich
in Prag und im ganzen Gebiet der Èechoslovakischen Republik
Fahnen und Flaggen hissen, weil heute im Parlament wieder einmal
von den Ruheständlern gesprochen wird, weil Gesetzesanträge
vorliegen, deren Zweck es ist, bei pensionierten
Staatsangestellten den Zustand der Heimatlosigkeit und des Daseins
ohne Einkommen in absehbarer Zeit zu beenden. Leider sind wir
auch heute nur in der Lage, solche Gesetzesanträge mit einem
trockenen und einem nassen Auge zu betrachten. Trotzdem die Übernahme
der Pensionisten eine der dringendsten Fragen gewesen wäre,
die einer schnellen Lösung bedurfte, trotzdem die Not der
staats- und heimatlosen Ruheständler allgemein bekannt war,
trotzdem die zwei Pensionsübereinkommen in Rom am 6. April
1922 und in Wien am 30. November 1923 abgeschlossen und unterzeichnet
wurden, so kommt das Parlament der Èechoslovakischen Republik
erst 4 Jahre später dazu, die internationalen Verträge
zu ratifizieren und die Ergänzungsgesetze zur Annahme vorzulegen,
durch die auch noch die Fehler gutgemacht werden
sollen, die man beim Abschluß des Römischen und Wiener
Vertrages begangen hat.
Darüber helfen keine Ausreden hinweg,
in denen behauptet wird, daß noch weitere Verhandlungen
notwendig waren, da es sich nicht allein um die Übernahme
der Ruheständler, sondern auch jener aktiv dienenden Personen
handelt, die von keinem der Nachfolgestaaten Österreich-Ungarns
übernommen worden waren. Letzten Endes ist es heute ja allgemein
bekannt, daß gerade Wien und Prag an den unglaublich verwirrten
Verhältnissen der Heimats- und Staatenlosigkeit und der Doppelstaatlichkeit
der Staatspensionisten die Schuld trifft. Im Friedensvertrag von
Versailles wurde für die Staatsangehörigkeit der ordentliche
Wohnsitz als Aufteilungsprinzip aufgestellt, nicht nur weil dieser
Grundsatz der natürliche gewesen ist, sondern, weil er im
Hinblick auf die Wohnungsnot aus rein wirtschaftlichen Gründen
der vernünftigste war. Aber Prag wollte wieder einmal klüger
sein und alles besser machen und auf sein Drängen wurde das
natürliche und vernünftige Aufteilungsprinzip des ordentlichen
Wohnsitzes durch das Prinzip des nicht mehr leicht feststellbaren
Heimatsrechtes ersetzt. Dabei hat man auf die Angehörigen
der österreich-ungarischen Reichslandes Bosnien und Herzegowina
vergessen, dessen Gesetzgebung ein Heimatsrecht überhaupt
nicht kennt. Und als man dann nach diesen Plänen die 52 Millionen
Menschen der Donaumonarchie unter ihre Nachfolgestaaten
aufteilte, ergaben sich die unglaublichen Mißstände
der Staatenlosigkeit und Doppelstaatlichkeit, die noch
dadurch namenlos erschwert wurden, daß zugunsten der Èechoslovakischen
Republik eine sehr wichtige Ausnahme von dem Aufteilungsprinzip
des Heimatsrechtes gemacht wurde. Nach Artikel 76 des Friedensvertrages
von St. Germain müssen alle Personen,
die das Heimatsrecht auf dem Gebiete der heutigen Èechoslovakischen
Republik erst nach dem 1. Jänner 1910 erworben haben, dasselbe
nochmals reklamieren. Geschieht dies nicht oder wird die Reklamation
abschlägig beschieden, so erwerben diese
Personen nach Art. 77 desselben Vertrages ipso facto die Staatsangehörigkeit
jenes Nachfolgestaates, wo die Gemeinde liegt, in der sie heimatsberechtigt
waren, ehe das anullierte Heimatsrecht erworben wurde. Wer die
schwierigen Verhältnisse, infolge der Novelle zum Heimatsgesetz
vom 5. Dezember 1896 mit ihrem Anspruch auf Verleihung des Heimatsrechtes
nach einem qualifizierten Aufenthalt von 10 Jahren kennt, der
wird es begreiflich finden, daß es heute in den meisten
Fällen undurchführbar ist, sein früheres Heimatsrecht,
das Heimatsrecht der Eltern und Großeltern nachzuweisen.
Solche von dem Reklamationsverfahren betroffenen Personen sind
daher meistens staatenlos geblieben.
Die beteiligten Mächte waren daher gezwungen,
durch internationale Übereinkommen der Staatenlosigkeit und
Doppelstaatlichkeit irgendwie zu begegnen. Und so kam es am 7.
Juni 1920 zum Brünner Vertrag: und am 6. April 1921 zur ersten
Konferenz von Rom. Aber erst am 6. April 1922 auf der zweiten
Konferenz von Rom, an der sich alle Nachfolgestaaten mit Ausnahme
Ungarns beteiligten, wurde im Artikel 1 das Übereinkommen
getroffen, daß sich die Nachfolgestaaten verpflichten, die
von der ehemaligen österreichischen Regierung angewiesenen
Pensionen nur ihren eigenen Staatsbürgern weiter auszuzahlen.
Die gleiche Bestimmung wiederholt dann die Additionalkonvention
von Wien vom 30. November 1923. Während diese Übereinkommen
von Italien am 21. Feber 1924 und von Österreich am 8. März
1924 bereits ratifiziert wurden, geht die Èechoslovakische
Republik erst heute daran, sich mit den Verträgen und ihren
Auswirkungen das erstemal in ihrem Parlamente zu beschäftigen.
Wahrlich eine glänzende Fürsorge dieses Staates für
seine Bürger, die von einem merkwürdigen Grade der Menschlichkeit
Zeugnis gibt.
Und was für himmelschreiende Fälle
von Ungerechtigkeit und Unmenschlichkeit haben sich während
der Zeit ereignet, während welcher die übelwollende
Verschleppungstaktik die endgültige Lösung dieser brennenden
Frage fortwährend hinauszog, Fälle, die alle aus den
Akten den maßgebenden Behörden bekannt sind und sogar
den Obersten Verwaltungsgerichtshof beschäftigt haben. Aus
meiner reichen Sammlung will ich hier nur 3 von diesen unzähligen
Fällen anführen, keineswegs weil sie die ärgsten
Verhältnisse dem Zuhörer vor Augen führen, sondern
weil sie so recht typisch und unsere Verhältnisse, insbesondere
die Behandlung der Ruheständler charakterisierend sind.
Der Obergeometr I. Klasse in Ruhe Martin Nedvìd war 35
Jahre lang österreich. Staatsbeamter, zuletzt in der VIII.
Rangsklasse, und wurde im Jahre 1902 in den Ruhestand versetzt.
Er ist in Budweis geboren, seine Eltern waren in Böhmen heimatsberechtigt
und er selbst war natürlich bis zu seinem Eintritt in den
Staatsdienst nach Böhmen, Hrožnowitz (Bez.
Moldautein), zuständig. Seit seiner Pensionierung lebt er
ununterbrochen in Olmütz, das sind gerade 24 Jahre her. Er
ist also nach dem Friedensvertrag von St. Germain ohne weitere
Förmlichkeit Staatsbürger der Èechoslovakischen
Republik geworden, wenn er auch nach seinem
letzten Dienstorte Kitzbüchel in Tirol dorthin zuständig
war. (Artikel 3, 4 u. 6 des Friedensvertrages). Erst aber auch
nach dem Verfassungsgesetz vom 9. April 1920, Nr. 236, Artikel
I, § 1, Zahl 3, zweifellos hiesiger Staatsbürger, er
hätte nach Art. 4 des Friedensvertrages für Österreich
optieren können, hat dies aber nicht getan, weil er in der
Èechoslovakischen Republik Staatsbürger war und bleiben
wollte. Nichtsdestoweniger spricht man ihm hier Heimats- und Staatsbürgerrecht
ab und alle Bemühungen hierzulande,
ihm zu seinem Rechte zu verhelfen, waren bisher vergeblich. Das
schmerzlichste dabei ist, daß Nedvìd seit vollen
6 Jahren keine Pension bekommt. Er ist jetzt 80 Jahre alt, blind,
also völlig erwerbsunfähig und wäre schon längst
verhungert, wenn sich nicht sein Stiefsohn
seiner angenommen hätte. Die hiesigen Stellen behaupten,
daß seine Pension von Österreich zu bezahlen sei, Österreich
zahlt aber nicht, weil er schon vor 24 Jahren in das Gebiet der
Èechoslovakischen Republik übersiedelt
und überdies ausdrücklich aus dem österreichischen
Staatsverbande entlassen worden ist. Er hat also weder Heimat
noch Vaterland, ein Zustand, von dem die Juristen allerdings behaupten,
daß er undenkbar und unzulässig sei. Daß dieser
Zustand aber tatsächlich besteht, verspürt er am eigenen
Leibe und sein Stiefsohn noch viel mehr am Geldbeutel. Vor 1 1/2
Jahren wurde Nedvìd wegen eines Zinsrückstandes delogiert,
Wohnung ist keine aufzutreiben und so leben die beiden alten Leute
- er und seine Frau - nur mit den notwendigsten
Kleidungsstücken ausgestattet in einem Hotel, natürlich
auf des Stiefsohnes Kosten. Obwohl der Stiefsohn sofort den Zinsrückstand
begleichen wollte, wurde die Delogierung vom Hauseigentümer,
einem Asylverein, der also menschenfreundliche Ziele verfolgt,
durchgeführt. Das ist das Schicksal eines Mannes, der sein
ganzes Leben lang seine Pflicht getan und durch seine ehrliche
Arbeit sich einen sorgenlosen Lebensabend auch zu verdienen hoffte,
der aber das Unglück hat, daß sich seiner der Tod nicht
früher erbarmte, ehe die Staatsmänner dieses Siegerstaates
ihn langsam durch Hunger ins Jenseits martern.