Hohes Haus! Das Zollgesetz war der erste Streich
und der zweite folgte gleich. So kann man heute ungefähr
mit Wilhelm Busch, dem großen deutschen antiklerikalen Humoristen
sagen, wenn man sieht, daß die Mehrheit jetzt daran geht,
der Geistlichkeit den ihr zukommenden Ertrag jenes schmutzig-materialistischen
Geschäftes zuzuschanzen, das seinen Ursprung in dem Wahlsiege
der reaktionären Parteien vom 15. November 1925 hat. Wie
sehr sich die Dinge seither gewandelt haben, dafür sind wir
selbst staunende Zeugen. Die Landbündler, Christlichsozialen
und die Gewerbepartei, einst wütende Gegner der antideutschen
Regierungspolitik, decken heute die Regierung mit allen Mitteln
ohne Scheu und Scham. Plötzlicher und verblüffender
hat sich wohl noch nie ein politischer Szenenwechsel vollzogen.
Es wäre sehr interessant, gewisse Reminiszenzen aufzufrischen.
Aber nur auf eines möchte ich hinweisen: auf den Rütlischwur
von Eger vom 11. März 1922 für das Selbstbestimmungsrecht.
Es wird heute sicherlich nicht mehr dafür geschworen werden
und Herr Kollege Senator Böhr von der christlich-sozialen
Partei wird kaum mehr Gelegenheit haben, den Schwur von Eger nochmals
vorzubeten, jenen Schwur, der heute wie ein Meineid klingt. Nachdem
der Staat, die Großagrarier und ein Teil der Schlotbarone
sowie die Banken in Gestalt der Zölle - und jetzt kommen
noch dazu kleinere Geschenke, die die Freundschaft erhalten, vielleicht
einige Maierhöfe und Restgüter, sowie einige Milliönchen
- bereits ihr Schäfchen ins Trockene gebracht haben wird
nun, in Form der Kongrua die Geistlichkeit befriedigt. Natürlich
wieder auf Kosten der breiten Massen. Non olet, Geld stinkt nicht,
auch für die allerfrömmsten katholischen Seelen nicht,
selbst wenn es von den ärgsten Ungläubigen stammt, die
man sonst gerne in die Hölle verdammt, dort wo sie am heißesten,
das Heulen und Zähneknirschen am ärgsten ist.
Die Vorlage, um die es sich heute dreht, setzt
die niedrigsten Einkommen, eben die Kongrua der Geistlichen, welche
in der Verwaltung der Pfarrämter tätig sind, so wie
der übrigen Seelsorger, welche in der Verwaltung der mit
Zustimmung der staatlichen Kultusverwaltung systemisierten Stellen
tätig sind, mit einem jährlichen Betrag von 9000 Kronen
fest. Dieser Betrag erhöht sich automatisch nach je drei
Jahren um 972 Kronen, höchstens jedoch zehnmal. Dazu kommen
noch Erziehungsbeiträge für Kinder bis 1800 Kronen jährlich.
Inwieweit hievon die katholischen Geistlichen Gebrauch machen
werden, ist allerdings schwer vorauszusagen. Manche halten sich
ja an das Beispiel des Kuckuck. Weiter werden auch Ruhe- und Versorgungsbezüge
nach Analogie der staatlichen Pragmatikalbeamten eingeführt.
Der Staat muß mit vollen Händen mehr geben, ohne daß
er nach erhöhten Leistungen auf der anderen Seite auch nur
fragen darf, wie es bei den anderen Staatsangestellten jetzt der
Fall sein wird. Der Staat muß auf Befehl der jetzigen Mehrheit
eine große Fürsorge für die Geistlichkeit entwickeln,
um die sie die anderen sozial wichtigeren Berufsschichten bestimmt
beneiden, wie auch schon mein Kollege Taub bezüglich
der Ärzte richtig darauf hingewiesen hat. Wir wissen, daß
die Geistlichen eine der stärksten Stützen des herrschenden
kapitalistischen Systems sind. Man muß ihnen eben deshalb
entgegenkommen, wie man es den Offizieren gegenüber
tut. Trotz aller politischen Wandlungen und Umwälzungen sind
heute Säbel und Weihwedel ebenso ein Zeitsymbol der Èechoslovakischen
Republik geworden, wie sie es einst in Österreich gewesen
sind. Um die Bedeutung der Kongruavorlage richtig würdigen
zu können, ist es unbedingt notwendig,
das Verhältnis zwischen Staat und Kirche an der Hand der
geschichtlichen Entwicklung kurz zu schildern und die Weltanschauung
der römischen Klerikalen kennen zu lernen. Herr Kollege Luschka
hat bereits gestern von Weltanschauungen und von den Kämpfen
um diese Weltanschauungen gesprochen. Die römisch-katholische
Geistlichkeit sagt zwar in Übereinstimmung mit den Lehren
Christis, daß ihr Reich nicht von dieser Welt sei,
aber die Wirklichkeit ist schon längst ganz anders, sie steht
mit den Tatsachen in denkbar schärfstem Widerspruch. Es ist
wahr, daß die christliche Lehre von dem armen Volke getragen
wurde und zum Teil heute noch getragen wird, weil es mit ihrer
Hilfe einen Ausweg aus den verschiedenen irdischen Nöten
erblickte. Richtete sich doch diese Lehre scharf gegen die besitzenden
und ausbeuterischen Klassen. Die meisten Gläubigen sehen
heute noch den Schein von früher, aber nicht das wirkliche
Sein. Seit der Zeit der Priesterherrschaft und der Erklärung
der christlichen Lehre zur Staatsreligion zur Zeit des Kaisers
Konstantin im 4. Jahrhundert, als die Kirche eine Stütze
des Thrones und der herrschenden Mächte wurde, vollzog sich
im Wesen des offiziellen Christentums ein ungeheurer Wandel. Gestatten
Sie, daß ich das zusammengefaßt, in wenigen Sätzen
klarlege. Ich verweise in dieser Beziehung auf die Ausführungen
meines Parteifreundes Prof. Hartwig in der Broschüre "Jesus
oder Karl Marx". Ich möchte gewissen christlich-sozialen
Arbeitersekretären und Abgeordneten das Studium dieser Broschüre
sehr angelegentlich empfehlen. Darin heißt es auf Seite
19: "Der Messiasglaube war ein richtiger Diesseitsglaube.
Das bedrückte Volk vertraute auf Gott, dessen Allgüte
doch unvereinbar war mit Knechtschaft, Elend und dem sonstigen
tausendfachen Leid auf Erden. Erst später wurde die Erlösung
in das Jenseits verlegt und die Kirche hat im wohlverstandenen
Interesse des Staates, der sie besoldet, bis auf den heutigen
Tag diese Jenseitseinstellung kräftigst gefördert. Die
alle Volksklassen verpflichtende Bruderliebe trat in den Hintergrund.
Das machte ja gerade die Kirche dem Klassenstaate so wertvoll,
daß sie das Christentum verleugnete." Und hier wird
ein Wort von Karl Kautzky zitiert aus seinem Werke: "Ursprung
des Christentums": "Die Organisation des Christentums,
die Kirche, siegte dadurch, daß sie ihre ursprünglichen
Ziele preisgab und deren Gegenteil verfocht." Und Hartwig
erklärt mit vollem Recht: "Die Kirche ist keine harmlose
Religionsgenossenschaft, als welche sie sich gerne ausgeben möchte,
sondern eine politische Machtorganisation im Dienste der herrschenden
Klasse." Das Verhältnis der katholischen Kirche zum
Staate zeigt die stetige Tendenz, das Streben der Kirche nach
Oberhoheit über Staat und Menschen seit Jahrhunderten. Dies
kommt ganz klar und unwiderleglich zum Ausdruck. Mit scholastischen
Schlagworten suchte man das eingehend zu begründen. Der heilige
Augustin, einer der großen Rechtslehrer der katholischen
Kirche, gestorben 430, begründete in seinem Lehrbuch "Der
Gottesstaat" die Geschichtsphilosophie der römischen
Kirche, wie folgt: "Die sichtbare Kirche mit ihrem Oberhaupte,
dem Papste in Rom, ist Gottes Wille und Werk. Der weltliche Staat
ist minderen und letzten Endes satanischen Ursprungs." Mit
solchen Gedanken gestählt, rang sich die Geistlichkeit zum
Herrentum und zur irdischen Weltherrschaft durch. Der Hauptbahnbrecher
dieses Strebens war Papst Gregor VII, gestorben 1085. Er fühlte
sich schon als Lehensherr der weltlichen Reiche. Die Kirche war
ihm das Gottesgericht gegenüber der Erdenwelt. Den Höhepunkt
der kirchlichen Gewalt erklomm Innozenz III, gestorben 1216. Ihm
lag buchstäblich die ganze Welt zu Füßen. Thomas
von Aquino, ein anderer großer Lehrer der römischen
Kirche, gestorben 1274, suchte den Beweis zu erbringen für
die Notwendigkeit der päpstlichen Weltherrschaft. Er behauptete,
daß der Staat als das Kind der Sünde der Kirche zu
Diensten befohlen sei. Dem römischen Bischof müßten
alle Könige des christlichen Volkes untertan sein, wie dem
Herrn Jesu Christo selber. Der Grundgedanke dieser Lehre ist wie
vieles andere in der christlichen Kirche rein heidnischen Ursprungs.
In diesem Falle stammt der Gedanke aus Griechenland. Man sagte
sich: Der Mensch ist in Sinnlichkeit verstrickt, er ist erfüllt
von Sehnsucht nach Erlösung und diese findet er nur in der
Erhebung zu Gott. Das alles ist schon vor dem Christentum in Griechenland
gelehrt worden. Papst Bonifazius VIII, gestorben 1303, ließ
aber bereits die religiösen Beweggründe in seiner Bulle
"Unam sanctam", herausgegeben 1302, zurücktreten.
Er forderte die kirchliche Macht um der äußeren Gewalt
willen, indem er verkündete, daß das weltliche Schwert
nur nach Weisung und Duldung der Priester geführt werden
dürfe und auch die weltliche Unterordnung unter den Papst
eine Vorbedingung der Seligkeit sei. Letztes Ziel der Klerikalen
ist und bleibt also: Der Staat ist der Diener der kirchlichen
Macht, entsprechend der Bedeutung des Priesterdespotismus. Der
Klerikalismus will die rechtliche Oberhoheit der Kirche über
den Staat. Das ist auch der Sinn des Konkordates. Das ist die
Weltanschauung, derer um Luschka. Die Geistlichen sind
in erster und auch in letzter Linie Diener der Kirche, auch
wenn sie Angestellte des Staates sind. Was ihnen die kirchlichen
Vorgesetzten befehlen, ist für sie zum Schlusse maßgebend,
nicht aber, was die staatliche Gewalt, die Regierung ihnen sagt.
Das ist eine altbekannte Tatsache, die durch Jahrhunderte bis
auf den heutigen Tag gilt, eine Tatsache, die wir uns stets vor
Augen halten müssen. Daß auch in den letzten Jahren
diese Auffassung in der römisch-katholischen Kirche noch
maßgebend gewesen ist, das beweist der Fastenhirtenbrief
der Erzbischöfe und Bischöfe Österreichs vom Jahre
1921. Dort wird dem Sinne nach genau das wiederholt, was der Hl.
Augustin und der Hl. Thomas von Aquino erklärten: "Gott
ist auch der Herr über die Staaten und Regierungen, der Landtage
und Nationalversammlungen, aller Schulen und Universitäten
und aller Redaktionsstuben und Organisationen." Und dann
wird der Schluß gezogen, daß die Priester darum "den
Verfassungsgesetzen des Bundesstaates nur insolange zustimmen,
als sie nicht offenkundig die göttliche Rechtsordnung durchbrechen
und die göttlichen und wohlerworbenen Rechte der Kirche nicht
schmälern." Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen,
daß die Bischöfe und die Geistlichen die Stellvertreter
Gottes sind. Es wird ausdrücklich erklärt, daß
wer zu Gott halten will, dem Bischof und dem Pfarrer folgen muß.
Es fehlt nur noch die Bemerkung, daß auch die Pfarrerköchin
die Inkarnation des Willens Gottes sein könnte.
Auf einen Umstand möchte ich angesichts
der politischen Verhältnisse, wie sie sich heute entwickelt
haben, besonders aufmerksam machen. In dem zielbewußten
Streben der römisch-katholischen Kirche, die Menschheit zu
beherrschen, sie zu willenlosen Werkzeugen der geistlichen Hierarchie
und der kapitalistischen Klassen zu machen, suchte man in erster
Reihe die Schule in die Hand zu bekommen. Man versucht das natürlich
auch hier. In Österreich gelang dies nach der Niederwerfung
der bürgerlichen 1848er Revolution, von der eigentlich nichts
übrig blieb, als die sogenannte Bauernbefreiung, in der ungeahntesten
Weise. Durch das Konkordat vom 5. November 1855 wurde die Schule
in vollem Umfange der katholischen Geistlichkeit ausgeliefert
und das, was in Österreich vor 70 und 80 Jahren geschah,
das hat sich in den letzten Jahren in Bayern, in Polen wiederholt
und ich bin überzeugt, daß man auch hier danach streben
wird, ein Konkordat zwischen der Èechoslovakei und Rom
abzuschließen. Der gesamte Unterricht
an allen öffentlichen, aber auch an den Privatschulen mußte
in Österreich der katholischen Glaubenslehre entsprechen
und er entspricht ja in allen Ländern, die auf das Konkordat
eingegangen sind, dieser Lehre. Kein Nichtkatholik konnte zum
Lehramt an Mittelschulen berufen werden. Die Lehrpersonen der
Volksschule waren durchwegs der Kirchenaufsicht unterstellt und
die Zensur der Schulbücher wurde den Bischöfen übergeben.
Die Geistlichkeit, vor allem die Bischöfe, bestimmten den
Lehrplan. Am allerwenigsten hatten die Eltern etwas über
das Schicksal ihrer eigenen Kinder in den Schulen zu entscheiden.
Die Erfolge einer solchen Schule waren auch danach. Kaum ein Fünftel
der Schulkinder besuchte damals in Österreich die Schulen
wirklich, und was sie lernten, war in erster Reihe Religionslehre
in ausgiebigstem Maße, dann etwas Lesen, Rechnen und Schreiben.
Bestimmte doch eine österreichische Ministerialverordnung
vom 28. August 1855 hinsichtlich des Lehrzieles, daß die
sogenannten Realien wie Geographie, Naturgeschichte und Naturlehre
etc. nicht in die Trivial-, also in die Volksschule gehören.
Wohin der österreichische Staat unter der Herrschaft der
volksverdummenden Reaktion gelangte, zeigen ja die verlorenen
Kriege von 1859 und 1866. Il mondo casca, die Welt stürzt
ein, riefen damals die römischen Herrschaften erschreckt
und als die liberale Gesetzgebung Österreich modernisierte,
wurde die fortschrittliche Gesetzgebung, die damals in Österreich
erlassen wurde, von Papst Pius IX verdammt, "für
durchaus nichtig und immerdar ungültig" erklärt.
Für die Èechoslovakei ist ein nettes Zukunftsbild
in Aussicht, daß auch hier einmal Geistliche als Staatsangestellte
gegen gewisse für sie unangenehme Gesetze predigen werden
und sie verfluchen. Von allen Kanzeln wurde
damals in Österreich gegen die freiheitlichen Gesetze gewettert
und sie von allen Bischöfen feierlichst verflucht. Zur offenen
Mißachtung der Gesetze, zum direkten Widerstand wurde das
Volk von den Priestern aufgewiegelt, die sonst lehren, christlich
zu dulden und zu leiden. Den Kampf um die Macht führte Rom,
wenn es sein mußte, eben mit allen Mitteln. Was aber alle
Bannflüche nicht vermochten, das erreichten die österreichischen
Klerikalen in stiller unermüdlicher Maulwurfsarbeit im Laufe
der folgenden Jahrzehnte, nämlich die Wiedererstarkung ihrer
verderblichen Herrschaft. Meine Kollegen Patzel und Koberg
haben bereits die österreichischen Gesetze zur Regelung
des Verhältnisses von Staat und Kirche, die im Mai 1874 angekündigt
wurden, besprochen. Sie sind bekanntlich niemals erschienen. Die
vorgesehene Bildung von Pfarrgemeinden ist mit einer einzigen
Ausnahme, angeblich in Bielitz, nie zur Wirklichkeit geworden.
Derlei paßte der Geistlichkeit nicht in den Kram. Der Kollege
Luschka hat gestern geprotzt mit seinen 75% Katholiken,
die sich unter der Bevölkerung des èsl. Staates befinden.
Er hat keine Ursache so zu sprechen, nach seiner Ideologie müßten
diese 75% Katholiken
eigentlich alle klerikal gewählt haben. Das ist ja glücklicherweise
nicht der Fall, aber wir wissen ja: Die Herren um Luschka begnügen
sich lieber mit 75% Papierchristen als mit 25% wirklicher
gesiebter Gläubiger. Aber was man in Österreich seitens
der Klerikalen mit allem Eifer verfochten hat, das ist immer das
Streben nach Erhöhung der Kongrua gewesen. Gestatten Sie,
daß ich aus einem Vortrage des Prof. Wahrmund aus Prag,
der seinerzeit in der "Freien Schule" eifrig tätig
gewesen ist, eine Stelle vorlese. Prof. Wahrmund sagte damals:
"Nur in der Kongruafrage, d. h. mit Bezug auf die staatliche
Besoldung der katholischen Geistlichkeit, hat die österreichische
Kultusverwaltung eine rühmenswerte Aktivität entfaltet.
Über ihre Initiative sind in den Jahren 1885, 1890, 1894,
1898, also ganz knapp hintereinander, Gesetze zur Regelung resp.
Aufbesserung der Gehalte der katholischen Seelsorger erlassen
worden. Bald wurde aber auch das letzte umfassende Kongruagesetz
vom Jahre 1898 für unzulänglich erklärt und in
einer neuen Regierungsvorlage v. J. 1905 abermals eine Erhöhung
der Kongrua durchgesetzt, welche dem österreichischen Staatsschatz
eine Belastung von 4,800.000 K auferlegte. Zum besseren Verständnis
der ganzen Sachlage sei hier bloß erwähnt, daß
das aktive Kirchenvermögen in Österreich vom Jahre 1835
bis 1880 um 482 Mill. zugenommen hat, daß ferner dasselbe
aktive Kirchenvermögen vom Jahre 1880 bis 1900 neuerlich
um 222 Millionen zugenommen hat und daß im Jahre 1900 die
Gesamteinnahmen der katholischen Kirche ihre gesamten Ausgaben
um mehr als 25 Millionen überstiegen haben, daß endlich
die Vorschüsse des österreichischen Staates an den katholischen
Religionsfonds im Jahre 1901 bereits den Betrag von 228,988.000
K erreicht hatten. Wir sehen also daraus, daß die Bescheidenheit
zwar eine Zierde ist, daß aber auch die Klerikalen ohne
sie viel weiter kommen.
Die Priester, die Herren Klerikalen, pochen
auf ihre historischen Rechte. Auch Kollege Luschka hat
gestern darüber ziemlich ausführlich gesprochen. Sie
spielen auch gerne die Verfolgten. Kollege Petersilka hat
sowohl im Budgetausschuß wie auch hier gestern im offenen
Haus durch Zwischenrufe von einem Raub an Kirchengütern gesprochen.
Das ist eine ganz offenkundige Anspielung auf die Maßnahmen
Kaiser Josef II. (Posl. Kaufmann: Woher haben sie denn diese
Besitztümer gehabt?) Dieser hat allerdings 800 Klöster
mit 36.000 Insassen aufgelöst, aber nur weil es, wie es im
Auflösungsdekret hieß, sie sich einem beschaulichen
Nichtstun hingaben, also zu deutsch ausgedrückt, diese Klöster
sind aufgelassen worden, weil die Insassen gefaulenzt haben. Aber
es sind damals immerhin noch in Österreich nicht weniger
als 1324 Klöster mit 27.000 Insassen geblieben. Während
die früheren Habsburger das Eigentum der evangelischen Rebellen,
auch das der 25.000 Bauern, die man aus Böhmen hinausgetrieben
hat, rücksichtslos eingezogen haben in den Zeiten des 30jährigen
Krieges, schuf Kaiser Josef aus dem Gut der aufgehobenen Klöster
die Grundlage für die Religions- und Pfarrkassen für
den späteren Religionsfond. Soweit kein Überschuß
vorhanden sein sollte, wollte der Staat das Fehlende ersetzen.
Das geht aus dem Kabinettschreiben v. J. 1783 ganz deutlich hervor.
Kaiser Josef lI. wollte die Geistlichen zu einer Art Staatsbeamten
machen, deshalb verpflichtete er den Staat zu Beiträgen,
was jetzt ebenfalls geschieht. Der von den Klerikalen genährte
Haß gegen Kaiser Josef ist eigentlich historisch gar nicht
gerechtfertigt. Übrigens hat schon mein Kollege Kaufmann
das in einem Zwischenruf berührt. Wenn man schon von
einem geraubten Gut der Kirche redet, wenn man auch heute über
die Bodenreform jammert und auch dabei von einem Raub spricht,
wo sind denn die Dokumente der Herren Klerikalen, womit sie ihren
Besitztitel einwandfrei nachweisen können? In Wirklichkeit
ist es so, daß die Herren Klerikalen, das, was sie nicht
selbst auf irgendeine mehr oder weniger dunkle Weise erworben
haben, eigentlich vom Staate übernommen und bekommen haben,
und der Staat hat also logischerweise auch das Recht gehabt, ihnen
das fremde Gut wieder abzunehmen. Die historischen Rechte der
Kirche, der Römlinge, auf die sich Herr Kollege Luschka
bezogen hat, sind also sehr, sehr fadenscheinig. In der Zeit
der liberalen Aera, über die auch meine Kollegen Patzel
und Koberg ausführlich gesprochen haben, hat sich
ja die Auffassung über die Stellung der Kirche zum Staat
wesentlich geändert. Ich erinnere nur an den Artikel 15 der
österreichischen Staatsgrundgesetze vom 21. Dezember 1867,
wo es ausdrücklich hieß: "Jede gesetzlich anerkannte
Kirchen- oder Religionsgemeinschaft ordnet und verwaltet ihre
inneren Angelegenheiten selbst". Noch eine Zwischenbemerkung:
Was Kollege Koberg gestern gesagt hat, war nur ein schwacher
Nachhall all der Lehren aus der jungliberalen Aera und aus der
Los von Rom-Bewegung der Deutschradikalen. Aber trotzdem hat dies
das Mißfallen der Herren um Luschka hervorgerufen.
Es zeigt sich wieder einmal, wie intolerant diese Herren sind,
nicht die leiseste Kritik wollen sie ertragen.
Ich möchte noch hinweisen auf den interkonfessionellen
Charakter der österreichischen Gesetze, insbesondere auf
das Gesetz vom 15. Mai 1868. Es setzt fest, daß Leistungen
für Kultuszwecke nur erzwungen werden können, wenn Patronatspflichten
oder andere durch Dokumente nachweisbare Verpflichtungen vorliegen.
Solche existieren in der Tat und auch Gemeinden und Landwirte
müssen noch immer gewisse Steuern in natura oder in Geld
leisten. Ich erinnere an den sogenannten Dezem, der in einigen
nordböhmischen Gemeinden heute noch üblich ist, eine
Art Robot an die Pfarrgeistlichen. Bei Beratung des Gesetzes vom
7. Mai 1874 über den Religionsfondsbeitrag wurde im Motivenbericht
seitens der damaligen österreichischen Regierung ausdrücklich
erklärt, daß bei Beschaffung der nötigen Mittel
nur auf kirchliche Quellen Bedacht zu nehmen sei - wohl gemerkt,
kirchliche Quellen - der Staat, - hieß es weiter,
hat zu diesfälligen Leistungen weder die Mittel, noch die
Pflicht. Das sagte eine österreichische Regierung! Und was
sagt hiezu die Regierung des husitischen Staates, der Èechoslovakei?
Sie schweigt! Ich möchte auf das Beispiel
Frankreichs hinweisen, wo der Grundsatz, daß Religion Privatsache
sei, tatsächlich durchgesetzt wurde, aber auch auf Nordamerika,
weil ja der Empfang, den die europäischen Delegaten, die
Bischöfe von Europa und der päpstliche Abgesandte erfahren
haben, beweist, daß auch unter dem Prinzip "Religion
ist Privatsache", die römisch katholische Kirche ganz
gut gedeihen kann.
Beim Kongruagesetz vom Jahre 1885 ist allerdings
der damals von den Liberalen vertretene vernünftige Grundsatz,
daß der Staat mit der Kirche nichts zu tun haben soll, preisgegeben
worden. Wir dürfen ja nicht vergessen, daß das ganze
eine politische Machtfrage war und auch noch heute ist. Alle diese
Dinge haben sich im alten Österreich abgespielt, in jenem
Österreich, das durch die Schuld der Herrschenden
schmählich zugrunde gegangen ist. Als die Èechoslovakische
Republik sich am 28. Oktober 1918 aufrichtete, sollte sie gemäß
der von Masaryk,
Beneš und Štefánik unterschriebenen
Proklamation ein Land der Freiheit und des Fortschrittes darstellen,
der Militarismus sollte durch die Miliz ersetzt, die Kirche vom
Staat getrennt werden. Wohin sind all diese schönen Grundsätze
geraten? Der Weg zur Reaktion ist auch in diesem Staate mit guten
Vorsätzen gepflastert. Unseligerweise ist es in der Èechoslovakei
zur Trennung der Kirche vom Staat nicht gekommen. Es ist eine
der vielen verpaßten Möglichkeiten, womit wir nun hier
zu rechnen haben. Während in der Zeit nach der Gründung
der Republik der nationale Kampf aufs heftigste tobte, während
sich die Deutschen, Èechen usw. bekriegten, freute
sich die schwarze Internationale aufs herzlichste und vergrößerte
zielbewußt ihre Macht. Die 1816 aus dem Lande gejagten Jesuiten
spielen heute eine größere Rolle als je zuvor. Ihre
Aufgabe, die Bevölkerung im guten oder
bösen katholisch zu machen, nehmen sie mit echt pfäffisch-unversöhnlichem
Eifer überall auf. Die Kongruavorlage ist ganz offenkundig
ein Sieg Roms über die Grundsätze der Staatsgründer.
Die Wahlen vom Herbste 1925 zeigen deutlich, daß die Klerikalen
aller nationalen Schatierungen tatsächlich eine bedeutende
Macht geworden sind und damit eine Gefahr für den Fortschritt,
und daß die Klerikalen aller Grade die politische Situation
für ihre selbstsüchtigen Zwecke sehr geschickt auszunützen
verstehen. Die gewonnene Position in diesem Hause dient ihnen
in erster Reihe dazu, ihre besten Agitatoren zu belohnen. Oder
will man vielleicht bestreiten, daß jeder Pfarrhof eine
Agitationsstätte der Christlich-Sozialen ist? Daß demnach
die Kongruabeiträge direkt der christlich-sozialen Partei
zugute kommen? Daß man anderen Konfessionen auch entgegenkommen
muß, ist in den Augen der Katholiken sicher ein großer
Schönheitsfehler des Gesetzes.
Die Herren Gegner wollen von der Verweltlichung
der Matrikenführung nichts wissen und sie kämpfen darum
ihre Lohnbewegung mit aller Energie durch. Sie verstecken sich
hiebei hinter dem angeblichen Staatsinteresse, indem sie behaupten,
die Arbeit bei den weltlichen Ämtern käme viel zu teuer,
sie wären billiger. (Výkøiky.) Man
spricht von der Verteuerung der Matrikenführung bei weltlichen
Ämtern um 70 Millionen. Wie fadenscheinig diese Argumentation
ist, zeigt der Umstand, daß man jetzt für die Geistlichkeit
mit 150-200 Millionen Kronen mehr gerechnet hat. Das angebliche
Staatsinteresse im Sinne des Sparens hat sich sehr schnell als
echtjesuitischer Kniff herausgestellt. Selbst wenn man das jetzige
Verhältnis der Geistlichkeit zum Staate prinzipiell anerkennen
wollte, müßte zugegeben werden, daß sich die
Ausgaben des Staates im Laufe der letzten Jahre in so aufsteigender
Linie zugunsten des Klerus bewegt haben, daß von einer wirklichen
Berechtigung für Klagen über Zurücksetzung absolut
nicht die Rede sein kann. Man denke hier an das Wort Goethes vom
guten Magen der Kirche, die auch ungerechtes Gut verdauen kann,
nur sie allein vermag das. Wir wissen schon, daß die Kuttenträger
um Gotteslohn allein nicht arbeiten und sich auch nicht darauf
verlassen, daß sie Gott wie die Lilien auf dem Felde ernähren
werde. Aber was sie begehren, geht weit noch über das Maß
der Bescheidenheit hinaus. Seit 1919 sind vom Staate für
Kongruazwecke nicht weniger als 370 Millionen ausgegeben worden.
Die jährlichen Ausgaben zeigen stets eine sprunghafte Aufwärtsbewegung
wie keine andere Budgetpost, geschweige denn, daß von einem
Abbau die Rede gewesen wäre. Gab der Staat 1919 weit über
20 Millionen für Kongrua her, so stieg 1924 diese Post schon
auf 76 Millionen, nachdem in der Zwischenzeit der Betrag von 54
auf 60 Millionen aufgerundet worden war. Ich frage Sie: Was bekommen
die Arbeitslosen, deren Zahl ums Vielfache größer ist
wie die der Geistlichen? Wieviel weniger als diese Handvoll Nutznießer
des Staates.