Nun sollen abermals 50 Millionen mehr gegeben
werden. Was auf Seite der Klerikalen behauptet wird, daß
nämlich nur 38 Millionen Kronen ausgegeben werden sollen,
glaubt kein denkender Mensch. Sicherlich macht es mindestens 50
Millionen Kronen aus. Es ist kein Wunder, daß die Begehrlichkeit
der Kirche selbst bei gutgläubigen Katholiken Ärgernis
und Anstoß erregen muß, noch mehr selbstverständlich
bei Nichtkatholiken und Freidenkern, deren Zahl immer mehr wächst.
Schon jetzt mußte jeder Freidenker pro Kopf und Jahr 5 1/2
K für die Kongruazwecke zahlen, gegen den eigenen Willen,
jetzt kommen noch 3.60 K hinzu. Die schärfste
Ablehnung der Kongrua ist schon aus diesem Grunde gerechtfertigt.
Ein anderer Grund besteht darin, daß
in der heutigen Zeit des Notstands breiter Massen die Geistlichkeit
ganz gut das Beispiel jener persönlichen Einschränkung
geben sollte, die sie immer andern empfiehlt. Und wenn schon einzelne
Brüder in Christo wirklich allzu große Not leiden sollten,
hätte eben der "christliche Solidarismus" lebendig
zu werden, von dem man in allen christlichen Kirchen momentan
soviel spricht. Wir wissen (Nepokoj na levici.) daß
oft schon zwischen Pfarrer und Kaplan der größte Vermögensunterschied
besteht. Manche Pfarrer sind sehr reich, aber auch sehr geizig
und viele Kapläne sind arm, hungern und - entlaufen. Die
katholische Kirche ist aber doch so reich, daß keiner ihrer
Diener zu darben brauchte oder kümmerlich zu leben, wie Koll.
Luschka gestern erklärt hat, wenn eben der christliche
Solidarismus vorhanden wäre, er ist aber nicht da. Innerhalb
der Hierarchie der römisch-katholischen Kirche herrscht die
größte schamloseste Ungleichheit. Die Bischöfe
leben in Prunk und Pracht, während arme Kapläne, die
eigentlichen Zutreiber der Kirche, auf schmale Kost gesetzt sind.
Von diesen armen Kaplänen hat Koll. Luschka gestern
gesprochen, aber er hat nicht hinzugefügt, daß die
armen Kapläne, die Kinder von armen Häuslern und Arbeitern,
gewöhnlich nicht reiche Bischöfe werden. Und wenn man
boshaft sein wollte, könnte man sagen, daß früher
noch geschäftstüchtige Juden, wie seinerzeit Herr Kohn
in Olmütz, Aussicht haben, etwas zu werden.
Nun einiges über den Besitz der katholischen
Kirche selbst. Sie hatte schon in der Vorkriegszeit ein riesiges
Vermögen. So besaß die Erzdiözese Prag 30.5 Millionen
Friedenskronen, Olmütz über 8 Millionen, die Diözese
Königgrätz 22 Millionen, Leitmeritz 20 Millionen, das
"arme" Budweis 11 Millionen, Brünn 2 Millionen,
im Herzogtum Teschen waren ebenfalls über 2 Millionen Diözesanbesitz,
zusammen also 96.5 Millionen Friedenskronen. Das Vermögen
der Klöster selbst schäzte man auf 238 Millionen. Die
Werte in den Klöstern sind in Wirklichkeit so groß,
daß man sie unmöglich schätzen kann. Auf den heutigen
Geldwert gebracht, bedeutet das erwähnte Vermögen, daß
die Diözesen in Böhmen, Mähren und Schlesien mindestens
ein Vermögen von 700 Millionen Kronen besitzen, die Klöster
mindestens 1 1/2 Milliarden. Freilich werden die Herren Petersilka
und Krumpe einwenden, daß die Bodenreform, deren
geschworene Feinde sie sind, das Vermögen der Diözesen
und Klöster stark beschnitten haben. Ich bin aber überzeugt,
daß man die heutige Machtposition dazu benützen wird,
wieder etwas zurückzuholen. Aber trotz alldem ist sicher
genug noch übriggeblieben. Das zeigt die Tatsache, daß
sich der Brünner Bischof noch immer eine 12-Zimmerwohnung
leisten kann, und daß der Erzbischof von Olmütz unlängst
900.000 Kronen über die Grenze schmuggeln lassen wolte. Meine
Damen und Herren, wenn Christus zu entscheiden hätte, er
würde die reichen Kirchenfürsten, die für die armen
Mitbrüder nichts hergeben wollen, was gestern auch Koll.
Patzel nachgewiesen hat, aus ihren Palästen mit der
Geißel hinaustreiben und sie zwingen, ein evangelisches
Leben der Armut zu führen. Christus würde nach dem Worte
Luschkas wirklich sozial fühlen, er würde aber
auch sagen: Steht nicht geschrieben: Mein Haus soll für alle
Völker ein Bethaus sein. Ihr aber habt es zu einer Räuberhöhle
gemacht, Ihr raubt den armen Priestern den Verdienst und Lohn,
ihr lebt in Saus und Braus dahin und zwingt die armen Priester,
daß sie bei den armen Steuerträgern betteln gehen.
Was uns noch veranlaßt, gegen die Vorlage
zu stimmen, ist die Haltung der Geistlichkeit zur sozialen Frage.
Sie selbst, die Geistlichkeit, müßte, wenn sie beichten
geht, reumütig bekennen, daß sie dem Gebot der Lehre
Christi oft schroff zuwiderhandelte. Es sei erinnert an die Tagung
der christlich-evangelisch-orthodoxen Kirche vor 2 Jahren in Stockholm,
an der sich vorsichtshalber die katholische Kirche nicht direkt
beteiligte. In der Botschaft von Stockholm heißt es klipp
und klar in einer Art Beichte an die Gläubigen, daß
die Geistlichkeit im Mitgefühl und in der Liebe zu den arbeitenden
Klassen versagt habe und sie unvollkommen im Herren vertreten
hätte. Diese Beichte ist sicherlich charakteristisch: Was
von den evangelischen Geistlichen gilt, gilt nicht minder von
der katholischen Geistlichkeit. Man sagt dort den Arbeitern, daß
sie die geringeren sind, die durch Gottes weise Fügung ein
Leben der Armut und Entbehrung, der demütigen Arbeit zu führen
haben, wie Papst Leo XIII. es erklärt hat, man sagt, daß
die größten und tiefgreifendsten Ungleichheiten sehr
zweckmäßig sind, daß Kapitalismus und Massenmord
dem Willen Gottes entsprechen. Das ist das soziale Gefühl
derer um Luschka. Kardinal Fürsterzbischof Piffl in
Wien richtete bekanntlich in der "Reichspost" vom 15.
Juni 1915 an die Katholiken Wiens während des Krieges einen
Aufruf, in dem es hieß: "Die Stimme Gottes spricht
aus dem Donner der Kanonen. Meine Lieben! Der Krieg war notwendig
auch nach dem Ratschluß Gottes." Mit dem Hinweis auf
den Ratschluß Gottes hatte die Klerisei auch den Sklavenhandel
gebilligt und sie billigt auch die Ausbeutung der Arbeiter durch
die Kapitalisten von heute. Ich darf wohl sagen: Daß wir
einen solch blutrünstigen Gott, wie er hier dargestellt wird,
eine so unsoziale Kirche, die derlei barbarische, kulturfeindliche
Grundsätze vertritt, im Namen des menschlichen Fortschrittes
mit aller Entschiedenheit ablehnen. Im Klassenkampf können
wir solche Lehren absolut nicht brauchen. Trotz des christlichen
Solidarismus haben die Christsozialen in der Praxis eben stets
die Steigbügel des Kapitalismus geh alten, und noch mehr,
sie haben ihre alten Mächte, die sie beschützt
haben, nicht vergessen, ich erinnere an eine Rede, die von dieser
Stelle aus vor Jahresfrist Herr Kollege Dr. Feierfeil gehalten
hat, in der er die Ungarn so sehr in Schutz genommen hat, daß
es damals sogar in der Regierungspresse, wie z. B. in der Prager
Presse", abfällig hervorgehoben wurde. Heute steht derselbe
Redner auf Seite der Èsl. Regierung. Statt näher in
Details einzugehen über die Haltung der
Kirche zur sozialen Frage, möchte ich nur an den famosen
Hirtenbrief vom Jahre 1924 erinnern, der auch ein Stück starker
Intoleranz darstellt, da er es den katholischen Arbeitern verbot,
sich den kommunistischen und sozialistischen Vereinen anzuschließen
und sie im Weigerungsfalle damit bedrohte, daß sie, eben
diese katholischen Arbeiter, weder zum Empfange der Sakramente
zugelassen werden, noch ihnen ein christliches Begräbnis
gewährt wird. (Hört! Hört!) Die Antwort
auf diese Provokation ist nicht in dem Masse erfolgt, wie sie
folgrichtig lauten sollte: Los von Rom! Herr Kolege Krumpe
hat in seinen Wahlreden von christlicher Gerechtigkeit gesprochen.
Ist es gerecht, meine Damen und Herren, durch die Zölle die
ärmsten der Armen, die Witwen und Waisen, die Hungern, den
weiterzubelasten, ihnen neue Steuern bis zur Unerträglichkeit
aufzuerlegen, einer Reihe von Großagrariern und Fabrikanten,
sowie der Geistlichkeit aber erhöhte Einnahmen zu verschaffen?
Ist das christlich, ist das gerecht? Wenn Christus käme,
er würde wirklich den Haufen politischer Wechsler und Geschäftsleute
aus diesem Tempel hinauspeitschen. Die soziale Frage ist den Klerikalen
allerdings nicht die Hauptsache. Das wissen wir schon. Das hat
Herr Kollege Krumpe auch deutlich in einer seiner Wahlreden
hervorgehoben und gemeint, die wichtigste Frage wäre die
religiös-politische. Nach ihm wird der Frieden zwischen den
Völkern dieses Staates unter dem Segen des Papstes geschlossen
werden. Für dieses Gesetz ist der Segen des Papstes sicherlich
schon parat. Freilich muß der Segen des Papstes von den
Völkern teuer bezahlt werden. Die Kongrua gibt ja einen kleinen
Begriff davon, was wir noch zu erhoffen haben. Wir Arbeiter, alle
denkenden Menschen, wollen keine Knechte der Geistlichkeit sein,
wir wehren uns gegen die leibliche und geistige Sklaverei, wir
verzichten auf Roms Segen. Unser Ziel ist der selbstherrliche
Kulturstaat. Der Kampf, der geführt wird gegen die Politik
Roms, ist ja nicht neu. Seit dem 12. Jahrhundert wird gegen die
politische Herrschaft der Kirche angekämpft. Walther von
der Vogelweide, gestorben im Jahre 1220, Ullerich von Hutten waren
Rufer im Streite. Der italienische Dichter Dante Alighieri 200
Jahre vor Luther hat erklärt, der Papst soll zum ewigen Leben
führen, der Kaiser zur irdischen Glückseligkeit. In
seiner "Göttlichen Komödie" sagte Dante: "Schwert
und Hirtenstab gehören, nicht in eine Hand." Es war
ein Geistlicher, der ehemalige Rektor von Paris. Marsilius von
Padua, der sich im Jahre 1324 sogar auf den Standpunkt stellte,
daß die Kirche in den Staat einzugliedern sei, die Kirche
habe keine Zvangs- und Strafgewalt, sie darf nur lehren, warnen,
tadeln. Sie muß den Sünder in der Seelsorge behandeln,
wie der Arzt den Kranken, Luther erklärte im Jahre 1520:
"Die Überherrschaft der Kirche, die klerikale Polizeimacht
ist verworfen. Das geistliche Gut ist nicht Geld, sondern Glaube
und gute Werke. Alle Geistlichen müssen sich", sagte
Luther, "der Staatsordnung fügen." Ich möchte
noch ein Wort von Goethe zitieren, der ein sehr genauer Kenner
der Politik der Ultramontanen gewesen ist. Er sagte: "Es
ist gar viel Dummes in den Satzungen der Kirche, aber sie will
herrschen und da muß sie eine bornierte Masse haben, die
sich duckt und die geneigt ist, sich beherrschen zu lassen. Die
hohe reichdotierte Geistlichkeit fürchtet nichts so sehr
wie die Aufklärung der unteren Massen." Wir befinden
uns in voller Übereinstimmung mit den besten Geistern der
Menschheit, wenn wir uns einsetzen für die Trennung der Kirche
vom Staat und der Schule von der Kirche, wenn wir im Sinne von
Karl Marx im Menschen das höchste Wesen erblicken und eine
Ordnung anstreben, die beseitigt nicht nur die wirtschaftliche
Not, sondern auch die geistige, welche die Haupttriebfedern der
großen Macht der Kirche sind.
Zum Schlusse möchte ich Ihnen Folgendes
sagen: Sie, meine Herren von der Gegenseite, wollen zurück
ins Mittelalter, wir aber vorwärts in die lichte Zukunft.
Ihnen, den schwarzen Gendarmen des Kapitalismus, den Todfeinden
der Demokratie und des Sozialismus, bewilligen wir nicht einen
Heller. (Souhlas a potlesk na levici.)
Hohes Haus! Ich bin mir natürlich dessen
wohl bewußt, daß alles Reden gegen die Kongruavorlage
nichts an der Tatsache zu ändern vermag, daß diese
Vorlage die Mehrheit finden wird, daß alle Gründe,
und seien sie noch so durchschlagend, an der Tatsache nichts zu
ändern vermögen, die am 15. November des Vorjahres mit
dem Wahlerfolg der Besitzparteien gesetzt wurde und die sich nun
in dem hier nicht mehr aufzuhaltenden Bestreben auswirkt, dem
Volke wieder einmal tüchtig zur Ader zu lassen, den Erfolg
vom 15. November 1925 in klingende Münze umzusetzen, die
Profitrate der Großagrarier und die Einkünfte der Kirche
zu erhöhen und auf die Schultern der Gesamtheit auch jene
Lasten abzuwälzen, die zu tragen alleinige Aufgabe der sich
so von der Leistung drückenden Interessenten wäre.
Heute ist in diesem Hause eine kompakte und derart starke Majorität
der èechischen, deutschen
und magyarischen Besitzparteien vorhanden, daß sie sich
restlos auszutoben vermag und so sind denn all die nationalistischen
Tendenzen von gestern abgetan, die Herrschaften haben sich
gefunden, die Pakte sind abgeschlossen. Weder das Deutschlandlied,
noch das Kde domov mùj, noch die slovakische Hymne werden
hier mehr erklingen, und nur die eine Frage beherrscht die ganze
Situation: Wie scheren wir die Schafe, die bei der letzten Wahl
Agrarier und Klerikale zu ihren Hirten, zu ihren Hütern bestimmten?
So kam die Zollmehrheit zustande, die zugleich die Mehrheit
für die Erhöhung der Kongrua gewesen ist, so wird von
den deutschen Besitzparteien ohne weiteres der èechischen
Regierung der Sprachenverordnung, des Bodenraubes und der Vernichtung
des deutschen Arbeitsplatzes die Mauer
gemacht und die prinzipielle Lösung der nationalen Fragen,
die schon unvermeidbar schien, ad kalendas graecas vertagt. Nur
der Profit entscheidet. Was Menschenrecht und nationales Recht,
es geht um èechische Kronen, und das gibt den
Ausschlag! Nicht nationale Zugehörigkeiten, sondern èechische
Kronen entscheiden über die politischen Bündnisse. Die
Klerikalen aller Nationen stimmen für die Erhöhung der
agrarischen Profitrate, die Agrarier aller Nationen für die
Erhöhung der Kongrua.
Meine Aufgabe kann unter diesen Umständen
also nur noch darin bestehen, hier aufzuzeigen, warum wir prinzipiell
gegen die Kongrua stimmen. Denn das dumme, hundertmal aufgewärmte,
zum Überdruß hier vorgetragene Schlagwort von der antisozialen
Einstellung der Parteien, die gegen die Kongrua stimmen, das tausendmal
hier widerlegte Schlagwort, daß wir gegen die menschenwürdige
Bezahlung des priesterlichen Proletariats seien - es ist fast
nicht notwendig, es noch einmal zu widerlegen, aber ich möchte
doch noch einige Worte darüber hier verlieren.
Herr Dr. Luschka hat uns gestern einen
Vortrag darüber gehalten, wie wenig eigentlich für die
Geistlichen gefordert werde, und ein anderer Herr der christlich-sozialen
Partei hat uns heute mitgeteilt, daß mehr als 100 Kapläne
und andere niedere Geistliche ihren Austritt aus der christlich-sozialen
Partei angemeldet hätten, und zwar deshalb, weil ihnen die
Forderung dieser Partei, beziehungsweise weil der Pakt, den diese
Partei bezüglich der Kongrua geschlossen hat, zu gering sei.
Nun, meine Herren, wer wird das leugnen wollen: Tatsächlich
leiden viele Geistliche Not, solche Not, daß die Kirche
als Arbeitgeberin und die Gemeinsamkeit der Anhänger der
Kirche sich darob schämen sollten, daß sie nicht imstande
sind oder nicht Willens sind, etwas tiefer in ihren Beutel zu
langen, um dafür zu sorgen, daß ihre Angestellten auch
entsprechend menschenwürdig entlohnt werden. Sie leiden Not,
zwar nicht so wie unsere Arbeiter und deren Familien, sie leiden
nicht geradezu Hunger, aber doch Not, die umso aufreizender für
sie sein muß, weil die Gegensätze innerhalb der Kirche
so furchtbar kraß sind, weil der Reichtum der Kirche, die
fürstlichen Einkommen der hohen Geistlichkeit, gepaart sind
mit einem fast beispiellosen Geiz gegenüber dem Proletariat
im Priesterrock.
Gestatten Sie mir, meine Damen und Herren,
in diesem Zusammenhang ein kleines Erlebnis zu erzählen,
eine Sache, deren lebendiger Zeuge hier steht. Es war zu Ende
der Kriegszeit auf einem Bahnhof der Karlsbad-Marienbader Bahn
im Tepler Gebiet gewesen, gegen abend, beim Warten auf den letzten
Zug gegen Karlsbad. Der Bahnsteig voller Leute, die da hamstern
hinausgefahren waren, die den letzten Kaffeetopf, das letzte Ausstattungsstück
der heiratsfähigen Tochter hinausgetragen haben, oder das
bischen Petroleum, das sie ausgefaßt hatten, die es auf
sich genommen hatten, in der Kälte und Finsternis stumm zu
sitzen, um nur einige Kartoffeln für das alles einzutauschen
und ihre Kinder vor dem Verhungern zu retten. Unter all diesen
Leuten saß auch ein alter geistlicher Herr, mit dem ich
dann ins Gespräch kam. Dieses Gespräch hat sich natürlich
sehr bald um das gedreht, was damals alle Menschen bewegte, um
das Essen, die Lebensmittelversorgung, die Nahrungssorgen. Und
er hat mir nun mit einem fast verklärten Blick erzählt:
Was soll ich Ihnen erzählen, was soll ich Ihnen sagen: Ich
habe heute herrlich gegessen, ein ausgezeichnetes Bier getrunken,
Suppe, Fisch, Braten und Mehlspeise gegessen. Und als er mir meine
Ungläubigkeit natürlich ansah, sagte er mir: Natürlich
in keinem Gasthaus, denn dort gibt es so etwas nicht. Aber ich
habe heute vormittag - vielleicht hören Sie mich an, Herr
Dr Luschka! - im Stift Tepl zu tun gehabt, und da haben
mich die Herren vom Stift Tepl eingeladen zum Mittagessen, und
dort habe ich so gelebt. Und er fügte hinzu: "Ja sehen
Sie, so geht das bei uns in der Kirche zu, ich bin heute ein alter
Mann geworden, ich bin noch aus der alten Schule, ich habe außer
der Kenntnis der lateinischen und altgriechischen Sprache die
Kenntnis von 4 lebendigen Sprachen. Ich hungere. Ich sitze auf
einem elenden Dorf und bettle mir meine Kartoffeln zusammen. So
leide ich Not. Und auf der anderen Seite, in derselben Kirche:
Überfluß, keine Idee von den Wirkungen des Krieges,
aber nicht ein kleiner Abfall für uns." Und als ich
ihm daraufhin sagte: "Aber ich verstehe nicht, wenn die Dinge
so liegen, warum schließt sich dieses geistliche Proletariat
nicht einmal zusammen, warum kämpft Ihr denn nicht?"
Da sagte er mir: "Schauen Sie: Das, was die jungen Herren
bei uns machen, in das Wirtshaus zu gehen und politische Reden
zu halten, das kann ich nicht mehr. Ich darf mich nicht rühren.
Und was glauben Sie von dem Organismus der katholischen Kirche,
wenn Sie meinen, wir sollen uns rühren! Diese katholische
Kirche wird mit uns ohne weiteres fertig. Augenblicklich ist man
verschüttet. Unsere Kirche hat eine starke Hand und eine
harte Hand." (Výkøiky.) Das
natürlich löst uns zu einem großen Teil das Rätsel,
warum wir nicht von unten herauf die Erscheinungen des Klassenkampfes
auch in der Kirche sehen können. Ökonomisch wären
alle Voraussetzungen für den Klassenkampf innerhalb der Kirche
gegeben. Praktisch freilich ist es aber so, daß viele dieser
armen Geistlichen, um hinaufzukommen, ihren Oberen zu Liebe handeln
und daß sie also in Kenntnis des politischen Herrschaftswillens
der Kirche aufhören, Priester zu sein und politisierende
Hetzpfaffen werden, Hetzpfaffen, die die Kanzel als politische
Bühne benützen und die Religion zum Instrument des politischen
Kampfes herabwürdigen. Mancher von ihnen mag wirklich ehrlichen
und guten Willens seinerzeit den Priesterrock gewählt haben,
wir können dem Mann unbeschadet unserer anderen Weltanschauung
die Achtung nicht versagen, wie sie jeder ehrliche Mensch verdient,
und sie werden von uns kein böses oder hartes Wort gegen
den Priester hören, der sich lediglich als Priester betätigt.
Aber die wirtschaftliche Not, das Hinaufstreben, das Beispiel
der Oberen läßt natürlich auch diesen ehrlichen
Menschen zu einem anderen Menschen sich gestalten, läßt
ihn zu diesem Pfaffen werden. Die Kirche hat nie aufgehört,
politische Macht anzustreben, diese Macht an sich zu reissen,
und ihre Diener, die waren immer Soldaten des weltlichen Machtstrebens
gewesen, das mit dem Christentum aber auch gar nichts gemein hat.
Die Kirche, und dafür sind hundertfache und tausendfache
Belege vorhanden, ist die Preisfechterin des kapitalistischen
Systems. Selbst Kapitalistin, stellt sie sich schützend vor
das Unrecht, das die Mehrheit der Menschen durch dieses System
um Lebensrecht und Lebensglück bringt. Wenn der Herr Dr Hilgenreiner
z. B. im Senat den Abbau des Mieterschutzes verlangt, wenn
die christlich-soziale Partei in der vorhergehenden Periode in
diesem Hause ausdrücklich erklärte, gegen die Verlängerung
des Mieterschutzes zu sein, so wurde damit nur neuerdings aufgezeigt,
daß die Kirche, deren Exponent die christlich-soziale Partei
ist, selbst davor nicht zurückschreckt, armen Leuten, christlichen
Familien, christlichen Kindern das Dach über dem Kopf wegzureissen,
wenn es das Privatinteresse verlangt. (Posl. dr Luschka: Weil
der Dr Hilgenreiner das einmal im Senate gesagt hat, ist das der
Beweis dafür, daß wir gegen den Mieterschutz sind?)
Entschuldigen sie, Herr Dr Luschka, wenn der ganze
christlichsoziale Klub sich geschlossen gegen die Verlängerung
des Mieterschutzgesetzes ausspricht, trotzdem man weiß,
daß eine solche Wohnungsnot herrscht, daß die hinausgeworfenen
Leute keine Unterkunft finden können, trotzdem man weiß,
daß so und soviele christliche Kinder elend zugrunde gehen
müssen, was wollen Sie mehr als Beweis haben? Das genügt
wohl vollständig! Wenn ich nicht auf Dinge zurückgreife,
die Jahrhunderte hinter uns liegen, wenn ich Beispiele aus dem
Augenblicke aufzeige, was gestern und vorgestern hier geschah,
so können Sie das nicht wegstreiten, und nehmen Sie nur zur
Kenntnis, was Tatsache ist, klopfen Sie an Ihre Brust und sagen
Sie: mea culpa, mea culpa, mea maxima culpa! Selbst der Krieg,
der dem Imperialismus, also wiederum dem kapitalistischen Profitinteresse
entsprungen ist, ist von der Kirche gefeiert worden. Wenn z. B.
der Kardinal Piffl - das ist auch nicht eine Sache, die
allzu lange zurückliegt - den Gläubigen im Jahre 1915
zugerufen hat: "Die Stimme Gottes spricht zu uns im Donner
der Kanonen, meine Lieben, der Krieg war notwendig auch nach dem
Ratschluß Gottes", wenn Bischöfe, wie z. B. in
der Neujahrbotschaft des Jahres 1917 das Reden vom Frieden ein
"törichtes Gerede" nannten, ich zitiere wörtlich,
dann dürfen wir uns nicht wundern, wenn die kleinen Kapläne
als Leiter zum Emporkommen nur den politischen Kampf im Sinne
des Kapitalismus, der Mordkultur, verstehen. So wird aus dem Priester
ein Pfaffe, und den sollen wir zahlen. Ich wiederhole, ich will
nicht von jahrhunderte langen Kämpfen der Kirche für
das Kapital und gegen die menschliche Freiheit reden, erst vor
kurzem haben wir ein diesbezügliches Beispiel erlebt. Erinnern
wir uns an den Hirtenbrief der slovakischen Bischöfe vom
26. November 1924, in dem unter anderem nach einer saftigen Beschimpfung
der sozialistischen, der Arbeiterparteien, es wörtlich heißt:
"Es ist verboten, daß sich katholische Christen einem
antichristlichen Verein welchen Namens und welcher Art immer anschließen.
Zu den antichristlichen Vereinigungen müssen wir, ob wir
wollen oder nicht, nicht nur alle anarchistischen und nihilistischen,
sondern auch die verschiedenen sozialistischen und kommunistischen
Vereinigungen zählen." (Výkøiky.)
Ermessen Sie die ganz unerhörte Frechheit,
die darin liegt, daß diese Leute in einem Hirtenbrief uns
als Parteien erklären, von denen sich jeder Anhänger
der Kirche drücken muß, die er fliehen muß, wie
den Belzebub, und daß zu gleicher Zeit verlangt wird, daß
wir die Leute mit unserem Gelde bezahlen, die solche Unerhörtheiten
gegen uns begehen. Im zweiten Punkt des Hirtenbriefes heißt
es: "Wo ein Katholik die Möglichkeit hat, sich in Standesvereinigungen
zusammenzuschließen" - das sind die christlichen Kerzelweibervereine
- "welche die Religion nicht beleidigen, sind sie verpflichtet,
aus der antichristlichen Fachvereinigung" - also der freien
Gewerkschaft - "auszutreten." Das ist ein klares glattes
Bekenntnis zum Kampfe für den Kapitalismus, für die
kapitalistische Profitrate, wenn man es dem Arbeiter unmöglich
machen will, durch die freigewerkschaftliche Organisation den
Kampf zur Verbesserung seines Loses oder um die Erhaltung eines
Stückes Brot zu führen. Es heißt dann drittens:
"Es kann unter folgenden gleichzeitig zu erfüllenden
Bedingungen geduldet werden, daß Katholiken im Mitgliederverzeichnissen
antichristlicher" - proletarischer, sozialdemokratischer
- "Organisationen eingetragen bleiben, wenn das betreffende
Mitglied bei seinem Eintritt in gutem Glauben war, daß
es gestattet ist oder nachweisen kann, daß er den Mitgliedsbeitrag
nur abführt unter dem Druck des Terrors, wenn er im übrigen....."
(Výkøik: Das ist kein Terror?) Ja
eben "wenn er im übrigen gelobt, daß er dem Verkehr
in der Organisation" - also unter seinesgleichen, unter Arbeitern
- "nach Möglichkeit ausweichen wird, in ihre Sitzungen
und Versammlungen nicht gehen wird, ihre Zeitungen und Schriften
nicht lesen und auch anderen das Lesen nicht gestatten wird."
Also eine solche unglaublich, fast unfaßbare, an das finsterste
Mittelalter erinnernde Bestimmung dem nicht allzu sehr zu dem
Gedanken der Freiheit aufgeschwungenen slovakischen Arbeiter,
dem armen und getretenen, geknebelten und hungernden slovakischen
Arbeiter das vorzureden, das ist wohl ein Stück, das immer
als Schandmal dieses Terrors der katholischen Kirche verzeichnet
bleiben wird. (Pøedsednictví pøevzal
místopøedseda inž. Dostálek.)
Weiter heißt es dann: "Wenn er sein
bürgerliches Vertrauen uns" - ich bitte, der ekklatanteste
Mißbrauch der Religion zu politischen Machtzwecken - "wenn
er seine Stimme nicht einer antichristlichen Partei" - also
sozialistischen Partei - "gibt, nur dann wird ihm gestattet,
weiterhin in der Kirche zu bleiben." In der katholischen
Kirche darf er nur bleiben, wenn er sich als Stimmvieh des Klerikalismus
hergibt. "Ein katholischer Christ" heißt es dann
- "wenn er über dieses Regeln gehörig belehrt wurde
und der, obwohl es ihm möglich war, aus der antichristlichen
Vereinigung auszutreten, dennoch böswillig in ihr verbleibt,
wird als unbußfertiger Sünder und Abtrünniger
nicht zu den heiligen Sakramenten zugelassen werden, er
kann keine Rechte und Ehren in der Kirche beanspruchen, an der
er treulos geworden ist. Daher gebührt ihm nicht die Lossprechung
bei der heiligen Beichte und wenn er, was Gott verhüten möge,
bis zum Tode in der Sünde verharrt, nicht einmal das kirchliche
Begräbnis." Was aber, meine Herren von der christlichsozialen
Partei, was soll mit dem Kaplan geschehen, der von diesem unbußfertigen
Sünder sich sein Gehalt bezahlen lassen will? Das zu sagen,
ist im Hirtenbriefe vergessen worden.
Ich wiederhole: Ist das nicht der unerhörteste
Gewissenszwang, der sich denken läßt, die ekklatanteste
Ausnützung des Gefühls armer Leute zu kapitalistischen
politischen Zwecken? Ganz ausdrücklich haben die Bischöfe
von Böhmen und Mähren in einer Erklärung vom 14.
Jänner 1925 diesem Hirtenbriefe zugestimmt. Sie haben dabei
erklärt, daß sie nicht alleinstehen auf weiter Flur,
daß die dabei die höchsten Spitzen der Kirche der vergangenen
Zeit bis auf heute hinter sich haben, daß sich diese unglaublichen
Akte des Gewissenszwanges, des Terrors decken mit Enuntiationen
einer ganzen Reihe von Päpsten, auf die sie sich berufen,
auf Leo XIII, Klemens XII, Benedikt XIV, Pius VI, Pius VII und
IX, und sie sagen dort: "Nur dieselben Gedanken und Wirkungen
enthält der slovakische Hirtenbrief". Diese Solidaritätserklärung,
die den Gläubigen, der den Profit des Ausbeuters bekämpft,
mit dem Entzug der Sakramente bedroht und das Mitglied einer Arbeitergewerkschaft
selbst im Tode noch verflucht, trägt aller katholischer Bischöfe,
nicht nur der Slovakei, sondern auch Böhmens und Mährens
Unterschrift. (Hört! Hört!) Darf man sich dann
wundern, wenn der kleine, arme, proletarische Priester aus Sorge
um seine Existenz zum Hetzpfaffen wird! Er wird es, und muß
es werden. Und nun ermessen Sie, wie ungeheuerlich das Verlangen
ist, daß alle, auch die vom Pfaffen wütend Bekämpften,
die Gehälter für diese Pfaffen zahlen sollen! Der Staat
hat im Vorjahre 74 Millionen für Kultuszwecke ausgegeben,
seit 1919 ist diese Jahresleistung des Staates von 20 Millionen
nach und nach auf jährlich 74 Millionen angewachsen. Und
nun sollen noch etwa 50 Millionen dazukommen, während derselbe
Staat unsere Arbeitslosen elend verhungern läßt. Wir
halten also dafür, daß es eine Schande für die
Kirche und für die Gläubigen in dieser Kirche ist, ihre
kleinen Diener hungern zu lassen, aber wir sind der Meinung, daß
die Kapläne diejenigen bezahlen sollen, die sie brauchen,
die sie bestellten und in deren Auftrag sie wirken. Von Nichtreligiösen
Gelder zur Bezahlung der kirchlichen Diener zu verlangen,
ist mindestens unmoralisch. (Posl. Kaufmann: Geld stinkt nicht!)
Pecunia non olet, ja das ist ein alter Satz, den die Kirche
getrost übernommen hat. (Posl. dr Luschka: Ich dachte
schon, geprägt hat!) Nein, aber die Kirche hat manches,
das sie nicht geprägt hat, übernommen, wenn es ihr gepaßt
hat, so wie sie die heidnischen Feste übernommen und kirchlich
aufgeputzt hat, so hat sie auch den Satz des römischen Imperators
übernommen "Pecunia non olet." Sie beweist es durch
Taten, und wenn Sie, Herr Dr Luschka, nicht auf den Standpunkt
des pecunia non olet stehen, so verlangen Sie nicht, daß
der Staat die Kongrua bezahle. (Posl. dr Luschka: Er soll die
Religionsfonde herausgeben!) Darüber läßt
sich auch disputieren. Man kann einmal die ganze Frage des Eigentumsrechtes
aufrühren von allem Anfange an, wie aber die Kirche abschneiden
wird, das allerdings ist eine Frage, die weder ich noch Sie augenblicklich
entscheiden können. Daß wir die Menschen bezahlen sollen,
die verpflichtet werden, gegen uns zu kämpfen, ist, wie ich
schon gesagt habe, eine unerhörte Zumutung. Wer, wie es ausdrücklich
im Hirtenbriefe heißt, außerhalb jeder Gemeinschaft
mit der Kirche gestellt wird - sofern er nicht vorziehen sollte,
diese Gemeinschaft selbst zu lösen - darf auch nicht zur
Bezahlung ihrer Diener genötigt werden. Die noch Religiösen
sollten sich schämen, ihre Kirche als politische Partei,
als haßerfüllte, als wutenbrannte politische Kämpferin
zu sehen, außerdem noch als eine solche politische Partei,
die sich ihre Agitatoren von der Gegenseite bezahlen läßt,
weil diese Religiösen selbst ihre Taschen nicht aufmachen
wollen.
Wir Sozialdemokraten lehnen es aus den angeführten
Gründen ab, die Kongruavorlage zu bewilligen. Mehr als das:
wir protestieren gegen die Ausplünderung der Gesamtheit für
Zwecke, die nicht der Gesamtheit, der Gesellschaft, sondern nur
dem Machtwillen einer Institution dienen, die wir als Feindin
jeden menschlichen Fortschrittes als Partei der Verfälschung
selbst der christlichen Grundsätze, als Hemmschuh der Vorwärts-
und Aufwärtsentwicklung der Menschen Tag um Tag aufs neue
kennen lernen. (Souhlas a potlesk nìm. soc. demokratických
poslancù.)