Sobota 19. èervna 1926

Nun sollen abermals 50 Millionen mehr gegeben werden. Was auf Seite der Klerikalen behauptet wird, daß nämlich nur 38 Millionen Kronen ausgegeben werden sollen, glaubt kein denkender Mensch. Sicherlich macht es mindestens 50 Millionen Kronen aus. Es ist kein Wunder, daß die Begehrlichkeit der Kirche selbst bei gutgläubigen Katholiken Ärgernis und Anstoß erregen muß, noch mehr selbstverständlich bei Nichtkatholiken und Freidenkern, deren Zahl immer mehr wächst. Schon jetzt mußte jeder Freidenker pro Kopf und Jahr 5 1/2 K für die Kongruazwecke zahlen, gegen den eigenen Willen, jetzt kommen noch 3.60 K hinzu. Die schärfste Ablehnung der Kongrua ist schon aus diesem Grunde gerechtfertigt.

Ein anderer Grund besteht darin, daß in der heutigen Zeit des Notstands breiter Massen die Geistlichkeit ganz gut das Beispiel jener persönlichen Einschränkung geben sollte, die sie immer andern empfiehlt. Und wenn schon einzelne Brüder in Christo wirklich allzu große Not leiden sollten, hätte eben der "christliche Solidarismus" lebendig zu werden, von dem man in allen christlichen Kirchen momentan soviel spricht. Wir wissen (Nepokoj na levici.) daß oft schon zwischen Pfarrer und Kaplan der größte Vermögensunterschied besteht. Manche Pfarrer sind sehr reich, aber auch sehr geizig und viele Kapläne sind arm, hungern und - entlaufen. Die katholische Kirche ist aber doch so reich, daß keiner ihrer Diener zu darben brauchte oder kümmerlich zu leben, wie Koll. Luschka gestern erklärt hat, wenn eben der christliche Solidarismus vorhanden wäre, er ist aber nicht da. Innerhalb der Hierarchie der römisch-katholischen Kirche herrscht die größte schamloseste Ungleichheit. Die Bischöfe leben in Prunk und Pracht, während arme Kapläne, die eigentlichen Zutreiber der Kirche, auf schmale Kost gesetzt sind. Von diesen armen Kaplänen hat Koll. Luschka gestern gesprochen, aber er hat nicht hinzugefügt, daß die armen Kapläne, die Kinder von armen Häuslern und Arbeitern, gewöhnlich nicht reiche Bischöfe werden. Und wenn man boshaft sein wollte, könnte man sagen, daß früher noch geschäftstüchtige Juden, wie seinerzeit Herr Kohn in Olmütz, Aussicht haben, etwas zu werden.

Nun einiges über den Besitz der katholischen Kirche selbst. Sie hatte schon in der Vorkriegszeit ein riesiges Vermögen. So besaß die Erzdiözese Prag 30.5 Millionen Friedenskronen, Olmütz über 8 Millionen, die Diözese Königgrätz 22 Millionen, Leitmeritz 20 Millionen, das "arme" Budweis 11 Millionen, Brünn 2 Millionen, im Herzogtum Teschen waren ebenfalls über 2 Millionen Diözesanbesitz, zusammen also 96.5 Millionen Friedenskronen. Das Vermögen der Klöster selbst schäzte man auf 238 Millionen. Die Werte in den Klöstern sind in Wirklichkeit so groß, daß man sie unmöglich schätzen kann. Auf den heutigen Geldwert gebracht, bedeutet das erwähnte Vermögen, daß die Diözesen in Böhmen, Mähren und Schlesien mindestens ein Vermögen von 700 Millionen Kronen besitzen, die Klöster mindestens 1 1/2 Milliarden. Freilich werden die Herren Petersilka und Krumpe einwenden, daß die Bodenreform, deren geschworene Feinde sie sind, das Vermögen der Diözesen und Klöster stark beschnitten haben. Ich bin aber überzeugt, daß man die heutige Machtposition dazu benützen wird, wieder etwas zurückzuholen. Aber trotz alldem ist sicher genug noch übriggeblieben. Das zeigt die Tatsache, daß sich der Brünner Bischof noch immer eine 12-Zimmerwohnung leisten kann, und daß der Erzbischof von Olmütz unlängst 900.000 Kronen über die Grenze schmuggeln lassen wolte. Meine Damen und Herren, wenn Christus zu entscheiden hätte, er würde die reichen Kirchenfürsten, die für die armen Mitbrüder nichts hergeben wollen, was gestern auch Koll. Patzel nachgewiesen hat, aus ihren Palästen mit der Geißel hinaustreiben und sie zwingen, ein evangelisches Leben der Armut zu führen. Christus würde nach dem Worte Luschkas wirklich sozial fühlen, er würde aber auch sagen: Steht nicht geschrieben: Mein Haus soll für alle Völker ein Bethaus sein. Ihr aber habt es zu einer Räuberhöhle gemacht, Ihr raubt den armen Priestern den Verdienst und Lohn, ihr lebt in Saus und Braus dahin und zwingt die armen Priester, daß sie bei den armen Steuerträgern betteln gehen.

Was uns noch veranlaßt, gegen die Vorlage zu stimmen, ist die Haltung der Geistlichkeit zur sozialen Frage. Sie selbst, die Geistlichkeit, müßte, wenn sie beichten geht, reumütig bekennen, daß sie dem Gebot der Lehre Christi oft schroff zuwiderhandelte. Es sei erinnert an die Tagung der christlich-evangelisch-orthodoxen Kirche vor 2 Jahren in Stockholm, an der sich vorsichtshalber die katholische Kirche nicht direkt beteiligte. In der Botschaft von Stockholm heißt es klipp und klar in einer Art Beichte an die Gläubigen, daß die Geistlichkeit im Mitgefühl und in der Liebe zu den arbeitenden Klassen versagt habe und sie unvollkommen im Herren vertreten hätte. Diese Beichte ist sicherlich charakteristisch: Was von den evangelischen Geistlichen gilt, gilt nicht minder von der katholischen Geistlichkeit. Man sagt dort den Arbeitern, daß sie die geringeren sind, die durch Gottes weise Fügung ein Leben der Armut und Entbehrung, der demütigen Arbeit zu führen haben, wie Papst Leo XIII. es erklärt hat, man sagt, daß die größten und tiefgreifendsten Ungleichheiten sehr zweckmäßig sind, daß Kapitalismus und Massenmord dem Willen Gottes entsprechen. Das ist das soziale Gefühl derer um Luschka. Kardinal Fürsterzbischof Piffl in Wien richtete bekanntlich in der "Reichspost" vom 15. Juni 1915 an die Katholiken Wiens während des Krieges einen Aufruf, in dem es hieß: "Die Stimme Gottes spricht aus dem Donner der Kanonen. Meine Lieben! Der Krieg war notwendig auch nach dem Ratschluß Gottes." Mit dem Hinweis auf den Ratschluß Gottes hatte die Klerisei auch den Sklavenhandel gebilligt und sie billigt auch die Ausbeutung der Arbeiter durch die Kapitalisten von heute. Ich darf wohl sagen: Daß wir einen solch blutrünstigen Gott, wie er hier dargestellt wird, eine so unsoziale Kirche, die derlei barbarische, kulturfeindliche Grundsätze vertritt, im Namen des menschlichen Fortschrittes mit aller Entschiedenheit ablehnen. Im Klassenkampf können wir solche Lehren absolut nicht brauchen. Trotz des christlichen Solidarismus haben die Christsozialen in der Praxis eben stets die Steigbügel des Kapitalismus geh alten, und noch mehr, sie haben ihre alten Mächte, die sie beschützt haben, nicht vergessen, ich erinnere an eine Rede, die von dieser Stelle aus vor Jahresfrist Herr Kollege Dr. Feierfeil gehalten hat, in der er die Ungarn so sehr in Schutz genommen hat, daß es damals sogar in der Regierungspresse, wie z. B. in der Prager Presse", abfällig hervorgehoben wurde. Heute steht derselbe Redner auf Seite der Èsl. Regierung. Statt näher in Details einzugehen über die Haltung der Kirche zur sozialen Frage, möchte ich nur an den famosen Hirtenbrief vom Jahre 1924 erinnern, der auch ein Stück starker Intoleranz darstellt, da er es den katholischen Arbeitern verbot, sich den kommunistischen und sozialistischen Vereinen anzuschließen und sie im Weigerungsfalle damit bedrohte, daß sie, eben diese katholischen Arbeiter, weder zum Empfange der Sakramente zugelassen werden, noch ihnen ein christliches Begräbnis gewährt wird. (Hört! Hört!) Die Antwort auf diese Provokation ist nicht in dem Masse erfolgt, wie sie folgrichtig lauten sollte: Los von Rom! Herr Kolege Krumpe hat in seinen Wahlreden von christlicher Gerechtigkeit gesprochen. Ist es gerecht, meine Damen und Herren, durch die Zölle die ärmsten der Armen, die Witwen und Waisen, die Hungern, den weiterzubelasten, ihnen neue Steuern bis zur Unerträglichkeit aufzuerlegen, einer Reihe von Großagrariern und Fabrikanten, sowie der Geistlichkeit aber erhöhte Einnahmen zu verschaffen? Ist das christlich, ist das gerecht? Wenn Christus käme, er würde wirklich den Haufen politischer Wechsler und Geschäftsleute aus diesem Tempel hinauspeitschen. Die soziale Frage ist den Klerikalen allerdings nicht die Hauptsache. Das wissen wir schon. Das hat Herr Kollege Krumpe auch deutlich in einer seiner Wahlreden hervorgehoben und gemeint, die wichtigste Frage wäre die religiös-politische. Nach ihm wird der Frieden zwischen den Völkern dieses Staates unter dem Segen des Papstes geschlossen werden. Für dieses Gesetz ist der Segen des Papstes sicherlich schon parat. Freilich muß der Segen des Papstes von den Völkern teuer bezahlt werden. Die Kongrua gibt ja einen kleinen Begriff davon, was wir noch zu erhoffen haben. Wir Arbeiter, alle denkenden Menschen, wollen keine Knechte der Geistlichkeit sein, wir wehren uns gegen die leibliche und geistige Sklaverei, wir verzichten auf Roms Segen. Unser Ziel ist der selbstherrliche Kulturstaat. Der Kampf, der geführt wird gegen die Politik Roms, ist ja nicht neu. Seit dem 12. Jahrhundert wird gegen die politische Herrschaft der Kirche angekämpft. Walther von der Vogelweide, gestorben im Jahre 1220, Ullerich von Hutten waren Rufer im Streite. Der italienische Dichter Dante Alighieri 200 Jahre vor Luther hat erklärt, der Papst soll zum ewigen Leben führen, der Kaiser zur irdischen Glückseligkeit. In seiner "Göttlichen Komödie" sagte Dante: "Schwert und Hirtenstab gehören, nicht in eine Hand." Es war ein Geistlicher, der ehemalige Rektor von Paris. Marsilius von Padua, der sich im Jahre 1324 sogar auf den Standpunkt stellte, daß die Kirche in den Staat einzugliedern sei, die Kirche habe keine Zvangs- und Strafgewalt, sie darf nur lehren, warnen, tadeln. Sie muß den Sünder in der Seelsorge behandeln, wie der Arzt den Kranken, Luther erklärte im Jahre 1520: "Die Überherrschaft der Kirche, die klerikale Polizeimacht ist verworfen. Das geistliche Gut ist nicht Geld, sondern Glaube und gute Werke. Alle Geistlichen müssen sich", sagte Luther, "der Staatsordnung fügen." Ich möchte noch ein Wort von Goethe zitieren, der ein sehr genauer Kenner der Politik der Ultramontanen gewesen ist. Er sagte: "Es ist gar viel Dummes in den Satzungen der Kirche, aber sie will herrschen und da muß sie eine bornierte Masse haben, die sich duckt und die geneigt ist, sich beherrschen zu lassen. Die hohe reichdotierte Geistlichkeit fürchtet nichts so sehr wie die Aufklärung der unteren Massen." Wir befinden uns in voller Übereinstimmung mit den besten Geistern der Menschheit, wenn wir uns einsetzen für die Trennung der Kirche vom Staat und der Schule von der Kirche, wenn wir im Sinne von Karl Marx im Menschen das höchste Wesen erblicken und eine Ordnung anstreben, die beseitigt nicht nur die wirtschaftliche Not, sondern auch die geistige, welche die Haupttriebfedern der großen Macht der Kirche sind.

Zum Schlusse möchte ich Ihnen Folgendes sagen: Sie, meine Herren von der Gegenseite, wollen zurück ins Mittelalter, wir aber vorwärts in die lichte Zukunft. Ihnen, den schwarzen Gendarmen des Kapitalismus, den Todfeinden der Demokratie und des Sozialismus, bewilligen wir nicht einen Heller. (Souhlas a potlesk na levici.)

2. Øeè posl. de Witte (viz str. 2326 tìsnopisecké zprávy):

Hohes Haus! Ich bin mir natürlich dessen wohl bewußt, daß alles Reden gegen die Kongruavorlage nichts an der Tatsache zu ändern vermag, daß diese Vorlage die Mehrheit finden wird, daß alle Gründe, und seien sie noch so durchschlagend, an der Tatsache nichts zu ändern vermögen, die am 15. November des Vorjahres mit dem Wahlerfolg der Besitzparteien gesetzt wurde und die sich nun in dem hier nicht mehr aufzuhaltenden Bestreben auswirkt, dem Volke wieder einmal tüchtig zur Ader zu lassen, den Erfolg vom 15. November 1925 in klingende Münze umzusetzen, die Profitrate der Großagrarier und die Einkünfte der Kirche zu erhöhen und auf die Schultern der Gesamtheit auch jene Lasten abzuwälzen, die zu tragen alleinige Aufgabe der sich so von der Leistung drückenden Interessenten wäre.

Heute ist in diesem Hause eine kompakte und derart starke Majorität der èechischen, deutschen und magyarischen Besitzparteien vorhanden, daß sie sich restlos auszutoben vermag und so sind denn all die nationalistischen Tendenzen von gestern abgetan, die Herrschaften haben sich gefunden, die Pakte sind abgeschlossen. Weder das Deutschlandlied, noch das Kde domov mùj, noch die slovakische Hymne werden hier mehr erklingen, und nur die eine Frage beherrscht die ganze Situation: Wie scheren wir die Schafe, die bei der letzten Wahl Agrarier und Klerikale zu ihren Hirten, zu ihren Hütern bestimmten? So kam die Zollmehrheit zustande, die zugleich die Mehrheit für die Erhöhung der Kongrua gewesen ist, so wird von den deutschen Besitzparteien ohne weiteres der èechischen Regierung der Sprachenverordnung, des Bodenraubes und der Vernichtung des deutschen Arbeitsplatzes die Mauer gemacht und die prinzipielle Lösung der nationalen Fragen, die schon unvermeidbar schien, ad kalendas graecas vertagt. Nur der Profit entscheidet. Was Menschenrecht und nationales Recht, es geht um èechische Kronen, und das gibt den Ausschlag! Nicht nationale Zugehörigkeiten, sondern èechische Kronen entscheiden über die politischen Bündnisse. Die Klerikalen aller Nationen stimmen für die Erhöhung der agrarischen Profitrate, die Agrarier aller Nationen für die Erhöhung der Kongrua.

Meine Aufgabe kann unter diesen Umständen also nur noch darin bestehen, hier aufzuzeigen, warum wir prinzipiell gegen die Kongrua stimmen. Denn das dumme, hundertmal aufgewärmte, zum Überdruß hier vorgetragene Schlagwort von der antisozialen Einstellung der Parteien, die gegen die Kongrua stimmen, das tausendmal hier widerlegte Schlagwort, daß wir gegen die menschenwürdige Bezahlung des priesterlichen Proletariats seien - es ist fast nicht notwendig, es noch einmal zu widerlegen, aber ich möchte doch noch einige Worte darüber hier verlieren.

Herr Dr. Luschka hat uns gestern einen Vortrag darüber gehalten, wie wenig eigentlich für die Geistlichen gefordert werde, und ein anderer Herr der christlich-sozialen Partei hat uns heute mitgeteilt, daß mehr als 100 Kapläne und andere niedere Geistliche ihren Austritt aus der christlich-sozialen Partei angemeldet hätten, und zwar deshalb, weil ihnen die Forderung dieser Partei, beziehungsweise weil der Pakt, den diese Partei bezüglich der Kongrua geschlossen hat, zu gering sei. Nun, meine Herren, wer wird das leugnen wollen: Tatsächlich leiden viele Geistliche Not, solche Not, daß die Kirche als Arbeitgeberin und die Gemeinsamkeit der Anhänger der Kirche sich darob schämen sollten, daß sie nicht imstande sind oder nicht Willens sind, etwas tiefer in ihren Beutel zu langen, um dafür zu sorgen, daß ihre Angestellten auch entsprechend menschenwürdig entlohnt werden. Sie leiden Not, zwar nicht so wie unsere Arbeiter und deren Familien, sie leiden nicht geradezu Hunger, aber doch Not, die umso aufreizender für sie sein muß, weil die Gegensätze innerhalb der Kirche so furchtbar kraß sind, weil der Reichtum der Kirche, die fürstlichen Einkommen der hohen Geistlichkeit, gepaart sind mit einem fast beispiellosen Geiz gegenüber dem Proletariat im Priesterrock.

Gestatten Sie mir, meine Damen und Herren, in diesem Zusammenhang ein kleines Erlebnis zu erzählen, eine Sache, deren lebendiger Zeuge hier steht. Es war zu Ende der Kriegszeit auf einem Bahnhof der Karlsbad-Marienbader Bahn im Tepler Gebiet gewesen, gegen abend, beim Warten auf den letzten Zug gegen Karlsbad. Der Bahnsteig voller Leute, die da hamstern hinausgefahren waren, die den letzten Kaffeetopf, das letzte Ausstattungsstück der heiratsfähigen Tochter hinausgetragen haben, oder das bischen Petroleum, das sie ausgefaßt hatten, die es auf sich genommen hatten, in der Kälte und Finsternis stumm zu sitzen, um nur einige Kartoffeln für das alles einzutauschen und ihre Kinder vor dem Verhungern zu retten. Unter all diesen Leuten saß auch ein alter geistlicher Herr, mit dem ich dann ins Gespräch kam. Dieses Gespräch hat sich natürlich sehr bald um das gedreht, was damals alle Menschen bewegte, um das Essen, die Lebensmittelversorgung, die Nahrungssorgen. Und er hat mir nun mit einem fast verklärten Blick erzählt: Was soll ich Ihnen erzählen, was soll ich Ihnen sagen: Ich habe heute herrlich gegessen, ein ausgezeichnetes Bier getrunken, Suppe, Fisch, Braten und Mehlspeise gegessen. Und als er mir meine Ungläubigkeit natürlich ansah, sagte er mir: Natürlich in keinem Gasthaus, denn dort gibt es so etwas nicht. Aber ich habe heute vormittag - vielleicht hören Sie mich an, Herr Dr Luschka! - im Stift Tepl zu tun gehabt, und da haben mich die Herren vom Stift Tepl eingeladen zum Mittagessen, und dort habe ich so gelebt. Und er fügte hinzu: "Ja sehen Sie, so geht das bei uns in der Kirche zu, ich bin heute ein alter Mann geworden, ich bin noch aus der alten Schule, ich habe außer der Kenntnis der lateinischen und altgriechischen Sprache die Kenntnis von 4 lebendigen Sprachen. Ich hungere. Ich sitze auf einem elenden Dorf und bettle mir meine Kartoffeln zusammen. So leide ich Not. Und auf der anderen Seite, in derselben Kirche: Überfluß, keine Idee von den Wirkungen des Krieges, aber nicht ein kleiner Abfall für uns." Und als ich ihm daraufhin sagte: "Aber ich verstehe nicht, wenn die Dinge so liegen, warum schließt sich dieses geistliche Proletariat nicht einmal zusammen, warum kämpft Ihr denn nicht?" Da sagte er mir: "Schauen Sie: Das, was die jungen Herren bei uns machen, in das Wirtshaus zu gehen und politische Reden zu halten, das kann ich nicht mehr. Ich darf mich nicht rühren. Und was glauben Sie von dem Organismus der katholischen Kirche, wenn Sie meinen, wir sollen uns rühren! Diese katholische Kirche wird mit uns ohne weiteres fertig. Augenblicklich ist man verschüttet. Unsere Kirche hat eine starke Hand und eine harte Hand." (Výkøiky.) Das natürlich löst uns zu einem großen Teil das Rätsel, warum wir nicht von unten herauf die Erscheinungen des Klassenkampfes auch in der Kirche sehen können. Ökonomisch wären alle Voraussetzungen für den Klassenkampf innerhalb der Kirche gegeben. Praktisch freilich ist es aber so, daß viele dieser armen Geistlichen, um hinaufzukommen, ihren Oberen zu Liebe handeln und daß sie also in Kenntnis des politischen Herrschaftswillens der Kirche aufhören, Priester zu sein und politisierende Hetzpfaffen werden, Hetzpfaffen, die die Kanzel als politische Bühne benützen und die Religion zum Instrument des politischen Kampfes herabwürdigen. Mancher von ihnen mag wirklich ehrlichen und guten Willens seinerzeit den Priesterrock gewählt haben, wir können dem Mann unbeschadet unserer anderen Weltanschauung die Achtung nicht versagen, wie sie jeder ehrliche Mensch verdient, und sie werden von uns kein böses oder hartes Wort gegen den Priester hören, der sich lediglich als Priester betätigt. Aber die wirtschaftliche Not, das Hinaufstreben, das Beispiel der Oberen läßt natürlich auch diesen ehrlichen Menschen zu einem anderen Menschen sich gestalten, läßt ihn zu diesem Pfaffen werden. Die Kirche hat nie aufgehört, politische Macht anzustreben, diese Macht an sich zu reissen, und ihre Diener, die waren immer Soldaten des weltlichen Machtstrebens gewesen, das mit dem Christentum aber auch gar nichts gemein hat. Die Kirche, und dafür sind hundertfache und tausendfache Belege vorhanden, ist die Preisfechterin des kapitalistischen Systems. Selbst Kapitalistin, stellt sie sich schützend vor das Unrecht, das die Mehrheit der Menschen durch dieses System um Lebensrecht und Lebensglück bringt. Wenn der Herr Dr Hilgenreiner z. B. im Senat den Abbau des Mieterschutzes verlangt, wenn die christlich-soziale Partei in der vorhergehenden Periode in diesem Hause ausdrücklich erklärte, gegen die Verlängerung des Mieterschutzes zu sein, so wurde damit nur neuerdings aufgezeigt, daß die Kirche, deren Exponent die christlich-soziale Partei ist, selbst davor nicht zurückschreckt, armen Leuten, christlichen Familien, christlichen Kindern das Dach über dem Kopf wegzureissen, wenn es das Privatinteresse verlangt. (Posl. dr Luschka: Weil der Dr Hilgenreiner das einmal im Senate gesagt hat, ist das der Beweis dafür, daß wir gegen den Mieterschutz sind?) Entschuldigen sie, Herr Dr Luschka, wenn der ganze christlichsoziale Klub sich geschlossen gegen die Verlängerung des Mieterschutzgesetzes ausspricht, trotzdem man weiß, daß eine solche Wohnungsnot herrscht, daß die hinausgeworfenen Leute keine Unterkunft finden können, trotzdem man weiß, daß so und soviele christliche Kinder elend zugrunde gehen müssen, was wollen Sie mehr als Beweis haben? Das genügt wohl vollständig! Wenn ich nicht auf Dinge zurückgreife, die Jahrhunderte hinter uns liegen, wenn ich Beispiele aus dem Augenblicke aufzeige, was gestern und vorgestern hier geschah, so können Sie das nicht wegstreiten, und nehmen Sie nur zur Kenntnis, was Tatsache ist, klopfen Sie an Ihre Brust und sagen Sie: mea culpa, mea culpa, mea maxima culpa! Selbst der Krieg, der dem Imperialismus, also wiederum dem kapitalistischen Profitinteresse entsprungen ist, ist von der Kirche gefeiert worden. Wenn z. B. der Kardinal Piffl - das ist auch nicht eine Sache, die allzu lange zurückliegt - den Gläubigen im Jahre 1915 zugerufen hat: "Die Stimme Gottes spricht zu uns im Donner der Kanonen, meine Lieben, der Krieg war notwendig auch nach dem Ratschluß Gottes", wenn Bischöfe, wie z. B. in der Neujahrbotschaft des Jahres 1917 das Reden vom Frieden ein "törichtes Gerede" nannten, ich zitiere wörtlich, dann dürfen wir uns nicht wundern, wenn die kleinen Kapläne als Leiter zum Emporkommen nur den politischen Kampf im Sinne des Kapitalismus, der Mordkultur, verstehen. So wird aus dem Priester ein Pfaffe, und den sollen wir zahlen. Ich wiederhole, ich will nicht von jahrhunderte langen Kämpfen der Kirche für das Kapital und gegen die menschliche Freiheit reden, erst vor kurzem haben wir ein diesbezügliches Beispiel erlebt. Erinnern wir uns an den Hirtenbrief der slovakischen Bischöfe vom 26. November 1924, in dem unter anderem nach einer saftigen Beschimpfung der sozialistischen, der Arbeiterparteien, es wörtlich heißt: "Es ist verboten, daß sich katholische Christen einem antichristlichen Verein welchen Namens und welcher Art immer anschließen. Zu den antichristlichen Vereinigungen müssen wir, ob wir wollen oder nicht, nicht nur alle anarchistischen und nihilistischen, sondern auch die verschiedenen sozialistischen und kommunistischen Vereinigungen zählen." (Výkøiky.) Ermessen Sie die ganz unerhörte Frechheit, die darin liegt, daß diese Leute in einem Hirtenbrief uns als Parteien erklären, von denen sich jeder Anhänger der Kirche drücken muß, die er fliehen muß, wie den Belzebub, und daß zu gleicher Zeit verlangt wird, daß wir die Leute mit unserem Gelde bezahlen, die solche Unerhörtheiten gegen uns begehen. Im zweiten Punkt des Hirtenbriefes heißt es: "Wo ein Katholik die Möglichkeit hat, sich in Standesvereinigungen zusammenzuschließen" - das sind die christlichen Kerzelweibervereine - "welche die Religion nicht beleidigen, sind sie verpflichtet, aus der antichristlichen Fachvereinigung" - also der freien Gewerkschaft - "auszutreten." Das ist ein klares glattes Bekenntnis zum Kampfe für den Kapitalismus, für die kapitalistische Profitrate, wenn man es dem Arbeiter unmöglich machen will, durch die freigewerkschaftliche Organisation den Kampf zur Verbesserung seines Loses oder um die Erhaltung eines Stückes Brot zu führen. Es heißt dann drittens: "Es kann unter folgenden gleichzeitig zu erfüllenden Bedingungen geduldet werden, daß Katholiken im Mitgliederverzeichnissen antichristlicher" - proletarischer, sozialdemokratischer - "Organisationen eingetragen bleiben, wenn das betreffende Mitglied bei seinem Eintritt in gutem Glauben war, daß es gestattet ist oder nachweisen kann, daß er den Mitgliedsbeitrag nur abführt unter dem Druck des Terrors, wenn er im übrigen....." (Výkøik: Das ist kein Terror?) Ja eben "wenn er im übrigen gelobt, daß er dem Verkehr in der Organisation" - also unter seinesgleichen, unter Arbeitern - "nach Möglichkeit ausweichen wird, in ihre Sitzungen und Versammlungen nicht gehen wird, ihre Zeitungen und Schriften nicht lesen und auch anderen das Lesen nicht gestatten wird." Also eine solche unglaublich, fast unfaßbare, an das finsterste Mittelalter erinnernde Bestimmung dem nicht allzu sehr zu dem Gedanken der Freiheit aufgeschwungenen slovakischen Arbeiter, dem armen und getretenen, geknebelten und hungernden slovakischen Arbeiter das vorzureden, das ist wohl ein Stück, das immer als Schandmal dieses Terrors der katholischen Kirche verzeichnet bleiben wird. (Pøedsednictví pøevzal místopøedseda inž. Dostálek.)

Weiter heißt es dann: "Wenn er sein bürgerliches Vertrauen uns" - ich bitte, der ekklatanteste Mißbrauch der Religion zu politischen Machtzwecken - "wenn er seine Stimme nicht einer antichristlichen Partei" - also sozialistischen Partei - "gibt, nur dann wird ihm gestattet, weiterhin in der Kirche zu bleiben." In der katholischen Kirche darf er nur bleiben, wenn er sich als Stimmvieh des Klerikalismus hergibt. "Ein katholischer Christ" heißt es dann - "wenn er über dieses Regeln gehörig belehrt wurde und der, obwohl es ihm möglich war, aus der antichristlichen Vereinigung auszutreten, dennoch böswillig in ihr verbleibt, wird als unbußfertiger Sünder und Abtrünniger nicht zu den heiligen Sakramenten zugelassen werden, er kann keine Rechte und Ehren in der Kirche beanspruchen, an der er treulos geworden ist. Daher gebührt ihm nicht die Lossprechung bei der heiligen Beichte und wenn er, was Gott verhüten möge, bis zum Tode in der Sünde verharrt, nicht einmal das kirchliche Begräbnis." Was aber, meine Herren von der christlichsozialen Partei, was soll mit dem Kaplan geschehen, der von diesem unbußfertigen Sünder sich sein Gehalt bezahlen lassen will? Das zu sagen, ist im Hirtenbriefe vergessen worden.

Ich wiederhole: Ist das nicht der unerhörteste Gewissenszwang, der sich denken läßt, die ekklatanteste Ausnützung des Gefühls armer Leute zu kapitalistischen politischen Zwecken? Ganz ausdrücklich haben die Bischöfe von Böhmen und Mähren in einer Erklärung vom 14. Jänner 1925 diesem Hirtenbriefe zugestimmt. Sie haben dabei erklärt, daß sie nicht alleinstehen auf weiter Flur, daß die dabei die höchsten Spitzen der Kirche der vergangenen Zeit bis auf heute hinter sich haben, daß sich diese unglaublichen Akte des Gewissenszwanges, des Terrors decken mit Enuntiationen einer ganzen Reihe von Päpsten, auf die sie sich berufen, auf Leo XIII, Klemens XII, Benedikt XIV, Pius VI, Pius VII und IX, und sie sagen dort: "Nur dieselben Gedanken und Wirkungen enthält der slovakische Hirtenbrief". Diese Solidaritätserklärung, die den Gläubigen, der den Profit des Ausbeuters bekämpft, mit dem Entzug der Sakramente bedroht und das Mitglied einer Arbeitergewerkschaft selbst im Tode noch verflucht, trägt aller katholischer Bischöfe, nicht nur der Slovakei, sondern auch Böhmens und Mährens Unterschrift. (Hört! Hört!) Darf man sich dann wundern, wenn der kleine, arme, proletarische Priester aus Sorge um seine Existenz zum Hetzpfaffen wird! Er wird es, und muß es werden. Und nun ermessen Sie, wie ungeheuerlich das Verlangen ist, daß alle, auch die vom Pfaffen wütend Bekämpften, die Gehälter für diese Pfaffen zahlen sollen! Der Staat hat im Vorjahre 74 Millionen für Kultuszwecke ausgegeben, seit 1919 ist diese Jahresleistung des Staates von 20 Millionen nach und nach auf jährlich 74 Millionen angewachsen. Und nun sollen noch etwa 50 Millionen dazukommen, während derselbe Staat unsere Arbeitslosen elend verhungern läßt. Wir halten also dafür, daß es eine Schande für die Kirche und für die Gläubigen in dieser Kirche ist, ihre kleinen Diener hungern zu lassen, aber wir sind der Meinung, daß die Kapläne diejenigen bezahlen sollen, die sie brauchen, die sie bestellten und in deren Auftrag sie wirken. Von Nichtreligiösen Gelder zur Bezahlung der kirchlichen Diener zu verlangen, ist mindestens unmoralisch. (Posl. Kaufmann: Geld stinkt nicht!) Pecunia non olet, ja das ist ein alter Satz, den die Kirche getrost übernommen hat. (Posl. dr Luschka: Ich dachte schon, geprägt hat!) Nein, aber die Kirche hat manches, das sie nicht geprägt hat, übernommen, wenn es ihr gepaßt hat, so wie sie die heidnischen Feste übernommen und kirchlich aufgeputzt hat, so hat sie auch den Satz des römischen Imperators übernommen "Pecunia non olet." Sie beweist es durch Taten, und wenn Sie, Herr Dr Luschka, nicht auf den Standpunkt des pecunia non olet stehen, so verlangen Sie nicht, daß der Staat die Kongrua bezahle. (Posl. dr Luschka: Er soll die Religionsfonde herausgeben!) Darüber läßt sich auch disputieren. Man kann einmal die ganze Frage des Eigentumsrechtes aufrühren von allem Anfange an, wie aber die Kirche abschneiden wird, das allerdings ist eine Frage, die weder ich noch Sie augenblicklich entscheiden können. Daß wir die Menschen bezahlen sollen, die verpflichtet werden, gegen uns zu kämpfen, ist, wie ich schon gesagt habe, eine unerhörte Zumutung. Wer, wie es ausdrücklich im Hirtenbriefe heißt, außerhalb jeder Gemeinschaft mit der Kirche gestellt wird - sofern er nicht vorziehen sollte, diese Gemeinschaft selbst zu lösen - darf auch nicht zur Bezahlung ihrer Diener genötigt werden. Die noch Religiösen sollten sich schämen, ihre Kirche als politische Partei, als haßerfüllte, als wutenbrannte politische Kämpferin zu sehen, außerdem noch als eine solche politische Partei, die sich ihre Agitatoren von der Gegenseite bezahlen läßt, weil diese Religiösen selbst ihre Taschen nicht aufmachen wollen.

Wir Sozialdemokraten lehnen es aus den angeführten Gründen ab, die Kongruavorlage zu bewilligen. Mehr als das: wir protestieren gegen die Ausplünderung der Gesamtheit für Zwecke, die nicht der Gesamtheit, der Gesellschaft, sondern nur dem Machtwillen einer Institution dienen, die wir als Feindin jeden menschlichen Fortschrittes als Partei der Verfälschung selbst der christlichen Grundsätze, als Hemmschuh der Vorwärts- und Aufwärtsentwicklung der Menschen Tag um Tag aufs neue kennen lernen. (Souhlas a potlesk nìm. soc. demokratických poslancù.)


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