Pátek 25. èervna 1926

Die zweite Antwort der Národní Jednota lautet in der Zuschrift: "Auf Ihre Zuschrift vom 5. Jänner l. J. zugesandt dem Moravský odbor Národní Rady èeskoslovenské in Brünn teilen wir ergebenst mit, daß über die politische Verläßlichkeit der Ansucherin keine verläßlichen Informationen festzustellen sind. Sie ist Witwe nach einem Oberstleutnant und eine verbissene Deutsche nach alter österreichischer Erziehung. Aus diesem Grunde sind wir grundsätzlich gegen die Erteilung der Staatsbürgerschaft der Èechoslovakischen Republik an die Gesuchstellerin". Ich will Ihnen nicht vorenthalten, wie damals der Minister des Innern Èerný auf diese Interpellation geantwortet hat. Er sagte damals im Dr. Nr. 1505: "Es ist nicht richtig die Behauptung, daß jedes Gesuch um Verleihung der Staatsbürgerschaft an die Národní Jednota des betreffenden Ortes zur Begutachtung geschickt wer den muß. Die Behörden, welche die Erhebungen über die Personalien der Gesuchsteller pflegen, müssen allerdings von allen Mitteln Gebrauch machen, um ein verläßliches richtiges Urteil über den Gesuchsteller zu gewinnen. Wenn die Behörden es in einigen Fällen für zweckmäßig erachten, sich über einzelne ins Gewicht fallende Umstände auch bei einer nationalen Institution zu informieren, so kann darin eine Inkorrektheit nicht gesehen werden. Soweit festgestellt werden konnte, fand dies nur rücksichtlich einiger Bewerber statt, in keinen Falle aber wurde diesem Gutachten eine größere Bedeutung beigelegt, als irgendeinem anderen Beweismittel. Für die Beurteilung der einzelnen Gesuche gibt nur das Interesse des Staates den Ausschlag." (Výkøiky.) Meine Damen und Herren, wer beurteilt das aber? Eben nur wieder diese Stelle, der Národní Výbor. Er meint weiter, daß viele sich jetzt um die èechoslovakische Staatsbürgerschaft bewerben, um die Anerkennung ihrer Kriegsanleihe durchzusetzen - denn auch das war wiederum eine der Forderungen; der Mann, der aufgenommen werden sollte, dem die Staatsbürgerschaft verliehen werden sollte, mußte verzichten auf alle Rechtsansprüche, selbstverständlich auf die Kriegsanleihe, aber auch wenn er Pensionist eines staatlichen Betriebes war, auf die Pension. Zum Schluß sagt Minister Èerný: "Dieses Vorgehen, dessen Zulässigkeit in rechtlicher, politischer und moralischer Hinsicht nicht bezweifelt werden kann, wird nur im Interesse der Gesuchsteller selbst eingeschlagen, damit ihre Gesuche um Naturalisation nicht abgewiesen werden." Aber noch viel schöner ist die Antwort des Ministers des Innern Dr. Nr. 3014. Er sagte damals: "Weisungen sind an die Unterstellen nicht herausgegeben worden". (Pøedsednictví pøevzal místopøedseda inž. Dostálek.) Ich weiß allerdings, daß eine Weisung herausgegangen ist, dahingehend, daß vor allem bei der Aufnahme darauf zu sehen ist, ob der betreffende ein Deutscher, Pole oder Magyare ist. - "In Angelegenheit des Vorganges bei der Erledigung von Naturalisationsansuchen gilt der allgemeine Grundsatz, daß einem Ausländer die èechoslovakische Staatsbürgerschaft nicht erteilt werden darf, sofern nicht über sein Vorleben auch in politischer Hinsicht absolut verläßliche und befriedigende Nachweise vorliegen. Bei der Beurteilung der einzelnen Ansuchen ist vor allem das Interesse der Republik und keineswegs nur das Interesse des ansuchenden Ausländers ausschlaggebend. Die Behörden entscheiden in allen Fällen der freiwilligen Erteilung der Staatsbürgerschaft nach freiem Ermessen." - Wir wissen ja auch tatsächlich, daß hier nach ganz verschiedenen Grundsätzen vorgegangen wird, daß es manchmal schon gelungen ist, jemandem die Staatsbürgerschaft zu verschaffen, wenn der Betreffende einen entsprechenden Hintermann hatte, d. h. wenn er jemanden hatte, der bei den Ministerien bei der Intervention das nötige Gewicht aufzubringen in der Lage war. Er sagt schließlich in der Antwort, daß eine Ungesetzlichkeit nicht darin erblickt werden kann, wenn die politische Landesverwaltung in Prag bei Durchführung der Erhebung die Äußerung einer nationalen Institution eingeholt hat, allerdings sei die Behörde an diese Äußerung nicht gebunden. Da hat der Minister selbst zugegeben, daß also diese Ansuchen immer an die Národní výbory gegeben werden. Wenn er es bestritten hätte, hätte ich ihm die Photographie eines Aktes gezeigt, wo die politische Bezirksverwaltung ausdrücklich darauf schrieb: "Dieser Akt ist nunmehr dem Národní výbor zur Begutachtung abzutreten." Dieser Akt kam leider in schlechte Hände, er kam zur Gemeinde und wurde infolge dieser Bemerkung photographisch aufgenommen. Von welchem Gesichtspunkt sich der Národní výbor leiten läßt, dafür nur ein Beispiel. Es betrifft einen Fall in unserer unmittelbaren Nähe. Der Direktor einer Fabrik suchte um die Staatsbürgerschaft an. Selbstverständlich kam dieses sein Ansuchen an den Národní výbor herunter, Obmann des Národní výbor war damals ein Schlosser seiner Fabrik, allerdings ein Mann, übelberüchtigt, nicht das beste Subjekt, außerdem hatte der Direktor mit diesem Mann einmal einen großen Anstand gehabt. Sie können sich vorstellen, daß naturgemäß der Národní výbor oder der Obmann desselben nunmehr entschied, daß der Direktor mit seinem Staatsbürgerschaftsgesuch unbedingt abzuweisen sei, daß er also nicht würdig sei, hier die Staatsbürgerschaft zu erhalten. Der Vorsteher der politischen Bezirksverwaltung war selbst der Ansicht, daß dem Direktor Unrecht geschehe, zumal er auch Jahrzehnte im Betrieb tätig war, und als der Direktor einmal neuerdings vorsprach, gab er ihm den guten Rat, zunächst einmal diesem. Schlosser eine Gehaltsaufbesserung zu bewilligen, sich mit ihm besserzustellen, damit vielleicht das neuerliche Ansuchen, das er einbringen müsse, besser beurteilt werde. Diesen Rat befolgte der Direktor, er nahm sich diesen Herrn vor, gab ihm eine Gehaltszulage und die Folge davon war, daß das zweite Ansuchen, das wieder an den Národní výbor abgetreten wurde, aufs beste befürwortet wurde und er nach Jahr und Tag auf Grund dieser Empfehlung tatsächlich die Staatsbürgerschaft bekam. Das hat sich in unzähligen Fällen ereignet, nur haben wir nicht den Einblick, wir kennen die Fälle nicht, aber in jedem Klub liegen hunderte solcher Ansuchen, welche zeigen, mit welchem Gründen die Abweisungen erfolgten. In den meisten Fällen wird überhaupt kein Grund angegeben und der Gesuchsteller auf das Berufungsrecht vertröstet, das selbstverständlich, wie Kollege Hackenberg richtig ausgeführt hat, ganz problematischer Natur ist, weil immer wieder letzten Endes das Gesuch an diejenige Stelle zurückkommt, an den Národní výbor, welcher es schon das erstemal abgewiesen hat. Wir wollen heute auch nicht über das traurige Los jener sprechen, welche auf Grund dieser Verhältnisse überhaupt keine Staatsbürgerschaft besitzen, Sie werden von einem Staat in den anderen geschoben, hier verlieren sie die Staatsbürgerschaft, der andere Staat erklärt wieder, sie seien dort nicht zuständig, sie hängen also vollkommen in der Luft. Es betrifft das leider auch nicht bloß unabhängige Leute (Pøedsednictví pøevzal místopøedseda Slavíèek.) welche vielleicht Besitz haben, auch sehr viele Pensionisten irgendeiner Anstalt. Infolgedessen entzieht sich auch die Anstalt - wie wir Beweise dafür haben - der Verpflichtung, die Pension zu bezahlen. Ich weiß den Fall eines Eisenbahners in der Jägerndorfer Gegend, der heute dadurch in Notlage geraten ist, daß er einfach Deutschösterreich zugewiesen wurde. Deutschösterreich weigerte sich aber Jahr und Tag, weil die Verhältnisse nicht klargestellt wurden, und der Mann bekam vorläufig eine ganz geringe Rente, oder sagen wir, nur eine Anzahlung auf die künftige Regelung seines Gehaltes.

Ich behaupte, daß auch hier Ordnung gemacht werden muß. Man kann nicht mit zweierlei Maß messen. Wenn die Ungerechtigkeit nunmehr im slovakischen Teile des Staates an den Ungarn und teilweise auch an den Slovaken gutgemacht wird, müssen wir unter allen Umständen verlangen, daß auch die zahlreichen Fälle, die von deutscher Seite anhängig sind, günstig erledigt werden, und zwar so rasch als möglich, weil die davon Betroffenen sich vielfach in größter Notlage befinden. Wir verlangen also, daß die neue Zollmehrheit, wie sie kurz genannt wird, auch diesbezüglich ein Gesetz als die Ergänzung zu dem vorliegenden Antrag vorlegt, und wir werden uns wärmstens für den Antrag der deutschen sozialdemokratischen Partei aussprechen. Wir hoffen, daß, beseelt vom Geiste wahrer Versöhnung - denn dieser Geist geht angeblich jetzt herum (Veselost.) - geleitet von dem Bestreben, die nationalen Gegensätze zu mildern, nunmehr auch diese Ungerechtigkeit ehebaldigst beseitigt werden wird. (Potlesk poslancù nìm. strany národní.)

8. Øeè posl. Schäfera (viz str. 2616 tìsnopisecké zprávy):

Hohes Haus! Das muß man der neuen Mehrheit einräumen, sie nützt ihre Zeit vortrefflich aus. Nicht zufrieden damit, daß sie die Zölle, das Kongruagesetz, die Erhöhung der indirekten Abgaben durchzusetzen vermocht hat, geht sie jetzt daran, gegen sozialpolitische Einrichtungen anzurennen. Soviel man sich bemüht, den Gesetzentwurf, der nun zur Verhandlung steht, als harmlos hinzustellen, es verbirgt sich dahinter doch nichts anderes, als die Abneigung gegen das Gesetz über die Sozialversicherung. Es ist in diesem Antrage nichts anderes zu erblicken, als der erste Versuch, von dem Bau der Sozialversicherung ein Stück wegzureißen, den Bau zu erschüttern. Im Motivenbericht, der von der alten Koalitionsregierung zur Einbegleitung der damaligen Vorlage genehmigt worden ist, wird mit Recht darauf verwiesen, daß zur Durchführung der Krankenversicherung starke und mächtige Gebilde notwendig sind. Dazu braucht man insbesonders starke und gute Krankenkassen, um die Verwaltungskosten bei der Invaliditäts- und Altersversicherung zu verringern und da die Krankenversicherungsanstalten den Unterbau für die Alters- und Invaliditätsversicherung bilden, so sind die Darlegungen des Motivenberichtes vollauf begründet. Es ist bei den Beratungen des Sozialversicherungsgesetzes nicht gelungen, den einzig richtigen Gedanken zu verwirklichen, Einheitskassen zu schaffen, und wir sehen jetzt, daß daraus noch bevor das Gesetz in Kraft tritt, der Sozialversicherung Gefahren erwachsen. Es ist richtig, die agrarischen Parteien sind im Stande gewesen, bei der Beratung der Sozialversicherung die landwirtschaftlichen Kassen durchzusetzen. In der Begründung des Antrages, der den Anlaß zur jetzigen Beratung bildet, wird diese Tatsache als Bevorrechtung der Landwirtschaft hingestellt, eine Bevorrechtung, die der deutschen Gewerbepartei, wie es im Antrage heißt, den Anlaß gibt, nun auch für den Gewerbestand und den Kaufmannsstand die Erhaltung und Weiterführung ihrer Genossenschaftskrankenkassen zu reklamieren. Es heißt in der Begründung dieses Verlangens, daß, wenn man der Landwirtschaft eigene Kassen zubilligt und zubilligen mußte, es vollauf gerechtfertigt sei, wenn auch der Gewerbestand und der Kaufmannsstand seine Genossenschaftskrankenkassen zugestanden erhält.

Wir sind keine Freunde der Beibehaltung der Zersplitterung in der Krankenversicherungsorganisation gewesen. Wenn die Vertreter des Gewerbestandes, die deutschen bürgerlichen Parteien, der Meinung sind, daß in dem Zugeständnisse an die Landwirtschaft, eigene Krankenkassen zu haben, eine Bevorrechtung liegt, gäbe es einen anderen Weg, das Unrecht gutzumachen, indem man sich bei der nächsten Gelegenheit für die Novellierung des Gesetzes über die Sozialversicherung bemüht und zu dem Grundsatze übergeht, den wir immer verfochten haben, zur Einführung der Einheitskassen, zur Aufhebung der Bevorrechtung, die nach den Antragstellern der Landwirtschaft durch das Sozialversicherungsgesetz gegeben worden ist. Aber man benützt den Umstand, daß es innerhalb der alten Koalition nicht möglich war, wirklich zur Einheitskasse überzugehen, dazu, jetzt auch noch die ohnehin schlimme Zersplitterung in der Krankenversicherung zu vergrößern, jetzt schon gegen den organisatorischen Aufbau der Krankenversicherung anzustürmen, obzwar man sehr gut weiß, daß dadurch jenen nicht gedient ist, für die vor allem die Versicherung geschaffen wurde, und die Wert darauf legen müssen, daß die Versicherung so organisiert ist, daß sie auch etwas zu leisten vermag. Die Vertreter des Antrages Stenzl und des Vorschlages, der heute vormittag im sozialpolitischen Ausschuß vereinbart und beschlossen worden ist, reden immer davon, daß sie für den Gewerbe- und Kaufmannsstand eigene Krankenkassen haben wollen, daß das ihre Krankenkassen sind. Ich weiß, daß die Herren nicht behaupten können, im Namen der Arbeiter, also jener zu sprechen, für die die Sozialversicherung geschaffen worden ist. Es mag sein, daß es hie und da in einem oder dem andern Berufszweige Gehilfen oder Arbeiter gegeben hat, die unter gewissen Einflüssen zunächst für die Beibehaltung einer Genossenschaftskrankenkasse gewesen sind. Aber sowohl in den Kundgebungen von Arbeiterorganisationen, als auch in verschiedenen Erklärungen bei Tagungen der Arbeiter und Gehilfen, in denen sie zur Krankenversicherung Stellung nahmen, ist wiederholt selbst von kaufmännischen Angestellten das Bekenntnis zur Einheitskasse abgegeben worden. Es ist also nicht wahr und es stimmt nicht, wenn man behauptet, man spreche auch im Namen der Arbeiter.

Wir können in diesem so harmlos aufgemachten Antrage nichts anderes erblicken, als einen wohl berechneten Vorstoß gegen das Sozialversicherungsgesetz. (Výkøiky.) Es ist das nichts anderes, als eine Teilerscheinung des neuen Kurses, der sich jetzt durch setzen will. Wer die letzten Sitzungen des sozial-politischen Ausschusses mitgemacht hat, den überkommt ein eigenes Gefühl. Es ist jede Möglichkeit unterbunden, im sozialpolitischen Ausschuß einen Fortschritt durchzusetzen. Ich will nur darauf verweisen, daß es nicht einmal möglich war, im sozialpolitischen Ausschuß eine kleine Verbesserung des Loses der Arbeitslosen zu erzielen. Nicht einmal das war möglich. Die deutschen und die èechischen Agrarier, die deutschen und die èechischen Christlich-Sozialen marschieren Arm in Arm auf gegen jede sozialpolitische Anregung, und das, was sie hier tun, ist nichts anderes als ein Vorstoß gegen das Werk der Sozialversicherung, gegen das sie sich in Kundgebungen schon früher vielfach ausgesprochen haben. Ich erinnere an viele Äußerungen von Unternehmerkörperschaften, die, ehe noch das Sozialversicherungsgesetz fertig war, darauf hingewiesen haben, daß darin eine ungeheuere Belastung der Volkswirtschaft steckt und daß man infolgedessen mit sehr gemischten Gefühlen der Sache gegenüberstehe. Eine Übertreibung oder eine falsche und den Tatsachen nicht entsprechende Behauptung kann man darin nicht sehen, wenn ich sage, es sei das nichts anderes als ein Vorstoß gegen die Sozialversicherung.

Heute ist ein Antrag der Abgeordneten Dr Matoušek und Genossen verteilt worden auf Ausschließung der Hausgehilfen und Hausgehilfinnen aus der Versicherungspflicht. Wissen Sie, was das heißt? Das heißt: Nachdem der gegen Krankheit Versicherte zugleich gegen die Folgen der Invalidität und des Alters versichert ist, berauben Sie die Hausgehilfen um die Alters- und Invaliditätsversicherung. Der Antrag wird damit begründet, daß dem kranken Hausgehilfen der Arzt der Familie zur Verfügung stehe. Aus der Erfahrung wissen wir, daß sich die Sache wesentlich anders abspielt. Die Hausgehilfinnen werden bei Krankheit ins Spital geschickt, und wenn sie länger krank sind, werden sie überhaupt nicht mehr in den Dienst genommen, sondern einfach hinausgeworfen und wenn sie nicht krankenversichert wären, aber invalid werden und auf die Unterstützung geradezu angewiesen sind, hätten sie, wenn man Ihrem Antrage zustimmen wollte, jeden Anspruch auf Unterstützung in der Zeit des Alters und der vollständigen Arbeitsunfähigkeit infolge Invalidität verloren. Schwer kann man rückschrittlicher, reaktionärer sein als in diesem Antrag.

Ein anderer Antrag, der früher eingebracht worden ist, will, daß die Lehrlinge bis zu einer höheren Altersgrenze aus der Versicherungspflicht ausgeschieden werden. Auch das ist, nachdem das Alters-Invaliditätsgesetz besteht, eine schwere Schädigung der Lehrlinge. Sie sehen also, daß auf der ganzen Linie, seitdem die neue Mehrheit im Parlament die Macht ausübt, ein Zug der Feindseligkeit gegen die Sozialpolitik sich durchsetzt, daß man jetzt darangeht, was in früheren Jahren aufgebaut worden ist, wieder abzubauen, zu zerstören, und sie beginnen bei einem Werke, sie beginnen ihre Zerstörung, die Abbauarbeit bei einer Errungenschaft, mit der man viel in der Welt geprunkt hat und die man als einen Beweis hingestellt hat, daß in diesem Staate gesunde Sozialpolitik eine gute Heimstätte hat. Wir sehen, wohin der Kurs führen soll. Wir möchten von dieser Stelle ernstlich davor warnen, daß Sie in Ihrer arbeiterfeindlichen Politik fortfahren. Wenn bei Begründung des Antrages auf Aufrechterhaltung der genossenschaftlichen Krankenkassen gesagt wird, daß Sie Krankenkassen haben wollen, in denen keine Politik betrieben wird, so wissen wir, wohin diese Anspielung abzielt. Wenn wir aber die Geschichte der Krankenkassen durchgehen, finden wir, daß Parteipolitik gerade dort betrieben wurde, wo es die Arbeiter nicht verstanden haben sich durchzusetzen. Was Sie vermeiden, was Sie durch Ihren Antrag hintanhalten wollen, das ist gerade bei Ihnen vorzüglich in Übung gewesen. Im übrigen ist jener Teil der Begründung einfach kindisch, er ist bei den Haaren herbeigezogen und hat keinerlei Berechtigung. Da in den Krankenkassen die Wahlen nach dem Verhältniswahlrecht durchgeführt werden, hat jede politische Gruppe und jede Organisationsgruppe nach ihrer Stärke in der Verwaltung der Krankenkasse Einfluß. Nützen Sie das Wahlrecht und den Einfluß, den Sie haben, aus, so viel Sie wollen, aber tasten Sie die Einrichtungen, die geschaffen worden sind und lange noch nicht vollständig sind, nicht an, sondern lassen Sie es bei dem Zustande, wie er heute ist. Und wenn Sie schon glauben, daß an der Sozialversicherung novelliert werden muß, dann sind wir bereit, mit Ihnen zu beraten, was zu novellieren ist. Wir könnten Ihnen im Sozialversicherungsgesetz eine ganze Reihe von Bestimmungen zeigen, die notwendig der Verbesserung bedürfen, aber da dürften Sie nicht mit uns gehen, weil Ihr Vorhaben nichts anderes ist, als die jetzige Sozialversicherung zu erschüttern. Bevor sie noch Gesetz wird, wollen Sie deren Abbau beginnen. Ich weiß ja nicht, wie lange Sie diese Machtstellung einnehmen werden, die Sie heute haben, ich weiß nicht, auf was für Abmachungen sie beruht, ob es Abmachungen sind, die eine längere Dauer dieser jetzigen Koalition mit sich bringen. Ich glaube aber, eines sagen zu können: Sie werden mit Ihrer reaktionären Politik, Sie werden mit Ihrem Auftreten gegen die sozialpolitischen Errungenschaften, Sie werden mit Ihren Vorstößen und Ihrem Anrennen gegen die Sozialpolitik das Gegenteil von dem erreichen, was Sie wollen. Die Arbeiter, die sich im Vorjahr vielfach noch durch Versprechungen haben täuschen lassen, werden erkennen, daß sie ihr Schicksal Parteien ausgeliefert haben, die in ihrer Rückschrittlichkeit keine Besinnung mehr kennen, sondern darauf los gehen, einzureißen, was unter schweren Opfern aufgebaut worden ist, sie werden erkennen, daß das, was im Vorjahre geschehen ist, gutzumachen ist. Und es wird gutgemacht werden. Im übrigen, meine Herren, glaube ich nicht daran, daß die jetzige Mehrheit ein langes Leben haben wird. Und vielleicht deshalb, weil Sie selbst nicht mehr daran glauben, daß man Sie lange in der Mehrheit wird mitschleppen wollen, wollen Sie die paar Stunden, die Sie die Macht haben, ausnützen, nicht für Fragen der Allgemeinheit, sondern gegen die Arbeiter. Das werden die Arbeiter Ihnen schon bei Zeiten zu lohnen wissen. (Souhlas a potlesk nìm. soc. demokratických poslancù.)

9. Øeè posl. Tichiho (viz str. 2618 tìsnopisecké zprávy):

Hohes Haus! Wenn uns heute der Gesetzentwurf, der am Vormittag im soziapolitischen Ausschuß geboren wurde, zur Beratung vorliegt, so erkläre ich im Namen meiner Partei, daß er unsern Wünschen nicht entspricht. (Hluk.) Wir hätten es lieber gesehen... (Výkøiky nìm. soc. demokratických poslancù.) Lasen Sie mich doch sprechen, ich habe Sie doch auch nicht gestört. (Výkøiky nìm. soc. demokratických poslancù.)... daß der Antrag Stenzl und Genossen, der nicht nur die Erhaltung der bestehenden, sondern die Schaffung neuer Genossenschaftskrankenkassen für unsere Hilfsarbeiter verlangt, jetzt in Beratung gestanden wäre. (Posl. Kaufmann: Ist die Gehilfenschaft gefragt worden?) Lassen Sie mich doch sprechen, wir haben Ihren Kollegen Schäfer doch auch sprechen lassen. (Posl. Kaufmann: Der hat vernünftig gesprochen! - Veselost.) Ich habe ja auch noch nicht zu Ende gesprochen. Wir sind den Weg eines Dringlichkeitsantrages nicht gern gegangen, das kann ich Ihnen offen sagen. Wir haben den Antrag, über den heute im sozialpolitischen Ausschuß hätte verhandelt werden sollen, bereits am 17. März eingebracht. Seit anfangs Mai ist er im sozialpolitischen Ausschuß gelegen, ist bis heute nicht behandelt worden, also es blieb uns kein anderer Weg übrig. (Hluk a odpor na levici.) Ich gebe zu, daß aus technischen Gründen eine solche Gesetzesvorlage in einigen Stunden, wie dies verlangt worden ist, nicht zu machen ist, denn das Gesetz schneidet tief ein in die Struktur unseres ganzen Sozialversicherungsproblems. Deshalb haben wir heute eine Kompromißformel gefunden, und das ist der Ausschußantrag, der Ihnen vorliegt. (Posl. de Witte: Das heißen Sie eine Kompromißformel?) Jawohl, das ist ein Kompromiß. Mit dem Antrag, der heute vorliegt, ist nichts anderes gesagt und wird nichts anderes geschehen, als daß einige Krankenkassen nicht am 1. Juli 1926, sondern am 1. Jänner 1927 liquidieren sollen. Ich glaube, diese Zeit werden Sie schon erwarten können. (Posl. de Witte: Sie hoffen auf die Herbstsession, warum sind Sie denn gar so bescheiden?) Kann schon möglich sein. Es kann hier von einer Böswilligkeit nicht gesprochen werden. Es ist auch kein reaktionäres Beginnen. Es liegt gewiß nicht in unserer Absicht und wir haben auch im sozialpolitischen Ausschuß erklärt, daß wir im Herbst, bis die Gewitterschwüle aus diesem Haus geschwunden ist, uns mit Ihnen an den Beratungstisch setzen und daß wir dann gegenseitig einmal über die Novellierung des ganzen Gesetzes beraten wollen. Die Frage der Erhaltung der Genossenschaftskrankenkassen ist ja nichts neues, sie ist ja auch nicht die Angelegenheit einer politischen Partei. Die ganze Kaufmannschaft und der ganze Gewerbestand verlangt diese Kassen und auch die Gehilfen. (Výkøiky nìm. soc. demokratických poslancù: Damit Sie die Gehilfenschaft ganz in die Hand bekommen!) Sie können schreien so viel Sie wollen. Ich habe wiederholt an Gehilfenversammlungen teilgenommen und gerade die gewerblichen Gehilfen waren es, ich kann Ihnen den Beweis erbringen, Abordnungen gewerblicher Gehilfen waren hier und haben die Einrichtung solcher Kassen verlangt. Der Kollege Schäfer meint, es wäre ein Antrag der deutschen Gewerbepartei. Es haben ja auch andere Parteien im Hause die gleichen Anträge eingebracht, sie haben hier den Antrag des Kollegen Pekárek, Dr Lukavský und Genossen, alle diese Parteien verlangen die Errichtung von Genossenschaftskrankenkassen. Die Kassen sind ja nicht für uns, wir verlangen sie für unsere gewerblichen Hilfsarbeiter. (Posl. Kaufmann: Lassen Sie die Arbeiter! Sind Sie Vertreter dieser Arbeiter?) Dies zu behaupten ist mir nicht eingefallen. Die landwirtschaftlichen Kassen haben ja auch nicht die landwirtschaftlichen Arbeiter erkämpft, diese mußten die Bauern für sie erkämpfen. Die Agrarier mußten das machen! (Odpor nìm. soc. demokratických poslancù.) Die gewerblichen Hilfsarbeiter und die kaufmännischen Gehilfen wissen, warum sie nach eigenen Krankenkassen schreien. Sie sind der Wirtschaft in den Kassen satt, sie wollen eine Entpolitisierung der Krankenkassen haben, und mit Recht. (Odpor nìm. soc. demokratických poslancù. - Hluk.) Das ist die Hauptfrage. Bitte, meine Herren, betrachten Sie sich doch heute die Verwaltungskommissionen, mit denen Sie auch nicht einverstanden sein können. Welches Recht haben die Versicherten, welches Recht haben wir in den Verwaltungskommissionen? Betrachten Sie die Sache doch objektiv. Sie werden den Schrei der gewerblichen Hilfsarbeiter verständlich finden. (Výkøiky: Den hören wir schon! - Hluk.)

Místopøedseda inž. Dostálek (zvoní): Prosím o klid.

Posl. Tichi (pokraèuje): Der Gang der Sozialpolitik ist bisher Ihren Weg gegangen. Wir haben es im Jahre 1919 sehr schwer getragen und das sind Ihre Erfolge, daß man damals mit einem Federstrich mehr als 500 Krankenkassen aus der Welt geschafft hat, gute Krankenkassen, denn Sie können nicht behaupten, daß der Großteil dieser Krankenkassen schlecht verwaltet war. Es sind ungeheuere Reservefonds übernommen worden, die natürlich Ihren Zwecken gut getan haben. Der gewerbliche Hilfsarbeiter wollte diese Krankenkassen erhalten haben, weil in diesen Genossenschaftskrankenkassen die freie Ärztewahl bestand, was ihm in den meisten Bezirkskrankenkassen nicht geboten wird. Heute handelt es sich, wie einer Ihrer Herren erklärt hat, um den "schäbigen Rest" von 47 Kassen und wegen dieser 47 Kassen wollen Sie ein so kleines Zugeständnis nicht einräumen. In dem Antrag liegt nichts anderes als eine Kompromißformel, wie ich bereits gesagt habe; lassen Sie also die 47 Kassen bestehen und wir setzen uns allen Ernstes dann im Herbst zusammen, um dann über die Novellisierung nachzudenken, denn auch in Ihren Kreisen gibt es Leute, die behaupten, daß diese Sozialversicherung novelliert werden muß und daß vieles darin ist, was auch im Interesse der Arbeiter anders sein müßte. (Posl. Kaufmann: Sehr richtig, nur werden Sie den Veränderungen nicht zustimmen, die wir haben möchten!) Das kann man nicht wissen, vielleicht. Es muß ja nicht eine reaktionäre Novellierung sein, wie Sie der Meinung sind. Am ersten Juli sollte fast der ganze Rest der bestehenden Sozialversicherungskassen noch vereinigt werden.

Alle Gremialkassen unter 2000 Mitgliedern sollen aufgelöst werden, die anderen Genossenschaftskassen unter 4000. Man hat den Stichtag mit 1. Jänner 1924 wohldurchdacht festgelegt, also in einer Zeit, wo wirklich die Frequenz bei den Kassen die geringste war. Wenn Sie da eine Durchschnittszahl annehmen, so kann ich heute schon sagen, daß z. B. die Gremialkasse in Brünn am 1. Jänner 1924 - das wird Kollege Taub am besten wissen - 1733 Mitglieder hatte, daß sie aber schon im Jahre 1924 4565 Mitglieder gezählt hat. Diese Kasse muß aufgelöst werden, weil sie eben damals am 1. Jänner 1924 nicht die volle Zahl von 2000 Mitgliedern gezählt hat. (Posl. Stenzl: Karlsbad, Marienbad!) Ich bitte, die Kasse in Marienbad. Am 1. Jänner 1924, also im Winter und noch dazu in einem Kurort, kann es ja nicht anders sein, hat die Kasse 1294 Mitglieder gehabt, am 1. Juli 1925 zählt sie 6000 Mitglieder. Diese Kasse muß verschwinden, weil die Mitgliederanzahl dem Buchstaben des Gesetzes nicht entsprochen hat. Es ist vom Herrn Vorredner der Vorwurf erhoben worden, daß das Vermögen der aufgelösten Genossenschaftskrankenkassen an politische Parteien verteilt wurde. Meine Herren, ich weiß nicht, welche politische Partei Sie damit meinen, meine Partei hat nie die Herrschaft in irgendeiner Kasse gehabt und meine Partei hat nie irgendeinen Heller aus irgendeiner Genossenschaftskasse bekommen, aber ich möchte nicht untersuchen, wieviel Geld, Tausende und Abertausende Kronen, die in den Genossenschaftskassen zusammengetragen waren, für politische Agitation verwendet worden sind. Von unserer Seite bestimmt nicht.

Es liegt gewiß in der modernen Sozialpolitik als Ideal, Einheitskassen zu schaffen. Sie werden wohl zugeben, daß man in Deutschland eine gute Krankenversicherung hat und doch hat man auch in Deutschland bis heute keine Einheitskasse geschaffen. Nach der Statistik gibt es im Deutschland Ortskrankenkassen 2524, Landkrankenkassen 496, Betriebskrankenkassen 4599, Genossenschaftskassen - in Deutschland bestehen sie also trotz der dortigen großen Entwicklung - 866, Ersatzkrankenkassen 46, Knappschaftskrankenkassen 123. Die durchschnittliche Mitgliederanzahl bei sämtlichen reichsdeutschen Krankenkassen beträgt bloß 2209 Mitglieder. Hier haben Sie durch die Schaffung des Gesetzes den Kassen, die 3900 Mitglieder haben, keine Möglichkeit gegeben, weiterzubestehen. Ich glaube, daß dieser Zug unserer Sozialpolitik nicht richtig ist. Bei den Betriebskrankenkassen in Deutschland ist die Durchschnittszahl 1819 Mitglieder, bei den Genossenschaftskassen sogar 380 Mitglieder. Sie wissen, daß wir im Jahre 1919 alle unsere Kassen - und es waren einige Hunderte sperren mußten, weil sie nicht volle 400 Mitglieder gehabt haben. Das Gesetz vom Jahre 1924 gibt den Landwirten die Möglichkeit, eigene Kassen zu errichten. Wenn nun der industrielle Arbeiter die Möglichkeit hat, eigene Krankenkassen zu schaffen, wenn dem landwirtschaftlichen Arbeiter nach dem Gesetze ebenfalls diese Möglichkeit gegeben wurde - wir haben diesen Pakt ja nicht geschlossen, die Herren (obrácen k nìm. soc. demokratickým poslancüm), Ihre Kollegen von drüben (ukazuje na èsl. soc. demokratické poslance) haben es gemacht. Sie nicht, aber die anderen - dann werden Sie es begreiflich finden, daß auch bei den gewerblichen Hilfsarbeitern der Wunsch besteht, eigene Kassen zu haben. (Posl. Grünzner: Der ist aber nicht bei den Arbeitern!) Gewiß ist er da. Ich erkläre nochmals: Von diesem Standpunkt aus betrachten wir die Leitung der ganzen Frage und wir werden gewiß Gelegenheit haben, im Herbst uns über diese Sache noch ausgiebig zu unterhalten. Ich erkläre zum Schluß, daß die jetzige Gesetzesvorlage, über die wir abstimmen sollen, für uns ein Provisorium ist, im wahrsten Sinne des Wortes. Wir beharren nach wie vor auf der Schaffung eigener genossenschaftlicher Krankenkassen, wir wollen das Recht haben, unsere Kassen zu errichten und wir werden nicht ruhen und rasten, bis diese unsere Forderung erfüllt ist. (Potlesk.)


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