Meine Herren! Eine der wichtigsten Aufgaben
der gesetzgebenden Körperschaft ist die Überprüfung
und Beratung des Voranschlages. Wir sehen aber hier bei der Beratung
des Voranschlages, daß kein allzugroßes Interesse
hiefür vorhanden ist. Es ist das nicht erst heute der Fall,
sondern schon als der Berichterstatter Dr Hnídek zum
Voranschlag das Wort ergriff, konnten wir sehen, daß die
Mehrheit der Mitglieder des Abgeordnetenhauses für den Bericht
des Generalberichterstatters nicht das geringste Interesse an
den Tag legte. Wenn dem so ist, müssen wir natürlich
den Ursachen nachforschen und können dabei feststellen, daß
es begreiflich ist, daß das Interesse an der Beratung des
Voranschlages immer geringer wird. Die Art der Beratung und der
Verabschiedung des Voranschlages bringt es natürlich mit
sich, daß nicht nur die Mehrheitsparteien, sondern auch
die Oppositionsparteien immer weniger Interesse für die Beratung
des Voranschlages zeigen. Die Interesselosigkeit wird begreiflich,
wenn man sieht, daß alle Bemühungen, eine Änderung
und Verbesserung des Voranschlages herbeizuführen, vergeblich
bleiben, daß alle Kritik des Voranschlages nichts nützt,
daß alle Anregungen, welche gemacht werden, unberücksichtigt
bleiben. Wir haben schon im Ausschuß bei Beratung des Voranschlages
von jedem Herrn Berichterstatter vernehmen können, daß
er die unveränderte Annahme des in Beratung stehenden Kapitels
verlangt. Wenn dann der Herr Berichterstatter sich wohl mit der
einen oder anderen Anregung der Oppositionsparteien beschäftigte,
so hat er doch wieder erklärt, es sei notwendig, dieses Kapitel
unverändert anzunehmen. Es wird uns vom Herrn Generalberichterstatter
im schriftlichen Bericht mitgeteilt, daß der Budgetausschuß
nicht weniger als 24 Sitzungen abgehalten hat und auf die Minute
genau wird errechnet, wie lange diese Sitzungen dauerten, daß
man insgesamt 126 Stunden und 22 Minuten im Ausschuß sich
mit dem Voranschlag beschäftigt hat, und dann wird zum Schluß
festgestellt, daß von all den Anträgen, welche während
der Beratung des Voranschlages im Budgetausschuß gestellt
worden sind, nicht ein einziger angenommen worden ist. Die Ziffern
sind so, wie sie von der Regierung ausgearbeitet und von den Berichterstattern
vertreten wurden, im Budgetausschuß angenommen worden. Es
ist nicht einmal eine Umstellung der Ziffern vorgenommen worden,
obwohl wir während der Beratung des Voranschlages wiederholt
Gelegenheit hatten, zu beweisen, daß der Voranschlag nicht
den Intentionen des Finanzministeriums entspricht, indem die Investitionen
nicht so, wie es von Seiten des Finanzministers und des Generalberichterstatters
angekündigt wurde, gesondert behandelt werden und zwar im
Ministerium für öffentliche Arbeiten, sondern, daß
Investitionen auch unter den anderen Kapiteln noch vorkommen.
Die einzige Änderung, welche am Voranschlag vorgenommen wurde,
erfolgte beim Finanzgesetz, indem der zweite Absatz des Art. XVII.
des Finanzgesetzes gestrichen worden ist, was aber keine bedeutende
Änderung herbeiführte. Wir wollen anerkennen, daß
es eine kleine Verbesserung ist, aber es ist ja selbstverständlich,
daß über die Verwendung des anzusammelnden Fonds, der
aus den Überschüssen angesammelt werden soll, wenn es
auch nicht ausdrücklich im Finanzgesetz steht, doch von Seite
des Finanzministeriums verfügt werden wird.
Im Bericht des Herrn Generalberichterstatters
wird festgestellt, daß 27 Resolutionen angenommen worden
sind. Das ist das ganze, was der Budgetausschuß beschlossen
hat. Es wurde der oder jener Partei durch die Annahme der Resolutionen
eine Gefälligkeit erwiesen, oder gar nur Anschein erweckt,
als ob man eine Gefälligkeit erweisen wollte. Wie es aber
mit der Beachtung der Resolutionen aussieht, haben wir während
der Debatte im Budgetausschuß auch von den Herren der Mehrheitsparteien
vernehmen können, die Klage darüber führten, daß
Resolutionen, welche beschlossen wurden, von der Regierung nicht
beachtet worden sind. Wir haben während der Budgetdebatte
feststellen können, daß auch solche Resolutionen von
der Regierung nicht beachtet worden sind, welche die einstimmige
Genehmigung der gesetzgebenden Körperschaft gefunden haben.
Daraus ersehen Sie schon, wie wenig Wert die Annahme solcher Resolutionen
für den einzelnen Abgeordneten bezw. für die Bevölkerung
hat.
Nun haben wir die Generaldebatte über
den Staatsvoranschlag und Zweck derselben ist nicht nur die Stellungnahme
zum Voranschlag im allgemeinen, sondern zu den Verhältnissen
im Staate überhaupt und zur Regierung insbesondere. Dieser
Voranschlag wurde zur gleichen Zeit eingebracht, als sich die
Regierung im Hause vorgestellt hat. Wir haben bei dieser Gelegenheit
nicht nur das Exposé des Herren Finanzministers zum Voranschlag
vernommen, sondern es hat auch der Vorsitzende der Regierung,
der Herr Ministerpräsident damals im Hause gesprochen und
die neue Regierung vorgestellt. Er hat wohl kein neues Programm
entwickelt, keine Programmrede gehalten, sondern sich vorwiegend
auf das frühere Programm berufen. Diese Vorstellung der Regierung
löste eine politische Debatte aus und wir, bezw. der Vertreter
unseres Klubs Kol. Dr Czech hatte bei dieser politischen
Debatte bereits Gelegenheit, sich mit diesen Verhältnissen
im Staate zu beschäftigen und unsere Stellung zur neuen Regierung
und zur Regierungskoalition zu kennzeichnen. Ich kann mich daher
nach dieser Richtung etwas kürzer fassen, mir eine gewisse
Beschränkung auferlegen und mich begnügen, mich mit
der gegenwärtigen Situation zu beschäftigen.
Wir stehen in der Verhandlung des Voranschlages
und die gegenwärtige Regierung befindet sich noch immer in
großen Schwierigkeiten, noch immer auf der Suche nach einer
Mehrheit. Während wir hier im Hause den Voranschlag behandeln,
wird hinter den Kulissen weiter verhandelt, um eine der Parteien
des Hauses für den Eintritt in die Regierung, bzw. für
die Regierungsmehrheit zu gewinnen. Dieses Handeln oder dieses
Verhandeln, welches geführt wird, ist eigentlich nichts anderes
als ein schäbiger Kuhhandel. Es handelt sich bei diesen Verhandlungen
nicht um die Erfüllung programmatischer Grundsätze,
nicht darum, wie wir aus den Berichten über dieselben hören,
daß den Versprechungen, die der Partei bei der Gründung
des Staates gemacht worden sind, Rechnung getragen werde, oder
daß die programmatischen Forderungen der Partei erfüllt
werden, sondern es ist ein schäbiges Verhandeln über
Ministersitze über eine Anzahl von Stellungen, über
persönliche Vorteile, die gewährt werden sollen. Aber
wir müssen anerkennen und feststellen, daß die Partei,
um die es sich handelt, bei den Verhandlungen ziemlich zähe
ist und soviel als möglich herauszuschinden sucht. Es haben
sich eben die Slovaken ein Beispiel an den Verhältnissen
des alten Österreich genommen und sie führen die Verhandlung
so ähnlich, wie sie im alten Österreich von den Polen
geführt worden sind. Der èechoslovakische Staat ist
nicht nur ein Nachfolgestaat des alten Österreich
- wir haben es immer schon festgestellt, daß er ähnlich
wie das alte Österreich in seiner Zusammensetzung ist und
ähnliche Schwierigkeiten durchzumachen haben wird, wie das
alte Österreich, weil er kein National-, sondern ein Nationalitätenstaat
ist. Bei diesen Schwierigkeiten zeigt es sich, daß auch
die Methoden des alten Österreich angewendet werden, daß
man, um über die Schwierigkeiten hinwegzukommen, verhandeln
und Zugeständnisse machen muß, und es zeigen sich,
wie ich sagte, die Slovakenziemlich hartnäckig, sie sind
nicht gewillt, so ohne weiteres, auf bloße Versprechungen
hin, in die Regierung einzutreten und der Regierung das zu apportieren,
was sie wünscht. An dem Verhalten der Slovaken bei diesen
Verhandlungen hätten jene Parteien, die bereits in die Regierungsmehrheit
eingetreten sind, sich ein Beispiel nehmen sollen. Ich meine die
Parteien des deutschen Bürgertums, die der Zollmehrheit angehören.
Sie sind in die Regierung eingetreten, sie haben sich der Mehrheit
angeschlossen, ohne daß ihnen irgend welche Zugeständnisse
gemacht worden sind, und ohne daß die Voraussetzungen für
einen solchen Eintritt gegeben gewesen wären. Es haben das
die Führer der einzelnen Parteien ohneweiters zugegeben,
daß ihnen keine Versprechungen und Zugeständnisse gemacht
wurden und daß sie sich bedingungslos bereit erklärt
haben, in die Mehrheit einzutreten. Und nun haben sie wohl durch
diesen Eintritt in die Regierung eine Stärkung des èechischen
bürgerlichen Blocks herbeigeführt, aber es ist der Regierung
bisher noch nicht gelungen, die feste Mehrheit
zu finden, die sie braucht.
Wie wenig die Voraussetzungen für den
Eintritt in die Regierung erfüllt worden sind, haben wir
bei der Behandlung des Staatsvoranschlages im Budgetausschuß
sehen können. Ich will nur zwei Beispiele herausgreifen,
zunächst die Behandlung, die man dein Herrn Justizminister
angedeihen ließ. Der Herr Justizminister hat es gewagt,
zur Zeit, als sein Kapitel zur Beratung gestellt wurde, im Budgetauschuß
zu erscheinen. Es war das eine große Verlegenheit
für seine Bundesgenossen, die èechischen Parteien,
und so wurden alle Anstrengungen gemacht, damit der Herr Justizminister
wieder aus dem Budgetausschusse verschwinde. Auf Grund der Feststellungen,
daß der Herr Justizminister abkommandiert wurde, haben
verschiedene der Herren festzustellen versucht, daß es nicht
richtig sei, daß er abkommandiert wurde und daß er
nur deshalb an der Verhandlungen nicht teilnahm, weil er an einer
wichtigen Sitzung teilzunehmen hatte. Wie wenig das zutrifft,
erhellt am besten daraus, daß er auch am nächsten Tage,
als diese so wichtige Sitzung nicht mehr stattgefunden hat, nicht
erschienen ist. Es zeigt sich also, daß das Nichterscheinen
des Justizministers im Budgetausschuß bei der Verhandlung
des Kapitels Justiz nur auf den Umstand zurückzuführen
ist, weil man gefürchtet hat, es könnte dem Herrn Justizminister
einfallen, im Budgetausschuß ein deutsches Wort zu verlieren.
Das zweite Beispiel, das uns zeigt, wie wenig man den Bedürfnissen
der Minderheit Rechnung trug und dem Umstande, daß Parteien
der sprachlichen Minderheit in die Regierungsmehrheit eingetreten
sind, war die Behandlung, die man einem Berichterstatter der neuen
Regierungsparteien angedeihen ließ. Es hat der Abg. Windirsch,
seinen Bericht in deutscher Sprache fortgesetzt, den er in der
Staatssprache begonnen hat. Sofort wurde er vom Vorsitzenden des
Budgetausschusses unterbrochen, der ihm mitteilte, daß es
nach der Geschäftsordnung unzulässig sei, sich der deutschen
Sprache zu bedienen. Es haben also die Herren nicht nur beim Eintritt
in die Regierung sich nicht gewisse Sicherungen verschafft, sondern
es sogar unterlassen, sich diese Sicherungen zu verschaffen, als
sie Referate im Budgetausschuß übernahmen. Es war also
kein angenehmes Geschenk für die deutschen Regierungsparteien,
daß man ihnen èechischerseits solche Referate überlassen
hat. Die Herren der deutschen Regierungsparteien hätten sich
die Demütigung, die man ihnen angetan hat, wohl ersparen
können, wenn sie sich vorher vergewissert hätten, ob
man ihren Bedürfnissen und ihren Anforderungen
Rechnung tragen werde. Aber wir haben nicht nur eine Demütigung,
sondern auch einen erbärmlichen Rückzug der deutschen
Regierungsparteiler bei der Beratung des Voranschlages im Budgetausschuß
erlebt. Nicht das erstemal wurde der Versuch unternommen, als
Berichterstatter sich der deutschen Sprache zu bedienen. Nach
Zusammentritt des gewählten Parlamentes im Jahre 1920 haben
auch wir Referate zugewiesen bekommen. Man hat es eine zeitlang
geduldet, daß die Berichterstatter in deutscher Sprache
referiert haben und nur das Petit des Berichtes am Schluß
in der Staatssprache vorgebracht haben. Als aber das erstemal
der Versuch unternommen wurde, in den verschiedenen Ausschüssen
zu verhindern, daß wir uns unserer Muttersprache bedienen,
haben wir es abgelehnt, weiter zu referieren und haben Referate
natürlich nicht mehr übernommen. Diese Art haben die
Herren der Regierungsparteien nicht gewählt, wie die geprügelten
Hunde sind sie wieder hereingekommen und habenden Anforderungen
von Seiten der Majorität Rechnung getragen. In einer lendenlahmen
Erklärung haben sie zum Ausdruck gebracht, daß ihr
Bestreben dahin gehen werde, die Geschäftsordnung, welche
jetzt allerdings gehandhabt werden müsse, zu ändern.
Aber Zusicherungen, daß die Änderungen der Geschäftsordnung
auch wirklich vorgenommen werden, haben sie nicht erhalten und
haben sich auf solche Zusicherungen auch nicht berufen können.
Sie sehen also die Behandlung der deutsch-bürgerlichen Regierungsparteien
durch ihre Bundesgenossen und den gewaltigen Unterschied, der
besteht zwischen den Slovaken und den deutschen Regierungsparteien
bei den Verhandlungen über den Eintritt in die Regierung.
Und wenn man nun frägt: "Wie ist
es denn doch zur Bildung dieser Koalition gekommen und wie ist
es möglich gewesen, daß Deutsche in die Regierung eingetreten
sind?" so ist die Antwort darauf, daß der Kitt für
diese Mehrheit einzig und allein in der Interessengemeinschaft
der bürgerlichen Parteien der beiden Nationalitäten
gelegen ist, welche bei den Zöllen, wo man ohne Rücksicht
auf die Schädigung der breiten Massen den Forderungen der
Agrarier entsprach, und bei der Kongrua, durch die wieder den
Forderungen der Klerikalen und Christlich-Sozialen Rechnung getragen
wurde, zum Ausdrucke kam. Nun sind diese Parteien weiter beisammengeblieben,
haben die Einigung durch den Eintritt in die Regierung gefestigt.
Jetzt besteht die Interessengemeinschaft darin, daß sie
das Bestreben haben, die sozialen Errungenschaften der Revolutionszeit
und der Nachkriegszeit zubeseitigen. Wenn wir uns das Programm
der bürgerlichen Parteien und die Äußerungen einzelner
ihrer Wortführer ansehen, kommen wir darauf, daß das
Bindeglied dieser Parteien ihre antisozialen Bestrebungen sind.
Als wir das anläßlich der Beratung des Voranschlages
festgestellt haben, hat der Herr Generalberichterstatter Hnídek
uns darauf geantwortet, das sei nicht richtig, die gegenwärtige
Regierungsmehrheit sei keineswegs antisozial, habe keine antisoziale
Tendenz und antisozialistisch sei nicht gleich mit antisozial,
es sei nicht das Bestreben der Regierungsmehrheit, antisozial
zu wirken, es sei nur eine antisozialistische Mehrheit, die sich
zusammengefunden habe. Von anderer Seite lesen wir es anders.
Voreinigen Tagen hat ein Führer der deutschen Mehrheit das
Wort ergriffen, Herr Arbeitsminister Dr. Spina, welcher
u. a. erklärt hat: "Ich möchte nicht sagen, daß
unsere Koalition geradezu gegen die Sozialisten gerichtet ist,
immerhin aber bringt es die wirtschaftliche Entwicklung mit sich,
daß deren weitgehenden Ansprüchen entgegengetreten
werden muß". Der eine der Herren, der Führer der
èechischen Koalitionsparteien, erklärt: "Antisozialistisch,
nicht antisozial", und der andere Führer der "Deutschbürgerlichen,
erklärt: "Nicht antisozialitisch, aber antisozial".
Es ist selbstverständlich, daß die beiden das gleiche
meinen, daß der eine wohl zugibt, daß das Kabinett
gegen die Bestrebungen der Sozialisten gerichtet ist und das der
andere nur verhüllt und verblümt sagen will, daß
es eine antisozialistische Mehrheit ist. Er bestreitet nur, daß
sie antisozial handeln wolle. Wir können aber feststellen,
daß doch Herr Spina recht hat und Herr Hnídek
mit seiner Ausrede im Unrecht ist. Voranschlag, Motivenbericht,
Exposé des Herrn Finanzministers Dr Engliš und
Verlauf der Verhandlungen im Budgetausschuß bieten uns genügend
Beweismaterial über die Absichten der Koalitionsparteien,
soweit diese Absichten nicht schon in die Tat umgesetzt worden
sind, woraus wir ersehen können, welche Umstände das
innige Verhältnis der gegenwärtigen Regierungsparteien
herbeigeführt haben. Aus den Ziffern des Voranschlages ersehen
wir, daß es die antisozialistischen Tendenzen sind. Der
Herr Finanzminister hat in seinem Exposé rühmend hervorgehoben,
daß der heurige Voranschlag wirklich aktiv ist und einen
Überschuß von 20 Millionen Kronen abwerfen werde. Es
sei der Überschuß nicht konstruiert, sondern wirklich
vorhanden und er hätte, wenn man den Voranschlag auf die
Art des vorjährigen Voranschlages zusammengestellt hätte,
noch bedeutend größer sein können. Und der Herr
Finanzminister führte an, daß dieses günstige
Verhältnis bei dem Voranschlag herbeigeführt werden
konnte, weil das Bestreben bestand, nicht nur Mehreinnahmen zu
schaffen, sondern auch möglichst viele Ersparungen zu machen.
Wenn wir uns nun die Mehreinnahmen, mit denen der Herr Finanzminister
rechnet, ansehen, so ist es die ausschlaggebende Post von 1.044,400.000
Kronen, welche beim Kapitel Finanzministerium als Mehrertrag verzeichnet
wird. Dieser Mehrertrag soll erzielt werden, ohne daß bei
der Zusammenstellung des Voranschlages auf die Steuergesetze,
welche demnächst zur Beratung gestellt werden, Rücksicht
genommen wurde. Der Mehrertrag soll nicht nur dadurch erzielt
werden, daß die Steurrückstände aus früheren
Jahren eingebracht werden sollen, sondern auch dadurch, daß
außerdem ein Mehrertrag bei verschiedenen Steuergattungen,
insbesondere bei der Umsatz- und Luxussteuer erzielt werden soll.
Der Herr Generalberichterstatter gibt in seinem Berichte auch
zu, daß dieser Mehrertrag zum Teil herbeigeführt werden
soll durch das Erträgnis der Zölle, durch auf Grund
des von der gesetzgebenden Körperschaft beschlossene Zollgesetzes.
Wir haben uns selbstverständlich im Budgetausschuß
eingehend mit dieser größten Steuerpost, mit der Umsatzsteuer,
beschäftigt und dem Herrn Finanzminister Dr Engliš
seine Meinung über die Umsatzsteuer, deren größeres
Erträgnis er herbeizuführen beabsichtigt, in Erinnerung
gerufen. Ich habe dem Herrn Finanzminister Dr Engliš
einige Sätze aus seiner Broschüre über die Umsatzsteuer
vorgelesen und darauf verwiesen, daß er es war, der die
Umsatzsteuer als eine unmoralische und antisoziale Steuer, welche
die Ärmsten der Bevölkerung am meisten treffen wird
und welche auf diese abgewältzt werden wird, bezeichnete,
und der dann in dieser seiner Broschüre zu dem Schlusse kam,
daß diese Steuer nicht lange bestehen bleiben könne,
sondern, weil sie antisozial und unmoralisch ist, sei das Gesetz
nur befristet und die Steuer müsse wieder aus der Welt geschaffen
werden. Darauf hat uns nun der Herr Finanzminister geantwortet
und erklärt, das beste Mittel, die Umsatzsteuer um ein halbes
Prozent herabzusetzen, wäre, dafür zu sorgen, daß
ein höherer Ertrag erzielt werde. Wenn dieser höhere
Ertrag erzielt wird, dann sei es möglich, an die Herabsetzung
der Umsatzsteuer zu denken. Keine Rede also mehr von der Beseitigung
der Steuer, die die Bevölkerung so arg belastet, sondern
ein größerer Druck, damit der Eingang an Steuern ein
höherer werde. Auch die Haltung des Herrn Finanzministers
zu den Zöllen ist äußerst interessant. Wir haben
im Exposé des Herrn Finanzministers, auch im Motivenbericht
und dann in seinen Ausführungen im Budgetausschuß gehört,
daß seine Ansicht dahin geht, daß die Einführung
fester Zölle eine Gesundung der Volkswirtschaft dieses Staates
herbeiführt, weil durch die Einführung der Zölle
eine Steigerung der Kaufkraft der Bevölkerung dieses Staates
eintritt. Er hat dann wohl zugestehen müssen, daß eine
Steigerung der Kaufkraft nur eines geringen Bruchteiles der Bevölkerung
zu erwarten ist, daß aber die Folge der Zölle und der
Handels-Politik, die getrieben wurde, eine weitere Verelendung
der Massen der Bevölkerung dieses Staates sein wird.
Und nun einige Worte zu den Ersparungen. Der
Herr Finanzminister hat sich ungeheuer viel darauf zugute getan,
daß am meisten dort gespart wurde, wo die größte
Angriffsfläche war, nämlich beim Landesverteidigungsministerium,
wo gegenüber dem Voranschlage des Jahres 1926 ein um 505,380.000
Kronen geringerer Betrag eingesetzt worden ist. Wenn wir der Sache
aber etwas näher treten, so finden wir, daß es mit
dieser Ersparung, die da gemacht werden soll, nichts anderes ist,
als ein plumper Schwindel. 505 Millionen geringere Ausgaben beim
Kapitel Landesverteidigungsministerium, glechzeitig aber 315 Millionen
Kronen, welche durch 11 Jahre alljährlich, wenn die Rüstungsvorlage
angenommen sein wird, ausgegeben werden sollen. Diese 315 Millionen
kommen nun nicht beim Kapitel Landesverteidigungsministerium zum
Ausdruck, sondern sind in der allgemeinen Kassenverwaltung enthalten.
Es ist also keine Rede davon, daß beim Militarismus der
Betrag von 500 Millionen erspart werden soll, sondern ein um 315
Millionen geringerer Betrag, und dafür haben wir in der Rüstungsvorlage
nicht nur vorgesehen, daß 315 Millionen durch 11 Jahre hindurch
alljährlich ausgegeben werden sollen, sondern es soll auch
das Heereserfordernis in den folgenden 11 Jahren kein geringeres
sein und es wird fixiert, daß die Ausgaben für die
Armee auch gleich bleiben sollen. Wo sind dann die anderen Ersparungen,
die beim Kapitel Militarismus gemacht werden? Die ganz willkürliche
Einstellung der Teuerungszulagen und die Ersparungen, die bei
der Mannschaftsverpflegung gemacht werden sollen. Sie sehen, daß
selbst bei diesen Ersparungen antisozial vorgegangen wird. Erspart
wird bei der Mannschaft. Schauen wir uns aber dann die anderen
Ersparungen an, die gemacht werden. Wir finden diese Ersparungen
insbesondere beim Kapitel "Soziale Fürsorge" wo
eine Verringerung der Ausgaben um 12,200.000 Kronen eintreten
soll, aber bei diesem Kapitel insbesondere in den einzelnen Posten
zum Ausdruck kommen. Es soll gespart werden dort, wo es die Bevölkerung
am härtesten trifft - bei der Arbeitslosenfürsorge einerseits
und bei der Fürsorge für Kriegsbeschädigte andererseits.
Der Herr Finanzminister hat in seinem Exposé erklärt,
es sei notwendig, daß eine Reform des Kriegsbeschädigtengesetzes
vorgenommen werde, es sei ferner notwendig, daß die kleinen
Renten beseitigt werden, damit man den Hundertprozent-Invaliden
mehr geben könne. Das ist aber nicht der Zweck der Übung,
denn der Herr Finanzminister hat in seinem Exposée auch
ausdrücklich erklärt, ohne Reform des Kriegsbeschädigtengesetzes
könne das Budget nicht aktiv erhalten werden. Und als ihm
der Vorwurf gemacht wurde, daß er durch diese seine Anregungen
antisozial handle, erklärte er, daß er sich in eine
Diskussion darüber einlassen möchte, ob es eine antisoziale
Handlung sei, die kleinen Renten zu drosseln, um die Renten der
Meistbeschädigten zu erhöhen. Wir haben ihm darauf erwidert,
daß es eine antisoziale Handlung ist und daß antisoziale
Absichten seinerseits bestehen, erhelle daraus, daß er nicht
die Absicht habe, die kleinen Renten nur zu drosseln, um die Renten
der Mehrverletzten zu erhöhen, sondern daß aus seinen
Worten: "ohne Reform dieses Kriegsbeschädigtengesetzes
kann das Budget nicht aktiv gehalten werden", hervorgehe,
daß die Absicht bestehe, das Kriegsbeschädigtengesetz
so zu ändern, daß der Staat Ersparungen machen könne.
Nun wissen wir, daß die Lage der Kriegsbeschädigten
ohnehin eine elende ist, daß es notwendig wäre, den
Forderungen der Kriegsbeschädigtenorganisationen Rechnung
zu tragen. Vor kurzem haben sich hier in der gesetzgebenden Körperschaft
Deputationen der Kriegsbeschädigtenorganisationen eingefunden,
die bei Vertretern der verschiedenen Parteien dieses Hauses vorgesprochen
haben. Da war es ganz lustig, mit anzusehen, wie der Vertreter
der Christlichsozialen Herr Bobek, mit dem die Vertreter
der deutschen Kriegsbeschädigtenorganisationen sprachen,
ihnen versicherte, daß die christlich-soziale Partei mit
aller Entschiedenheit für die Durchführung der Forderungen
der Kriegsbeschädigten eintreten werde. Die Kriegsbeschädigtenorganisationen
haben im ganzen Reiche Versammlungen abgehalten und halten solche
noch ab. Sie laden zu diesen Versammlungen auch die Vertreter
der bürgerlichen Parteien ein. Und die Herren der Mehrheitsparteien,
der Zollkoalition, erscheinen in dem Versammlungen, anerkennen
die Berechtigung der Forderungen der Kriegsbeschädigtenorganisationen
und versprechen verbindlich, daß sie für die Durchführung
der Forderungen der Kriegsbeschädigten eintreten werden.
(Výkøiky.) Und
welcher Schwindel mit den Allerärmsten getrieben wird, dafür
wieder als Beispiel die Verhandlung des Staatsvoranschlages. Der
Finanzminister gibt zu, daß man denselben Betrag wie im
Jahr 1926 für die Kriegsbeschädigten eingestellt hat,
obwohl man im Jahre 1925 für sie um 145 Millionen mehr gebraucht
hat, als im Voranschlag enthalten gewesen ist. Es wurde uns sowohl
vom Herrn Berichterstatter als vom Herrn Finanzminister erklärt,
der Voranschlag sei ganz richtig, denn man habe zur Grundlage
der Zusammenstellung des Voranschlages die wirklichen Ziffern
des Jahres 1925 genommen, insbesondere die Einnahmenziffer, und
da zeige es sich, daß es nicht fingierte Ziffern, sondern
richtige seien. Hier müssen wir feststellen, daß bei
dieser so wichtigen Ausgabepost um 145 Millionen weniger eingestellt
wurden, als im Jahre 1925 ausgegeben werden mußte. Es ist
selbstverständlich, daß wir im Budgetausschuß
bei der Verhandlung des Voranschlages den Antrag einbringen mußten,
daß die Post "Invalidenfürsorge" um den Betrag
erhöht wird, der im Jahre 1925 mehr ausgegeben wurde. Und
all die Vertreter der Parteien, die den Kriegsbeschädigten
Versprechungen gemacht haben und in den Versammlungen weiter Versprechungen
machen, haben im Budgetausschuß den Mut aufgebracht, unseren
Antrag niederzustimmen. Es hat sich also gezeigt, daß es
ihnen nicht ernst damit ist, das, was sie versprochen haben, auch
einzulösen. (Výkøiky nìm.
soc. demokratických poslancù.)
Wenn ich schon davon gesprochen habe, daß
der Finanzminister und auch der Generalberichterstatter sich auf
die Ziffern von 1925 berufen haben, um festzustellen, daß
der Voranschlag aktiv ist, so möchte ich mir erlauben, an
den Herrn Generalberichterstatter und an den Herrn Finanzminister
die Anfrage zu stellen, ob er wirklich der Ansicht ist, daß
er die Ausgaben, die auf Grund des Paritätsgesetzes gemacht
worden sind, rückvergütet bekommen wird, daß es
sich bei diesen Ausgaben um Vorschüsse gehandelt hat, die
den autonomen Körperschaften gegeben worden sind. Diese Beträge,
die da ausgegeben wurden, sind nämlich bei der Zusammenstellung
des Voranschlages nicht berücksichtigt worden. Wären
sie berücksichtigt worden, so hätte der Voranschlag
nicht mit einem Überschuß, sondern mit einem Defizit
abgeschlossen werden müssen. Sie ersehen also auch schon
daraus, daß man sich nicht nur bei der Post "Invalidenfürsorge",
sondern auch sonst nicht an die Ziffern des Jahres 1925 gehalten
hat.