Pondìlí 22. listopadu 1926

Bei der Arbeitslosenfürsorge müssen wir feststellen, daß im Voranschlag für 1927 nurmehr 11 Millionen Kronen ausgeworfen erscheinen, wogegen im Voranschlag für 1926 noch ein Betrag von 27 Millionen für Arbeitslosenfürsorge eingestellt war. Wenn wir nun in Vergleich ziehen die Ausgaben, die im Jahre 1925 und noch im ersten Viertel des Jahres 1926 gemacht worden sind, müssen wir feststellen, daß schon der Betrag von 27 Millionen Kronen im Voranschlag für 1926 eine ganz bedeutende Drosselung der Ausgaben für die Arbeitslosenfürsorge bedeutet, eine Drosselung auf Grund des Genter System herbeigeführt hat. Als der Grundsatz über das Genter System in der gesetzgebenden Körperschaft beschlossen und in dasselbe der Passus übernommen wurde, daß das Gesetz erst zu einem Zeitpunkt in Kraft trete, der von der Regierung im Verordnungswege festgelegt wird, hat es wohl niemanden in der gesetzgebenden Körperschaft gegeben, der der Ansicht war, daß man das Gesetz zur Zeit der Wirtschaftskrise in Kraft setzen könne. Eine Arbeitslosenfürsorge auf Grund des Genter Systems oder auch auf Grund einer obligatorischen Arbeitslosenversicherung kann eingeführt werden nicht zur Zeit des Stagnation und Krise, sondern nur zur Zeit eines günstigen Geschäftsganges, wo die Arbeiter auch die Möglichkeit haben, sich durch Beitragsleistung die Fürsorge zu sichern. Wenn man Arbeitslosenfürsorge durchführt durch Versicherung oder auf Grund des Genter Systems zur Zeit der Krise, ist es selbstverständlich, daß nur ein geringer Bruchteil der durch die Arbeitslosigkeit betroffenen Personen der Unterstützungssätze teilhaftig werden kann. Deshalb stehen wir auf dem Standpunkt, daß eben zur Zeit der Krise ein solches System, sei es das Genter System, oder die Versicherung, nicht durchgeführt werden kann, sondern daß zur Zeit der Krise eben, wenn andere Vorsorgen nicht schon getroffen worden sind, ausgiebige Staatshilfe zu leisten notwendig ist. Wir sind ja nicht unbedingt für unproduktive Arbeitslosenfürsorge, wir sind für die sogenannte produktive Arbeitslosenfürsorge. Schaffen Sie Arbeitsgelegenheit, wenden Sie die entsprechenden Mittel auf und richten Sie auch ihre ganze Handlungsweise so ein, daß Arbeitsgelegenheit geschaffen wird, dann werden Sie die Massen der Arbeiter sicherlich mehr befriedigen als die beste Arbeitslosenfürsorge. Wenn aber Arbeitsgelegenheit nicht geschaffen wird, dann ist es Pflicht des Staates einzugreifen, um der Verelendung der Massen vorzubeugen. Und in welch geringem Umfang das geschieht, zeigt uns wieder der Voranschlag. 11 Millionen Kronen für das Jahr 1927 für diesen Zweck, das ist die Antwort des Herrn Finanzministers. Und als wir Kritik an dieser Drosselung übten, meinte er, daß ja das Arbeitslosenfürsorgegesetz geändert und verbessert werden könne, wenn es sich als notwendig erweisen sollte, höhere Beträge zu geben, so hindere nichts, diese höheren Beträge in einem Nachtragskredit anzufordern, als ob jetzt schon Aussicht bestände, daß es in Zukunft werde besser werden, daß wir in Zukunft weniger an Arbeitslosenunterstützung brauchen könnten.

Bei den sozialen Lasten hat Herr Dr Engliš sehr damit geprotzt und geprahlt, was die Èechoslovakei bloß an sozialen Fürsorgeeinrichtungen schon alles geschaffen habe. Und um mit diesen Leistungen ja recht in die Höhe zu kommen, hat er zus ammengerechnet, nicht nur was in den Kapiteln "Soziale Fürsorge", "Gesundheitswesen" und "Volksernährung" ausgegeben wird, sondern er hat außerdem zu den sozialen Lasten die Pensionen hinzugerechnet, die der Staat seinen Bediensteten zahlt, als ob hier nicht eine Pflicht des Arbeitgebers wäre, diese Last zu tragen. Es ist das keine allgemeine Fürsorge, sondern einzig und allein die Fürsorge des Arbeitgebers gegenüber seinen Angestellten. Der Finanzminister ist dann noch weiter gegangen und es wirkt geradezu lächerlich, wenn er in seinem Exposé davon spricht, daß ja nicht einmal alle sozialen Fürsorgezwecke erfaßt worden sind. Denn, hört und staunet: Es ist auch eine soziale Fürsorge des Staates, daß er Kohle aus gewissen Gruben mit minderer Qualität für den Staatsbedarf bestellt und daß er bei der Deckung des staatlichen Bedarfes nicht auf die Qualität Rücksicht nimmt, sondern auf die Bedürfnisse der Arbeiterschaft. Das sei eine soziale Fürsorgetätigkeit der èechoslovakischen Regierung. Wir haben im Budgetausschusse angeregt, daß die Regierung, sowie es früher geschah, der gesetzgebenden Körperschaft periodische Ausweise vorlegt, von wo der Staat die Regiekohle eigentlich bezieht. Diese Ausweise haben wir verlangt, nicht zu dem Zwecke, um nur zu überprüfen, ob die Behauptungen des Herrn Finanzministers stichhältig sind, sondern damit wir die Quellen wissen, wo Korruption geübt wird, (Sehr richtig!) und wenn der Herr Finanzminister nicht dafür sorgt, daß diese Ausweise herausgegeben werden, wenn die Ausgabe der Ausweise eingestellt worden ist, so einzig und allein aus dem Grunde, um zu verschleiern, wo die Korruption geübt wird und wo die Quellen sind, von denen das Eisenbahnministerium die Kohle bezieht. Es wäre also beinahe besser gewesen, wenn der Herr Finanzminister das für die Regierung etwas heikle Kapitel des Bezuges der Regiekohle nicht behandelt und nicht gestreift hätte. Denn das Kratzen bei diesem Punkte dürfte ihm ein bißchen unangenehm und gefährlich sein, nicht ihm persönlich, sondern der Regierung. Wenn wir uns die Ausführungen des Herrn Finanzministers weiter durchlesen, so müssen wir natürlich unserer Überraschung Ausdruck geben, welcher Wandel sich in den Ansichten des Herrn Dr Engliš vollzogen hat. Es hat am Freitag Koll. Kreibich in seinen Ausführungen davon gesprochen, daß die Sozialdemokraten beim Finanzminister eine soziale Ader entdeckt hätten. Ich weiß nicht, gegen wen dieser versteckte Angriff gerichtet war, weil Koll. Kreibich keinen Unterschied zwischen uns und den èechischen Sozialdemokraten gemacht hat, sondern nur allgemein von den Sozialdemokraten gesprochen hat, aber ich gebe unumwunden zu, daß ich im Budgetausschuß den Herrn Finanzminister an seine bessere Vergangenheit erinnert habe, ich habe mir erlaubt, nicht nur einiges aus seiner Broschüre über die Umsatzsteuer zu verlesen, sondern ihn auch an manche seiner Artikel zu erinnern, die er in seinem Organ, den "Lidové Noviny", veröffentlicht hat. (Posl. Pohl: Das war aber vor der Zeit, bevor er Verwaltungsrat der Berg- und Hüttengesellschaft wurde!) Ich habe meiner Überraschung Ausdruck geben, daß ein solcher Wandel in den Ansichten des Herrn Finanzministers eingetreten ist. Mag sein, daß Koll. Pohl mit seinem Zwischenruf recht hat, daß das vor der Zeit gewesen ist, ehe er Verwaltungsrat der Berg- und Hüttengesellschaft wurde, aber ich meine, es war nicht nur das die Ursache des Gesinnungsumschwunges des Herrn Finanzministers, sondern Dr Engliš fühlt sicht halt jetzt ganz als der Finanzminister der Zollkoalition, nachdem er nun in diesem Kabinett eigentlich keine Partei vertritt, sondern eigentlich ein Beamtenminister ist. (Posl. Pohl: Ein gekaufter Wissenschaftler!) Mag sein, daß Du Recht hast, daß er als gekaufter Wissenschaftler zu behandeln ist und als solchen möchte ich ihn auch behandeln hat er sich eben von der Regierung für diesen Zweck mißbrauchen lassen. Aber wenn man sein Exposé durchliest, so kommt man auch noch zu einer anderen Ansicht, nämlich, daß Finanzminister Dr Engliš den Befähigungsnachweis als Mitglied der agrarischen Partei erbringen will. Denn so sehen seine Äußerungen zur Begründung der Taten der Zollkoalition aus. Dr Engliš ist aber nicht nur als Wortführer der Agrarier bei der Begründung des Budgets aufgetreten, sondern er hat in seinem Exposé auch erklärt, daß die Ziffer, welche wir in der Èechoslovakei für Kulturzwecke verausgaben, zu ernsten Erwägungen anrege und zwar dahingehend, ob sie unserer volkswirtschaftlichen Tragfähigkeit entspricht. Es wäre nicht möglich, auf materieller Not Kultur aufzubauen, hat der Herr Finanzminister gesagt. Das bedeutet, daß er der Ansicht ist, daß man sparen müsse auch bei den Ausgaben für Kulturzwecke, daß man das Schulbudget drosseln müsse. Dieser Teil seiner Ausführungen hat sofort ein Echo gefunden, es war zwar nicht gerade einer der Klerikalen, sondern Herr Dr Kramáø war es, der heraufgegangen ist und erklärt hat, man müsse auch bei den Kulturausgaben sparen, denn es gehe nicht an, in einer Zeit der Not hier einen großen Aufwand zu treiben. Herr Dr Engliš ist, reaktionär geworden in allen seinen Äußerungen, nicht nur bei der Begründug des Staatsvoranschlages, sondern auch noch weiterhin.

Es hat sich Herr Dr Engliš im Exposé schon mit der Steuerpolitik des Staates befaßt und auseinandergesetzt, welche Unterschiede zwischen Produktionssteuern und den anderen Steuergattungen gemacht werden müssen, wie notwendig es sei, daß wir in der Èechoslovakei eine solche Politik betreiben, daß wir konkurrenzfähig werden, und zu dem Zwecke sei es notwendig, die sogenannten Produktionssteuern herabzusetzen, damit wir im Stande seien, unsere Produkte im Auslande billiger abzugeben. Wenn wir uns nun ansehen, wie das Herr Dr Engliš bei diesen Steuern meint, so brauchen wir uns nur das Steuergesetz anzusehen, das dem Hause vorgelegt worden ist. Herabsetzung der Steuern für die Besitzklassen, Auflastung der Steuern auf die besitzlosen Klassen oder zumindest nicht die gleiche Herabsetzung der Steuerlasten für die besitzlosen Klassen wie für die Besitzklassen. Insbesondere als eine der Erschwerungen der Produktion und eine die Produktionskosten vermehrende Last empfindet es der Finanzminister, daß manche Unternehmer von ihrem Recht, die Einkommensteuer ihren Angestellten abzuziehen, keinen Gebrauch machen und die Einkommensteuer selbst bezahlen. Die Bankangestellten haben es ihm besonders angetan. Es müsse der Zinsfuß herabgesetzt werden und ein wirksames Mittel zur Herabsetzung des Zinsfusses sei die Verminderung der Regiekosten, herbeigeführt dadurch, daß sich die Angestellten ihre Einkommensteuer selbst zu bezahlen haben. Der Herr Finanzminister wurde von der Presse eingeladen, diesen seinen Standpunkt etwas näher zu begründen, und er hat in den "Lidové Noviny" einen Artikel über die Unübertragbarkeit der Einkommensteuer geschrieben. Auf die Fragen, die ihm gestellt wurden oder die er bestellt hat - das ist ja ganz gleichgültig - hat er nun die Antwort gegeben: "Wenn der Unternehmer für seine Angestellten die Zahlung der Einkommensteuer übernimmt, verliert diese Steuer ihren Charakter und wird zu einem Teil der Produktionskosten selbst. Sie tangiert das Produkt vor dessen Fertigstellung, verändert sich also in eine Produktionssteuer, die methodologisch am stärksten zu bemängelnde Art der Steuer". Daher hinweg mit dem Unfug, der darin besteht, daß man den Angestellten die Steuern nicht abzieht, sondern daß die Steuer vom Unternehmer bezahlt werde. Als ob das eine neuere Erscheinung wäre, herbeigeführt zu dem Zwecke, dem Staate etwas zu nehmen. Wir wissen ja, daß, seit wir eine Einkommensteuer haben, es sehr viele Privatunternehmungen gibt, die von dem Abzugsrecht keinen Gebrauch machen. Aber die Unternehmer sind nicht etwa Wohltäter, wenn sie die Personaleinkommensteuer nicht abziehen, denn nicht aus ihrem Sack bezahlen sie diese Steuer, sondern sie zahlen den Angestellten eben um das weniger Lohn oder Gehalt. So ist doch eigentlich der Sachverhalt. Wenn der Herr Finanzminister der Ansicht ist, daß er das so ohneweiters tun könne, irrt er sich, denn jede Änderung des bisherigen Systems bewirkt eine schwere Schädigung der betreffenden Angestellten. Die Überwälzung der Steuer auf sie bedeutet nichts anderes als eine Herabsetzung ihres bisherigen Einkommens, welches ohnehin jetzt in keinem entsprechenden Verhältnis zu den Kosten der Lebenshaltung steht. Der Herr Finanzminister hat aber nicht nur vom Sparen beim Staate gesprochen, sondern auch insbesondere von der Mißwirtschaft, die bei den autonomen Körperschaften herrscht, und davon, daß dort ein Sparzwang herbeigeführt werden müsse. Welche Absichten bestehen nun? Das ersieht man wieder aus einem Teil der eingebrachten Steuergesetze. Wir haben alle Ursache, schon bei dieser Gelegenheit mit aller Entschiedenheit gegen diese Absicht Stellung zu nehmen. Ich kann nicht umhin, bei dieser Gelegenheit wieder eine Frage zur Sprache zu bringen, die ich schon im Budgetausschuß angeschnitten habe. Die Gemeinden haben nicht nur große Lasten zu tragen, zu denen eigentlich der Staat verpflichtet wäre, Ausgaben in sanitärer Hinsicht, für Schulzwecke, für Arbeitslosenfürsorge, weil sie vom Staate so mangelhaft betrieben wird. Die Gemeinden haben ungemein auch darunter zu leiden, daß ihnen der Staat die Steuerhoheit genommen hat und daß sie angewiesen sind, alles oder das meiste im Umlagenwege aufzubringen. Wie hoch die Umlagen bei manchen Gemeinden durch die übermäßige Belastung werden, sehen wir insbesondere in Mähren. In Mähren wird noch das sogenannte Verpflegskostendrittel gezahlt. Die Gemeinden sind verpflichtet, ein Drittel der Verpflegskosten aus eigenem zu bezahlen. In manchen Gemeinden macht das Hunderte von Prozenten des Steuersatzes aus. Als wir die Frage anschnitten, war die Antwort des Herrn Finanzministers die: Es gehe nicht an, das zu beseitigen, sondern es sei notwendig, das was für Mähren ausnahmsweise gilt, auch in den anderen Ländern des Staates einzuführen. Ich kann nicht umhin zu sagen, daß wir uns mit aller Entschiedenheit nicht nur gegen die Aufrechterhaltung des Verpflegskostendrittels in Mähren, sondern auch gegen die Überwälzung auf die Gemeinden in den anderen Ländern zur Wehr zu setzen beabsichtigen.

Derselbe Finanzminister, der vom Sparen bei den autonomen Körperschaften spricht, sollte sich etwas mehr, als er es getan hat, mit der Schuldenwirtschaft des Staates beschäftigen. Als Staatsschuld werden 35 Milliarden ausgewiesen. 1.000,900.000 Kronen sind für den Zinsendienst, 600,000.000 Kronen für die Tilgung erforderlich, 50,000.000 Kronen für die Verwaltung der Staatsschulden, und es prahlt der Herr Finanzminister damit, daß er endlich das Verzeichnis der Staatsschulden der gesetzgebenden Körperschaft zur Verfügung gestellt hat, es mutet ganz eigenartig an, wenn man so liest in einem Berichte, der der gesetzgebenden Körperschaft gegeben wird, daß dieser Ausweis "sozusagen" vollständig sei. Dieses "sozusagen", das ist ein bischen eigenartig. Der Herr Berichterstatter hat sich auch mit den Staatsschulden beschäftigt und erklärt, es sei ganz überflüssig, sich über die Höhe der Staatsschuld den Kopf zu zerbrechen, solange man nicht die Höhe der Reparationsschuld bestimmen könne, und er hat gemeint, es seien Hirngespinste, wenn man von 20 Milliarden spricht. Ich kann dem Herrn Berichterstatter sagen, daß wir nicht nur von 20 Milliarden gehört haben, sondern daß wir auch schon von einem Betrage von 30 Milliarden gehört haben, und es war nicht ein beliebiger jemand, der das so nebenbei gesagt hat, sondern derjenige, der von den 30 Milliarden gesprochen hat, war der Minister des Äußern Dr Beneš. (Zpravodaj posl. dr Hnídek: Pane kolego, ten mluvil proti té ciføe, ten mluvil proti tìm 30 miliardám!) Ich weiß schon, daß er dagegen gewesen ist. Herr Generalberichterstatter, auch wir sind nicht daran interessiert, daß wir eine möglichst hohe Ziffer erzielen, sondern genau wie Herr Dr Beneš und Sie haben auch wir ein ganz eminentes Interesse daran, daß unsere Schuldmöglichstgering sei. Denn die Bevölkerung muß die Schulden bezahlen und die Kosten des Zinsendienstes aufbringen. Wir möchten aber schon einmal wissen, wieviel wir schuldig sind, damit das abschreckend und erzieherisch auf Sie wirke, damit Sie sehen, wie notwendig es ist, bei allen unproduktiven Ausgaben zu sparen. Deswegen, nicht aus bloßer Neugier, um Ihnen Verlegenheiten zu bereiten, wollen wir endlich einmal Klarheit darüber, was wir schuldig sind, und es wäre sehr gut, wenn man bei Zusammenstellung des Voranschlages auch schon auf diese Schuld, die man hat, etwas mehr Rücksicht nehmen würde. Die Bevölkerung leidet ungeheuer unter dem Steuerdruck, dem sie ausgesetzt ist. Die Belastung der Bevölkerung, insbesondere zur Deckung der unproduktiven Ausgaben, ist eine arge. Es hat der Herr Generalberichterstatter Hnídek in seiner Begründungsrede auseinandergesetzt, daß wir keine Ursache haben, zu klagen und zu winseln, es gehe uns gut. Genau so wie der Finanzminister hat auch der Herr Generalberichterstatter davon gesprochen, daß die Krise bei uns nicht ärger sei als anderwärts, daß sie ihren Höhepunkt schon überschritten habe, daß wir günstigen Zeiten entgegengehen können. Es hat der Herr Berichterstatter auch Ziffern gebracht und er hat die Èechoslovakei mit dem Auslande verglichen und auseinandergesetzt, daß es Länder gibt, in denen, auf den Kopf der Bevölkerung gerechnet, die Kosten des Voranschlages weit größer sind als bei uns. Ja, es hat uns der Herr Generalberichterstatter erklärt, wir seien nahe daran, ein Friedensbudget zu haben, nahe an den Ziffern der Vorkriegszeit. Ich hätte nur gewünscht, daß der Herr Generalberichterstatter auch bei der Gelegenheit festgestellt hätte, ob die Einkommensverhältnisse der Bevölkerung dieses Staates und die Wirtschaftsverhältnisse auch schon die gleichen geworden sind, wie vor dem Kriege, wenn er die Kaufkraft des Lohnes und die Löhne des einzelnen Arbeiters mit den Vorkriegslöhnen in Vergleich gezogen hätte. Dann könnte man protzen und prahlen, aber nicht mit den Ziffern, die der Generalberichterstatter erwähnt hat. Wenn der Generalberichterstatter die Ziffern des Auslandes mit denen der Èechoslovakei vergleicht, dann sage ich ihm, daß man mit Ziffern immer Schindluder treiben kann. Das ist keine Kunst. Wir müssen aber die Gesamtbelastung der Bevölkerung in Betracht ziehen, z. B. in England, mit allen Umlagen, nicht nur für den Staat, sondern auch für die autonomen Körperschaften. Dann werden Sie schon finden, daß der Vergleich mit der Èechoslovakei etwas hinkt. Nicht nur das, Sie müssen auch die Einkommensverhältnisse der Bevölkerung in England und den anderen Staaten mit den Einkommensverhältnissen bei uns in Vergleich ziehen und dann werden Sie nicht mehr so rosig sehen, wie es aus Ihrem Bericht hervorgegangen ist. Dann werden Ihre Brillen schon schwarz gefärbt sein und Sie werden darauf kommen, daß wir nicht Ursache zum Jubeln haben, sondern im Gegenteil alle Ursachen zum Klagen. Die Krise hat lange noch nicht den Höhepunkt überschritten und sie ist bei uns nicht weniger schmerzlich als in anderen Ländern. Die Ziffern, die Sie uns über die Arbeitslosigkeit anführen, sind ja auch nur Verhältnisziffern. Es kommt, wie ich dem Herrn Generalberichterstatter schon in einem Zwischenruf gesagt habe, bei der Erfassung der Arbeitslosen auf die Art der Zählung an, ob man imstande ist, alle Arbeitslosen zu zählen, ob man nur die zählt, die eine Unterstützung bekommen, oder die, die Arbeitsvermittlungsämter in Anspruch nehmen. Da sage ich, daß man selbst beim Ergebnis der Arbeitsvermittlungen die richtigen Ziffern nicht zu erfassen vermag. Denn wenn ich zum Arbeitsvermittlungsamte wiederholt gehe und erfahre, daß ich keine Arbeit bekommen kann, so unterlasse ich das nächstemal hinzugehen, weil es zwecklos ist. Es ist daher nur ein Bruchteil der Arbeitslosen, der durch die Arbeitsvermittlungsämter erfaßt wird. Nun haben Sie aber das ganze Elend der Bevölkerung nicht durch die Arbeitslosenziffer erfaßt. Gehen Sie hinaus in die Industriegebiete dieses Staates und schauen Sie sich an, wie es mit den beschäftigten Arbeitern aussieht, daß jahrelang Kurzarbeit betrieben wird, daß die Kurzarbeit eine ständige Einrichtung geworden ist, daß es Betriebe gibt, wo die Arbeiter 8 Tage in einem Monate beschäftigt sind und daß sie gut daran sind, wenn sie 3 Tage in der Woche regelmäßige Beschäftigung haben, wenn sie die Hälfte der normalen Zeit beschäftigt sind. Da ist das Elend groß, und das muß natürlich auch in Berücksichtigung gezogen werden. Nun hat die Regierung aber nicht nur die Absicht zu drosseln, wo es notwendig wäre zu unterstützen, die Regierungsparteien haben nicht nur eine weitere Verelendung herbeigeführt durch die Verteuerung der Lebensmittel infolge der Zölle und durch die Zollpolitik, sondern sie haben die Absicht - und der Herr Finanzminister hat es erklärt - mit der freien Wirtschaft auch des Wohnungswesens einzusetzen, denn nur durch die freie Konkurrenz am Wohnungsmarkt könne eine entsprechende Bauförderung herbeigeführt werden. Das Bauförderungsgesetz, das wir so notwendig brauchen würden, wird nicht durchgeführt, nicht in Angriff genommen, aber wir wissen, daß der Plan besteht, durch das Bauförderungsgesetz eine Erhöhung der Mietzinse herbeizuführen. Welche Folgen das hat, wissen wir. Die meisten Hausbesitzer haben die Mietzinse bereits ganz bedeutend in den alten Häusern in die Höhe getrieben, aber es gibt noch Ausnahmen in den armen Gegenden und bei ganz armen Leuten, wo sich die Hausbesitzer bisher gescheut haben, die Mietzinse entsprechend in die Höhe zu treiben. Wenn nun diese Novellierung kommen sollte, diese von Ihnen angekündigte Reform, so wird auch noch den allerärmsten Leuten der Mietzins in die Höhe getrieben werden und eine weitere Verelendung wird eintreten. Daß wir mit solchen antisozialen Handlungen, Taten und Absichten der Regierungsmehrheit zu rechnen haben, wissen wir ja.

Im Budgetausschuß war es einer der Herren der deutschen Gewerbepartei, welcher bei der Verhandlung des Staatsvoranschlages bittere Klage über die enorme Benachteiligung führte, der die Handelstreibenden durch die Sonntagsruhe-Bestimmungen ausgesetzt sind. Freilich, für die Herren der Gewerbepartei wäre es sehr gefährlich, sich mit dem Voranschlag und mit der Kritik des Voranschlages zu beschäftigen, denn wenn sie den Voranschlag so werten sollten, wie es den Interessen der Bevölkerung draußen entsprochen hätte, dann hätte die nächste Folge sein müssen, daß sie gegen den Voranschlag stimmen. Um nun dem auszuweichen wollen Sie sich mit allem anderen beschäftigen als mit dem, was mit dem Voranschlag zusammenhängt. Durchbrechung der Sonntagsruhe, das sind die größten Schmerzen der Herren von der deutschen Gewerbepartei, Durchbrechung des Achtstundentages, das sind die Schmerz en der Herren Agrarier, weg mit dem Achtstundentag, womöglich weg mit der Sozialversicherung oder zumindest weg mit der Sozialversicherung für die Landwirtschaft, das ist der Ruf auf beiden Seiten des Hauses, das ist die Interessengemeinschaft, die die Herren der bürgerlichen Parteien von links und rechts zusammengeführt hat, weg mit der einen Tat der früheren Nationalversammlung, reaktionäre Taten setzen, eine nach der andern, das ist ihr Ziel. Wir dagegen haben ein Interesse, daß das Sozialversicherungsgesetz durchgeführt werde, obwohl wir mit dem Sozialversicherungsgesetze natürlich nicht nach jeder Richtung hin einverstanden sind. Heute klagen jene z. B. darüber, daß ein Mädchen, welches in der Sozialversicherung jetzt Mitglied ist, nichts herausbekommt, wenn es aufgehört hat, versicherungspflichtig zu sein, daß so ein Mädchen nichts herausbekommt, wenn es heiratet. Wir deutschen Sozialdemokraten haben bei Verhandlung des Sozialversicherungsgesetzes dies ebenfalls als schwere Härte festgestellt und verlangt, daß genau so wie bei der Pensionsversicherung der Privatbeamten auch in der Sozialversicherung die Prämienrückerstattung einzutreten habe, wenn jemand keine versicherungspflichtige Beschäftigung mehr hat. Dieser unser Antrag, eine solche Änderung des Sozialversicherungsgesetzes durchzuführen, wurde damals abgelehnt. Wenn ich von der Durchführung der Sozialversicherung spreche, so habe ich in erster Linie im Auge, daß endlich die Wahlen in die Sozialversicherungsinstitute ausgeschrieben werden, damit die legalen Vertreter der Versicherten die Möglichkeit haben zu verwalten, und damit die Versicherten zu den Verwaltungseinrichtungen und zu deren Organen auch Vertrauen bekommen. Aber die Herren der Regierungsparteien wollen von Wahlen nichts wissen. Nur keine Wahlen, das wäre gefährlich! Und so hören wir denn, daß, wie uns Herr Minister Šrámek mitteilte, ein Gesetz in Vorbereitung steht, durch welches die bedingungslose Einsetzung von Verwaltungskommissionen ermöglicht werden soll, weiters die Ernennung von Schiedsrichtern, damit man Wahlen nicht vorzunehmen braucht. Die Begründung dieser Absichten ist ganz fadenscheinig, man sagt, Wahlen seien nicht möglich, weil die Organisation noch nicht voll ausgebaut ist, weil noch Genossenschaftskassen etc. gegründet werden sollen.

Nun wissen wir, daß wir uns nicht nur mit dieser Frage zu beschäftigen haben, es bestehen noch weitere Absichten, u. a. will man die Dienstzeit mit 18 Monaten aufrecht erhalten, auch eine Gesetzesvorlage, für welche die Deutschbürgerlichen zu stimmen bereit sind mit der Begründung: Der deutsche Bauer braucht eine wohlausgebildete Armee. Das ist die neueste Begründung der "Deutschen Landpost" für die plötzliche Freundschaft zum èechischen Militarismus. Die Herren Landbündler, Christlichsozialen und Gewerbeparteiler werden nicht nur für das Budget stimmen, für jede einzelne Post desselben, sie werden auch stimmen für die 18monatige Dienstzeit. Und als wir nun die Herren ein wenig frotzelten und erklärten, daß es uns Freude bereiten werde zu sehen, wie sie stimmen werden für den Reptilienfonds von 8 Millionen Kè, für die französische Mission mit über 5 Millionen, für alle Ausgaben für die Regierungspresse, die sie bisher bekämpft haben, für das Bodenamt, in welchem sie bisher noch keinen Vertreter haben, so wurde uns von dem Vertreter der deutschen Parteien, vom Kollegen Windirsch, erklärt: "No ja, das sind Schönheitsfehler, und das ist so wie in jeder Vernunftsehe, daß man auf solche Schönheitsfehler nicht achten könne." Es ist also eine Vernunftsehe, die sie abgeschlossen haben, und sie verpflastern die Schönheitsfehler, die sie bereit sind in Kauf zu nehmen. Und alle unsere Abänderungsanträge, Abänderungsanträge, für die sie verpflichtet wären zu stimmen auf Grund der Versprechungen, die sie ihrer Wählerschaft gemacht haben, und auf Grund ihrer Vergangenheit haben sie im Verein mit den anderen Koalitionsparteien abgelehnt und wir erleben daher bei dieser Koalition, genau so wie bei der früheren die Mißachtung aller unserer Anregungen. Aber nicht nur die Mißachtung nach dieser Richtung hin, sondern genau so wie die frühere, fühlt sich auch diese Regierung nicht verpflichtet, das Ansehen der gesetzgebenden Körperschaft zu wahren, nicht verpflichtet, dem Verlangen der Parteien des Hauses Rechnung zu tragen, wenn diese ein Interesse daran haben, von der Regierung Aufklärungen zu fordern.


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