Støeda 24. listopadu 1926

Pøíloha k tìsnopisecké zprávì

o 52.schùzi poslanecké snìmovny Národního shromáždìní

republiky Èeskovlovenské

v Praze ve støedu dne 24. listopadu 1926.

2. Øeè posl. Heegera (viz str. 642 tìsnopisecké zprávy):

Hohes Haus! In den letzten Monaten ist das politische Leben dieses Staates reich an Sensationen und turbulenten Zwischenfällen gewesen. Es ist interessant festzustellen, daß die früheren Koalitionsfreunde sich heute als streitende Brüder gegenüberstehen und so manche interessante Sachen aus der intimen Koalitionshäuslichkeit der Öffentlichkeit gegenüber ausplaudern. Wir haben den Eintritt der Deutschen in die Regierung zu verzeichnen, und es soll nur so nebenbei erwähnt werden, daß heute früh der Herr Kol. Myslivec von der Parlamentstribune ausdrücklich erklärte, daß die Deutschen bedingungslos in die Regierung gegangen sind und daß eigentlich die èechischen Parteien das Recht gehabt hätten, Bedingungen zu stellen, weil die Deutschen nicht loyal genug dem Staate gegenüber gewesen sind. Es sollen also wahrscheinlich die deutschen Minister, weil sie das Recht haben, auf den Ministerstühlen zu sitzen, noch etwas herauszahlen. (Výkøiky nìm. soc. demokratických poslancù.) Abgesehen von diesen Ereignissen hat eine Skandalgeschichte die andere gejagt, angefangen von der Affäre Gajda, die bis zum heutigen Tage noch nicht restlos geklärt erscheint und über die sich die Verantwortlichen in Stillschweigen hüllen, bis zum großen letzten Korruptionsskandal der lex Cyrill, die alle das politische Leben nicht nur bei uns, sondern in der ganzen Welt stark beschäftigt haben.

Interessant ist, daß gewisse politischen Parteien das Außenministerium in den Mittelpunkt all dieser Skandalgeschichten stellen und daß die Freunde von gestern heute die heftigsten Angriffe gegen die Politik des Außenministers, gegen sein System und seine Person entfalten. Dieselben Parteien, die hier eigentlich mitschuldig sind, die, solange sie mit der Partei des Herrn Außenministers in der Regierung saßen, dieselbe Politik mitmachten, das System gutgeheißen haben, ja eigentlich als Ankläger von heute selbst die Mitschuldigen an dem von ihnen bekämpften System sind. Es hat sich der merkwürdige Fall ereignet, daß der Berichterstatter über das Kapitel Ministerium des Äußern gleichzeitig zum Ankläger geworden ist, eine Reihe von Dingen erwähnte, die so recht zeigen, wie die Verwaltung und Verwendung der Mittel dieses Ministeriums aussah. Der Berichterstatter hat erzählt, daß die Erhaltung der Repräsentationsräume nicht weniger als 190.000 Kronen jährlich erfordert und daß außerdem unter dem Titel "amtliche Kanzleierfordernisse" 1,190.000 Kronen verausgabt werden und daß von diesen Mitteln auch Dienstreisen des Ministers gedeckt worden sein sollen. Es wurde nun dem System und der Außenpolitik der schärfste Kampf angekündet, sicherlich nicht wegen all dieser Kleinigkeiten, sondern aus politischen Gründen wurde der Kampf für nur solange angekündigt, bis es dem Herrn Ministerpräsidenten vielleicht doch gelingt, die Nationalsozialisten wieder an den Regierungswagen zu spannen, dann werden auch die Kämpfer von heute wahrscheinlich wieder anderer Meinung sein, als es bisher zum Ausdruck kam.

Aber auch sonst, wenn man sich den Staatsvoranschlag ansieht, findet man recht interessante Posten. Da haben wir für Kosten des politischen und wirtschaftlichen Informationsdienstes 4 Millionen, für Publikationen, Zeitschriften und Bücher 5 Millionen. Es ist interessant dabei festzuhalten, daß der Berichterstatter im Budgetausschuß nach seiner Berechnung feststellen mußte, daß das Defizit bei der "Prager Presse", dem sogenannten Regierungsorgan, allein 5 Millionen Kronen ausmacht. (Posl. Schweichhart: Was ist mit der Saazer Wolf-Presse?) Das wird jedenfalls eine Post sein, die unter einem andern Kapitel unkontrollierbar versteckt wird. Sicherlich ein sehr kostspieliges, aber, wie wir uns zu erlauben bemerken, auch gleichzeitig wertloses Sprachrohr des Außenministers. Wir finden weiter für Zirkulartelegramme an die Vertretungsbehörden und Kosten der Berichterstattung nicht weniger als 3 Millionen Aufwand, für den Abschluß und die Durchführung zwischenstaatlicher Verträge 5 Millionen, weiter den Aufwand für die Repräsentationsräume mit 400.000 Kronen verzeichnet, sicherlich Posten, die für sich selbst sprechen. Wir beantragen daher eine Herabsetzung des Betrages, der dem Außenministerium zur Verfügung steht umsomehr als ebenfalls festgestellt werden kann, daß beispielsweise bei der Gesandtschaft in Budapest 22 Beamte, in Bukarest ebenfalls 22, in Polen 15 und in Deutschland 13 Beamte tätig sind. Aus diesen Ziffern allein ergibt sich, daß eine Restriktion der Gesandtschaften und Konsulate unbedingt notwendig erscheint. Bei dieser Gelegenheit fordern wir auch gleichzeitig die Aufhebung der Paßvisa und der Visagebühren und ebenfalls die Anerkennung Sowjetrußlands.

Festgestellt muß auch werden, daß zwischen der Außenpolitik und der Innenpolitik des Landesverteidigungsministeriums ganz gewaltige Gegensätze bestehen. Während der Außenminister wenigstens scheinbar auf allen Abrüstungs- und Verständigungskonferenzen das große Wort führt, finden wir, daß der Landesverteidigungsminister im Inlande das Gegenteil davon macht, und so viele Worte der Außenminister für die Verständigung und Abrüstung findet, mit so viel Worten fordert der Landesverteidigungsminister im Inlande mehr Kanonen, mehr Gewehre, mehr Kriegsmaterial und den Ausbau der Flugzeugflotte. Sicherlich ist diese Politik, die wir in diesem Staate militärisch betreiben, eine Wahnsinnspolitik, die weder dem Wesen, noch den Verhältnissen, noch der geographischen Lage dieses Staates überhaupt entspricht und nur den einen Zweck hat, daß die Soldatenspielerei der Bevölkerung dieses Staates ungeheuere Summen, Milliarden kostet, die für andere Zwecke wesentlich besser und günstiger angebracht wären.

Bei dieser Gelegenheit soll festgehalten werden, daß, als im Jahre 1918 die Unabhängigkeitserklärung erschien, der Bevölkerung dieses Staates das feierliche Versprechen gegeben wurde, die bestehende Heeresorganisation in eine Volksmiliz umzuwandeln. In Erkenntnis dieses feierlichen Versprechens hat man auch diesen Grundgedanken im § 1 des Wehrgesetzes verankert und weil trotzdem Zweifler aufgestanden sind, hat es der damalige Landesverteidigungsminister Klofáè für notwendig gehalten, diese Zweifel zu zerstreuen, indem er folgende feierliche Erklärung abgab: "Feierlich erkläre ich, daß weder ich, noch meine politischen Mitarbeiter von dem Grundgedanken des Milizsystems unserer Wehrmacht abgelassen haben, daß wir niemals die Idee des Fortschrittes verraten haben und verraten werden". Gleichzeitig hat der damalige Referent des Wehrausschusses, der heutige Landesverteidigungsminister Udržal bei Behandlung dieses Gesetzes gesagt: "Wir wissen, daß uns unsere strategische Lage häufig nötigen wird, die schwersten Probleme der Verteidigung des Staates zur Lösung eher dem Minister des Äußern als dem Kriegsminister zu übertragen."

Der Herr Landesverteidigungsminister hat heute seine Worte vom Jahre 1920 vollständig vergessen. Denn die Politik, die er heute treibt, ist das Gegenteil von dem, was er 1920 bei Behandlung des Wehrgesetzes als Erkenntnis zum Ausdruck gebracht hat. Heute denkt er nicht mehr daran, die Lösung der schwierigsten Probleme dem Außenminister zu überlassen, heute glaubt er, diese Probleme mit mehr Kanonen, mehr Gewehren, mehr Geschützen und mit der Verlängerung der Dienstzeit lösen zu können. So hat man bis heute das feierliche Versprechen nicht eingehalten. Im Gegenteil, man hat nicht einmal die im Wehrgesetze verankerten Grundsätze zur Durchführung gebracht, denn jetzt soll nach diesem Wehrgesetze die 14monatliche Dienstzeit in Kraft treten, und schon sind die hohe Generalität und die Politiker so mancher Parteien bestrebt, das zu verhindern.

Während bei uns diese wahnsinnige Militärpolitik betrieben wird, gehen andere Staaten, die ihren Völkern nicht so feierliche Versprechungen gegeben haben, daran, die Militärlasten abzubauen. So z. B. Dänemark: dort wird das Heer und die Flotte in eine Grenzpolizei und Staatsmarine umgewandelt, die allgemeine Wehrpflicht wird aufgehoben und diese durch die Erziehung von 1600 Mann aus den Reihen der sich freiwillig Meldenden ersetzt. Die Militärlasten sind dadurch bedeutend abgebaut. Dasselbe Bestreben sieht man in Schweden, Norwegen und Belgien. Selbst Frankreich geht daran, die Militärlasten gewaltig abzubauen. Was bei uns nicht möglich, geschieht in Frankreich, indem man dort ernstlich bestrebt ist, die einjährige Dienstzeit einzuführen, während wir hier noch, trotzdem der Protektor mit gutem Beispiele vorangeht, um die 14monatige Dienstzeit, die gesetzlich verankert ist, einen Kampf führen müssen.

Man macht zwar so, alsob man ernsthaft daran ginge, auch die Militärlasten in diesem Staate abzubauen. Man unternimmt zwar den Versuch, dem Auslande gegenüber ziffermäßig den Nachweis zu erbringen, alsob die Worte des Außenministers nicht nur Worte wären, sondern alsob man wirklich im Innern des Staates daran denken würde, sie zu erfüllen, und den Abbau der Militärlasten ernsthaft ins Auge faßt. So hat man zahlenmäßig wenigstens versucht, im Voranschlag die Sache so darzustellen, daß jährlich 360 Millionen Kronen weniger für den militärischen Aufwand ausgegeben werden sollen. Aber man hat gleichzeitig auf der anderen Seite 315 Millionen Kronen in den unkontrollierbaren Rüstungsfond verwandelt, diesen Betrag unter einem anderen Titel des Voranschlages versteckt, so daß es sich scheinbar um einen Abbau der Militärlasten handelt, was aber in Wirklichkeit nicht der Fall ist. Der Wehrausschuß hat diesen Rüstungsfonds schon beschlossen, und es ist nicht uninteressant festzustellen, daß die deutschen Regierungsparteien, der Bund der Landwirte und die deutschen Christlichsozialen, die draußen in den Versammlungen die militärischen Ausgaben, die Kosten des Militarismus als Hauptschlager betrachtet haben, glatt und bedingungslos diesem Rüstungsfonds ihre Zustimmung gegeben haben, und sie werden wahrscheinlich auch sonst für alle neuen Ausgaben des Militarismus zu haben sein.

Der Herr Finanzminister hat im Budgetausschuß schöne Worte gefunden und mit Stolz darauf verwiesen, daß die Militärlasten abgebaut wurden, daß noch im Jahre 1926 die militärischen Erfordernisse 1935 Millionen betrugen, während im Voranschlag 1927 bloß 1370 Millionen für militärische Ausgaben vorgesehen sind. Diese Darstellung ist, gelinde gesagt, eine Augenauswischerei. Wenn man den Voranschlag durchgeht, findet man, daß zu den 1370 Millionen noch der Rüstungsfonds mit 315 Millionen kommen muß, daß wir weiter Ausgaben für die Militärkanzlei des Präsidenten im Ausmaße von 320.000 Kronen zu verzeichnen haben, daß unter dem Titel "Militärbauten" unter den verschiedensten Kapiteln des Voranschlages hohe Summen enthalten sind, die zusammengezählt einen Betrag von 1711 Millionen ergeben und nicht 1370 Millionen, wie die Militärverwaltung den Anschein erwecken möchte. Wenn doch Ersparnisse zu verzeichnen sind, geschieht dies durchwegs auf Kosten der Mannschaft, vor allem durch den Abbau der Mannschaftslöhne, durch die Streichung der Teuerungszulage und die Verkürzung der Verpflegskosten.

Während der Außenminister und der Finanzminister von einem Abbau der Militärlasten sprechen, daß er scheinbar ziffernmäßig durchgeführt wird, wahrscheinlich um die Stellung des Außenministers bei den verschiedenen Verständigungs- und Abrüstungskonferenzen zu erleichtern, hat der Landesverteidigungsminister im Budgetausschuß jene berühmte Rede gehalten, daß wir zu wenig Kanonen und zu wenig Gewehre haben, daß wir mehr Kriegsmaterial benötigen und vor allem ein besonderes Augenmerk dem Ausbau der Flugzeuge zugewendet werden müsse. Wir stimmen mit dem Landesverteidigungsminister in einer Auffassung überein, eine besondere Sorgfalt für die Flugzeugskatastrophen, die sich in diesem Staate in erschreckender Zahl vermehren. In der Zeit vom Juli bis Oktober, also innerhalb vier Monaten, sind nicht weniger als 12 Fliegerunfälle mit 14 Toten, 7 Schwer- und und 2 Leichtverletzten zu verzeichnen. (Posl. Grünzner: Kriegsmäßige Übungen!) Sicherlich, kriegsmäßige Übungen, es ist aber auch ein Beweis dafür, welch ein frivoles Spiel hier mit Menschenleben getrieben wird. Wenn nun der Herr Landesverteidigungsminister darauf verweist, daß wir mehr Kriegsmaterial benötigen, so haben wir auch dafür eine Statistik, und zwar eine Statistik der Opfer, die durch Explosionskatastrophen und sonstige Unfälle in diesem Staate zu Schaden gekommen sind. Ich will sie gar nicht einzeln aufzählen, sondern nur feststellen. Wir haben in der Zeit vom März bis September nicht weniger als 155 meist tödtliche Unfälle von Soldaten und Zivilpersonen, die durch die Manipulation mit Kriegsmaterial heraufbeschworen worden sind. Leichtsinniger ist wohl noch nie mit Menschenleben umgegangen worden. (Pøedsednictví pøevzal místopøedseda inž. Dostálek.)

Der Minister wird geradezu köstlich, wo es sich um die Sorge um die Mannschaft handelt. Er hat zugeben müssen, daß die Teuerungszulage der Mannschaft abgebaut wurde, daß aber dafür die Mannschaft eine ausgiebigere und bessere Kost erhält als vorher. Und damit ja kein Zweifel darüber bestehe, daß dem so sei, erklärt der Herr Landesverteidigungsminister, er habe sich wiederholt höchst persönlich von der besonderen Güte der Mannschaftskost überzeugt. Ich wünsche nur, daß der Herr Landesverteidigungsminister ein Jahr lang von dieser Mannschaftskost leben sollte, er würde wahrscheinlich eine andere Meinung bekommen. Er erklärt also, die Teuerungszulagen sind zwar abgebaut, muß weiterzugeben - und es sprechen ja die Ziffern des Voranschlages - daß die gesamten Verpflegskosten bedeutend abgebaut worden sind. Es ist doch weiter eine unbestreitbare Tatsache, daß die Lebensmittelpreise bedeutend gestiegen sind. Der Herr Minister aber bringt das Kunststück fertig, trotz der Teuerung eine bessere und ausgiebigere Mannschaftskost herstellen zu lassen. Er muß allerdings zugeben, daß Mängel in der Mannschaftsverpflegung bestehen, was aber nach seiner Meinung auf die Tatsache zurückzuführen ist, daß die Militärköche eine schlechte Ausbildung genossen haben. Durch Einführung von Kursen für die Erziehung und Ausbildung von Militärköchen werde auch dieser Übelstand verschwinden. Es wäre praktisch, wenn sich der Herr Landesverteidigungsminister diese ministerielle Weisheit, wie man aus nichts etwas machen kann, patentieren ließe, er würde sicherlich sehr viel Abnehmer dafür finden.

Aber auch sonst müssen die Worte des Herrn Landesverteidigungsministers etwas genauer untersucht werden. Er hat im Budgetausschuß vor allem eine Schilderung der Wohlfahrtspflege, des angenehmen Daseins der Soldaten, aller möglichen Einrichtungen, die den Dienst der Soldaten erleichtern können, gegeben. Er hat erklärt, daß den Soldaten nicht nur Kinos, Klublokale, Theater und Spielplätze zur Verfügung stehen, sondern daß die Militärverwaltung alles getan hat und tun wird, um der Mannschaft das Dasein so angenehm wie möglich zu gestalten. Diesen Worten des Ministers steht aber gegenüber die erschreckend große Anzahl der Soldatenselbstmorde in diesem Staat und aus dieser erschreckend hohen Zahl der Soldatenselbstmorde spricht etwas anderes, als aus den Worten des Landesverteidigungsministers zu entnehmen ist. Und wenn die Statistik sagt, daß seit 1. Jänner 1926 in der Prager Garnison aus Furcht vor Strafe 7 Soldaten Selbstmord verübt haben, in Olmütz einer, in der Georgskaserne einer, in Neuhaus einer, in Pilsen einer und zwar der Infanterist Hojer, in Weißkirchen einer, kurz wenn in allen Kasernen Soldatenselbstmorde auf der Tagesordnung stehen, wenn sich der Soldat dazu entschließt, sein junges Leben von sich zu werfen, dann werden es wohl andere Dinge gewesen sein, die ihn dazu getrieben haben, als die Annehmlichkeiten, die der Herr Landesverteidigungsminister so interessant für die Soldaten zu schildern wußte. Erst in den letzten Tagen hat sich in Troppau auf dem Übungsplatz ein Soldat erschossen, der einen Tag vorher beim Kompagnierapport gestellt wurde, und in den letzten Tagen hat sich in Brünn ein Soldat erhängt, ebenfalls aus Furcht vor Strafe, so daß man wohl ruhig sagen kann, der Herr Minister sollte sich nicht nur um die schönen Einrichtungen kümmern, sondern auch die Ursachen der Soldatenselbstmorde ergründen und prüfen, denn da würde er finden, daß all das nicht zutrifft, was er von Annehmlichkeiten zu erzählen wußte. Als Antwort auf seine Schilderungen möchte ich dem Herrn Minister zwei Soldatenbriefe gegenüberstellen, Soldatenbriefe, die so recht zeigen, was die Soldaten gegenwärtig zu ertragen haben. Da schreibt ein Freund dem andern in einem Brief, worin er das Leben der Soladten schildert (ète): "Was hilft alles Klagen, hier gibt es nur eins Maul und Schritt halten!" Was man die zwanzig Tage, die wir hier sind, schon erlebt hat, das läßt sich nicht aufschreiben. Für geringe Vergehen gibt es gleich eine Reihe von Strafen. Am Dienstag Abend beim Menageholen fällt es einem Rottmister ein, daß wir angeblich nicht in Ordnung und Ruhe angetreten sind. Sofort mußte die ganze Rotte im Kassernhof antreten und 3/4 Stunden exerzieren. Einer hatte sich beim Antreten verspätet. Dafür mußte er fünfzehnmal um den Kassernhof laufen und sich alle zehn Schritte in den Dreck legen. (Výkøiky nìm. soc. demokratických poslancù.) Oder: Es ist 9 Uhr abends. Alles liegt auf dem Cavalet. Die Schuhe stehen unter dem Bett. Da kommt der Rottmister nachschauen, ob alles in Ordnung sei und dabei wirft er 10 Paar Schuhe zum Fenster hinaus, weil angeblich Dreck auf den Sohlen war. Am Exerzierplatz werden wir betitelt. "Ochs", "Rindvieh", "ich spuck Ihnen ins Gesicht!"

Das ist die gute Behandlung, von der der Landesverteidigungsminister spricht, das sind Soldaten, die eingerückt sind und dabei gleich einen angenehmen Begriff vom militärischen Dasein bekommen. Da darf es einen nicht wundern, wenn bei diesem angenehmen Soldatendasein Briefe an die Eltern geschrieben werden wie der folgende (ète): "Liebe Mutter! Ich muß mitteilen, daß ich jetzt wie ein Fremdenlegionär behandelt werde. Ich habe mich schon über alles hinweggesetzt, mag es kommen wie es will, alles ist gleich, es kann mich nur noch mein Leben kosten. Wenn Ihr wüstet und sehen würdet, wie es uns hier geht, würdet Ihr die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. Aber ich muß es mit Geduld tragen, denn ich werde so nicht 18 Monate dienen, weil ich sie nicht aushalten kann. Ich bin schon so herunter, daß ich mich kaum noch aufrecht erhalten kann. Ich habe es Euch schon im letzten Brief geschrieben, daß meine Tage gezählt sind und ich warte nur noch auf mein Gesuch, wenn das nicht eintrifft, bin ich nicht mehr zu retten, ich gehe dorthin, wohin mein Kollege" - es wird der Name genannt "gegangen ist." Das ist der Schmerzensschrei eines Soldaten über die Quälereien und Sekaturen, die sie zu erdulden haben. Und da kommt der Landesverteidigungsminister und erzählt von Einrichtungen, Klublokalen, Kinos, Spielplätzen, so daß man förmlich verleitet wäre auszurufen, "Oh welche Lust Soldat zu sein", wenn nicht die nackte Wirklichkeit eine andere Sprache reden würde.

Aber nicht nur die Pflege und Sorge der Mannschaft ist anders, als dargestellt wird, nicht nur die scheinbare Herabsetzung der Militärlasten ist ein Beweis, daß man in Wirklichen gar nicht daran denkt, die Abrüstungspolitik im Staate einzuleiten, sondern die Militaristen dieses Staates sowie ein Teil der politischen und vor allem der Koalitionsparteien haben noch mehr Wünsche. Sie haben im Staatsvoranschlag diese Wünsche aufgezählt und brennen schon darauf, daß sie verwirklicht werden. Sie verlangen vor allem ein Gesetz, durch welches einige Bestimmungen im militärischen Disziplinar- und Strafrecht geändert werden sollen. Es soll die Kommandogewalt noch verstärkt werden, so daß die Leiden der Mannschaften noch größer werden, als es heute der Fall ist. Man verlangt weiter ein Gesetz über die Beibehaltung der 18monatigen Dienstzeit, während jetzt gesetzlich die 14monatige Dienstzeit festgelegt ist. Man begründet diese Forderung als eine Staatsnotwendigkeit, während der militärische Protektor dieses Staates, Frankreich, daran geht, die 12monatige Dienstzeit einzuführen. Es ist weiter ein Gesetz in Vorbereitung, das die Unterbringung der längerdienenden Unteroffiziere vorsieht. Es ist das Wiederaufleben des österreichischen Zertifikatistengesetzes, das die Revolutionsversammlung dieses Staates als erstes Gesetz abgeschafft hat. Ein weiteres Gesetz über Wehrvorbereitungen, worunter - und das möchte ich zum Schlusse betonen - sich die Einführung der vormilitärischen Erziehung verbirgt. Es soll der Feldwebel als Erzieher der Jugend Verwendung finden in einer Zeit, wo die ganze gesittete Welt eine systematische Propaganda gegen den Krieg und das Waffenhandwerk betreibt. Die provisorischen Wehrvorschriften sollen durch definitive ersetzt werden, indem eine kürzere Dienstzeit für die Söhne der Reichen und eine 8wöchige Dienstzeit für die Bauernsöhne als Kaufpreis für die Regierungstreue der Landbündler und Christlichsozialen festgelegt werden sollen. (Výkøiky na levici.) Wir protestieren heute schon gegen diesen versteckten Plan und erklären, daß die Militärpolitik in einem so kleinen Staate wie die Èechoslovakei ein heller Wahnsinn ist und daß dem Staate und seiner Entwicklung nur eine ausgesprochene unzweideutige Friedenspolitik dienlich sein kann. (Potlesk nìm. soc. demokratických poslancù.)

3. Øeè posl. Katze (viz str. 658 tìsnopisecké zprávy):

hat in seiner Regierungserklärung u. a. wieder einmal ein Hohelied auf die in diesem Staate herrschende Demokratie angestimmt und verkündet, daß diese Demokratie vor keiner schwierigen Frage haltmachte, ja daß sogar mit Entschlossenheit an die Lösung weiterer Probleme geschritten werden wird. Wenn wir aber die bestehenden Zustände in diesem Staate betrachten, so wird uns sofort klar, daß die Worte des Herrn Ministerpräsidenten nur Phrasen sind. In keinem anderem Staate wird mit der Demokratie so Schindluder getrieben, als in unserem, denn im Namen dieser Demokratie werden hier die reaktionärsten Anschläge verübt und die schmählichsten Unterdrückungsmethoden in wirtschaftlichen, politischen, sozialen und nationalen Fragen gesetzlich sanktioniert.

Es wird wahrscheinlich von dieser Regierung als vollkommen demokratisch empfunden, daß in einer Zeit der ärgsten Wirtschaftskrise, in einer Zeit, wo tausende Arbeiter durch Arbeitslosigkeit, Kurzarbeit und Feierschichten immer tiefer im Elende versinken, daß in einer solchen Zeit die Lebenslage dieser Menschen durch die Auswirkungen der Zollgesetze bis zur Unerträglichkeit gesteigert wird. Die èechisch-deutsche Bürgerregierung findet es anscheinend auch ferner demokratisch, wenn sich der èechischnationale Chauvinismus weiter austobt, daß weiter deutsche Arbeiter und Angestellte brotlos gemacht und aufs Pflaster gesetzt werden, wenn man weiter deutsche Schulen drosselt und dadurch unsere kulturelle Entwicklung rücksichtslos unterbindet. Das nennt man Demokratie in diesem Staate, der sich von Tag zu Tag immer mehr zu einem polizeilichen Obrigkeitsstaat allererster Ordnung ausbaut, in welchem die Bürokratie eine schrankenlose und brutale Herrschaft aufrichtet.

Vor lauter Demokratie ist man noch nicht dazu gekommen, endlich einmal an die Reform unseres total veralteten Verwaltungssystems zu schreiten ja, wir sehen, daß man eifrig darangeht, dieses System so zentralistisch als nur möglich zu gestalten, um die Macht der Bürokratie zu erhöhen und zu verankern. Die Selbstverwaltung, die uns Masaryk als das Wesen der wahren Demokratie erklärte, wird systematisch abgebaut. Statt freigewählter Körperschaften haben wir ernannte Landes- und Bezirksverwaltungskommissionen und man beabsichtigt sogar, derartige Kommissionen auch für die Bezirkskrankenversicherungsanstalten zu ernennen, sowie man die Leitung der Zentralstelle der Sozialversicherung ohne Rücksicht auf die anderen Nationalitäten besetzt hat. Wir verlangen, daß doch endlich die Wahlen für diese Körperschaften angeordnet werden.

Das im Jahre 1920 geschaffene Gesetz über die Gau- und Bezirksämter, das uns weder in demokratischer noch in nationaler Hinsicht befriedigt und nur ein Surrogat einer Selbstverwaltung darstellt, wurde zwar in der Slowakei durchgeführt, bei uns aber wird das Inkrafttreten dieses Gesetzes absichtlich sabotiert. Wir sind jetzt schon soweit, daß der Herr Innenminister erklärte, es werde das Gaugesetz in der jetzigen Fassung bei uns überhaupt nicht durchgeführt, weil angeblich die eingeteilten Gaue zu klein und infolgedessen finanziell nicht leistungsfähig seien. Damit ist der Grund gegeben, um die schüchternen Ansätze von nationaler Selbstverwaltung auszutilgen. In der Slovakei, wo die Gaue kleiner sind als bei uns, wird von einer finanziellen Leistungsunfähigkeit nicht gesprochen. In Wirklichkeit wird das Gaugesetz bei uns aus nationalen Gründen fallen gelassen. Die zwei deutschen Gaue Karlsbad und Böhm. Leipa sind dem èechischnationalen Chauvinismus noch zuwider, deshalb müssen sie verschwinden und in èechische Gaue eingegliedert werden. Dagegen wenden wir uns auf das entschiedenste. Die Schaffung derartiger Gaugebilde bedeutet nicht nur eine weitere Entrechtung der Deutschen, sondern bedroht auch die Arbeiterschaft, die dadurch in ihren sozialen und kulturellen Bedürfnissen geschädigt wird. Es bedeutet aber auch einen unverschämten Raub des letzten Restes nationaler Autonomie, der nun durch die beabsichtigte Neuregelung der Finanzwirtschaft der autonomen Körperschaften die Krönung finden soll. Und das alles machen die deutschen Landbündler, Gewerbeparteiler und Christlichsoziallen, die jetzt in der Regierung sitzen, widerspruchlos mit. Freilich, seit diese Herrschaften an der Regierungskrippe sitzen und zum Gotte "Nimm" beten, ist die Zeit vergessen, wo sie hier die heftigsten Anklagen gegen dieses fluchwürdige System erhoben haben. Sie haben aus Liebe zum Geldsack ihr wahres Christentum und ihren wahren Nationalismus verschachert. Ohne jedwede nationale Konzession leisten diese strammen Deutschen der Regierung Henkerdienste. So wird die nationale Selbstverwaltung auch mit Hilfe der deutschen Regierungsparteien stranguliert, und die Macht der reaktionären, volksfremden Bürokratie in die Hände gespielt. Was sich diese dreimalgeheiligte Bürokratie an Übermut in diesem Staate leistet, stellt oftmals die vormärzliche Zeit tief in den Schatten.

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