Ètvrtek 5. kvìtna 1927

Wir protestieren auf das entschiedenste dagegen, daß der freigewählte Bürgermeister abgesetzt werden kann, daß man das Recht des freigewählten Bürgermeisters, unter allen Umständen sein Amt zu behalten, durch diese Bestimmung aufhebt, ihm nicht nur diese ungeheuerlichen Geldstrafen auferlegt, sondern ihn auch noch seines Amtes als Bürgermeister entkleiden kann. Auch da fragen wir die deutschen Regierungsparteien, ob sie bereit sind, dafür zu stimmen, zumal schon bei der jetzigen Konstellation und noch mehr bei der noch kommenden - wir sind noch nicht am Ende unserer Tage - wo die deutschen Regierungsparteien möglicherweise nicht mehr mitwirken werden am Staatskarren - das kann sehr bald der Fall sein - wo wiederum ein System noch gehässigerer Art als früher neuerdings sich ausbreiten wird, wo dieser Gesetzesparagraph 8 zu den ungeheuerlichsten nationalen Schikanen und Bedrohungen der Selbständigkeit unserer Gemeinden ausgenützt werden kann. (Posl. Patzel: Da wird es dann heißen: Das haben die deutschen Abgeordneten selbst gemacht!) Ja, so wird es heißen, das haben die deutschen Abgeordneten selbst gemacht, und mit Recht wird man uns das ins Gesicht sagen. Wir erklären, daß die deutschen Regierungsparteien kein Recht haben, im Namen des deutschen Volkes zu sprechen. Die deutschen Regierungsparteien hätten nur dann ein Recht, für diesen Paragraphen zu stimmen, wenn der Verband unserer deutschen Selbstverwaltungskörper ihnen dazu die Ermächtigung erteilt hätte. Wir stellen fest, daß die deutschen Selbstverwaltungskörper überall einmütig gegen diese Bestimmungen protestiert haben. Wir stellen weiter fest, daß die Vertreter der deutschen Regierungsparteien in den Gemeindevertretungen sogar gegen diese Bestimmungen mitgestimmt haben und die deutschen Regierungsparteien gewarnt haben, diese Bestimmungen Gesetz werden zu lassen. Wir protestieren auf das entschiedenste dagegen, daß die deutschen Regierungsparteien hier im Namen des deutschen Volkes ihre Stimmen abgeben. (Posl. dr. Luschka: Im Namen welches Volkes? Wir haben unsere Wählerschaft und Sie die Ihrige!) Des sudetendeutschen Volkes. Diese sudetendeutsche Bevölkerung gibt Ihnen nicht das Recht dazu. Da müssen Sie, Herr Dr. Luschka, dazu die Bevölkerung erst fragen, ob sie Ihnen das Recht dazu gibt. Kommen Sie nur hinaus und machen Sie eine Versammlung, wir werden es Ihnen schon zeigen. (Výkøiky na levici.)

Místopøedseda Horák (zvoní): Prosím o klid.

Posl. Krebs (pokraèuje): Wir schlagen dem Herrn Dr. Luschka nicht vor, in eine öffentliche Volksversammlung zu gehen, wir schlagen dem Herrn Dr. Luschka vor, in die Hauptversammlung des Verbandes der deutschen Selbstverwaltungskörper zu gehen und dort Rede und Antwort zu stehen. Dort werden Sie die Antwort bekommen. (Posl. Knirsch k posl. dr Luschkovi: Ihre Vertreter haben erklärt, daß die christlich-soziale Partei das nicht mitmachen wird!) Jawohl, das haben sie öffentlich erklärt. (Výkøiky posl. Kreibicha a dr Luschky. - Místopøedseda Horák zvoní.)

Hohes Haus! Ich habe mich schon... (Výkøiky posl. Kreibicha a Knirsche.)

Místopøedseda Horák (zvoní): Prosím o klid. (Výkøiky posl. Kreibicha.)

Prosím o klid. Slovo má pan posl. Krebs. (Výkøiky posl. Knirsche.)

Prosím o klid. Prosím pana øeèníka, aby pokraèoval.

Posl. Krebs (pokraèuje): Über dieses Kapitel werden wir ja noch im gegebenen Zeitpunkt weiter sprechen. Ich möchte heute zum Abschluß meiner Darlegungen noch einiges über den Dotierungsfond sagen. Welche Hoffnungen man auf den Dotierungsfond setzt, das haben wir in den verschiedenen Beratungen des Budgetausschusses gehört. Aber wir fragen heute, welche Mittel denn diesem Dotierungsfond überhaupt zur Verfügung stehen werden und welchen Sinn dieser Fond überhaupt haben kann. Wir wissen heute nicht, nach welchen Grundsätzen in Wirklichkeit die Verteilung der Dotierungen erfolgen wird. Es gibt keinerlei Garantien dafür, daß unsere deutschen Gemeinden auch wirklich nach der Bedürftigkeit aus dem Dotierungsfond bedacht werden. Ich habe heute eine ganze Reihe von Gemeinden genannt, die ohne bedeutende Zuweisungen aus dem Fond nicht mehr die Möglichkeit haben, ihre Zinsen zu decken oder ihre Beamten zu zahlen. Aber für uns kommt, wie ich ausdrücklich schon gesagt habe, noch in Frage, daß die Gemeinden in noch höherem Grade unter die Botmäßigkeit einer chauvinistischen und zentralistisch gesinnten Bürokratie gestellt werden, daß sie zu Lakaien und Untergebenen dieser Bürokratie gemacht werden. Alles deutet in diesem Staate darauf hin, daß man die freie Entwicklung unserer Autonomie nicht nur beschränken, sondern vernichten will. Ich habe vor mir einen Artikel, den der Sektionschef des Ministeriums des Innern, der im Budgetausschuß der Referent für diese Sache war, Dr. Bobek - er ist leider jetzt weggegangen - in der Märzfolge des Jahres 1927, also in der letzten Nummer, des Organs der Amtswalter der Selbstverwaltungkörper der republikánská strana "Naše Samospráva", also des Organs einer Regierungspartei veröffentlicht hat, wo er folgendes über die neue Organisation der politischen Verwaltung und der Selbstverwaltung geschrieben hat:

"Wenn der erste Satz der Verfassungsurkunde erklärt, daß das Volk die alleinige Quelle aller staatlichen Macht in der Èechoslovakischen Republik ist und der § 86 derselben Verfassungsurkunde erklärt, daß in den unteren Verwaltungsbehörden, das heißt, in den Behörden mit Ausnahme des Ministeriums nach Möglichkeit das bürgerliche Element vertreten sein soll, so ist es ersichtlich, daß die Definition von der Zulassung der Staatsgewalt hinfällig ist und daß das Volk durch die Verfassungsurkunde zur Teilnahme an der öffentlichen Verwaltung berechtigt und berufen und ein wichtiger und verfassungsmäßig anerkannter Faktor der staatlichen Verwaltung überhaupt ist." Jetzt aber passen Sie gut auf, was der Mann sagt: "Die Konsequenz hieraus hat auch schon der Hauptkongreß der stärksten èechoslovakischen Partei, der Strana republikánská, im Jahre 1925 gezogen, der in einer gefaßten Resolution anstrebt, daß die Gemeinde durch Gesetz als Bestandteil der staatlichen Verwaltung erklärt wird." Ich meine, hier ist die Maske einmal gefallen. Hier sagt man ganz offen, daß man den Grundsatz, die Selbstverwaltungskörper weiterhin aufrechterhalten zu wollen, aufgibt, daß man die Gemeinden nicht nur noch mehr, sondern überhaupt zu reinen Organen der Staatsverwaltung herunterwürdigen will, daß man die größte Errungenschaft, wie ich schon sagte, des 19. und des beginnenden 20. Jahrhunderts, die Mitwirkung der Bevölkerung an der Verwaltung, zu beseitigen gedenkt und daß die maßgebenden Faktoren in diesem Staate darauf lossteuern, die Gemeinden zu Organen des Staates zu gestalten.

Ein mächtiger Schritt auf dieser Linie ist das vorliegende Gesetz über die Regelung der Finanzen der territorialen Selbstverwaltungskörper, ein Schritt, der, wenn eimal gemacht, nicht mehr rückgängig gemacht werden kann, der, obzwar er die ungeheuerlichsten Schwierigkeiten bringen wird, in finanzieller Hinsicht nicht die Rettung unserer Selbstverwaltungskörper bringen wird, sondern deren finanziellen Ruin. Wahrscheinlich wird aus diesem Ruin dann neuerdings deduziert werden, daß jetzt erst recht die staatliche Verwaltung an Stelle der autonomen gesetzt werden müsse. (Posl. Patzel: Das ist ein Verrat am Andenken Kudlichs!) Das ist ein Verrat an allen jenen, die im Jahre 1848 auf deutscher und èechischer Seite für die Freiheit der Gemeinde gekämpft haben, für die Mitwirkung eines freien Bürgertums, für die Idee, daß in der Gemeinde der Bürger, der Einwohner - ich spreche hier nicht von dem Klassenbegriff, sondern vom Begriff Bürger, im Gegensatz zu den Herrschenden - der freie Bürger in der Gemeinde sein freies Entscheidungsrecht hat.

Wir warnen die Regierungsparteien in letzter Stunde, diesen Schritt zu tun, und wir haben jetzt gerade vor einigen Augenblicken das traurige Beispiel gesehen, wie man sich jetzt schon geradezu mit fanatischem Haß gegen uns wendet, weil die Herren genau wissen, daß die Tat, die sie jetzt begehen wollen, nicht derart ist, um sie der freien Athmosphäre der öffentlichen Meinung vertreten zu können, sondern weil sie genau wissen, daß auf ihnen eine ungeheuerliche Verantwortung und schließlich auch Schuld liegen wird. Wir verwahren uns von dieser Stelle aus dagegen, daß diese Vorlage zum Gesetz erhoben werde und werden selbstverständlich gegen ihre Bestimmungen und gegen das Gesetzt selbst stimmen. (Souhlas a potlesk nìm. nár. socialistických poslancù.)

3. Øeè posl. Kreibicha (viz str. 1040 tìsnopisecké zprávy):

Schon in den Berichten über die erste Sitzung des Hauses, welche der Debatte über die Steuervorlage gewidmet war, mußte festgestellt werden, daß sich die Debatte unter völliger Teilnahmslosigkeit abwickelt. Diese Teilnahmslosigkeit ist im Wesen dieses Parlamentarismus wohl begründet. Jederman weiß, daß die parlamentarische Erledigung dieser Gesetzentwürfe nur eine Formalität ist und daß die Entscheidung nicht im Parlament fällt, sondern schon früher anderswo gefallen ist. Die heutige Regierungskoalition setzt die Tradition der allnationalen Regierungskoalition fort, die schon das Schwergewicht der Entscheidungen in der Gesetzgebung in die geheimen Konventikel der regierenden Machthaber verlegte. Im besonderen Falle der zur Debatte stehenden Vorlagen wurde der Schwindel dieses Parlamentarismus von der Regierungsmehrheit geradezu demonstrativ enthüllt. Dieselbe Kanzlei des Abgeordnetenhauses, die zum Druck dringlicher Interpellationen oft Monate braucht, konnte den fast 500 Seiten starken Ausschußbericht über die Steuervorlage schon etwa in 15 Stunden nach der Abstimmung im Ausschusse dem Hause vorlegen. Der Ausschußbericht über die Vorlage, betreffend die Finanzen der Selbstverwaltungskörper, wurde uns schon ein paar Stunden nach der Abstimmung im Ausschuß im Druck vorgelegt. Es gibt keine Druckerei, die dieses technische Wunder hätte fertig bringen können. Die Ausschußberichte waren einfach schon längst vor der Erledigung der Vorlagen im Ausschuß fertiggedruckt, weil doch auch die Ausschußverhandlungen von der Regierungsmehrheit nur als eine notwendige und lästige Formalität betrachtet werden und die Entscheidung schon früher getroffen war. An diesem Beispiele kann der ganze Schwindel dieses bürgerlichen, demokratischen Parlamentarismus sozusagen technisch exakt festgestellt werden. Die Gesetzesmacherei ist eben im bürgerlichen Staate so wie das Regieren ein dunkles Geschäft, das zwischen den Kapitalisten, den bürgerlichen Parteien, eventuell unter Mitwirkung eines sozialistischen Koalitionsanhängsels und der hohen Regierungsbürokratie abgewickelt wird. Die Abwicklung dieses Geschäftes verträgt natürlich nicht das Licht der Öffentlichkeit und muß sich daher in geheimen Konventikeln vollziehen. Die parlamentarische Erledigung verfolgt nur den Zweck, den gläubigen Massen das Theater der Demokratie, die Komödie des Parlamentarismus vorzuspielen und die Diktatur der Kapitalisten zu verhüllen.

Ein klassisches Beispiel dieser Gesetzesmacherei ist das Zustandekommen des Gesetzes über die Finanzwirtschaft der Selbstverwaltung. Ich will nicht von der oberflächlichen saloppen Begründung der Vorlage durch die Regierung sprechen, in welcher gegen die gesamte Selbstverwaltung der Vorwurf der schlechten Finanzwirtschaft und der Schuldenmacherei als Pauschalverdächtigung ohne Anführung von Beweisen erhoben wird. Aber dieses Gesetz soll jezt durchgepeitscht werden, ohne daß über die Agenden der Selbstverwaltung und ihre Aufteilung auf die einzelnen selbstverwaltenden Körper entschieden worden wäre, und bevor die Wirkung des neuen Steuergesetzes auf die Steuergrundlage der Selbstverwaltung bekannt ist. Man weiß also nicht, wie die Selbstverwaltung in Zukunft aussehen wird, man kennt noch nicht die Grundlage für die Berechnung der Steuerzuschläge der Selbstverwaltung und wagt es trotzdem, schon jetzt über die Einnahme der Selbstverwaltung und über die Höhe der Zushläge für die ganze Zukunft zu entscheiden. Dabei hat man es nicht einmal für notwendig befunden, diejenigen, die durch dieses Gesetz betroffen werden, deren Schicksal mit diesem Gesetz entschieden werden wird, vorher um ihre Meinung zu fragen. Man lehnt jede Mitarbeit der Gemeinden und Bezirke an diesem Gesetze ab und entscheidet ohne sie, weil man eben gegen sie entscheiden will. Schon das ist ein Beweis der Feindseligkeit der Regierung und ihrer Mehrheit gegen die Selbstverwaltung.

Hätten wir es mit einer gewissenhaften und gründlichen Gesetzgebung zu tun, so müßte zunächst unter Mitwirkung der in der Selbstverwaltung tätigen Faktoren eine gründliche Neuordnung der gesamten öffentlichen Verwaltung vorgenommen werden, die nach unserer Ansicht nur auf der Grundlage der vollen Selbstverwaltung erfolgen dürfte. Erst wenn man so volle Klarheit über die Aufgaben und den Umfang der Agenden der einzelnen Selbstverwaltungskörper geschaffen hätte, könnte man die Frage der Einnahmen, welche sie benötigen, und der Quellen, aus denen diese Einnahmen fließen sollen, lösen. Eine gründliche Reform der Finanzwirtschaft der Selbstverwaltung müßte mit dem Zuschlagssystem brechen und diese Finanzwirtschaft auf die Grundlage besonderer Steuern und Abgaben bei völliger Finanzautonomie stellen. Behält man aber die bisherige Grundlage der Zuschläge bei, dann müßte das Ergebnis des neuen Steuergesetzes abgewartet werden. Die jetzige Erledigung des Gesetzes über die Finanzen der Selbstverwaltung ist daher ein Beispiel oberflächlicher und liederlicher Gesetzesmacherei. Daher sehen wir auch in der Ausschußvorlage die Absurdität, daß hier in einem Gesetze ein anderes zitiert wird, das man noch gar nicht genau bezeichnen kann, nämlich das Gesetz über die direkten Steuern, und ein zweites vorweggenommen wird, das überhaupt noch nicht existiert, u. zw. das Gesetz über die Verwaltungsreform. Ebenso sachlich unbegründet ist auch die Hast und die Eile, mit der man dieses Gesetz jetzt im Hause erledigt; es kann erst am 1. Jänner 1928 in Kraft treten und erst für die Voranschläge des Jahres 1928 in Frage kommen, daher besteht kein Grund, es zugleich mit der Steuervorlage und noch vor der Präsidentenwahl zu erledigen. Wenn man das trotzdem mit Hochdruck tut, so nur deshalb, weil man die Öffentlichkeit überrumpeln will, weil man will, daß das Interesse der Öffentlichkeit für dieses Gesetz in der Beratung der Steuervorlage untergehe. Die Regierungsparteien wissen ganz genau, daß ihre eigenen Anhänger, soweit sie in der Selbstverwaltung tätig sind und an ihr ein Interesse haben, gegen dieses Gesetz sind. Das trifft besonders auf die deutschen Regierungsparteien zu, deren Anhänger z. B. bei der letzten außerordentlichen Hauptversammlung des Verbandes der deutschen Selbstverwaltungskörper einmütig für die Resolution gestimmt haben, in welcher dieses Gesetz abgelehnt wird. Die Regierungsparteien fürchten für den Fall einer ernsten, gründlichen und gesonderten parlamentarischen Erledigung dieses Gesetzes das Wachsen des Widerstandes in ihren eigenen Reihen und darum die Hast, mit welcher es im Ausschuß und im Plenum durchgepeitscht wird.

Und nun möchte ich mich mit der Steuervorlage und mit der Frage der Steuern überhaupt beschäftigen. Die Frage der Steuern ist eine Frage des gesamten Staates, sie hängt mit der Rolle und den Aufgaben des Staates zusammen und die Stellung zu den Steuern muß daher auch von den einzelnen Klassen von ihrem Standpunkte zum Staate aus eingenommen werden. Die Steuervorlage ist ein Werk der besitzenden Klassen, bezw. ihrer Parteien, und muß als solches auch charakterisiert und erklärt werden aus der ganzen Stellung der besitzenden Klassen zum Staate selbst. Auch für das Proletariat muß selbstverständlich die Stellung zum Staate auch entscheidend sein für die Beurteilung der ganzen Steuerfrage.

Der bürgerliche Staat hat zum Unterschied vom Feudalstaat, der die Steuerfreiheit der herrschenden Klassen statuierte, den Grundsatz der allgemeinen Steuerpflicht proklamieren müssen, einen Grundsatz, der zusammenhängt mit all den demokratischen Grundsätzen, auf die sich die Bourgeoisie in ihrem Kampfe um die Staatsmacht gegen den Feudalstaat berufen mußte und ohne welche sie nicht imstande gewesen wäre, die Massen zum Kampf gegen den Feudalstaat für den bürgerlichen Staat aufzurufen. Aber ebenso wie der freie Arbeitsvertrag, der gegen die leibeigene Gebundenheit des Mittelalters von der Bourgeoisie als Grundsatz aufgestellt wurde, nur eine Phrase war, nur ein Deckname für die Lohnsklaverei, so ist auch die allgemeine Steuerpflicht nur eine Phrase, nur ein hohles gesetzliches Prinzip, das aufgestellt wird, um die wirkliche Verteilung der Steuern auf die verschiedenen Arten des Einkommens im bürgelichen Staate nach außenhin zu verschleiern. Das wirkliche einzige Prinzip der Bourgeoisie in der Steuerfrage ist die Abwälzung der Steuerlasten des Staates auf die arbeitenden Klassen, bzw. die Entlastung des Ausbeutungseinkommens, des Mehrwertes und die Belastung des Arbeits- und Lohneinkommens durch die Steuer. Die Durchführung dieser Grundsätze der bürgerlichen Klassen wird gefördert und ermöglicht durch die ungeheuere Komplizierung des gesamten Wirtschaftslebens, die ja auch ein Zeichen der kapitalistischen Wirtschaft ist. Welches ist das Verhältnis der Bourgeoisie zum Staate? Wir müssen es hier charakterisieren, um eben auch die Steuerfrage richtiger er fassen zu können. Der bürgerliche Staat hat die Aufgabe, erstens ein Machtapparat der bürgerlichen Klasse nach außen und innen zu sein; nach außen Machtapparat zur Führung des Konkurrenzkampfes gegen die Bourgeoisie der anderen Staaten und Nationen, nach innen Machtapparat zur Niederhaltung der arbeitenden Klassen, zur Aufrechterhaltung der Klassenherrschaft der Bourgeoisie. Die zweite Aufgabe des Staates besteht darin, in den wilden, zügellosen Konkurrenzkampf der Kapitalisten gegeneinander, der verschiedenen Schichten der besitzenden Klassen gegeneinander regulierend einzugreifen, damit nicht die ganze Maschinerie zerbreche. Die dritte Aufgabe des States besteht darin, die schlimmsten Folgen der Ausbeutung der arbeitenden Klassen, durch welche die Existenz der ganzen Nation und damit auch des Staates in Frage gestellt würde, zu verhindern, dem Klassenkampf die schärfsten Spitzen abzubrechen, eine Korrektur der Ausbeutung herbeizuführen, mit einem Wort, auf dem Wege der Sozialpolitik zu versuchen, den Klassenkampf abzustumpfen.

Diese Aufgaben des Staates sind für die Aufrechterhaltung der Herrschaft der Bourgeoisie unerläßlich, die Bourgeoisie braucht daher diesen Staat, infolgedessen stellt sich die Bourgeoisie in den entscheidenden Stunden immer an die Seite des Staates. Das bedeutet aber nicht, daß die Bourgeoisie den Staat lieben würde, die Haltung der Bourgeoisie dem Staat gegenüber ist oft eine sehr kritische, die Bourgeoisie empfindet den Staat und die Erledigung seiner Aufgaben als ein zwar notwendiges, aber doch als ein Übel und im Verlauf der Erfüllung dieser Aufgaben ist der Staat wohl oder übel gezwungen, in die absolute Selbstherrlichkeit der besitzenden Klassen, der einzelnen Kapitalisten gelegentlich einzugreifen, ihre absolute Selbstherrlichkeit im Interesse der Gesamtheit des kapitalistischen Systems und der bürgerlichen Gesellschaft in manchen Punkten zu beschneiden. Die Lage der Bourgeoisie ist eben die: Sie herrscht zwar, aber sie regiert nicht unmittelbar im Staate. Die Bourgeoisie hat daher gegenüber dem Staat immer den kritischen Standpunkt eingenommen, daß die Aufgaben des Staates auf das Allernotwendigste beschränkt werden sollen, darum das Streben der Bourgeoisie danach. Das kommt z. B. zum Ausdruck in dem Bestreben, das Budget des Staates soweit wie möglich zu drosseln. Das Ideal der Bourgeoisie in Bezug auf die Finanzpolitik des Staates ist die Herabsetzung der Ausgaben des Staates, die Drosselung seines Budgets, was natürlich nichts anderes ist als die Einschränkung seiner Aufgaben. Selbstverständlich kommt hiezu noch der Wechsel in der Lage der Machtverhältnisse der Klassen im bürgerlichen Staate und die wechselnde Rolle der verschiedenen Schichten der besitzenden Klassen im Verlaufe der kapitalistischen Entwicklung. Vor dem Kriege war die ganze Frage des Staates vom Gesichtspunkt der Steuerleistung nicht allzu bedeutend, bei weitem nicht so bedeutend wie heute. Berechnungen haben ergeben, daß vor dem Kriege die Ausgaben des Staates höchstens 10% vom Nationaleinkommen beanspruchten; heute in der Zeit nach dem Weltkriege ist diese Frage wichtiger. Dies vor allem auf Grund der Änderung der Gesamtlage der kapitalistischen Wirtschaft und der Veränderung der Machtverhältnisse innerhalb der kapitalistischen Wirtschaft. Der Machtapparat des Staates muß heute nach außen größer sein, wegen der Verschärfung des internationalen Konkurrenzkampfes, wegen der Verschärfung der imperialistischen Spannungen; er muß nach innen hin größer sein wegen der Verschärfung der Klassengegensätze, der Klassenkämpfe gegenüber der Zeit vor dem Weltkriege. Infolge der chronischen Krise, infolge der gewaltigen Erschütterungen des Wirtschaftslebens ist die ganze kapitalistische Wirtschaft stellenweise aus dem Gleichgewicht geraten, weshalb der Staat viel mehr regulierend eingreifen muß als es vor dem Kriege der Fall war. Vom Gesichtspunkte der kapitalistischen Wirtschaft und der kapitalistischen Klassen, im Interesse der notwendigen Stabilisierung der ganzen kapitalistischen Ordnung mußte also der Staat auch schärfer in das ganze Wirtschaftsleben eingreifen. In dritter Hinsicht ist die Sozialpolitik eine wichtigere Frage geworden, weil infolge der Verschärfung der Klassengegensätze eben auch größere Anstrengungen der Bougeoisie notwendig waren, sozialpolitische Anstrengungen, um die arbeitenden Klassen zu beruhigen, um sie vor dem äußersten Schritt im Klassenkampfe, vor dem Endkampf um die politische Macht, zurückzuhalten. Die Bourgeoisie mußte Zugeständnisse machen. Der politische Einfluß der arbeitenden Klassen erforderte diese Zugeständnisse, machte sie notwendig, nicht nur von Seiten des Staates, sondern auch von Seite der Selbstverwaltung, der Gemeinden. Darum wuchsen die Aufgaben des Staates, wie auch der gesamten Verwaltung und der Selbstverwaltung.

Während so auf der einen Seite die Aufgaben und die Rolle des Staates an Umfang gewaltig zugenommen haben und daher gewaltigere Mittel erfordern, um sie bewältigen zu können, ist auf der anderen Seite infolge derselben Erscheinung, infolge dieser gewaltigen Erschütterung des ganzen kapitalistischen Systems auch der Widerwille der besitzenden Klassen gegenüber den Leistungen an den Staat gestiegen. Die gewaltige Krise im Zusammenhang mit dem Weltkrieg hat in vielen Staaten einen Stillstand in der Akkummulation herbeigeführt, stellenweise zu einer Desakkumulation geführt, die Nationaleinkommen sind stark gesunken und infolgedessen beanspruchen heute die öffentliche Verwaltung und der Staat einen viel größeren Teil des Nationaleinkommens als früher.

Dazu kommt die allgemeine Absatzkrise. Die Störung des ökonomischen Gleichgewichtes zwischen den einzelnen kapitalistischen Staaten, die Störung des internationalen Geschäftsverkehrs, der internationalen Wirtschaftsbeziehungen, ferner der Zerfall einheitlicher Wirtschaftsgebiete, der den Aufbau neuer Industrien aus rein staatlichegoistischen Gesichtspunkten brachte - das alles hat eine allgemeine Absatzkrise, eine Verringerung der Produktionsbasis in vielen kapitalistischen Staaten herbeigeführt, wozu dann noch die Einschränkung des Konsums der Massen infolge des Sinkens ihrer Lebenshaltung kam. Außerdem ist aber die Wiederaufnahme der Akkumulation als eine der wichtigsten Erfordernisse der sogenannten Stabilisierungspolitik des Kapitalismus notwendig geworden.

Aus all diesen Gründen: daß einerseits die Rolle und die Aufgaben des Staates gewachsen sind und größere Mittel erfordern und auf der andern Seite das nationale Einkommen gesunken ist und zigleich aber auch die Notwendigkeit der Akkumulation zur Lebensfrage des kapitalistischen Systems geworden ist, werden heute von den besitzenden Klassen die Lasten des Staates viel drückender empfunden und deshalb spielt diese Frage, die Frage der Steuern, eine viel gewaltigere Rolle als früher. So sind auch die verschiedenen Argumente der besitzenden Klassen der bürgerlichen Parteien zu erklären, wie wir sie jetzt während der Verhandlung der Steuerfragen immer wieder gehört haben; und das sind die beiden Hauptargumente, daß die Aufgaben der Verwaltung zu sehr gestiegen seien und daß der Staat und die Verwaltung den Staatsbürgern zu hohe Lasten aufbürden. Diese Klagen kommen sehr lebhaft und am allerlebhaftesten - und das ist bezeichnend für die Lebhaftigkeit, mit der die besitzenden Klassen ihr Klasseninteresse empfinden und zum Ausdruck bringen - von Seiten der besitzenden Klassen, obwohl sie es seit dem Umsturze, seit dem Ende des Weltkrieges verstanden haben, den größeren Teil der Lasten des Staates, der öffentlichen Verwaltung, auf die Schultern der arbeitenden Massen zu legen.

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