Im Motivenberichte wird die Vorlage mit den
finanziellen Tatsachen der vergangenen Jahre begründet. Es
wird darin insbesondere auf die finanziellen Ergebnisse der Jahre
bis 1922 hingewiesen. Ich möchte das hohe Haus fragen, was
die Staatsverwaltung und unser verehrter Herr Finanzminister dazu
sagen würden, wenn wir bei den Beratungen des Budgets für
1928 die Budgets für 1924 und 1925 in Ziffern zum Vergleiche
heranziehen würden. Man würde uns nicht nur auslachen,
sondern mit Recht der Leichtfertigkeit und Unsachlichkeit zeihen.
Wenn uns eingewendet wird, daß die Ziffern der Gemeinden
aus den letzten Jahren nicht zur Verfügung standen, so fragen
wir, was das für eine Staatsverwaltung ist, die sich nicht
diese Ziffern bis in die letzten Jahre zu beschaffen weiß.
Das Material aus der letzten Zeit ist deshalb nicht zum Vergleich
und zur Begründung des Motivenberichtes herangezogen worden,
weil es dazu untauglich wäre, da in der Zwischenzeit sich
in den Gemeindefinanzen eine gewaltige Veränderung zugetragen
hat. Bis 1922 und auch noch 1923 hatten wir doch die Zeiten der
Inflation, die natürlich nicht nur auf den Staat, sondern
auch auf die Gemeinden sich ausgewirkt hat. Damals hatten wir
in den Gemeinden tatsächlich ganz außerordentlich hohe
Budgetsummen zu verzeichnen und demgemäß hohe Umlagen.
Warum diese Umlagen so hoch waren, habe ich bereits begründet:
Weil die Steuerverwaltung mit den Steuervorschreibungen nicht
nachgekommen ist, weil die Gemeinden keine Basis für die
Berechnung der Umlagengrenze überhaupt hatten. Hätte
man die Ziffern von 1925 oder 1926 als Vergleichsziffern herangezogen,
wären wir zu ganz anderen Resultaten gekommen. Ich erinnere
z. B. an die Stadt Eger, die 1922 eine Gemeindeumlage von mehr
als 1000% hatte, gegenwärtig im vergangenen Jahre nur mehr
eine von rund 350 bis 400%, also tatsächlich eine ganz gewaltige
Herabsetzung der Gemeindeumlagen. An den hohen Umlagenziffern
sind nicht nur, wie es heute dargestellt wird, die sogenannten
sozialistischen Experimente in den Gemeinden schuld. Ich verweise
darauf, daß auch in den heute noch sozialistisch verwalteten
Gemeinden die Umlagen bedeutend herabgesetzt worden sind, daß
das eine Tatsache ist, die nicht mit der Verwaltung und dem Parteiensystem
in den Gemeinden zusammenhängt, sondern mit der damaligen
Inflationszeit in unserer Währung und anderseits mit den
ungeheueren Anforderungen, die gerade an die Gemeinden unmittelbar
nach dem Kriege und zum Teil während des Krieges gestellt
worden sind.
Bedenken Sie, daß wir einen Teil der
Verpflegung der Bevölkerung bis 1920 durch die Gemeinden
durchzuführen hatten, daß die Gemeinden einen großen
Teil der produktiven Arbeitslosenfürsorge übernommen
hatten, daß wir durch fast 8, 9 Jahre in den Gemeinden keinerlei
Reparaturen an den Schulen, in den Gemeindehäusern usw. durchgeführt
haben, daß während des Krieges all das zurückgestellt
wurde, und dann plötzlich ungeheuere Anforderungen an die
Gemeinden gestellt worden sind. Unsere Strassen, unsere Wege,
unsere sozialen Einrichtungen, alles war einfach verfallen. Man
kann sagen, daß man von der Schreibmaschine anfangen mußte
mit den Neuanschaffungen in den Gemeindenstuben.
Es war also kein Wunder, wenn in dieser Zeit
hohe Umlagen erfolgten, höhere als sie vielleicht mit der
finanziellen Leistungsfähigkeit der einen oder der anderen
Gemeinde vereinbarlich gewesen wären. (Posl. Knirsch:
Und die Kriegsanleihezinsen?) Darauf werde ich in einem ganz
speziellen Beispiel zu sprechen kommen.
Das Gesetz über die Gemeindefinanzen trifft
in erster Linie unsere Industrieorte und Industriegemeinden, unsere
mittleren und größeren Städte. Die Landgemeinden
bleiben ziemlich unbeeinflußt, weil sie ja viel niedrigere
Umlagengrenzen haben und weil ihre Aufgaben auch nicht so bedeutend
sind wie die in den mittleren und größeren Städten.
Es ist eine interessante Tatsache, daß mit unserer Kritik
eine verhältnismäßig wichtige Stelle, die
in der èechoslovakischen Wirtschaft eine bedeutende Rolle
spielt, es ist dies die Zentrale der èechoslovakischen
Handels- und Gewerbekammern, vollständig übereinstimmt.
In ihren Mitteilungen vom 15. März steht wörtlich folgender
Satz: "Die unzureichenden und veralteten
statistischen Unterlagen der Gesetzesvorlage gestatten keine genaue
Abschätzung der Folgen des beantragten Gesetzes. Eines nur
steht fest: Den größten Teil der Vorteile werden die
kleineren Landgemeinden ziehen, die unter der geringeren Valorisierung
der Grundsteuer zu leiden hatten. Diesen Gemeinden wird zukommen,
was den übrigen entzogen wird." (Posl. Patzel: Der
Chefsekretär der Zentrale ist der Koll. Dr. Samek!) Der
aber weder in den Beratungen des Budgetausschusses noch hier den
Standpunkt seiner Kammer oder seiner Freunde, die sicherlich nicht
aus unsachlichen Gründen, sondern sicher aus sachlichen Erwägungen
diesen Standpunkt eingenommen haben, teilte. Wir gönnen den
kleineren Städten, den Landgemeinden ihre Erfolge, und wir
würden uns freuen, wenn sie zu einem Fortschrift in der Entwicklung
kommen würden. Aber die wichtigsten Grundlagen unserer Selbstverwaltung
sind doch unsere Industriegegenden, unsere deutschen Mittelstädte,
unsere größeren Stadtgemeinden, und da gestatten Sie
mir als ein Exempel eine Stadt anzuführen, die gerade unter
diesem Gesetz in unglaublicher Art und Weise zu leiden haben wird.
Ich sage ausdrücklich, es ist das nur ein Exempel, man wird
das wahrscheinlich auf viele andere Gemeinden ausdehnen können.
Es ist die nordwestböhmische Kohlenbergbaustadt Dux. Das
Stadtamt Dux hat uns und der Regierung eine Eingabe unterbreitet,
die ich dem hohen Hause zur Kenntnis bringen möchte. Hier
heißt es unter anderem nach einer sachlichen Einleitung:
Bei dieser geplanten Neuregelung geht das Finanzministerium von
Voraussetzungen aus, die vollständig unzutreffend sind, da
einerseits die statistischen Daten aus dem Jahre 1922 zur Grundlage
genommen werden, die jedoch derzeit vollständig veraltet
und überholt sind, andererseits von der Ansicht, daß
die derzeitigen Gemeindevertretungen nicht mit der nötigen
Objektivität die einzelnen Gemeinden verwalten und auch den
nötigen Sparsinn vermissen lassen. Diese Voraussetzungen
sind vollständig unrichtig, die wahren Ursachen der Verelendung
der Finanzen der Selbstverwaltungskörper liegen in der staatlichen
Finanzwirtschaft, staatlichen Steuerpolitik und der Steuerverwaltung
selbst. Sollte dieses Gesetz tatsächlich zur Durchführung
kommen, so würde eine derartige Reform der Finanzwirtschaft
zum Chaos und Zusammenbruch sämtlicher Gemeindeverwaltungen
führen müssen. Da sich die Stadtvertretung Dux der vollen
Tragweite dieses Gesetzes bewußt ist, hat dieselbe in ihrer
ordentlichen öffentlichen Sitzung vom 10. Dezember 1926 beschlossen,
diesen Gesetzentwurf als unannehmbar auf das entschiedenste abzulehnen,
wobei gleichzeitig die Forderung aufgestellt wird, daß einerseits
sofort Weisungen erteilt werden, damit in der Vorschreibung und
Einhebung der Steuern endlich Ordnung geschaffen wird, damit der
Voranschlag wieder auf festen Grundlagen aufgebaut werden kann
und andererseits die Überweisungen aus Steuererträgnissen
nicht willkürlich, sondern planmäßig nach einem
bestimmten System erfolgen, damit hiedurch eine Erhöhung
der Umlagenprozente vermieden und gleichzeitig auch der Kredit
der Selbstverwaltungskörper nicht unterbunden oder zerstört
wird. Ausdrücklich wird betont, daß es sich bei dieser
Resolution nicht um einen Kampf gegen die Staatsverwaltung, sondern
um die Verteidigung der Rechte, auf denen das Wohl des Staates
beruht, handelt. Als Begründung dieser Resolution werden
gleichzeitig folgende Daten zur geneigten Überprüfung
vorgelegt, aus denen zu entnehmen ist, daß nicht die Finanzgebahrung
der Stadtgemeinde schuld ist, daß die Umlagen von Jahr zu
Jahr steigen, sondern daß der Grund in der allgemeinen Finanzwirtschaft
des Staates und der staatlichen Steuerpolitik und Steuerverwaltung
liegt. Die Hauptursache der Erhöhung der Umlagen liegt in
der Steuerbasis, die obwohl der Abgang seit ohne Jahre 1924 fast
keine Veränderung aufweist, stetig sinkt, so daß,
nachdem anderweitige Einnahmsquellen fehlen, der Ausgleich nur
durch Erhöhung der Umlagen erfolgen kann. So betrug die Steuerbasis
in den Jahren 1923 300.000 Kè, 1924 353.000 Kè,
1925 324.000 Kè, 1926 250.000 Kè. Der Abgang betrug
in diesen vier Jahren: 1,233.000 Kè,
1,740.000 Kè, 1,530.000 Kè, 1,615.000 Kè.
Die Umlagen betrugen hiebei in den Jahren 1923 bis 1926: 290%
plus 71%, 392% plus 56%, 369% plus 55%, 434% plus 148%.
Laut Mitteilung des Steueramtes ist nun die
Steuerbasis im Jahre 1927 auf 155.000 Kè gesunken.
Es ist einstweilen noch ein Rätsel, wie die Bedeckung des
Abganges erfolgen soll. Was nun die Ausgaben selbst betrifft und
jetzt kommt das interessanteste Kapitel, weil man immer von der
Mißwirtschaft der Gemeinden spricht - so setzen sich
dieselben wie nachstehend zusammen: Erstens erfordern die Zinsen
und Annuitäten allein 960.305.88 Kè,
wovon auf Kriegsanleihe 114.798 Kè und auf den èechischen
Volksschulneubau 275.835 Kè entfallen. Überlegen Sie
sich einmal diese zwei Ziffern. An diesen beiden
Budgetziffern ist doch nur die ungeheuerliche Form der Nichteinlösung,
resp. falschen Lösung der Kriegsanleihe für unsere Gemeinden
schuld, die nicht nur ihr eigenes Geld in diese Kriegsanleihen
gesteckt haben, sondern jetzt auch noch draufzahlen müssen,
und zwar Dux allein 114.000 Kè. Und dann den großen
Posten der Erhaltung der èechischen Volksschule, der 275.835
Kè beansprucht. Diese beiden Posten machen allein 400.000
Kè aus, also mehr, als die Gemeinde Dux in Zukunft aus
Grund des neuen Gesetzes überhaupt an
Umlagen wird ausschreiben dürfen. Und nun kommen wir zu den
weiteren Ausgaben der Gemeinde. Der Pensionsfond erfordert 86.986,
die Beamtengelder 402.348, Polizeigehalt und Sachaufwand 289.450,
Straßenbeleuchtung 111.482, der Abgang beim Armenfond
beträgt 57.909, beim Armenhaus 14.951, bei den Kindergärten
105.252 Kè. Und nun fragen wir Sie, wo und wie die Gemeinde
sparen soll? Nach dem neuen Gesetz ist die Gemeinde verpflichtet,
in erster Linie für die Annuitäten und Verzinsung der
Darlehen aufzukommen. Das ist die erste
Post, die unbedingt gezahlt werden muß und die allein 960.305
Kè beträgt. Bis zu dieser Post wird jede Umlagenhöhe
gewährt, das macht in Dux bei einer Steuerbasis von 155.000
Kè und 400% aus. Da nun die Gemeinden nicht mehr als
400% einheben dürfen, frage ich Sie, was soll mit den anderen
Bedürfnissen werden, woher soll man den Beitrag für
den Pensionsfonds nehmen, woher die Beamtengelder? Oder soll die
Gemeinde Dux die Polizei auflösen, keine Ortspolizei mehr
haben oder soll sie die Straßenbeleuchtung in der Nacht
einstellen, damit noch mehr schöne Dinge vorkommen? (Výkøiky.)
Das wird auch für die politischen
Verhältnisse bezeichnend sein, wenn es recht finster ist.
Oder soll die Gemeinde anfangen, beim Armenfond zu sparen, will
man den Armen weniger zu essen geben, oder soll man bei den Kindergärten
sparen? Wo immer Sie hinsehen, wo immer Sie sparen wollen. Sie
stoßen auf Ausgaben, die einfach nicht einzuschränken
sind. Wenn die Gemeinde auf Grund der jetzigen Steuerbasis 300%
Umlagen einhebt, wird sie im ganzen 465.000 Kronen einheben, während
sie 1,615.000 Kronen Ausgaben faktisch hat, von denn man nichts
streichen kann. Diese Zustände werden zweifelsohne zum Bankerott
der Gemeinden führen. Die Gemeinden sind gegenwärtig
gar nicht in der Lage, ihre Budgets aufzustellen, wenn dieses
Gesetz angenommen wird, woran nicht zu zweifeln ist. Wir fragen
die Staatsverwaltung, was sie tun würde, wenn man ihr nicht
rechtzeitig mit einer gewissen Garantie der Sicherheit die Möglichkeit
bieten würde, ihren Voranschlag für das nächste
Jahr zusammenzustellen. Die Gemeinden sind heute in einer solchen
Situation, sind nicht in der Lage, den Gemeindevoranschlag für
das laufende, bezw. kommende Jahr zu erstellen.
Die Steuerreform, die jetzt im Hause gemacht
wird, ist nicht nur von einigen Fachleuten, sondern vom Finanzminister
als Sprung ins Dunkle bezeichnet worden. Und nun sollen in diesen
Sprung auch die Gemeinden mitgerissen werden, denn Sie haben die
Gemeinden in einen so innigen Zusammenhang mit der ganzen Steuervorlage
gebracht, daß durch dieses neue Gesetz, zu dem ich spreche,
tatsächlich die Gemeinden vor eine finanzielle Schicksalsfrage
gestellt erscheinen. Unsere Gemeinden haben ja große Aufgaben
zu lösen. Sie sind heute nicht nur Verwaltungsorganisationen
ihres Vermögens, sie sind nicht nur Organisationen für
einen Teil der Staatsbedürfnisse, die Gemeinden haben auch
einen so ungeheuer großen Teil des sogenannten übertragenen
Wirkungskreises übernehmen müssen, daß mindestens
60% der gesamten Ausgaben, wenigstens bei den Beamtenbezügen
auf diesen übertragenen Wirkungskreis entfallen, was die
Gemeinden sonst leisten? Sie führen Straßenregulierungen
durch, sie haben die Aufgabe, für gesunde Verhältnisse
in der Gemeinde zu sorgen. Gerade jetzt haben wir eine "Gesundheitswoche",
die uns belehrt, was getan werden soll und getan werden muß,
um die Gesundheit der Bevölkerung zu fördern. Aber,
meine sehr Verehrten, wenn man daran denkt, daß eine große
Zahl der Gemeinden mit ihren Kanalregulierungen im Rückstande
ist, daß wir unmoderne, unzulängliche und zu kleine
Netze in dieser Beziehung haben, daß die sozialen Einrichtungen
der Gemeinden längst nicht mehr hinreichen, daß unsere
Waisenhäuser, unsere Krankenhäuser und Säuglingsfürsorgeeinrichtungen
unzulänglich sind, daß die Wöchnerinnenfürsorge
und die Wohnungsfürsorge in den Gemeinden und alle die anderen
gesundheitlichen Verpflichtungen den Gemeinden aufgebürdet
werden und ihnen von gesetzeswegen als Wirkungskreis zugewiesen
werden, dann fragen wir Sie, wie das alles in Zukunft geregelt
werden soll, wenn den Gemeinden die absolute Unmöglichkeit
der finanziellen Sicherstellung dieser Dinge vorgeschrieben wird.
Es gibt ja viele Leute, die nicht nur hier im hohen, aber leeren
Hause, sondern auch draußen in den Gemeinden an den Stammtischen
sitzen und schimpfen und die Wohnungsfürsorge der Gemeinden,
die Ascheabfuhr, die Kanalisierung und vor allem die sozialen
Einrichtungen, unsere Wöchnerinnenfürsorge, die Säuglingsfürsorge
usw., die das alles für überflüssig ansehen. Aber
wir glauben, daß diese Argumente des Stammtisches, die man
ohneweiters mit den Argumenten der Straße vergleichen kann,
doch nicht bei den Erwägungen des Finanzministeriums oder
des hohen Hauses irgendwelche Bedeutung erlangen dürfen.
Wenn der Staat es wirklich mit den Gemeinden gut meint und wenn
er es mit der finanziellen Fürsorge um unsere Gemeinden so
gut meint, warum setzt man dann bis zum heutigen Tage dem Gesetz
einen Widerstand entgegen, das schon längst hätte in
Kraft treten sollen? Gemeinsam mit der Sozialversicherung hätte
das Gesetz für die Überalten in Kraft treten sollen
und der Staat hat auch Mittel dafür bereit gestellt. Bis
heute ist die Vorlage noch nicht zum Gesetz erhoben worden, obzwar
es selbstverständlich zu gleicher Zeit mit der Sozialversicherung
hätte eingeführt werden müssen. Wir haben im sozialpolitischen
Aasschuß die Vorlage seit mehr als einem Jahr liegen und
niemand rührt sich, daß dieses Gesetz endlich einmal
in Kraft tritt und doch könnte dieses Gesetz unseren Gemeinden
gerade den kleineren Gemeinden einen großen Teil ihrer Lasten
für die alten Armen der Gemeinden von den Schultern nehmen,
oder sie wenigstens lindern.
Aber nicht der Wille, den Gemeinden zu helfen,
sondern der Wille die Autonomie, die Selbstverwaltung selbst im
Herzen zu treffen, das ist der Sinn der jetzigen Vorlage, an der
sich bedauerlicher Weise auch wieder die deutschen Parteien, die
doch wissen müßten, welche Bedeutung die Autonomie
für uns hat, beteiligt haben.
Das Gesetz hat noch eine Reihe von weiteren
Bestimmungen, die das höchste Interesse hervorrufen; so bestimmt
z. B. der § 20, daß die Gemeinden nur solche Unternehmungen
neu errichten dürfen, bei denen von vornherein die Verzinsung
und die Amortisation garantiert ist. Ich möchte Ihnen da
das Beispiel der zwei großen Elbebrücken bei uns im
Elbetal vor Augen führen. Sowohl die Stadtgemeinden Aussig
und Schreckenstein, als auch die Stadtgemeinden Tetschen und Bodenbach
stehen vor der Notwendigkeit der Errichtung neuer Brücken.
Diese Brücken werden einen Millionenaufwand erfordern und
alle vier großen Gemeinden haben sich auch mit diesem Projekt
beschäftigt. Das Brückenprojekt der Stadt Aussig wird
ungefähr 17 Millionen betragen und das der Städte Tetschen
und Bodenbach ungefähr 14 Millionen. Diese zwei großen
Projekte die von den vier größten Gemeinden in Nordböhmen
durchgeführt werden sollen, sind nach dem jetzigen Gesetz
einfach unmöglich. Das Gesetz verlangt die Verzinsung und
Amortisation. Ja, meine sehr Verehrten, ich frage Sie, seit wann
können sich Brücken oder Straßen verzinsen und
amortisieren? Wir alle wissen, daß sie sich nicht verzinsen,
daß sie sich nicht amortisieren, aber daß sie doch
sein müssen und daß wir sie bauen müssen. Die
Brücke in Aussig ist eine Brücke, die von den Staatsbahnen
übernommen worden ist, ist heute bereits 21 Jahre über
ihre Lebensdauer in Funktion und jeder Fachmann, auch die Herren
aus dem Arbeitsministerium, haben uns ohne weiters erklärt,
daß kein Mensch heute für die Tragfähigkeit dieser
Brücke eine Garantie geben kann. Dazu kommt noch, daß
in den letzten Jahren alle Brücken durch den weitaus gesteigerten
Autoverkehr noch viel mehr beanstrengt worden sind und werden,
als es früher der Fall war. Wir haben z. B. auf der Brücke
in Aussig einen täglichen Frachtverkehr von nicht weniger
als 500 Wagen; 800 Wagen passieren täglich die Brücke
in einem Zeitraum von 12 Stunden. Auf dieser Brücke passieren
weiter täglich 18.000 Fußgänger innerhalb 12 Stunden.
Sie kennen sich die Belastung dieser Brücke, die noch dazu
eine kombinierte Eisenbahn- und Straßenbrücke ist,
beiläufig vorstellen, und es ist ganz klar, daß diese
Brücke heute eine Gefahr für den Verkehr beinhaltet.
Genau so steht es in Bodenbach. Vielleicht ist die Tetschen-Bodenbacher
Brücke noch etwas gefährlicher, als die Aussig-Schreckensteiner,
weil sie eine Hängebrücke ist und wegen ihrer Konstruktionsschwierigkeiten
keine so lange Lebensdauer erreicht, als es bei der Aussiger Brücke
der Fall sein könnte. Die beiden Verbände der großen
Gemeinden wollen daran gehen, neue Brücken zu bauen und haben
in ihren Gemeindebudgets für das nächste Jahr die Posten
vorgesehen und auch die Pläne ausgearbeitet. Wir gehen an
die Arbeit und nun kommt das Gesetz und macht uns einen Strich
durch die Rechnung. Ganz abgesehen davon, daß die Entwicklung
der beiden großen Gemeindeverbände Tetschen-Bodenbach
und Aussig-Schreckenstein in ihren vitalsten Lebensinteressen
geradezu ins Mark getroffen werden, wenn wir nicht große
und moderne neue Brücken über die Elbe führen können,
frage ich Sie, was morgen geschehen wird, wenn die eine oder die
andere Brücke einstürzt. Wir stehen vor dieser Gefahr,
wie alle Fachleute überstimmend bestätigen. Dann werden
wir mit einem noch viel größeren Aufwand bauen müssen,
dann werden wir eine Notbrücke bauen, die uns Millionen kostet,
und werden daneben mit einer neuen Brücke beginnen müssen.
Aber dann werden wir wieder vor der Tatsache stehen, daß
wir nicht bauen dürfen, weil uns das Gesetz hindert. Dann
frage ich Sie, was sein wird, wenn z. B., das große Industrieunternehmen
der Firma Schicht abgesperrt sein wird von dem Stock ihrer Arbeiter,
die in Aussig und Umgebung leben und nicht die Möglichkeit
haben werden, ihre Arbeitsstätten aufzusuchen, wenn der ganze
Frachtverkehr plötzlich unterbunden wird, wenn der zwischen
beiden Elbeufern stattfindende rege Frachtverkehr zwischen Tetschen
und Bodenbach plötzlich stillstehen muß. Meine Herren,
da sehen Sie die ganze Unmöglichkeit dieses Finanzgesetzes
vor Ihren Augen. Das sind keine Ausnahmsfälle, die ich hier
anführe, sondern daß sind Fälle, die ich durch
eine ganze Unzahl anderer Beispiele ergänzen könnte.
Meine sehr Verehrten! Man schreit soviel über
die ungeheueren Ausgaben der Gemeinden. Auch da möchte ich
Ihnen ein Beispiel anführen, das die kleine Stadt Zwickau
in Nordböhmen betrifft, eine reine Industriestadt, wie wir
sie in Nordböhmen bei jeder zweiten und dritten Stadt vor
Augen sehen. Die kleine Stadt ist zu 90% von Arbeitern bewohnt,
sie hat natürlich eine sehr schmale Steuerbasis. Aber die
Anforderungen an die Gemeinde sind keineswegs gering. Gerade die
Gesetze, die in den letzten Jahren beschlossen worden sind, haben
jenen Gemeinden große Lasten auferlegt. Ich spreche da nur
von einem einzigen Gesetz, das eben bei Zwickau wie auch bei anderen
Städten sich so schlimm ausgewirkt hat: das Genter System
bei der Arbeitslosenfürsorge. Die Stadt Zwickau zählt
nur 3500 Einwohner und hatte im vergangenen Jahr 900 Arbeitslose
beherbergt. Alle Fabriken standen still, nur eine kleine Zahl
Arbeiter waren beim Putzen von Masch1nen beschäftigt. Von
diesen 900 Arbeitslosen waren etwa 100 bereits ausgesteuert, die
auch nach dem Genter System keine Unterstützung mehr bekommen,
und daneben gab es eine Reihe von Unorganisierten, die von vornherein
von der Unterstützung ausgeschlossen sind. Die Stadt Zwickau
stand vor der Notwendigkeit, ebenso wie viele andere Gemeinden,
wie auch Aussig, Bodenbach, Tetschen, Kamnitz, Bensen, kurz alle
Städte unseres sudetendeutschen Industriegebietes, irgend
etwas für die Arbeitslosen zu tun. Die Stadtgemeinde begann
damit, sich nach Prag zu wenden, um zu versuchen, durch Zuwendung
staatlicher produktiver Arbeit der Arbeitslosigkeit zu steuern
und die Not wenigstens etwas zu mindern. Wir haben im Gesundheitsministerium,
im Ministerium für öffentliche Arbeiten, bei der politischen
Landesverwaltung, bei allen nur irgendwie in Betracht kommenden
Ämtern vorgesprochen um Zuweisung von Mitteln. Überall
das gleiche Bild: Achselzucken, die Unmöglichkeit der Beistellung
von Mitteln. Die Stadtgemeinde Zwickau wollte damals ihre Kanalisierung
und einen Straßenbau durchführen, als eine Art Notstandsarbeit.
Aber auch der verhältnismäßig geringe Betrag von
200.000 Kronen, der dazu nötig war, war einfach nirgends
aufzubringen. Die Stadtgemeinde mußte, wenn sie nicht Hungerrevolten
und Plünderungen in der Gemein de haben wollte, daran
gehen, einen Kredit aufzunehmen, um den Arbeitslosen wenigstens
soviel zu geben, daß sie das tägliche Brot zum Essen
hätten. Das sind natürlich Ausgaben - die Stadtgemeinde
hat im vorvergangenen Jahre 120.000, im vergangenen Jahre 100.000
Kè für Arbeitslosenfürsorge
verausgabt - die die Stadtgemeinde heute schwer belasten, die
sie aber doch hat vornehmen müssen, weil sie sich nicht auf
den Standpunkt des Staates stellen konnte, daß man bei dieser
Gelegenheit die Bevölkerung mit blauen Bohnen füttern
und zur Raison bringen müsse. So sind in Wirklichkeit die
Zustände draußen. Das sind die Belastungen unserer
Gemeinden, das ist auch jener Teil der Fürsorge, die die
Gemeinden übernehmen mußten, weil der Staat mit seinem
System versagt hat, weil das Genter System Tausende und Abertausende
Arbeitslose einfach dem Hunger und der Verzweiflung überliefert
hat, weil er sich um die weitere Existenz dieser Menschen nicht
kümmert.
Ich möchte aber noch auf eine andere wichtige
Frage zurückkommen. Die Tätigkeit in den Gemeinden wird
heute von einer großen Anzahl von Personen ehrenamtlich
durchgeführt und nur in einigen größeren Industrie-
und Stadtgemeinden bekommt heute der Bürgermeister irgendeine
den Verhältnissen meist nicht entsprechende Honorierung für
seine im Dienste der Öffentlichkeit verbrachte Arbeitsleistung.
Die neue Vorlage dankt den Gemeindefunktionären auf eine
sehr eigene Art und Weise für diese im öffentlichen
Interesse geleistete Arbeit. Was bietet der Staat jetzt den Gemeinden,
was bietet er ihren hervorragenden Funktionären? Der §
8 der Vorlage setzt Strafen für die Bürgermeister und
Vorsteher fest. Um dieses Ehrenamt ist ja heute schon in unseren
Gemeinden keine große Konkurrenz mehr. Es ist heute bei
den derzeitigen wirtschaftlichen und politischen Verhältnissen
wahrhaftig keine leichte oder angenehme Sache. Ich erinnere nur
an die verhältnismäßig harmlosen Entschließungen
in der Frage der Verwaltungsreform, wofür eine ganze Reihe
von Gemeindevertretern angeklagt und nach dem Schutzgesetz bestraft
und verurteilt worden sind. Es gibt Fälle, wo die gesamte
Gemeindevertretung zu Arreststrafen oder schweren Geldstrafen
verurteilt wurde. Die Freiheit einer autonomen Verwaltungskörperschaft
wurde einfach mit solchen Mitteln unterdrückt. Notabene handelt
es sich um Entschließungen, die wirtschaftlich den Staat
weder erschütterten, noch ihm sonst nie gefährlich werden
konnten. Nur die Rachsucht einer zentralistisch geleiteten Staatsverwaltung,
die auch da schon den Gemeinden zeigen wollte, daß ihre
Autonomie zu Ende geht, spielte da ihre Trümpfe aus. (Posl.
Patzel: Das alte Österreich hat den Gemeinden das Recht der
freien Meinungsäußerung nie angetastet!) Jawohl.
Nun aber kommt der § 8 und setzt Strafen fest, wornach der
Bürgermeister einer Gemeinde bis zu 5000 Kronen persönlich
bestraft werden kann, wenn er den Aufträgen der Bezirkshauptmannschaft
nicht rechtzeitig und pünkltich nachkommt. Stellen Sie sich
nur diese Bestimmung - jetzt geht Herr Sektionschef Bobek heraus
und gerade jetzt werde ich mich eingehend mit ihm beschäftigten
müssen - in der Praxis vor. Man muß sich nur diese
kautschukartigen Bestimmungen näher ansehen. Wenn die Gemeinde,
das Bürgermeisteramt, nicht rechtzeitig und lückenlos
die Fragen der Bezirkshauptmannschaft beantwortet, kann der Bürgermeister
bestraft werden. Man kann sich beiläufig vorstellen, wie
dieser Paragraph in den Händen einer schikanös eingestellten
Staatsverwaltung oder eines solchen Staatsbeamten da draußen
gehandhabt werden wird. Ich bin überzeugt davon, daß
diese Bestimmung den Bezirkshauptmännern die Möglichkeit
gibt, jeden Bürgermeister nicht nur zu bestrafen, sondern
auch seines Amtes zu entheben. Denn auch das steht in der Vorlage.
Man kann ihn einfach absetzen. Man weiß, wie diese Fragen
ausschauen, und gerade in den kleinen Gemeinden, wo z. B. einfache
Arbeiter Gemeindevorsteher sind, wird man oft nicht imstande sein
diese Fragen bis zum letzten Tüpfelchen zu beantworten. (Výkøiky
posl. Patzela.) Wir können uns beiläufig
vorstellen, wie diese Bestimmungen in den Händen von parteiischen
Beamten, von gegen die Gemeinden von vornherein eingenommenen
Bezirksverwaltern und Bezirkshauptleuten, mißbraucht werden
können.