Hohes Haus! Meine Aufgabe ist es, an einem
besonderen Beispiel den kapitalistischen Klassencharakter der
Steuerreform aufzuzeigen. Es handelt sich vor allem um die Grundsteuer
sowie die Gebäudesteuern. Die Bestimmungen der Vorlage über
die Grundsteuer entsprechen durchaus nicht den Interessen der
kleinen Landwirte und Häusler, die ja bekanntlich die erdrückende
Mehrheit der landwirtschaftlichen Bevölkerung darstellen.
Die Vorschriften über die Gebäudesteuern bedeuten aber
direkt eine schwere Schädigung dieser breiten Schichten,
ganz abgesehen von den Mietern. Daß das ganze Gesetz nach
Versicherung des Herrn Referenten Dr. Hnídek lediglich
ein Provisorium ist, kann für die Geschädigten nur ein
sehr schwacher Trost sein. Im Budgetausschuß hat Herr Sektionschef
Dr. Vlasák bei Beratung der Grundsteur erklärt, daß
eine Lösung des, Problems der Besteuerung der Landwirtschaft
aus meritorischen, praktischen, fiskalischen und - man höre!
- ethischen Gründen nur im Sinne der Beibehaltung der Grundsteuer
möglich sei. Herr Sektionschef Dr. Vlasák hätte
sehr gut getan, die Ethik gerade bei der Grundsteuer aus dem Spiele
zu lassen, wie ja überhaupt das ganze Reformwerk der Regierungsmehrheit
mit ethischen Grundsätzen absolut nichts zu tun hat. Es handelt
sich tatsächlich um die Wahrung nackter kapitalistischer
Klasseninteressen, oft in geradezu schofler Weise. Eine wirklich
ethischen Grundsätzen entsprechende Steuerreform müßte
eine volle Entlastung der wirtschaftlich schwachen Schichten der
Bevölkerung bringen und die wirtschaftlich Kräftigen
stärker zur Erfüllung ihrer Pflichten gegenüber
Ihrem, dem kapitalistischen Staate heranziehen. Die kapitalistischen
Nutznießer des Staates verstehen es aber meisterlich, die
beherrschten Schichten, das sind die arbeitenden Menschen in Stadt
und Land, nicht nur zu zwingen, die Einrichtungen zur Niederhaltung
des Volkes, z. B. den Militarismus durch Stellung der Rekruten
aufrecht zu erhalten, sondern auch noch aus eigenen Mitteln durch
höchst ungerechte Steuern zu bezahlen.
Das leitende Motiv in der Steuerfrage der herrschenden
Klassen war jederzeit das, den anderen die nach dem Herrn Finanzminister
Dr. Engliš geradezu süße Pflicht des Steuerzahlens
zu überlassen. In Deutschland z. B. zahlen heute noch die
Besitzer von vielen tausend Morgen besten Rüben- und Weizenbodens
keine Einkommensteuer. Bei uns ist es neben den indirekten Steuern
speziell die Grundsteuer, welche beweist, daß den Großagrariern
immer noch ein Steuerprivileg von gewaltigem Wert eingeräumt
ist. Die Grundsteuer stellt sich als sogenannte Ertragssteuer
dar, für deren Basis der Ertrag des Grundstückes, nicht
aber das persönliche Einkommen seines Eigentümers maßgebend
ist. Der Katastralreinertrag wird auch in Zukunft so wie bisher
nach dem gemäß Patent vom Jahre 1817 - es ist ein bischen
lange zurück aufgestellten stabilen Kataster errechnet. Es
ist bezeichnend, daß die Revision des Katasters im Jahre
1887 eine nur um 18% höhere Gesamtsumme des Katastralreinertrages
ergab, während die letzte im Jahre 1896 vorgenommene Überprüfung
sogar eine geringere Gesamtsumme als 1887 lieferte. Schon die
genannten Jahreszahlen zeigen uns, daß der Großgrundbesitz
und die hohe Geistlichkeit damals den entscheidenden politischen
Einfluß hatten und heute wird die Steuerreform ebenfalls
in einer Situation gemacht, die von den Großagrariern und
deren Trabanten beherrscht wird. Das erklärt uns alles. Daß
die Katastralreinerträge sehr weit hinter dem wirklichen
Einkommen zurückbleiben, daß infolgedessen eine ungeheuere
Begünstigung des großen Grundbesitzes vorliegt, kann
niemand bestreiten. Der Motivenbericht des Reformentwurfes gibt
für das Jahr 1920 den Katastralreinertrag für Böhmen,
Mähren und Schlesien mit 147.4 Millionen an, gegenüber
dem Bruttoeinkommen aus Grundbesitz, wie es sich nach den Einkommenssteuerfassionen
darstellt, von 2660.8 Millionen Kronen, so daß
das Bruttoeinkommen etwa das 18fache des Katastralreinertrages
ausmacht. Nebenbei sei bemerkt, daß die Bonitätseinteilung
des Katasters heute längst nicht mehr stimmt.
Allgemein muß zugegeben werden, daß
bisher die Grundsteuer im Vergleich zu anderen Steuern, die mitunter
um das Dutzendfache mehr einbringen - siehe zum Beispiel die Erwerbssteuer,
die seit 1908 eine zwanzigfache Steigerung aufweist - nicht wesentlich
erhöht wurde. Was das zugunsten der Herren Großgrundbesitzer
bedeutet, ahnt man, wenn man die frühere jährliche Grundsteuer
gewisser Herrschaften kennt, die in den heutigen gut christlichen
und echt agrarischen Regierungsparteien ihre berufenen Anwälte
sehen. Fürst Thurn-Taxis z. B. zahlte vor dem Kriege jährlich
rund 60.000 K Grundsteuer, Graf Clam-Gallas 89.000 K, Reichsgraf
Waldstein 104.000 K, Reichsfürst Kinský 130.000 K,
Fürst Lobkowitz 145.000 K. Fürst Lichtenstein 229.000
K und der größte Großgrundbesitzer Böhmens,
der Herr des Böhmerwaldes, Fürst Schwarzenberg 454.000
K Grundsteuer vor ungefähr 20 Jahren. Die Aufwertung der
Grundsteuer erfolgte bekanntlich lediglich um 200%, resp. 400%
in Form der Kriegszuschläge. Man muß also sagen, daß
die Herren Großgrundbesitzer bei dieser Steuerreform sehr
gut wegkommen. Übrigens hat schon Koll. Marcha in
seiner Rede vom 3. Mai einige sehr krasse Beispiele dafür
angeführt, wie die Großagrarier bisher begünstigt
wurden. Der Großgrundbesitzer Skene in Mähren hat einige
Jahre hindurch die Erbschafts- und Vermögenssteuer nicht
bezahlt. Erst im Vorjahre wurde ihm diese Steuer vorgeschriebn.
Im Gegensatz dazu wurde in Brumowitz in Mähren ein Kleinbauer
wegen 4 Kronen exequiert. Der Deutsche Ritterorden, bekanntlich
in Schlesien daheim, hat bis heute die ganze Vermögensabgabe
in der Höhe von 37 Millionen Kronen nicht bezahlt. Der gewesene
Fürst Salm-Reifferscheidt in Raitz (Mähren) hat seine
Aktien der Berg- und Hüttengesellschaft um 25 Millionen Kronen
verkauft und das Geld ins Ausland gebracht, ohne einen Heller
Steuer dafür zu zahlen.
Meine sehr Geehrten! Da die Zölle gerade
den Großagrariern Millionen Kronen mehr einbringen, ermißt
man ungefähr, welche Riesensummen den Herrn von Ar und Halm
geschenkt werden, und zwar dadurch, daß die Grundsteuer
nicht nur nicht erhöht, sondern noch herabgesetzt wird. Bekanntlich
hat sich der Herr Finanzminister Dr. Engliš gegen
diese Herabsetzung der Grundsteuer vergeblich gewährt. Der
Maßstab von 22.7% des Katastralreinertrages
ist fallen gelassen worden und es sind nun vom 17fachen Katastralreinertrag
eine 2%ige Grundsteuer und ein umlagenfreier 1/2%iger
Beitrag für den bei den Landeskulturräten zu errichtenden
Katastrophen-Entschädigungsfonds zu bezahlen. Das bedeutet
nicht nur eine absolute Herabsetzung des Steuerfußes, sondern
auch eine Minderung der Steuerlast in der Form, daß die
Fondsbeiträge umlagenfrei bleiben wer den. Die Herabsetzung
des Maßstabes auf 20% für Waldbesitz ist ein offenes
direktes Geschenk an die Großgrundbesitzer. Dagegen bedeutet
die Befreiung der ganz kleinen Besitzer von besonderen Beiträgen
gar nichts.
Herr Koll. Windirsch. Klubobmann der
der Landbündler, hat in der Osternummer der "Deutschen
Landpost" Berechnungen da rüber angestellt, wie sich
die neue Grundsteuer zugunsten der Landwirte auswirkt. Da ist
nun folgendes festzustellen: Bei einem Katastralreinertrag von
500 Kronen sind nach der neuen Veranlagung um 38.5
Kronen weniger zu zahlen, und zwar statt 1135 nur 1096 Kronen
50 Heller. Ist die Hälfte Waldbesitz, so ergibt sich eine
Verminderung der Steuersumme um 240 Kronen 25 Heller.
Statt 1248 Kronen sind lediglich 1008.25
Kronen an Grundsteuer zu bezahlen. Die Bevorzugung des waldreichen
Großgrundbesitzes ist ohne weiters klar. Bei Landwirten,
die nur 100 Kronen Katastralreinertrag haben, wäre nach der
neuen Methode um 33.20 Kronen weniger an Grundsteuer
zu bezahlen, und zwar statt 227 nur 193.80 Kronen.
Diese Berechnungen des Herrn Koll. Windirsch sollen wohl
darlegen, welche große Vorteile die Anhänger der Landbündler
aus der Grundsteuer haben. Herr Windirsch und seine Parteifreunde
vergessen allerdings dabei zu sagen, daß durch die von ihnen
bewilligte Erhöhung der indirekten Steuern um eine Milliarde
die Lasten für den kleinen Landwirt bedeutend mehr ausmachen,
als sie auf der anderer Seite durch die Ermäßigung
der Grundsteuer bekommen können. Eine mehrköpfige Häuslerfamilie
z. B., die viel Kaffee trinkt und entsprechende Mengen Zucker
verbraucht, zahlt bei einem wöchentlichen Verbrauch von 2
kg jährlich an Zuckersteuer rund 200 Kronen, von anderen
drückenden Steuern, z. B. von der verhängnisvollen Umsatzsteuer,
gar nicht zu reden. Es ist wirklich schade, daß Herr Koll.
Windirsch seinen Leuten nicht vorgerechnet hat, wie groß
die Steuerverminderung für die Großgrundbesitzer wäre.
Hier kommen tatsächlich zehntausende, unter Umständen
hunderttausende Kronen an Ersparnissen in Betracht. Diesen notleitenden
Agrariern muß geholfen werden. Dabei betont noch Kollege
Windirsch, daß sich die Ergebnisse noch weit günstiger
gestalten müssen, weil nicht nur bei der Grundsteuer, sondern
auch bei den anderen zuschlagspflichtigen Steuern. Erwerbsteuer
und Gebäudesteuer, die Grundlage für die Zuschläge
breiter geworden ist. Dadurch werde in allen Fällen bei gleichbleibenden
Aufwendungen der Gemeinden, Bezirke und Länder die Gesamthöhe
der Zuschläge ermäßigt. Durch die Drosselung aller
umschlagpflichtigen Steuern mit 470, bzw. 610% und durch die Bestimmung,
daß die Grundsteuer bezüglich der Bemessung der Zuschläge
nicht schlechter als die übrigen zuschlagspflichtigen Steuern
behandelt werden darf, wird eine definitive Regelung der Grundsteuer
im Sinne der Agrarier erzielt. Die Herren Großgrundbesitzer,
die eigentlichen Nutznießer dieser Reform, können sich
wirklich bei den Landbündlern bedanken. Ihnen schenkt man
Millionen an Steuergeldern, die einzelnen Kleinlandwirte speist
man mit wenigen Hellern ab. Der vom Herrn Finanzminister Dr Engliš
angegebene Steuerausfall von 750 Millionen kommt also vor
allem den großen Kapitalisten zugute, den Banken, den Industriekonzern
en usw.
Herr Kollege Böllmann hat in seiner
Rede davon gesprochen, daß der Steuerdruck in den Gemeinden
für die Bauern besonders dort stark ist und sie ruiniert,
wo die Vertretung in den Händen von Leuten ist, wie Herr
Böllmann sagte, die mit der Landwirtschaft keine Fühlung
haben. Er nannte da einige Orte, z. B. Oberleutensdorf, Osseg,
Bruch, Kopitz u. s. w., also reine Bergbaugebiete. Nun bedeutet
eine Drosselung der Gemeindefinanzen dort nur, daß den Kohlenbaronen,
vor allem der Brüxer Bergbaugesellschaft, hunderttausende
Kronen geschenkt werden. Die Landwirte werden dadurch nur wenige
Kronen gewinnen. Übrigens gibt es auch rein agrarische Gebiete
mit sehr hohen Umlagen. Es ist nicht wahr, was die Landbündler
behaupten, daß nur in den industriellen Gegenden, nur dort,
wo die bösen Sozialisten herrschen, die Umlagen eine riesige
Höhe erreicht haben. Ich möchte in dieser Beziehung
den Bezirk Weseritz nennen. Dieser hat 1800% Umlagen, und zwar
deshalb, weil er im Vorjahre eine Distriktsbürgerschule baute.
Herr Böllmann prunkt auch damit, daß im Bezirk
Postelberg die Umlagen sehr niedrig sind. Nun muß man aber
fragen, wer dort den ganzen Vorteil davon hat. Wer die Verhältnisse
kennt, wird sofort die Antwort finden. Es ist der immens reiche
Fürst Schwarzenberg, der größte Grundbesitzer
im Bezirk Postelberg. Man sieht deutlich die Wirkung der agrarischen
Steuerpolitik. Dem Großen gibt man mit Schöffeln dem
Kleinen mit Löffeln. Die Dorfgemeinschaft, wie sie jetzt
von den Landbündlern überall gepredigt wird, sieht in
dieser Beleuchtung sehr merkwürdig aus. Im striktesten Gegensatz
dazu stehen wir und die organisierten Kleinlandwirte auf dem sozial
gerechten Standpunkt, daß die Steuerherabsetzung bei der
Grundsteuer ausschließlich den Kleinlandwirten zugute kommen
soll. Die am 29. und 30. Jänner d. J. in Prag abgehaltene
Landvolkskonferenz forderte die Befreiung der Kleinlandwirte von
allen Staatssteuern bis zu einem Existenzminimum von 15.000 Kronen
Jahreseinkommen oder 150 Kronen Katastralreinertrag. In Böhmen
entfielen vor dem Umsturz von 1000 Grundsteuerträgern auf
die Steuerstufe bis 10 Kronen 664, in Mähren 701, in Schlesien
691; darunter war mehr als die Hälfte Steuern lediglich bis
zur Höhe von 2 Kronen. Das beweist, daß es sich in
der Hauptsache um arme Häusler und Kleinlandwirte handelte.
Die Verhältnisse sind seitdem nicht besser geworden. Aber
Rücksichtsnahme auf das kleine Landvolk im vollen Sinne des
Wortes kennt man in den agrarischen Kreisen nicht. Bei einer sozial
gerechten Reform müßte die Grundsteuer scharf progressiv
nach oben gestaltet werden. Heute ist sie gerade umgekehrt eingerichtet.
Je höher die Grundrente, einen desto größeren
Teil derselben sollte die Steuer nach unserer Ansicht erfassen.
Besonders dann, wenn Boden von reichen Grundherren der wirtschaftlichen
Nutzung entzogen und Luxuszwecken zugeführt wird, wie es
z. B. bei Parks, Fasanerien u. s. w. der Fall ist. Der über
den eigentlichen Arbeitslohn hinausgehende Mehrertrag müßte
nach dem gemeinen Bodenwert bemessen und scharf progressiv abgestuft
sein. Zu Luxuszwecken verwendeter Boden sollte eine Zusatzsteuer
unterliegen. Wir wollen mit einem Worte, daß die wirtschaftlich
schwachen Häusler und Kleinbauern von der Grundsteuer befreit
werden und dafür die Großbauern und Großgrundbesitzer
eine höhere Grundsteuer zu entrichten hätten. Ich möchte
in diesem Zusammenhange an den Antrag des Abgeordneten Windirsch
vom 9. März 1926 erinnern, Druck Nr. 238, der die Abschreibung
der Einkommensteuer für alle Kleinlandwirte verlangt, deren
Katastralreinertrag die Summe von 150 Kronen nicht üb er
steigt und deren gleichzeitig rechtsgiltig vorgeschriebenes Reineinkommen
den Betrag von 10.000 Kronen nicht überschritten hätte.
In der Begründung wird gesagt, daß die Annahme dieses
Antrages für die Staatseinnahmen keinen großen Ausfall
bedeutet und sich ein etwaiges Defizit leicht durch Ersparungen
bei den militärischen Ausgaben ausgleichen ließe. Man
könnte bei dieser Gelegenheit Herrn Windirsch fragen,
warum er, nachdem er nun am Staatsruder sitzt, diesen seinen Antrag
nicht verwirklicht hat. Man könnte boshafter Weise fragen,
ob vielleicht dieser sein Antrag zu den angeblich demagogischen
Übertreibungen gehört, von denen er gelegentlich sprach,
als er an der Opposition Kritik übte. Wir wissen, daß
die deutschen Regierungsparteien ihre ganzen Grundsätze auch
in der Steuerreform gegen einige mehr oder weniger magere Konzessionen
oder Knödel aus der Küche des Herrn Švehla verkauft
haben.
Ich möchte noch Folgendes sagen: Im agrarischen
"Dorfboten" vom 17. April d. J. wird im Leitartikel
bitter über den großen Steuerdruck geklagt und verlangt,
daß selbstverständlich dem kleinen Manne auf dem Lande
vor der unersättlichen Gier des Fiskus Schutz gewährt
werden müsse. Das Mindestmaß an vollkommen steuerfreien
Besitz könnte in besseren Lagen 2, in mittleren 4, in schlechteren
8 ha betragen. Das ist übrigens auch unsere Meinung, wie
die Meinung der organisierten kleinen Landwirte. Ich möchte
an Hand dieser Forderung konstatieren, daß die deutschen
Landbündler, wie die deutschen Regierungsparteien überhaupt
die berechtigten Wünsche ihrer eigenen Leute nicht befriedigt
haben, sie haben den kleinen Mann vor der unersättlichen
Gier des Fiskus nicht bewahrt.
Das tritt besonders kraß bei der neuen
Gebäudesteuer in Erscheinung, die für die kleinen Hausbesitzer
und Landwirte eine schwere Benachteilung bedeutet. Bis jetzt wurde
die Hausklassensteuer nur in jenen Gemeinden bezahlt, in denen
weniger als die Hälfte der Gebäude und der Wohnräume
vermietet war. Nunmehr wird dieselbe lediglich in jenen Gemeinden
bezahlt werden, in denen weniger als ein Drittel vermietet wird.
Dadurch geraten viele Gemeinden von der niedrigen Hausklassensteuer
in die hohe Hauszinssteuer. Das hat zur Folge, daß die Gebäudesteuer
bei den Häuslern und mittleren Bauern ganz wesentlich erhöht
wird. Merk würdiger- oder bezeichnenderweise sprechen über
diese Tatsache die Landbündler und die deutschen Regierungsparteien
überhaupt nicht. Die Großgrundbesitzer kommen auch
hier wieder besser weg, weil durch die Ermäßigung der
Einkommensteuer und der Grundsteuer für sie ein sehr günstiger
Ausgleich geschaffen wird. Bei den kleinen Landwirten beträgt
die Hausklassensteuer weit mehr, als alle Erleichterungen der
gesamten Reform ausmachen. Die Herabsetzung der Hauszinssteuer
- das hat Herr Koll. Böllmann offen zugegeben - ist
gar keine Begünstigung in sozialem Sinne. Die Erhöhung
der Hausklassensteuer belastet die Miete und verringert das Wohnungsangebot
am Lande ganz besonders. Sozial ist diese Steuer auf keinen Fall,
wie denn überhaupt die Steuerreform ein Hohn und Spott auf
die Ethik des Herrn Sektionchefs Vlasák ist. Sie erschwert
die Durchführung unseres Prinzipes vom allgemeinen Wohnrecht
ungeheuer.
In der eingangs erwähnten Sitzung des
Budgetausschusses erklärte Herr Sektionschef Vlasák,
daß bei der Landwirtschaft beide Elemente, Kapital und Arbeit,
sich zu einem untrehnbaren Ganzen vereinigen. Man könne nicht
das Grundeigentum von der Arbeit des Landwirtes trennen und selbständig
besteuern. Das ist eine Behauptung, die ganz und gar nicht zutrifft.
Man braucht nur die Grundsteuer in eine wirkliche Steuer von der
Grundrente umzuwandeln. Mit der Grundsteuer soll der Arbeitslohn
des Landwirtes und seiner mithelfenden Familienmitglieder nicht
belegt werden, sondern nur der Mehrertrag über den Arbeitslohn
hinaus. Das Arbeitseinkommen soll unter den gleichen Voraussetzungen
und in gleichem Ausmaße wie das Lohneinkommen der Lohnarbeiter
der Einkommensteuer unterliegen. Darum sind wir für das steuerfreie
Existenzminimum von 15.000 Kronen.
Alle notwendigen Nahrungsmittel sollen weiters
von der Warenumsatzsteuer befreit werden, was auch dem Landwirt
zugute käme. Heute ist es so, daß auch das Naturaleinkommen
der kleinen Landwirte aus eigenem Besitze versteuert werden muß.
Von jedem Ei, Huhn, Schwein, Milch u. a. im eigenen Haushalt verbrauchten
Lebensmitteln müssen die Steuern bezahlt werden, was naturgemäß
den Häusler weit schwerer trifft, als den großen Bauern
und den Großgrundbesitzer. Wir sind theoretisch für
die Einführung der landwirtschaftlichen Einheitsteuer auf
Grund der Ertragsfähigkeit des Bodens unter Ausschluß
von Gebäuden und des Inventars, wie es auch in Deutschland
systematisch angestrebt wird.
Ein ganz besonderes Kapitel ist das von den
Schätzungskommissionen. Bei den Schätzungskommissionen
ist bisher das Schwergewicht darauf gelegt worden, daß darin
nur die größeren Steuerträger vertreten sind.
Es waren bisher in diesen Schätzungskommissionen nur die
großagrarischen Interessenten und Organisationen vertreten,
während die organisierten kleinen Landwirte, von den Arbeitern
gar nicht zu sprechen, gar keine Vertretung besessen haben. In
Zukunft wird dieser Zustand noch vergröbert werden; wenn
es auf die Ernennungen ankommt und Vorschläge gemacht werden
von den Landeskulturräten und Handelskammern, werden jedenfalls
und natürlicher weise die Arbeiter und die kleinen Landwirte
gar nicht berücksichtigt werden. Es ist dann kein Wunder,
wenn es bisher so gewesen ist, daß die reichen Bauern weniger
an Grundsteuern zu bezahlen hatten, als die armen Häusler.
Die Gefahr, daß dies weiter so bleibt, besteht leider. Man
kann auch darauf hinweisen, daß man die Steuerrückstände
von den kleinen Landwirten rigoros eingetrieben hat, den Großagrariern
aber hat man sie erlassen. An den Steuerrückständen
von 4 Milliarden Kronen sind die Arbeiter und kleinen Landwirte
sicherlich am wenigsten schuldtragend. Die Bestimmungen hinsichtlich
der Schätzungskommissionen geben den Bürokraten ein
weiteres Recht zum Schaden der Bevölkerung, und der Einfluß
der kleinen Steuerträger, der kleinen Landwirte, wird vollständig
nullifiziert werden. In der "Deutschen Landheimat" vom
26. Jänner 1 927 war ein längerer Artikel über
die Steuerreform enthalten, wobei nicht weniger als 28 Punkte
derselben als unannehmbar bezeichnet wurden. Ein Vergleich der
dort erhobenen Beschwerden mit der Vorlage zeigt uns sofort, daß
nur ein kleiner Bruchteil dieser Wünsche berücksichtigt
wurde. Der größte Teil der Mängel bleibt bestehen.
Ich will damit sagen, daß die Landbündler keine Ursache
haben, mit ihren Erfolgen bei der Durchführung der Steuerreform
zu prahlen. (Pøedsednictví pøevzal
místopøedseda dr Buday.)
In diesem Zusammenhange möchte ich Sie
daran erinnern, daß in der "Deutschen Landpost"
vom 5. November 1926 in einem Artikel über die Landwirtschaft
und die Steuerreform Dr Gaube ausdrücklich auf die große
Belastung der Landwirte durch die erhöhte und verschärfte
Hausklassensteuer hingewiesen hat. Hier hat man keine Ermäßigung
seitens der deutschen Regierungsparteien herbeigeführt, sondern
hat einer noch schwereren Belastung zugestimmt. Das möchte
ich ausdrücklich unterstreichen. Diese Steuer wäre bisher,
erklärt Gaube, insoweit erträglich gewesen, als die
Steuersätze für Häuser mit 1 bis 3 Wohnbestandteilen,
also die erdrückende Mehrheit der Bauernhäuser, 3, 6
und 9 Kronen betragen hätten. Nun steigt die Steuer auf 5,
10 und 15 Kronen. Weiter hat er gegen die Bestimmungen über
die Steuerkommissionen die allerschwersten Bedenken erhoben. Die
anderen Einwendungen von seiner Seite will ich nicht anführen.
Ich will damit nur sagen, daß die Landbündler die Wünsche
ihrer eigenen Anhänger nicht erfüllen konnten. Der Appell
des Kollegen Böllmann an das gute Herz der Finanzverwaltung,
Milde und Gerechtigkeit walten zu lassen, ist ja charakteristisch
für den geringen Einfluß, den die deutschen Landbündler
bei der Steuerreform auszuüben vermochten.
Entschiedene Verwahrung müssen wir dagegen
einlegen, daß der Entschädigungsfonds für die
Elementarkatastrophen vollständig den Agrariern ausgeliefert
wird, die bekanntlich im Landeskulturrat dominieren. Wir wissen
aus der Praxis sehr genau, wie parteiisch man mit derlei Geldern
umgeht und wie man bei Katastrophen und ähnlichen Dingen
die verfügbaren Mitteln immer einseitig aufteilt. Wie sehr
von vornherein mit zweierlei Maß zugunsten der Großagrarier
gearbeitet wird, zeigt, daß man bei Wildschäden Steuererleichterung
gewähren will, während bei den übrigen Elementarschäden
das erst auf dem schwierigen Umweg über den fraglichen Entschädigungsfond
geschehen soll. Überall sieht man unverkennbar den Vorzug
der Großagrarier. Vergleicht man, was in Form verschiedener
Subventionen den großagrarischen Organisationen aus staatlichen
Mitteln zufließt, damit, was sie in Gestalt der direkten
Steuern dem Staate abführen, findet man, daß sie dabei
sehr gut fahren. Im österreichischen Parlamente hat seinerzeit
unser Kollege Dr Renner ziffernmäßig diesen Vorteil
der Großagrarier festgestellt.
Die Agrarier haben die Kunst, sich vom Steuerzahlen
möglichst fernzuhalten, wirklich bis zur Virtuosität
entwickelt. Ihre Steuerrekurse sind oft eine wirkliche Plage der
Steuerämter geworden, so daß Herr Finanzminister Engliš
in einer Interpellationsbeantwortung konstatieren mußte,
daß solche Steuerrekurse massenhaft nach einer Schablone
eingereicht werden. Nun, obwohl die deutschen Regierungsparteien
dem Staate geben sollten, was dem Staate gebührt, werden
wir beobachten können, daß Sie das nicht tun, daß
Sie ihre Pflicht dem Staate gegenüber nicht erfüllen,
sondern das Steuerzahlen immer noch den andern überlassen.
Notwendig, ist auch, das möchten wir speziell hervorheben,
die klare Steuerbuchung. Bisher kennt sich eigentlich niemand
aus; weder der Steuerträger noch der Beamte wissen eigentlich,
wieviel der einzelne Steuerträger an den verschiedenen Steuern
zu zahlen hatte. Hier muß unbedingt Remedur geschaffen werden,
Klarheit, damit der Steuerträger von vornherein weiß,
was er schuldig ist, was er abgestattet hat und was er eventuell
noch zu zahlen hat.
Zum Schlusse sagen wir: Gesetzestechnisch genommen,
ist die Vorlage ein Flickwerk, ein krasses soziales Unrecht. Daher
ist es ganz selbstverständlich, meine Damen und Herren, daß
wir deutschen Sozialdemokraten einem solchen Machwerk zu gunsten
der Kapitalisten unsere Zustimmung nicht geben können. (Potlesk
nìm. soc. demokratických poslancù.)