Úterý 28. èervna 1927

Pøíloha k tìsnopisecké zprávì

o 91. schùzi poslanecké snìmovny Národního shromáždìní

republiky Èeskoslovenské

v Praze v úterý dne 28. èervna 1927.

1. Øeè posl. inž. Junga (viz str. 1915 tìsnopisecké zprávy):

Meine Herren! Wir haben gestern das Schauspiel erlebt, Herrn Dr Kramáø als Berichterstatter zu den Regierungsvorlagen zu sehen. Schon dieser Umstand beweist, daß es sich um ausgesprochene Knebelungsvorlagen handelt, zu denen man sich den richtigen Berichterstatter aussuchte, denselben Dr Kramáø der als Erster in ein mitteleuropäisches Parlament die Polizei gerufen hat. Er war daher wie kein Zweiter berufen, den Berichterstatter für Vorlagen abzugeben, die die Zeiten des Vormärz wieder einführen und unser Volk vollständig zum Hörigen des èechischen Nationalstaates herabwürdigen sollen.

Ich muß meine Ausführungen mit einem scharfen Protest gegen die Art und Weise einleiten, wie hier eine Vorlage von so ungeheuerer Tragweite behandelt wird. Wir haben schon oft gegen die Durchpeitschung wichtiger Vorlagen Stellung nehmen müssen, aber bei dieser Vorlage, die einen völligen Staatsumbau durchführt, hätte man doch wenigstens den äußeren Schein wahren müssen und sich nicht vom Innenminister förmlich einen Schnellbetrieb diktieren lassen sollen, der selbst dieses Parlaments, in welchem man manches gewöhnt ist, unwürdig ist. Ich habe schon in der Konferenz der Klubobmänner gegen die Durchpeitschung Verwahrung eingelegt und verlangt, daß die Vorlage überhaupt nicht auf die Tagesordnung gelangt, sondern erst im Herbste nach gründlichem Studium behandelt wird, so daß jeder wenigstens weiß, wofür er stimmen soll. Ich habe unter anderem darauf verwiesen, daß die Eile, mit welcher diese Vorlagen verabschiedet werden sollen, schon deshalb unnötig ist, weil die Verwaltungsreform doch erst mit 1. Juli kommenden Jahres durchgeführt werden soll. Diese Eile ist sehr verdächtig, denn es soll offenbar verhindert werden, daß die Mitglieder der deutschen Regierungsparteien darauf kommen, wozu man sie mißbrauchen will. Handelt es sich doch um nichts mehr und nichts weniger, als um die Beseitigung des letzten bescheidenen Restchens staatsbürgerlicher Freiheit und örtlicher Selbstverwaltung zugunsten bürokratischer Allmacht, Polizeigewalt und staatlichen Überzentralismus. Überdies muß ich feststellen, daß sich im Zeichen einer gemischtvölkischen Regierung und Parlamentsmehrheit am Parlamentsbetrieb nichts geändert hat, das als Besserung angesprochen werden könnte gegenüber jenen Gebräuchen, die unter der allèechischen Koalition üblich waren. Dies fühle ich mich verpflichtet einleitend festzustellen.

Als die ersten Mitteilungen über den Inhalt der zur Verhandlung stehenden Regierungsvorlagen durchsickerten, wurden jene Kreise der deutschen Bevölkerung, die nicht von vornherein alles demütig als gut hinnehmen, was uns von Seite des èechischen Herrenvolkes geboten wird, von schweren Befürchtungen ergriffen. Man kennt ja das System aus allen seinen Auswirkungen zur Genüge, jenes System, das mit den Worten Dr Rašíns "mit Rebellen verhandeln wir nicht" eingeleitet wurde und das vom 4. März 1919 angefangen wahre Orgien feierte. Verfassung, Sprachengesetz, Kriegsanleihegesetz, Bodenreformgesetze, Abbaugesetz, Schutzgesetz, Sprachenverordnung, Wehrvorlagen usw. bis zu den Schikanen der Staatsanwälte und politischen Behörden sind ja seine deutlichen Kennzeichen. So war es denn nicht zu verwundern, daß jener Teil des Sudetendeutschtums, der sich noch ein Gefühl für Freiheit und Würde bewahrt hat, von dieser Reform das Schlimmste befürchtete und in ihr die Krönung des Werkes des èechischen Nationalstaates sah. Unsere Partei hat denn auch sofort auf ihrem am 6. Feber letzten Jahres stattgefundenen Parteitag in einer von unserem verstorbenen Kollegen Patzel beantragten und begründeten Entschließung das Sudetendeutschtum zum Kampfe für die Selbstverwaltung auf der Grundlage abgegrenzter Siedlungsgebiete aufgerufen und erklärt, daß die Frage der inneren Verfassung und Verwaltung des Staates in vollem Umfange aufgerollt sei, daß das Sudetendeutschtum nun den Kampf dafür aufzunehmen habe, daß jedes Volk Herr auf seinem Heimatboden werde, aber auch darauf hingewiesen, daß jene Kreise, welche für dieses Ziel nicht alle Kräfte einsetzen, sich mit schwerer Schuld beladen.

Am 15. Feber wurde im Abgeordnetenhause die Regierungsvorlage Druck Nr. 831 aufgelegt. Ich habe gleich am selben Tage zu ihr Stellung genommen und dargelegt, daß sie den Höhepunkt der Entmündigung unseres Volkes in diesem Staate darstelle und daß jetzt der Augenblick gekommen sei, die Lebensrechte unseres Volkes durchzusetzen. Bei dieser Gelegenheit habe ich Herrn Minister Dr Spina an den Inhalt der von ihm am 18. Dezember 1925 abgegebenen staatsrechtlichen Erklärung und Herrn Minister Dr Mayr-Harting an jene Entwürfe und Grundsätze für die nationale Selbstverwaltung erinnert, die im Jahre 1920 innerhalb des deutschen parlamentarischen Verbandes unter seiner hervorragenden Mitwirkung aufgestellt worden waren. Ich habe auch darauf hingewiesen, daß unser verewigter Klubkollege Patzel schon am 18. Jänner letzten Jahres einem der beiden deutschen Minister unter Hinweis darauf, daß es sich um eine Schicksalsfrage unseres Volkes handelt, den Vorschlag gemeinsamer Beratung und gemeinsamer Abwehr aller deutschen Parteien machte.

In einer Reihe großer Kundgebungen hat meine Partei vor aller Öffentlichkeit sodann zum Inhalt der Regierungsvorlage Stellung genommen und jene Grundsätze aufgestellt, die bei dieser Gelegenheit beachtet werden müssen. Diese Grundsätze fußen auf unserer völkischen und sozialen Einstellung, wie sie aus der Weltanschauung des Nationalsozialismus fließt. Unbeschadet unseres großes Zukunftszieles, das wir von allem Anbeginn an vertraten und das seinen klarsten Ausdruck in jener staatsrechtlichen Erklärung fand, die mein Klubkollege Knirsch am 21. Oktober 1918 in der konstituierenden Nationalversammlung Deutsch-Österreichs im Wiener Landhause abgab, haben wir schon im alten Österreich den Standpunkt verfochten, daß ein Völkerstaat sich auf den ihn bewohnenden Völkern als natürlichen Grundlagen aufbauen müsse. Man kann uns also die sittliche Berechtigung zur Vertretung dieses Grundsatzes in der Gegenwart nicht absprechen. Dieser unser Standpunkt war schon im alten Österreich in einer von mir verfaßten Denkschrift niedergelegt, die im Dezember des Jahres 1915 dem damaligen Ministerpräsidenten Stürgkh überreicht wurde und in einem Antrage, den Klubkollege Knirsch nach dem Wiederzusammentreten des Reichsrates im Jahre 1917 eingebracht hatte. Wir haben uns eben niemals bloß mit den Fragen des Tages beschäftigt, sondern haben seit jeher grundsätzliche Politik betrieben. Wir hatten daher auch keinen Anlaß, unsere Ansichten zu ändern, als an Stelle des Völkerstaates Österreich ein anderer Völkerstaat trat, der sich Èechoslovakei zu nennen beliebt, obzwar außer Èechen und Slovaken auch hunderttausende von Magyaren und besonders 31/2 Millionen Deutscher ihn bewohnen. So hat denn auch unser erster Parteitag zu Dux im November 1919 eine Entschließung angenommen, die zur Richtschnur unseres politischen Handelns geworden ist und in welcher es unter anderem heißt: "Wir fordern unser geschlossenes Siedlungsgebiet als gesicherten Lebensraum mit selbstgewählter Verfassung, Verwaltung, Landeswehr, wie das sogar den 500.000 Köpfe zählenden Ruthenen innerhalb des èechoslovakischen Staates zugebilligt worden ist. Wir gewähren den èechischen Minderheiten in unserem Volkskörper von vornherein dieselben Rechte, welche die Inseldeutschen im èechischen Sprachgebiete erhalten werden. Grundsätzlich verlangen wir ferner die Verlegung aller gesamtdeutschen Kultureinrichtungen, Hochschulen, Wirtschaftsorganisationen und dergleichen aus der fremden Hauptstadt Prag in das deutsche Land."

Es ist daher kein Wunder, wenn wir in zielgerechter Verfolgung dieser Grundsätze zur Frage der Verwaltungsreform folgende Richtlinien aufstellten: "1. Die Angehörigen eines jeden Volkes bilden eine Nation im staatsrechtlichen Sinne. Zu ihr gehört jeder, der sich freiwillig dazu bekennt. 2. Das geschlossene Siedlungsgebiet einer jeden Nation bildet ein Land. 3. Der Nation obliegt der Schutz der Minderheiten außerhalb des geschlossenen Siedlungsgebietes und die Verwaltung ihres Schulwesens. Die Hochschulen sind ins geschlossene Siedlungsgebiet zu verlegen. 4. Schutz des Arbeitsplatzes im öffentlichen Dienst; Beteiligung an den Beamtenstellen aller Grade nach dem Bevölkerungsschlüssel."

Diese Grundsätze finden auch ihren Ausdruck in den Abänderungsanträgen, die wir zur Vorlage einbringen. Bei der Aufstellung dieser Grundsätze gingen wir von der Anschauung aus, daß die Regierungsvorlage Druck Nr. 831 keineswegs eine bloße Abänderung des Gesetzes Zahl 126 vom 29. Feber 1920 über "die Errichtung von Gau- und Bezirksämtern" darstellt, sondern daß es sich um eine offenkundige Verfassungsänderung und damit um einen völligen Umbau des Staates handelt. Denn § 7 der Verfassungsurkunde erklärt ausdrücklich die "gesetzgebende und verwaltende Tätigkeit der Landtage für erloschen". Die in Verhandlung stehende Vorlage stellt jedoch die Landtage unter anderem Namen wieder her, wenn auch mit beschränkten Befugnissen. § 3 der Verfassungsurkunde billigt dem Gebiete Karpathorußland ein eigenes Parlament und einem diesem Parlament verantwortlichen Gouverneur zu. Auf alle Fälle handelt es sich also um eine Verfassungsänderung, denn entweder sind die Landesvertretungen keine Landtage, dann ist auch die karpathorussische Vertretung keine und § 3 der Verfassungsurkunde wird verletzt, oder sie sind Landtage, dann handelt es sich um eine Änderung des § 7 der Verfassungsurkunde. Zu derartigen Änderungen ist jedoch nach § 33 der Verfassungsurkunde die 3/5 Mehrheit aller Mitglieder in jedem Hause - also keineswegs bloß die einfache Mehrheit - und nach § 44 ein übereinstimmender Beschluß beider Häuser erforderlich. Wir fühlen uns gewiß nicht als Hüter einer Verfassung, die wir Deutschen nicht mitbeschlossen haben, sondern bei deren Annahme man uns nach den bekannten Worten Masaryks als "Einwanderer und Kolonisten" oder anders gesprochen als Hörige betrachtete, die zu schweigen haben. Aber jene Herren, die den deutschen Teil der Regierungsmehrheit bilden und damit zu Hütern der Verfassung geworden sind, dürfen wir wohl daran erinnern, daß sie eben im Begriffe sind, sie zu verletzen und uns dadurch ein schlechtes Beispiel zu geben. Die Ausrede, daß es sich nur um eine Änderung des Gaugesetzes handle, ist selbst für die hemdärmelige èechoslovakische Demokratie zu kindisch.

Zwar ist die Regierungsvorlage im verfassungsrechtlichen Ausschuß, in welchem mein Klub nicht vertreten ist, einigen Änderungen unterzogen worden. Aber die vorgenommenen Änderungen sind geringfügiger und vor allem nicht grundsätzlicher Natur. Wir können übrigens diese Änderungen ruhig zugunsten der Oppositionsparteien buchen, denn ohne diese hätte man die Vorlage, die ganz den Geist des Innenministeriums und des Herrn Dr Kramáø atmet, einfach geschluckt. Dr Kramáø hat sich ja als Berichterstatter in der ersten Sitzung des Ausschusses mit einem wahren Feuereifer für sie eingesetzt. Die geringfügigen Änderungen haben am Geist und Inhalt der Vorlage nichts geändert. Nach wie vor bleibt sie, wie Dr Kramáø im Ausschuß betonte, die Krönung des Werkes des èechischen Nationalstaates, oder anders gesagt, der Ausdruck der Machtgelüste der èechischen Bourgeoisie und Bürokratie, welcher verschiedene Landsknechte, darunter leider auch Deutsche, schlecht entlohnte Dienste leisten. (Souhlas na levici.)

Bei Durchsicht des Inhaltes der beiden Vorlagen springt vor allem in die Augen, daß die Vorlage über die Organisation der politischen Verwaltung das letzte bescheidene Restchen bürgerlicher Freiheit tatsächlich aufhebt. Das, was das Schutzgesetz, gegen dessen Handhabung wir oftmals unsere Stimme erhoben, noch nicht zu Wege brachte, soll durch eine geradezu ungeheuerliche Verschärfung des Prügelpatents erreicht werden. Geldstrafen bis zu 5000 Kè und Freiheitsstrafen bis zu 14 Tagen sollen den Staatsbürger zwingen, zu allem "Ja" und "Amen" zu sagen. Dabei ist der Strafsatz schon gemildert worden, denn ursprünglich hat er sogar 10.000 Kronen betragen. Diese Strafen können von den politischen Behörden mit Genehmigung der Landesbehörde - in dringenden Fällen sogar ohne deren Genehmigung - für Nichtbeachtung von Weisungen und Verboten verhängt werden. Man weiß aus einer achtjährigen Erfahrung zur Genüge, zu welchen unerträglichen Schikanen derartige Vollmachten führen können und werden. (Posl. Simm: Dafür werden die Bezirkshauptleute schon sorgen!) Sehr richtig. Der Fall der Dringlichkeit wird selbstverständlich immer vorhanden sein und Verbote und Weisungen wird es förmlich regnen. Zum Schutze der Würde der amtlichen Organe bedrohen Geldstrafen bis zu 2.000 Kronen - in der ursprünglichen Vorlage sogar 5.000 Kronen - und Freiheitsstrafe bis zu 5 Tagen einen jeden, der sich in schriftlichen Eingaben einer beleidigenden Schreibweise bedient oder sich gegen ein öffentliches Organ bewußt grob benimmt oder sich weigert ihm zu gehorchen. Die gleichen Strafen sind für jene vorgesehen, die ein Verfahren stören, Anlaß zu ein em solchen geben oder es verlängern. Das heißt mit anderen Worten, daß die Bürokratie zum Herrgott ausgerufen wird. Als Szepter gibt man ihr den Gummiknüttel in die Hand. Die èechoslovakische Demokratie kehrt trotz Masaryk von der Diskussion, die übrigens hierzulande immer recht merkwürdig aussah, bewußt in die Zeiten des Vormärz zurück und stempelt das Volk, das nach der Verfassungsurkunde die Quelle der Macht ist, zu einer Herde Vieh. Demselben Zweck dient auch die Verkürzung des Instanzenzuges auf nur zwei Instanzen. Künftighin soll die Landesbehörde im allgemeinen die letzte Instanz bilden. Nun lehrt die ganze bisherige Erfahrung, daß die Landesbehörde die Verfügungen der Bezirksbehörde nahezu immer aus falsch verstandenen Prestigegründen einfach gutheißt. Das Gefühl der Rechtssicherheit wird dadurch nicht gehoben, wenn die Landesbehörde im allgemeinen die letzte Instanz darstellt.

Ein weiteres in die Augen springendes Kennzeichen des sogenannten Reformwerkes ist eine ausgiebige Verschlechterung des Wahlrechtes. Ich befaße mich hier mit der zweiten Vorlage, der Wahlordnung für die Landes- und Bezirksvertretungen. Schon bei Entzug des Soldatenwahlrechtes hat man sich auf die abschüssige Bahn begeben und man braucht kein Prophet zu sein, um vorauszusagen, daß auch der jetzige Versuch keineswegs der letzte sein wird. Für die Landes- und Bezirksvertretungen soll das Wahlalter plötzlich auf 24 Jahre erhöht werden. Weshalb? Doch wohl nur zu dem Zwecke, der übrigens auch eingestanden wird, um die Jugend, die nicht so wählt, wie es gewissen Herren paßt, auszuschalten. (Souhlas na levici.) Daneben soll das allgemeine Wahlrecht durch die Ernennung je eines Drittels der Mitglieder der Vertretungen gründlich verfälscht werden. Wie diese Ernennungen aussehen werden, ist von vornherein klar. Sie werden ein getreues Spiegelbild der jeweiligen Machtverhältnisse darstellen... (Posl. Simm: Ich denke, man hat so viele Sicherheiten!) Darauf komme ich auch noch zu sprechen. Sie werden von den herrschenden Parteien zur Verstärkung ihrer Stellung mißbraucht. Noch dazu zur kostenlosen Verstärkung! Daß man aus der Reihe der Fachmänner nur jene auswählen wird, welche der Regierung zu Gesicht stehen und von denen man im vorhinein überzeugt ist, daß sie sich zu ihrem Schuhfetzen hergeben, ist klar. Das Ernennungsrecht ist und bleibt verwerflich. Am bedenklichsten und verwerflichsten aber ist es vom nationalen Standpunkt, trotz des im Ausschuß beschlossenen Zusatzes zu § 12, Abs. 2, der da lautet, daß die Ernennung unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen, kulturellen, nationalen und sozialen Verhältnisse zu erfolgen habe. Harmlosen Gemütern mag diese Kautschukbestimmung genügen. Jeder aber, der seine fünf Sinne beisammen hat, weiß, daß hiemit der Willkür Tür und Tor geöffnet wird. Was wird man uns nicht alles als Deutsche anhängen und was für Arbeitervertreter wird eine bürgerliche Regierung ernennen, vorausgesetzt, daß sie überhaupt welche ernennt. Wenn man schon auf Fachmänner Gewicht legt, warum geht man dann nicht gleich zum Zweikammer system über, wobei aber selbstverständlich auch die Wirtschaftskammer aus Wahlen hervorgehen müßte, um ein klares Spiegelbild der nationalen, wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse zu ergeben. Die Tragung der Hälfte der Kosten, welche durch die Drucklegung der Stimmzettel entstehen, durch die Parteien, ist auch eine Besonderheit dieses Staates, der ganz außer Acht läßt, daß die Einrichtung von Volksvertretungen in seinem Interesse liegt. Bei den Landes- und Bezirksvertretungen ist sie aber schon deshalb eine Ungeheuerlichkeit, weil doch ein Drittel dieser Vertretungen ernannt werden soll. Abgesehen davon, daß gewählte und ernannte Vertreter doch gleichberechtigt sind, wird auf diese Weise jenen Parteien, deren Reihen die Ernannten entnommen werden, eine kostenlose Verstärkung ihrer Vertretung gewährleistet. Dies stellt eine aufgelegte Ungerechtigkeit dar.

Was die Geschäftsordnung anbelangt, so ist die geradezu unerhörte Bestimmung des § 24 der Regierungsvorlage allerdings beseitigt worden. Durch diese Bestimmung hätte die famose Regierungsverordnung vom 31. Jänner 1924, mit welcher die Geschäftsordnung für die slovakischen Gaue festgelegt wurde, in das Gesetz hineingeschmuggelt werden sollen. Sie stellte den Juristen des Innenministeriums kein hervorragendes Zeugnis aus, denn die Herren hatten offenkundig vergessen, daß unterdessen die Durchführungsverordnung zum Sprachengesetz erschienen war, deren Bestimmungen sinngemäß anzuwenden waren, wenn man schon nichts Besseres wußte. Die Mehrheit des verfassungsrechtlichen Ausschusses hat es sich aber auch sehr leicht gemacht. Statt die Geschäftsordnung wenigstens in den Grundzügen festzulegen, überläßt sie es der Regierung, deren Bestimmungen im Verordnungsweg herauszugeben. Der Regierung wird also eine Blankovollmacht erteilt, was übrigens nicht nur in diesem Punkte der Fall ist, sondern in der Vorlage öfters vorkommt und nachgerade ein unrühmliches Kennzeichen der ganzen èechoslovakischen Gesetzesmacherei überhaupt geworden ist. Zwar wird die Regierung verhalten, die erlassenen Verordnungen bei den Kammern des Parlaments innerhalb von 4 Wochen nach ihrer nächsten Sitzung zur Genehmigung vorzulegen, aber das ist bei dem hierzulande üblichen Parlamentsbetrieb kein genügender Schutz. Ein Parlament, das auf seine Würde etwas hält, hätte sich bei Ausarbeitung eines Gesetzentwurfes hüten müssen, der Regierung Blankovollmachten zu erteilen. Am allerwenigsten aber darf es sie ermächtigen, die Geschäftsordnung von Vertretungskörpern zu verfassen.

Die Vereinigung Schlesiens mit Mähren ist angesichts des Umstandes, daß die Gaue nicht errichtet wurden und die Länder wieder aufleben, eine Ungeheuerlichkeit. Wenn Böhmen und Mähren, die doch ebenfalls durch die Errichtung von Gauen verschwunden waren, wieder hergestellt werden, so ist nicht recht erfindlich, warum gerade Schlesien, beseitigt werden soll. (Posl. Heeger: Aus nationalen Gründen.) Ganz richtig. Die Einführung einer Landeskommission mit sehr beschränktem Wirkungskreis und die Festhaltung des Namens kann über diese Tatsache nicht hinwegtäuschen. Schlesien ist nicht kleiner als Karpathorußland und sicherlich leichter in der Lage, sich zu erhalten, was es ja bisher auch bewiesen hat. Überdies hat die ganze Bevölkerung, Deutsche, Èechen wie Polen, haben alle in Betracht kommenden Körperschaften einschließlich der schlesischen Landesverwaltungskommission den Willen des ganzen Landes und der ganzen Bevölkerung nach Aufrechterhaltung der Selbständigkeit in unzweifelhafter Weise kundgetan. Hunderttausende von Unterschriften haben eine Art Volksabstimmung ersetzt und noch am 20. Juni fallen in allen Bezirksstädten von Èechisch-Teschen bis Jauernig Massenkundgebungen statt. (Posl. Heeger: Unter Teilnahme der Regierungsparteien!) Ich komme auch darauf noch zu sprechen, Herr Kollege. Diese Massenkundgebungen waren von den drei deutschen Oppositionsparteien einberufen. Die christlichsoziale Parteipresse hat nun, statt diese Kundgebung als Druckmittel zu benützen, sie geflissentlich verkleinert. Dieser Umstand kennzeichnet wohl am deutlichsten den Geist, von welchem diese Presse und die Partei erfüllt ist. Wir haben einen Teil dieser Kundgebungen aufgenommen. Ich habe beispielsweise die Aufnahme der Troppauer Kundgebung hier im Hause, leider aber im Augenblick nicht zur Verfügung. Auf drei Bildern sind die Massen festgehalten, deren erster Anblick schon zeigt, daß es sich um ungefähr 10.000 Menschen handelt. Ich habe aber einen christlichsozialen Pressebericht gelesen, wo von 4.000 und einen späteren, in welchem von 5.000 bis 6.000 Menschen die Rede war. Auch alle anderen Kundgebungen hat man geflissentlich verkleinert und herabgesetzt.

In einer Demokratie sollte man doch wohl meinen, daß der Wille der Bevölkerung maßgebend ist, umsomehr, wenn es in der Verfassung heißt: "Das Volk ist die einzige Quelle der gesamten Staatsgewalt." Die Verfassung wird zum Fetzen Papier, wenn der unzweifelhafte Wille der Quelle der gesamten Staatsgewalt derart mißachtet wird. Eine Volksabstimmung würde eine geradezu überwältigende Mehrheit für die Erhaltung eines selbständigen Schlesien ergeben. Der Bürgermeister von Èechisch-Teschen, der bekannte frühere Reichsratsabgeordnete Koždoò hat in einer mit viel Liebe und Sorgfalt zusammengestellten Schrift "Das Recht unserer schlesischen Heimat auf die verwaltungsmäßige Selbständigkeit" zahlreiche Gründe angeführt und mit Beweismaterialien belegt, die für die Selbständigkeit Schlesiens sprechen. Am Schluß der Schrift führt er die Versprechungen an, die ihm zur Zeit des Plebiszits vom damaligen Ministerpräsidenten Tusar und vom Staatspräsidenten Masaryk in feierlicher Weise gemacht worden sind. Die Herren von der Regierungsmehrheit sind augenblicklich daran, das Andenken eines Toten zu schänden und ihr lebendes, angeblich viel geliebtes Staatsoberhaupt, das sie erst kürzlich wieder wählten, Lügen zu strafen.

Weshalb soll Schlesien mit Mähren vereinigt werden? Es gibt Deutsche, die in angeborener - sagen wir - Bescheidenheit darin einen Vorteil sehen, weil dadurch angeblich die Stellung des mährischen Deutschtums gestärkt wird. In dieser Richtung hat sich erst kürzlich Koll. Hodina auf einem in Bärn stattgefundenen Kreisparteitag des Bundes der Landwirte geäußert. Diese Leute verkennen, daß eine Stellung nicht stärker wird, wenn man eine andere schwächt und wenn diese andere noch dazu die einzige halbwegs starke ist. (Souhlas na levici.) Schlesien ist mit seinen mehr als 40% Deutschen unsere stärkste Stellung, umsomehr als noch 10% Polen in Betracht kommen und die Èechen noch nicht einmal die Hälfte der Bevölkerung stellen. In diesem Umstande und nur in ihm haben wir den Grund für seine Vereinigung mit Mähren zu suchen, worauf unter anderen die Ausführungen des èechischen Minderheitsstatistikers Anton Obrtel hinweisen, die kürzlich im Amtsblatt "Stráž Moravy" des nordmährischen Èechisierungsvereines "Národní Jednota" erschienen sind. Von den 6 mährisch-schlesischen Gauen hatten nämlich 3 - Iglau, Olmütz und Mährisch Ostrau - eine deutsche Bevölkerung von 30 bis 37%, und auch der Gau Èechisch-Teschen stellte ein volles Drittel Deutsche und Polen. Das war den Herren um Dr Kramáø, Pater Šrámek und Genossen genau so ein Dorn im Auge wie die zwei reindeutsche Gaue Karlsbad und Böhmisch Leipa im Gaugesetz. Kollege Hodina und alle Mitglieder der deutschen Regierungsparteien dürfen also in der Vereinigung Schlesiens mit Mähren keineswegs die Erfüllung eines deutschen Wunsches suchen.

In diesem Zusammenhang sei auch ein Wort an den Vorsitzenden der deutschen christlichsozialen Volkspartei Kollegen Dr Luschka gerichtet. Er hat kürzlich in der sozusagen ministeriellen Zeitung seiner Partei, der "Deutsche Presse", demselben Blatte, gegen das noch vorkurzem das unmittelbar ihm unterstehende nordmährisch-schlesische Parteiblatt der Christlichsozialen im Hinblick auf die Verwaltungsreform einen scharfen Kampf führte, sich mit der Vorlage völlig ausgesöhnt. Er hat dabei anscheinend vergessen, daß er am 30. Jänner dieses Jahres in einer Tagung der Vertreter aller deutschen Gemeinden Schlesiens den Standpunkt der Selbständigkeit dieses Landes vertrat und eine von dieser Tagung gewählte Abordnung nach Prag führte. Der Gesamtinhalt der in Verhandlung stehenden Vorlagen in freiheitlicher Beziehung läßt sich dahin kennzeichnen, daß die Regierungsgewalt auf Kosten der Freiheit der Staatsbürger geradezu unumschränkt gemacht wird und auf Kosten der lokalen Selbstverwaltung eine rücksichtslose Zentralisierung platzgreift. Das letzte Restchen der lokalen Selbstverwaltung, das erst kürzlich durch das Gesetz über die Gemeindefinanzen stark beschnitten worden ist, soll nun völlig aufgehoben werden. Die Wirkung wird sich ja nicht sofort äußern; aber in einigen Monaten oder Jahren wird der Pferdefuß verschiedener Bestimmungen zum Vorschein kommen. Die hohe èechische Bürokratie verfolgt rücksichtslos ihren Weg, den Staat nach ihren Wünschen auszugestalten. Die Regierung ist froh, daß ihr jemand diese Aufgaben abnimmt und sie scheinheilige Erklärungen abgeben kann, die nicht eingehalten werden. Die Parlamentsmehrheit aber hält sich an die Worte Schillers: "Verstand ist stets bei Wenigen nur gewesen."


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