In nationaler Hinsicht läßt sich
die Vorlage über die Organisation der politischen Verwaltung
dahin kennzeichnen, daß der Staat in vier slavische Herrschaftsbereiche
aufgeteilt wird und daß die Magyaren und vor allem das 31/2
Millionen starke Deutschtum dieses Staates zur Rolle des Aschenbrödels
verurteilt werden. Wenn uns der Innenminister in seiner Verteidigungsrede,
die er im Ausschuß für die Vorlage hielt, versichert,
daß sich die Regierung von keinerlei nationalen Absichten
leiten lasse, so wird er damit keinen Glauben erwecken. Er war
noch immer ein getreuer Diener seines jeweiligen Herrn. Überdies
haben wir bekanntlich ähnliche Versicherungen auch seinerzeit
beim Abbaugesetz aus dem Munde seines obersten Chefs gehört,
was nicht hinderte, daß das genaue Gegenteil der Versicherungen
zutraf. Da ist mir der rücksichtslos offene Dr Kramáø
schon lieber, der im verfassungsrechtlichen Ausschuß
wiederum betonte, daß der Staat ein èechischer Nationalstaat
sei und bleibe, was übrigens auch, um nur ein Beispiel aus
der jüngsten Zeit anzuführen, mit wünschenswerter
Offenheit aus jener Drahtung hervorgeht, die Präsident Masaryk
nach seiner bekanntlich mit deutschen Stimmen erfolgten, und nur
durch sie ermöglichten Wahl an den Präsidenten der französi
schen Rotschildrepublik sandte, die eine offenkundige Ohrfeige
für die deutschen Wähler Masaryks darstellt,
(Souhlas na levici.) und von uns zum Gegenstand einer Anfrage
gemacht wurde. Auch die hemdärmelige Äußerung
des Berichterstatters zu den zwei Wehrvorlagen des nationaldemokratischen
Abgeordneten Špaèek kann
in diesem Zusammenhange angeführt werden.
Nach diesen wenigen Beispielen, die man beliebig
vermehren kann - ich werde mir gestatten noch auf einige hinzuweisen
- muß ich schon sagen, daß die Erfolge der deutschen
Regierungsparteien recht merkwürdig aussehen. Sie haben bei
ihren Bestrebungen soviel Glück wie etwa das Deutsche Reich
mit seiner Locarnopolitik. Genau so wenig, wie diesem der angeblich
versöhnliche Briand nichts nützt, weil ihm der unversöhnliche
Poincaré entgegenarbeitet, nützen ihnen die theoretischen
Gemeinplätze, die in der übrigens reichlich spät
erschienenen Botschaft des mit ihren Stimmen neugewählten
Staatspräsidenten enthalten sind. Vorausgesetzt, daß
dessen Theorien überhaupt ernst gemeint sind, woran noch
zu zweifeln ist, stehen ihm in diesem Staate eine Unzahl größerer
und kleinerer Poincarés gegenüber. Wir Deutschen sind
und bleiben für sie die Einwanderer und Kolonisten und zwar
durch eigene Schuld und Schwäche, durch die geradezu knechtselige
Demut, mit welcher ein Teil des Sudetendeutschtums die Maden an
jedem Gnadenknochen, der ihm hie und da vom Tisch eines überfütterten
Herrn zugeworfen wird, für Fleisch ansieht. (Výkøiky
posl Knirsche.) Dr Kramáø
hat diese Erkenntnis in seiner derben Rücksichtslosigkeit
einmal in die Worte zusammengefaßt, welche kürzlich
die "Bohemia" in einem ihrer Aufsätze zur Verwaltungsreform
zitierte und die da lauten: "Die Deutschen? Man braucht ihnen
nur ordentlich die Faust zu zeigen und sie halten das Maul."
Dieser Satz ist nicht einmal bildlich zu nehmen, denn die Herren
auf deutscher Seite, die nach ihrer Meinung die Hand an das Steuerruder
gelegt haben, trauen sich ja wirklich nicht, im Hause etwas zu
sagen. Der Justizminister hat sogar bekanntlich vom Regierungschef
höchst eigenhändig ein Schloß vorgehängt
bekommen, als er im Haushaltsausschuß deutsch reden wollte
und es noch nicht zu öffnen verstand. (Posl. Simm: Nicht
einmal die Schulautonomie können sie sich erringen!) Ich
komme darauf noch zu sprechen. Veilleicht hilft ihm Kollege Stenzl
dabei, der ja kürzlich unter die Erfinder gegangen ist.
Hat er doch kürzlich ein eigenes sozusagen staatlich konzessioniertes
Selbstbestimmungsrecht erfunden. (Veselost na levici.)
Tatsache ist, daß die deutschen Regierungsparteien
noch nicht einmal in der Lage waren, die parlamentarische Geschäftsordnung
zu ändern. Vizepräsident Zierhut amtiert
èechisch, was sein Vorgänger bekanntlich ablehnte.
Tatsache ist, daß die beiden deutschen Minister ihre èechischen
Sekretäre als eisernen Bestand übernehmen mußten.
Tatsache ist weiters, daß die deutschen Regierungsparteien
noch nicht einmal eine Vertretung im
Bodenamt zu erreichen vermochten, während in dessen Leitung
die zwei èechischen Oppositionsparteien sitzen. Tatsache
ist, daß ihnen förmlich zum Trotz, um ihre Einflußlosigkeit
vor aller Welt böhmisch aufzuzeigen, die dem deutschen Ritterorden
gehörigen Waldungen im Altvatergebiete verstaatlicht werden
sollen. Tatsache ist, daß sie keine Milderung des Sprachenrechtes
erzielten. Tatsache ist, daß die schädliche Durchführung
des Abbaues der Staatsangestellten keine Überprüfung
erfuhr. Unseren Resolutionsantrag zum Staatsvoranschlag, der das
verlangt und den sie mit unterschrieben haben, haben sie bekanntlich
abgelehnt. Tatsache ist, daß bei dem in Kürze stattfindenden
Verbandsturnfest des deutschen Turnverbandes für die österreichischen
und reichsdeutschen Gäste ein Trachten- und Fahnenverbot
besteht. Tatsache ist, daß in den Zeitungen sogar die Forderung
nach nationaler Selbstverwaltung beschlagnahmt wird, was nicht
einmal zur Zeit der allèechischen Koalition der Fall war.
Wir haben erst vor wenigen Tagen in einer Interpellation
auf die Beschlagnahme unseres Parteiblattes "Der Tag"
aus diesem Grunde hingewiesen. Wenn derartige Dinge unter einem
deutschen Justizminister geschehen, so kommt man unwillkürlich
zu der Ansicht, daß die Staatsanwälte ihn als einen
auf dem Dache sitzenden Greis ansehen, in Anlehnung an ein bekanntes
Studentenlied. (Výkøiky na levici.)
Wo bleibt die vom Schulminister
zugesagte Schulautonomie, die am 1. Juli, also in wenigen Tagen
bereits, eingeführt sein sollte? Diese Frage stelle ich an
den Vorsitzenden des deutschen parlamentarischen Schulausschusses
Kollegen Hodina. Soll zu den vielen Wortbrüchen von
der Regierungsbank ein neuer gesellt werden, diesmal mit stillschweigender
Duldung deutscher Minister und deutscher Parteien? Diese ernste
Frage möge beantwortet werden! Alle diese Tatsachen, die
das Bild unserer Lage nicht erschöpfend malen, sondern nur
einen kleinen Ausschnitt darstellen, zeugen von der Einflußlosigkeit
der deutschen Regierungsparteien. Dafür wird draußen
in den Versammlungen den Leuten, die nie alle werden, von angeblichen
Erfolgen erzählt, so daß sich kürzlich Kollege
Stenzl, dessen Partei keinen Minister zur Verfügung
hat, nicht mit Unrecht über den unlauteren Wettbewerb der
beiden übrigen deutschen Regierungsparteien bitter beschwerte.
(Veselost na levici.) Was
hören wir in den Versammlungsreden der deutschen Minister
und ihrer Nachbeter? In allgemeinen versichern sie uns, daß
sich der Kurs stark gemildert habe. Das versichert uns insbesondere
der Justizminister. Es ist dann allerdings sehr verwunderlich......
(Posl. Simm: Dabei hat es noch niemals eine so große
Zahl politischer Verfolgungen gegeben, wegen jeder Kleinigkeit
müssen die Leute ins Gefängnis wandern!) Ich komme
noch darauf zurück. Es ist dann allerdings sehr verwunderlich,
weshalb wir uns gerade im Parlamente so oft mit der sonderbaren
Rechtspflege beschäftigen und gegen das nachgerade perverse
Wüten der Staatanwälte Stellung nehmen müssen.
Der Herr Justizminister sollte, statt von seinen angeblichen Erfolgen
zu reden, lieber der Verfolgungswut der Staatsanwälte, der
nachgerade lächerlichen Irredenta- und Hochverratschnüffelei
und der Knebelung der Presse ein Ende bereiten. Dann würden
die Taten für ihn sprechen. So viele Interpellationen wie
unter seiner Amtstätigkeit haben wir nichteinmal während
der Amtszeit seiner èechischen Vorgänger einbringen
müssen. Der Arbeitsminister Dr Spina hat sich kürzlich
auf einem Kreisparteitag des Bundes der Landwirte in Bärn
geäußert. Den Agrarismus als Weltanschauung und die
Begeisterung für die grüne Internationale verzeihe ich
noch dem Parteimann und Klassenpolitiker. Nur mache ich ihn darauf
aufmerksam, daß einer Weltanschauung eine sittliche Idee
zugrunde liegen muß, und daß sie daher nicht vom Geiste
des weiland Reichsritters Simitsch von Hohenblum durchtränkt
sein darf. Er hat sich jedoch noch andere Dinge geleistet, um
die man angesichts der Person des Redners bei bestem Willen nicht
herumkommt. Zur Rechtfertigung der Politik der deutschen Regierungsparteien
berief er sich nämlich auf Briefe, die er von Angehörigen
anderer Parteien erhielt. Solche Briefe erhält schließlich
jeder von uns, da Bittsteller sich durchaus nicht streng an die
Parteizugehörigkeit zu halten pflegen. Wir machen keinen
Gebrauch davon und sehen darin nichts besonders. Der Herr Minister
findet jedoch darin die Tatsache bestätigt, daß innerhalb
der deutschen Oppositionsparteien eine Gärung besteht. Für
die beiden anderen Parteien bin ich nicht befugt, Erklärungen
abzugeben. Was jedoch meine Partei anbelangt, so stelle ich als
deren Vorsitzender fest, daß von einer Gärung innerhalb
ihrer Reihen keine Rede ist, insbesondere nicht vor einer solchen,
die nach einer Betätigung im Sinne der deutschen Regierungsparteien
drängte, was der Herr Minister mit seiner Bemerkung doch
wohl behaupten wollte. Ich sehe mich genötigt, meine braven
Parteigenossen gegen derartige Behauptungen in Schutz zu nehmen,
damit sie nicht in den Ruf gelangen, Waschlappen zu sein. (Souhlas
na levici.) Und
ich erkläre, daß das Gegenteil der Behauptung zutrifft.
Unsere Parteigenossen drängen nicht nach einer Betätigung
im Sinne der deutschen Regierungsparteien, sondern verlangen im
Gegenteil, daß wir gegen diese viel schärfer auftreten.
Im übrigen ersuche ich den Herrn Minister zu beachten, daß
es eine Art von Demagogie gibt, die man einem Ortsvertrauensmann
vielleicht nicht übel nimmt, die man jedoch einem Parteiführer
niemals zugestehen kann.
Sonst hat der Herr Minister bei dieser Gelegenheit
von "Gleichberechtigung" und von der angeblichen Tatsache
gesprochen, daß wir als "Gleiche mit Gleichen"
verhandeln können. Diese Worte standen allerdings in der
Regierungserklärung, mit welcher die jetzige Regierung ihr
Amt antrat. Die Tatsache jedoch, daß Ministerpräsident
Švehla sie gebrauchte, von welchem schon einige Äußerungen
vorliegen, die nicht eingehalten wurden, schwächte sie von
vornherein ab. Ich nehme jedoch Herrn Minister Dr Spina beim
Wort und frage ihn, bei welcher Gelegenheit bisher in Erscheinung
getreten ist, daß wir Gleiche unter Gleichen seien und wo
dies insbesondere in der Vorlagen zum Ausdruck gelangt, die wir
soeben behandeln. Ich frage weiters, wo sich erweist - wie es
ebenfalls in der Regierungserklärung steht - daß dieser
Staat "ein klassisches Beispiel der engen Beziehungen verschiedener
nationalen Kulturen" ist. Der Herr Minister und Hochschullehrer
möge mir darauf die Antwort geben. Ich halte ihm die Worte
seiner Osterbotschaft entgegen, die da lauten: "Es bedarf
keiner hohen politischen Einsicht, um vorauszusagen, daß
eine gemischte nationale Regierung, die an die Erfüllung
eines nationalpolitischen Programmes gebunden wäre, nicht
einen Monat alt geworden wäre." Das ist doch die offenkundige
Bankerotterklärung der ganzen gegenwärtigen Regierungspolitik,
der von ihm, dem deutschen Justizminister und den deutschen Regierungsparteien
mit einem Eifer, der einer besseren Sache würdig wäre,
verfochtenen Politik. Denn wenn eine gemischtnationale Regierung
sich nicht einmal an die Lösung der nationalen Frage herantraut,
noch dazu, nachdem sie eine solche Regierungserklärung vom
Stapel gelassen hat, wie es jene vom 13. Oktober 1926 war,
dann frage ich, was für eine Regierung dann überhaupt
die Lösung dieser Frage in Angriff nehmen soll. Sollen wir
vielleicht wieder auf eine allèechische Koalition warten?
Übrigens ist zu bemerken, daß die drei deutschen Regierungsparteien
vor nicht allzulanger Zeit die Vorlage zur Verwaltungsreform als
unannehmbar erklärten, und die geringfügigen Änderungen,
die sie erzielten, machen sie nicht annehmbarer. Ich nehme sie
also beim Wort und verweise insbesondere auf die Stellungnahme
der christlichsozialen Reichsparteileitung vom 10. März l.
J., dies aus dem Grunde, weil der christlichsoziale Parteiminister
Dr Mayr-Harting gleichzeitig Vorsitzender der Ständigen
Vertretung des Deutschen Juristentages ist und weil sich diese
auf ihrer kürzlich stattgefundenen Hauptversammlung gegen
die Vorlage aussprach. Und das mit Stimmeneinhelligkeit, also
auch mit der Stimme des Herrn Dr Mayr-Harting!
Die Entschließung bewegt sich, wie ich
mit Vergnügen feststelle, in jenen Richtlinien, welche auch
wir aufstellten und hat folgenden Wortlaut:
"1. Die Hauptversammlung der Ständigen Vertretung des
Deutschen Juristentags in der Èechoslovakei erachtet eine
durchgreifende Reform der èechoslovakischen Verwaltung
für notwendig. Sie warnt vor Überstürzung und empfiehlt
eine schrittweise Durchführung. Zur sorgfältigen
Vorbereitung sind Theoretiker und Praktiker des Verwaltungsrechtes
sowie der beteiligten Interessentenkreise heranzuziehen.
2. Die Neuordnung des Verwaltungsrechtes und
des Verwaltungsverfahrens, desgleichen die des Polizeistrafverfahrens
ist im Sinne der Verfassung der Gesetzgebung vorzubehalten. Für
Ermächtigungsgesetze ist hier kein Raum.
3. Die neue Organisation der Verwaltung muß
insbesondere zum Ziel haben, das friedliche Zusammenleben aller
Staatsbürger im Sinne der verfassungsmäßig zugesicherten
Gleichberechtigung zu gewährleisten:
a) zu diesem Zweck ist die Behördenorganisation
zu einzurichten, daß die lokale und nationale Selbstverwaltung
sich frei betätigen einheitlicher, national getrennter Verwaltungskörper
und Verwaltungssprengel, insbesondere auch für den Fall der
Länderverfassung.
b) Die Zusammensetzung der Vertretungskörper
und die Besetzung der Amtsstellen haben der nationalen Schichtung
der Bevölkerung zu entsprechen. Bei der Aufnahme in den Staatsdienst,
der Einberufung in die Zentralstellen, bei der Besetzung sämtlicher,
daher auch der leitenden und sonst verantwortlichen Dienstposten
ist der nationalen Zusammensetzung der Bevölkerung Rechnung
zu tragen.
c) Volle Wahrung und Sicherung der Sprachenrechte
der nationalen Minderheiten im Sinne der Marienbader Beschlüsse
der Ständigen Vertretung des Deutschen Juristentages ist
eine unabweisbare Forderung auch für die Verwaltungsreform.
Solche gerechte und zweckentsprechende sprachenrechtliche Bestimmungen
befriedigen gleichzeitig die Bedürfnisse des Verkehrs und
der Wirtschaft sowie die Anforderungen der Sparsamkeit.
4. Das Verwaltungsverfahren ist in Anlehnung
an bewährte ausländische Vorbilder, die modernen Anforderungen
entsprechen, unter voller Wahrung der bürgerlichen Freiheiten
zu regeln.
5. Die Vorlage über die Organisation der
politischen Verwaltung erfüllt die vorstehenden Forderungen
nicht."
Jedermann wird zugeben müssen, daß
die Anschauungen von der Unannehmbarkeit sich auch auf jene Vorlage
beziehen, die augenblicklich zur Verhandlung steht und die sich
von den früheren nur durch ganz geringfügige Änderungen
unterscheidet.
Ich bin sehr begierig, wie der Vorsitzende des Deutschen Juristentages,
dessen ablehnende Stellungnahme mit seiner Eigenschaft als èechoslovakischer
Justizminister und führendes Mitglied einer deutschen Regierungspartei,
die auf die gegenwärtige Vorlage geradezu eingeschworen ist,
vereinbaren wird. Auch die Prager Advokatenkammer hat schwerwiegende
Bedenken gegen einige Bestimmungen der schon geänderten Vorlage
erhoben. Der Berichterstatter hat ein Eingehen auf diese Beschwerde
abgelehnt. Ich stelle die Frage, warum denn nicht die Angehörigen
der deutschen Regierungsparteien, welche Mitglieder des verfassungsrechtlichen
Ausschusses sind, sich zum Anwalt dieser begründeten Beschwerden
gemacht haben?
Die deutschen Regierungsparteien müssen
sich darüber klar werden, daß die Vorlage über
die Verwaltungsreform die Probe aufs Exempel ist, wie ich in einem
vor einiger Zeit erschienenen Aufsatz ausführte. Bei dieser
Gelegenheit - und bei ihr besonders -- ist von ihnen der Beweis
zu erbringen, daß sie tatsächlich Einfluß besitzen
und in der Lage sind, durch zusetzen, daß das Sudetendeutschtum
Gleicher unter Gleichen ist. Mit leeren Behauptungen von einer
angeblichen Milderung des Kurses oder mit der lächerlichen
Redensart, daß manches schlimmer ausgefallen wäre,
wenn sie nicht dabei gewesen wären, dürfen sie der Bevölkerung
auf die Dauer nicht kommen. Eine Zeitlang mag ja das ziehen, aber
auf die Dauer jedoch darauf zu spekulieren, daß das
Sudetendeutschtum genügend Dummköpfe besitzt, die derartige
Lächerlichkeiten glauben, halte ich für aussichtslos.
Sie haben den Sprung ins Dunkle gewagt, sie haben dem Staate mehr
gegeben, als der ausgepichteste Èeche es
in seinen kühnsten Träumen zu hoffen wagte. Sie haben
deshalb - nicht morgen oder übermorgen sondern sofort - gelegentlich
des völligen Staatsumbaues, wie er durch die gegenwärtige
Vorlage durchgeführt wird, zu beweisen, daß ihr Schritt
von Erfolg begleitet war, oder sie haben sie abzulehnen. Sonst
fällt auf sie die ungeheuere Verantwortung, mit der Zukunft
eines ganzen Volkes, mit der Zukunft ihres Volkes, leichtfertig
gespielt, diese Zukunft um ein Linsengericht preisgegeben zu haben.
Niemand hat den Anlaß und die Möglichkeit, Ihnen auch
nur ein Teilchen dieser Verantwortung abzunehmen. Sie tragen sie
ganz allein und mögen danach handeln! Für uns, die wir
die Künder, eines kommenden Deutschland der Freiheit und
sozialen Gerechtigkeit sind, ist die Einstellung zu diesen Vorlagen
gegeben, umsomehr, als sie von unserer innerpolitischen Forderung
nach nationaler Selbstverwaltung auf der Grundlage völkisch
abgegrenzter Siedlungsgebiete und Schutz aller außerhalb
dieser Siedlungsgebiete lebenden Volksgenossen auch nicht einen
Hauch enthalten, weil sie weiters auch in freiheitlicher Beziehung,
einen ausgesprechenen Rückschritt, einen Rückfall in
die Zeit des Vormärz darstellen. Sie sind daher ein Hemmnis
aller völkischen, freiheitlichen, kulturellen und sozialen
Entwicklung und daher für uns unannehmbar!
Trotzdem stellt meine Partei einige Abänderungsträge,
um ihre grundsätzliche Stellungnahme darzulegen. Wir gehören
nicht zu den hoffnungslosen Optimisten, um anzunehmen, daß
unsere Anträge etwa durchgehen werden. Aber unsere Haltung
soll durch sie klargelegt und festgehalten werden, daß Deutsche
angesichts einer Schicksalsfrage ihres Volkes versagt und ihr
eigenes Volk förmlich dem Henker ausgeliefert haben. Unsere
Abänderungsanträge haben die Beseitigung des Prügelpatentes
und aller Vollmachten der Regierung, weiters die Wiederherstellung
der durch die Vorlagen beseitigten lokalen Selbstverwaltung sowie
die Beseitigung der Verschlechterung des Wahlrechtes zum Inhalt.
Die wichtigsten dieser Anträge lauten:
Zum § 1, Abs. 1: (Návrh
posl. inž. Junga a druhù, podaný k §u
1 osnovy tisk 1101, byl usnesením pøedsednictva
posl. snìmovny ze dne 1. èervence 1927 podle §u
9, lit. m) jedn. øádu vylouèen z tìsnopisecké
zprávy. Viz Tìsnopiseckou zprávu o 93. schùzi
posl. snìmovny ze dne 1. èervence 1927, str. 2266.)
Das entspricht unserer Anschauung
von nationaler Selbstverwaltung.
Ein Eventualantrag verlangt die Trennung des
vorgesehenen Landes Mähren-Schlesien wieder in die zwei Länder,
wie sie heute bestehen: Mähren und Schlesien.
Die übrigen Anträge befassen sich,
wie erwähnt, mit der Beseitigung aller bürokratischen
Vorrechte und der Vollmacht, die man der Regierung erteilt.
Zum § 12, Abs. 2, der vom Recht der Regierung
spricht, ein Drittel der Mitglieder der Landesvertretung und beim
entsprechenden Paragraphen der Bezirksvertretung, zu ernennen,
beantragen wir die Streichung und in einem Eventualantrage fordern
wir eine schärfere Fassung der vom Ausschuß beschlossenen
Bestimmung.
Zu § 17 verlangen wir, daß der Vorsitzende
des Landesvertretung und sein Stellvertreter aus der Reihe der
Mitglieder gewählt werden und daß der Stellvertreter
den Reihen des zweitstärksten Volkes im Lande zu entnehmen
ist. Einen ähnlichen Antrag stellen wir im Hinblick auf die
Bezirksvertretungen. Zur Wahlordnung für die Landes und Bezirksvertretungen
beantragen wir, das Wahlalter wiederum auf 21 Jahre festzusetzen.
(Potlesk poslancù nìm. strany nár.-socialistické.).
Hohes Haus! Auf unseren Pulten liegt eine Gesetzesvorlage,
äußerlich eine Druckschrift, wie jede andere auch,
aber doch eine von ganz besonderer Art: Es ist ein Todesurteil,
das wir unterschreiben sollen. Man mutet uns zu, das Volk, das
uns hiehergeschickt hat, um seine Rechte zu vertreten, nun um
die Rechte, die es längst errungen hat, zu betrügen.
Wir sollen das Todesurteil der Selbstverwaltung aussprechen, unserem
Volke den Strick um den Hals legen, den Weg zur nationalen Autonomie
verrammeln, die Staatsbürokraten, die nichts anderes sind,
als Werkzeuge der jeweils herrschenden Gewalt, sollen wir zu Herren
über unsere Gemeinden und Bezirke machen, wir sollen die
ohnedies kargen persönlichen Freiheiten der Staatsbürger
auslöschen und das Prügelpatent aus der Zeit der finstersten
habsburgischen Reaktion feierlich sanktionieren und es zum Wahrzeichen
der angeblich freiheitlichen demokratischen Republik gestalten.
Die èechischen Parteien, die für diese Schandvorlage,
genannt Verwaltungsreform stimmen, meucheln die Demokratie. Sie
fälschen das Revolutionsprogramm des èechischen Volkes,
sie steigen auf das Niveau vormärzlicher Reaktionäre
hinab, sie beschmutzen die Geschichte
des èechischen Volkes, eines Volkes, dessen Vergangenheit
groß war, das in der Zeit seiner Unterdrückung vorbildliche
Bürgertugenden zeigte, dessen Bürgertum man aber würde
nach sagen müssen, daß es von seinen Freiheiten den
denkbar schlechtesten Gebrauch zu machen
verstand. Die èechischen Parteien, die sich dazu hergeben,
für diese Verwaltungsreform zu stimmen, übertreffen
die Volksunterdrücker von gestern an Brutalität und
zeigen sich erbärmlicher als jene, die wenigstens niemandem
vorzutäuschen versuchten, daß sie
Demokraten wären, als sie den Untertanen der einstigen Herrschaft
das Prügelpatent bescherten.
Aber die deutschen Parteien, die für diese
Vorlage stimmen, tun noch ein ärgeres. Sie erniedrigen sich
dazu, am eigenen Volk das Henkeramt zu vollziehen. Wir sind nicht
verwôhnt in diesem Staate durch das, was wir von Seite der
allnationalen Koalition erlebt haben. Wir haben Furchtbares ertragen
müssen. Es ist uns ganz Erschreckliches geschehen. Aber was
immer unternommen worden ist, wir haben diese deutschen
Parteien draußen von Versammlung zu Versammlung ziehen sehen
und sie immer wieder sagen hören: Das machen die Sozialdemokraten,
die èechisch en Sozialdemokraten, wie z. B. die Bodenreform,
die Schulsperren. Dies sagten sie, wohlwissend, daß
die èechischen Sozialdemokraten nur ein kleiner Teil der
Koalition gewesen sind; wohl wissend, daß die Sozialdemokraten
versucht haben, das ärgste an nationalen Chauvinismus zu
verhindern, haben die Deutschbürgerlichen dies zu dem Zwecke
behauptet, um uns zu treffen, zu dem
Zwecke, um gegen die Arbeiterschaft die Massen aufzupeitschen,
haben diese Parteien für all das die èechischen Sozialdemokraten
verantwortlich gemacht. Freilich, die allnationale Koalition war
getragen von dem Aberglauben, daß es möglich
sei, in der Verfechtung gemeinsamer nationaler Interessen eine
Möglichkeit zu finden, die wirtschaftlichen Gegensätze
zu überbrücken. Die allnationale Koalition ist heute
abgetan, dieser Aberglaube ist abgetan, aber er ist teuer genug
bezahlt. In der Republik des Jan Hus regiert heute der Pater Šrámek,
èechische, slovakische und deutsche Bourgeois und
Pfaffen sind zusammengeschlossen gegen die èechischen,
magyarischen, deutschen und slovakischen Arbeiter in diesem Staate.
Die Bourgeoisie ist konsolidiert, der Klerikalismus herrscht,
die Völker sind unfrei, die Massen sind
arbeitslos, sie hungern in diesem Staate, weite Flächen von
Ackerboden und Wald sind vergeudet, die Schulen sind verdorben
worden, nationaler Chauvinismus hat Zehntausenden Menschen das
Brot genommen. Eine verschlechterte Auflage des alten Österreichs,
das ist dieser Staat geworden, dessen Gründer, wie Seliger
hier von diesem Platze treffend sagte, den Leichnam des alten
Österreich mit sich geschleppt haben. Man hat uns seinerzeit
versprochen, daß nichts von den Freiheiten uns genommen
werden soll, die uns die Republik Österreich gegeben hat
- man hat sie uns alle genommen. In diesem Staate herrscht keine
Versammlungsfreiheit, die Polizei ist unser Vormund, in diesem
Staate herrscht keine Preßfreiheit, die Polizeifaust spürt
man an allen Ecken und Enden, in diesem Staate herrscht eine Zensur
ganz und gar im Sinne Bertholds, des Mainzer Erzbischofs vom Jahre
1486, in diesem Staate sind die Menschen unfrei.