Úterý 28. èervna 1927

In nationaler Hinsicht läßt sich die Vorlage über die Organisation der politischen Verwaltung dahin kennzeichnen, daß der Staat in vier slavische Herrschaftsbereiche aufgeteilt wird und daß die Magyaren und vor allem das 31/2 Millionen starke Deutschtum dieses Staates zur Rolle des Aschenbrödels verurteilt werden. Wenn uns der Innenminister in seiner Verteidigungsrede, die er im Ausschuß für die Vorlage hielt, versichert, daß sich die Regierung von keinerlei nationalen Absichten leiten lasse, so wird er damit keinen Glauben erwecken. Er war noch immer ein getreuer Diener seines jeweiligen Herrn. Überdies haben wir bekanntlich ähnliche Versicherungen auch seinerzeit beim Abbaugesetz aus dem Munde seines obersten Chefs gehört, was nicht hinderte, daß das genaue Gegenteil der Versicherungen zutraf. Da ist mir der rücksichtslos offene Dr Kramáø schon lieber, der im verfassungsrechtlichen Ausschuß wiederum betonte, daß der Staat ein èechischer Nationalstaat sei und bleibe, was übrigens auch, um nur ein Beispiel aus der jüngsten Zeit anzuführen, mit wünschenswerter Offenheit aus jener Drahtung hervorgeht, die Präsident Masaryk nach seiner bekanntlich mit deutschen Stimmen erfolgten, und nur durch sie ermöglichten Wahl an den Präsidenten der französi schen Rotschildrepublik sandte, die eine offenkundige Ohrfeige für die deutschen Wähler Masaryks darstellt, (Souhlas na levici.) und von uns zum Gegenstand einer Anfrage gemacht wurde. Auch die hemdärmelige Äußerung des Berichterstatters zu den zwei Wehrvorlagen des nationaldemokratischen Abgeordneten Špaèek kann in diesem Zusammenhange angeführt werden.

Nach diesen wenigen Beispielen, die man beliebig vermehren kann - ich werde mir gestatten noch auf einige hinzuweisen - muß ich schon sagen, daß die Erfolge der deutschen Regierungsparteien recht merkwürdig aussehen. Sie haben bei ihren Bestrebungen soviel Glück wie etwa das Deutsche Reich mit seiner Locarnopolitik. Genau so wenig, wie diesem der angeblich versöhnliche Briand nichts nützt, weil ihm der unversöhnliche Poincaré entgegenarbeitet, nützen ihnen die theoretischen Gemeinplätze, die in der übrigens reichlich spät erschienenen Botschaft des mit ihren Stimmen neugewählten Staatspräsidenten enthalten sind. Vorausgesetzt, daß dessen Theorien überhaupt ernst gemeint sind, woran noch zu zweifeln ist, stehen ihm in diesem Staate eine Unzahl größerer und kleinerer Poincarés gegenüber. Wir Deutschen sind und bleiben für sie die Einwanderer und Kolonisten und zwar durch eigene Schuld und Schwäche, durch die geradezu knechtselige Demut, mit welcher ein Teil des Sudetendeutschtums die Maden an jedem Gnadenknochen, der ihm hie und da vom Tisch eines überfütterten Herrn zugeworfen wird, für Fleisch ansieht. (Výkøiky posl Knirsche.) Dr Kramáø hat diese Erkenntnis in seiner derben Rücksichtslosigkeit einmal in die Worte zusammengefaßt, welche kürzlich die "Bohemia" in einem ihrer Aufsätze zur Verwaltungsreform zitierte und die da lauten: "Die Deutschen? Man braucht ihnen nur ordentlich die Faust zu zeigen und sie halten das Maul." Dieser Satz ist nicht einmal bildlich zu nehmen, denn die Herren auf deutscher Seite, die nach ihrer Meinung die Hand an das Steuerruder gelegt haben, trauen sich ja wirklich nicht, im Hause etwas zu sagen. Der Justizminister hat sogar bekanntlich vom Regierungschef höchst eigenhändig ein Schloß vorgehängt bekommen, als er im Haushaltsausschuß deutsch reden wollte und es noch nicht zu öffnen verstand. (Posl. Simm: Nicht einmal die Schulautonomie können sie sich erringen!) Ich komme darauf noch zu sprechen. Veilleicht hilft ihm Kollege Stenzl dabei, der ja kürzlich unter die Erfinder gegangen ist. Hat er doch kürzlich ein eigenes sozusagen staatlich konzessioniertes Selbstbestimmungsrecht erfunden. (Veselost na levici.)

Tatsache ist, daß die deutschen Regierungsparteien noch nicht einmal in der Lage waren, die parlamentarische Geschäftsordnung zu ändern. Vizepräsident Zierhut amtiert èechisch, was sein Vorgänger bekanntlich ablehnte. Tatsache ist, daß die beiden deutschen Minister ihre èechischen Sekretäre als eisernen Bestand übernehmen mußten. Tatsache ist weiters, daß die deutschen Regierungsparteien noch nicht einmal eine Vertretung im Bodenamt zu erreichen vermochten, während in dessen Leitung die zwei èechischen Oppositionsparteien sitzen. Tatsache ist, daß ihnen förmlich zum Trotz, um ihre Einflußlosigkeit vor aller Welt böhmisch aufzuzeigen, die dem deutschen Ritterorden gehörigen Waldungen im Altvatergebiete verstaatlicht werden sollen. Tatsache ist, daß sie keine Milderung des Sprachenrechtes erzielten. Tatsache ist, daß die schädliche Durchführung des Abbaues der Staatsangestellten keine Überprüfung erfuhr. Unseren Resolutionsantrag zum Staatsvoranschlag, der das verlangt und den sie mit unterschrieben haben, haben sie bekanntlich abgelehnt. Tatsache ist, daß bei dem in Kürze stattfindenden Verbandsturnfest des deutschen Turnverbandes für die österreichischen und reichsdeutschen Gäste ein Trachten- und Fahnenverbot besteht. Tatsache ist, daß in den Zeitungen sogar die Forderung nach nationaler Selbstverwaltung beschlagnahmt wird, was nicht einmal zur Zeit der allèechischen Koalition der Fall war. Wir haben erst vor wenigen Tagen in einer Interpellation auf die Beschlagnahme unseres Parteiblattes "Der Tag" aus diesem Grunde hingewiesen. Wenn derartige Dinge unter einem deutschen Justizminister geschehen, so kommt man unwillkürlich zu der Ansicht, daß die Staatsanwälte ihn als einen auf dem Dache sitzenden Greis ansehen, in Anlehnung an ein bekanntes Studentenlied. (Výkøiky na levici.) Wo bleibt die vom Schulminister zugesagte Schulautonomie, die am 1. Juli, also in wenigen Tagen bereits, eingeführt sein sollte? Diese Frage stelle ich an den Vorsitzenden des deutschen parlamentarischen Schulausschusses Kollegen Hodina. Soll zu den vielen Wortbrüchen von der Regierungsbank ein neuer gesellt werden, diesmal mit stillschweigender Duldung deutscher Minister und deutscher Parteien? Diese ernste Frage möge beantwortet werden! Alle diese Tatsachen, die das Bild unserer Lage nicht erschöpfend malen, sondern nur einen kleinen Ausschnitt darstellen, zeugen von der Einflußlosigkeit der deutschen Regierungsparteien. Dafür wird draußen in den Versammlungen den Leuten, die nie alle werden, von angeblichen Erfolgen erzählt, so daß sich kürzlich Kollege Stenzl, dessen Partei keinen Minister zur Verfügung hat, nicht mit Unrecht über den unlauteren Wettbewerb der beiden übrigen deutschen Regierungsparteien bitter beschwerte. (Veselost na levici.) Was hören wir in den Versammlungsreden der deutschen Minister und ihrer Nachbeter? In allgemeinen versichern sie uns, daß sich der Kurs stark gemildert habe. Das versichert uns insbesondere der Justizminister. Es ist dann allerdings sehr verwunderlich...... (Posl. Simm: Dabei hat es noch niemals eine so große Zahl politischer Verfolgungen gegeben, wegen jeder Kleinigkeit müssen die Leute ins Gefängnis wandern!) Ich komme noch darauf zurück. Es ist dann allerdings sehr verwunderlich, weshalb wir uns gerade im Parlamente so oft mit der sonderbaren Rechtspflege beschäftigen und gegen das nachgerade perverse Wüten der Staatanwälte Stellung nehmen müssen. Der Herr Justizminister sollte, statt von seinen angeblichen Erfolgen zu reden, lieber der Verfolgungswut der Staatsanwälte, der nachgerade lächerlichen Irredenta- und Hochverratschnüffelei und der Knebelung der Presse ein Ende bereiten. Dann würden die Taten für ihn sprechen. So viele Interpellationen wie unter seiner Amtstätigkeit haben wir nichteinmal während der Amtszeit seiner èechischen Vorgänger einbringen müssen. Der Arbeitsminister Dr Spina hat sich kürzlich auf einem Kreisparteitag des Bundes der Landwirte in Bärn geäußert. Den Agrarismus als Weltanschauung und die Begeisterung für die grüne Internationale verzeihe ich noch dem Parteimann und Klassenpolitiker. Nur mache ich ihn darauf aufmerksam, daß einer Weltanschauung eine sittliche Idee zugrunde liegen muß, und daß sie daher nicht vom Geiste des weiland Reichsritters Simitsch von Hohenblum durchtränkt sein darf. Er hat sich jedoch noch andere Dinge geleistet, um die man angesichts der Person des Redners bei bestem Willen nicht herumkommt. Zur Rechtfertigung der Politik der deutschen Regierungsparteien berief er sich nämlich auf Briefe, die er von Angehörigen anderer Parteien erhielt. Solche Briefe erhält schließlich jeder von uns, da Bittsteller sich durchaus nicht streng an die Parteizugehörigkeit zu halten pflegen. Wir machen keinen Gebrauch davon und sehen darin nichts besonders. Der Herr Minister findet jedoch darin die Tatsache bestätigt, daß innerhalb der deutschen Oppositionsparteien eine Gärung besteht. Für die beiden anderen Parteien bin ich nicht befugt, Erklärungen abzugeben. Was jedoch meine Partei anbelangt, so stelle ich als deren Vorsitzender fest, daß von einer Gärung innerhalb ihrer Reihen keine Rede ist, insbesondere nicht vor einer solchen, die nach einer Betätigung im Sinne der deutschen Regierungsparteien drängte, was der Herr Minister mit seiner Bemerkung doch wohl behaupten wollte. Ich sehe mich genötigt, meine braven Parteigenossen gegen derartige Behauptungen in Schutz zu nehmen, damit sie nicht in den Ruf gelangen, Waschlappen zu sein. (Souhlas na levici.) Und ich erkläre, daß das Gegenteil der Behauptung zutrifft. Unsere Parteigenossen drängen nicht nach einer Betätigung im Sinne der deutschen Regierungsparteien, sondern verlangen im Gegenteil, daß wir gegen diese viel schärfer auftreten. Im übrigen ersuche ich den Herrn Minister zu beachten, daß es eine Art von Demagogie gibt, die man einem Ortsvertrauensmann vielleicht nicht übel nimmt, die man jedoch einem Parteiführer niemals zugestehen kann.

Sonst hat der Herr Minister bei dieser Gelegenheit von "Gleichberechtigung" und von der angeblichen Tatsache gesprochen, daß wir als "Gleiche mit Gleichen" verhandeln können. Diese Worte standen allerdings in der Regierungserklärung, mit welcher die jetzige Regierung ihr Amt antrat. Die Tatsache jedoch, daß Ministerpräsident Švehla sie gebrauchte, von welchem schon einige Äußerungen vorliegen, die nicht eingehalten wurden, schwächte sie von vornherein ab. Ich nehme jedoch Herrn Minister Dr Spina beim Wort und frage ihn, bei welcher Gelegenheit bisher in Erscheinung getreten ist, daß wir Gleiche unter Gleichen seien und wo dies insbesondere in der Vorlagen zum Ausdruck gelangt, die wir soeben behandeln. Ich frage weiters, wo sich erweist - wie es ebenfalls in der Regierungserklärung steht - daß dieser Staat "ein klassisches Beispiel der engen Beziehungen verschiedener nationalen Kulturen" ist. Der Herr Minister und Hochschullehrer möge mir darauf die Antwort geben. Ich halte ihm die Worte seiner Osterbotschaft entgegen, die da lauten: "Es bedarf keiner hohen politischen Einsicht, um vorauszusagen, daß eine gemischte nationale Regierung, die an die Erfüllung eines nationalpolitischen Programmes gebunden wäre, nicht einen Monat alt geworden wäre." Das ist doch die offenkundige Bankerotterklärung der ganzen gegenwärtigen Regierungspolitik, der von ihm, dem deutschen Justizminister und den deutschen Regierungsparteien mit einem Eifer, der einer besseren Sache würdig wäre, verfochtenen Politik. Denn wenn eine gemischtnationale Regierung sich nicht einmal an die Lösung der nationalen Frage herantraut, noch dazu, nachdem sie eine solche Regierungserklärung vom Stapel gelassen hat, wie es jene vom 13. Oktober 1926 war, dann frage ich, was für eine Regierung dann überhaupt die Lösung dieser Frage in Angriff nehmen soll. Sollen wir vielleicht wieder auf eine allèechische Koalition warten? Übrigens ist zu bemerken, daß die drei deutschen Regierungsparteien vor nicht allzulanger Zeit die Vorlage zur Verwaltungsreform als unannehmbar erklärten, und die geringfügigen Änderungen, die sie erzielten, machen sie nicht annehmbarer. Ich nehme sie also beim Wort und verweise insbesondere auf die Stellungnahme der christlichsozialen Reichsparteileitung vom 10. März l. J., dies aus dem Grunde, weil der christlichsoziale Parteiminister Dr Mayr-Harting gleichzeitig Vorsitzender der Ständigen Vertretung des Deutschen Juristentages ist und weil sich diese auf ihrer kürzlich stattgefundenen Hauptversammlung gegen die Vorlage aussprach. Und das mit Stimmeneinhelligkeit, also auch mit der Stimme des Herrn Dr Mayr-Harting!

Die Entschließung bewegt sich, wie ich mit Vergnügen feststelle, in jenen Richtlinien, welche auch wir aufstellten und hat folgenden Wortlaut:

"1. Die Hauptversammlung der Ständigen Vertretung des Deutschen Juristentags in der Èechoslovakei erachtet eine durchgreifende Reform der èechoslovakischen Verwaltung für notwendig. Sie warnt vor Überstürzung und empfiehlt eine schrittweise Durchführung. Zur sorgfältigen Vorbereitung sind Theoretiker und Praktiker des Verwaltungsrechtes sowie der beteiligten Interessentenkreise heranzuziehen.

2. Die Neuordnung des Verwaltungsrechtes und des Verwaltungsverfahrens, desgleichen die des Polizeistrafverfahrens ist im Sinne der Verfassung der Gesetzgebung vorzubehalten. Für Ermächtigungsgesetze ist hier kein Raum.

3. Die neue Organisation der Verwaltung muß insbesondere zum Ziel haben, das friedliche Zusammenleben aller Staatsbürger im Sinne der verfassungsmäßig zugesicherten Gleichberechtigung zu gewährleisten:

a) zu diesem Zweck ist die Behördenorganisation zu einzurichten, daß die lokale und nationale Selbstverwaltung sich frei betätigen einheitlicher, national getrennter Verwaltungskörper und Verwaltungssprengel, insbesondere auch für den Fall der Länderverfassung.

b) Die Zusammensetzung der Vertretungskörper und die Besetzung der Amtsstellen haben der nationalen Schichtung der Bevölkerung zu entsprechen. Bei der Aufnahme in den Staatsdienst, der Einberufung in die Zentralstellen, bei der Besetzung sämtlicher, daher auch der leitenden und sonst verantwortlichen Dienstposten ist der nationalen Zusammensetzung der Bevölkerung Rechnung zu tragen.

c) Volle Wahrung und Sicherung der Sprachenrechte der nationalen Minderheiten im Sinne der Marienbader Beschlüsse der Ständigen Vertretung des Deutschen Juristentages ist eine unabweisbare Forderung auch für die Verwaltungsreform. Solche gerechte und zweckentsprechende sprachenrechtliche Bestimmungen befriedigen gleichzeitig die Bedürfnisse des Verkehrs und der Wirtschaft sowie die Anforderungen der Sparsamkeit.

4. Das Verwaltungsverfahren ist in Anlehnung an bewährte ausländische Vorbilder, die modernen Anforderungen entsprechen, unter voller Wahrung der bürgerlichen Freiheiten zu regeln.

5. Die Vorlage über die Organisation der politischen Verwaltung erfüllt die vorstehenden Forderungen nicht."

Jedermann wird zugeben müssen, daß die Anschauungen von der Unannehmbarkeit sich auch auf jene Vorlage beziehen, die augenblicklich zur Verhandlung steht und die sich von den früheren nur durch ganz geringfügige Änderungen unterscheidet.

Ich bin sehr begierig, wie der Vorsitzende des Deutschen Juristentages, dessen ablehnende Stellungnahme mit seiner Eigenschaft als èechoslovakischer Justizminister und führendes Mitglied einer deutschen Regierungspartei, die auf die gegenwärtige Vorlage geradezu eingeschworen ist, vereinbaren wird. Auch die Prager Advokatenkammer hat schwerwiegende Bedenken gegen einige Bestimmungen der schon geänderten Vorlage erhoben. Der Berichterstatter hat ein Eingehen auf diese Beschwerde abgelehnt. Ich stelle die Frage, warum denn nicht die Angehörigen der deutschen Regierungsparteien, welche Mitglieder des verfassungsrechtlichen Ausschusses sind, sich zum Anwalt dieser begründeten Beschwerden gemacht haben?

Die deutschen Regierungsparteien müssen sich darüber klar werden, daß die Vorlage über die Verwaltungsreform die Probe aufs Exempel ist, wie ich in einem vor einiger Zeit erschienenen Aufsatz ausführte. Bei dieser Gelegenheit - und bei ihr besonders -- ist von ihnen der Beweis zu erbringen, daß sie tatsächlich Einfluß besitzen und in der Lage sind, durch zusetzen, daß das Sudetendeutschtum Gleicher unter Gleichen ist. Mit leeren Behauptungen von einer angeblichen Milderung des Kurses oder mit der lächerlichen Redensart, daß manches schlimmer ausgefallen wäre, wenn sie nicht dabei gewesen wären, dürfen sie der Bevölkerung auf die Dauer nicht kommen. Eine Zeitlang mag ja das ziehen, aber auf die Dauer jedoch darauf zu spekulieren, daß das Sudetendeutschtum genügend Dummköpfe besitzt, die derartige Lächerlichkeiten glauben, halte ich für aussichtslos. Sie haben den Sprung ins Dunkle gewagt, sie haben dem Staate mehr gegeben, als der ausgepichteste Èeche es in seinen kühnsten Träumen zu hoffen wagte. Sie haben deshalb - nicht morgen oder übermorgen sondern sofort - gelegentlich des völligen Staatsumbaues, wie er durch die gegenwärtige Vorlage durchgeführt wird, zu beweisen, daß ihr Schritt von Erfolg begleitet war, oder sie haben sie abzulehnen. Sonst fällt auf sie die ungeheuere Verantwortung, mit der Zukunft eines ganzen Volkes, mit der Zukunft ihres Volkes, leichtfertig gespielt, diese Zukunft um ein Linsengericht preisgegeben zu haben. Niemand hat den Anlaß und die Möglichkeit, Ihnen auch nur ein Teilchen dieser Verantwortung abzunehmen. Sie tragen sie ganz allein und mögen danach handeln! Für uns, die wir die Künder, eines kommenden Deutschland der Freiheit und sozialen Gerechtigkeit sind, ist die Einstellung zu diesen Vorlagen gegeben, umsomehr, als sie von unserer innerpolitischen Forderung nach nationaler Selbstverwaltung auf der Grundlage völkisch abgegrenzter Siedlungsgebiete und Schutz aller außerhalb dieser Siedlungsgebiete lebenden Volksgenossen auch nicht einen Hauch enthalten, weil sie weiters auch in freiheitlicher Beziehung, einen ausgesprechenen Rückschritt, einen Rückfall in die Zeit des Vormärz darstellen. Sie sind daher ein Hemmnis aller völkischen, freiheitlichen, kulturellen und sozialen Entwicklung und daher für uns unannehmbar!

Trotzdem stellt meine Partei einige Abänderungsträge, um ihre grundsätzliche Stellungnahme darzulegen. Wir gehören nicht zu den hoffnungslosen Optimisten, um anzunehmen, daß unsere Anträge etwa durchgehen werden. Aber unsere Haltung soll durch sie klargelegt und festgehalten werden, daß Deutsche angesichts einer Schicksalsfrage ihres Volkes versagt und ihr eigenes Volk förmlich dem Henker ausgeliefert haben. Unsere Abänderungsanträge haben die Beseitigung des Prügelpatentes und aller Vollmachten der Regierung, weiters die Wiederherstellung der durch die Vorlagen beseitigten lokalen Selbstverwaltung sowie die Beseitigung der Verschlechterung des Wahlrechtes zum Inhalt. Die wichtigsten dieser Anträge lauten:

Zum § 1, Abs. 1: (Návrh posl. inž. Junga a druhù, podaný k §u 1 osnovy tisk 1101, byl usnesením pøedsednictva posl. snìmovny ze dne 1. èervence 1927 podle §u 9, lit. m) jedn. øádu vylouèen z tìsnopisecké zprávy. Viz Tìsnopiseckou zprávu o 93. schùzi posl. snìmovny ze dne 1. èervence 1927, str. 2266.) Das entspricht unserer Anschauung von nationaler Selbstverwaltung.

Ein Eventualantrag verlangt die Trennung des vorgesehenen Landes Mähren-Schlesien wieder in die zwei Länder, wie sie heute bestehen: Mähren und Schlesien.

Die übrigen Anträge befassen sich, wie erwähnt, mit der Beseitigung aller bürokratischen Vorrechte und der Vollmacht, die man der Regierung erteilt.

Zum § 12, Abs. 2, der vom Recht der Regierung spricht, ein Drittel der Mitglieder der Landesvertretung und beim entsprechenden Paragraphen der Bezirksvertretung, zu ernennen, beantragen wir die Streichung und in einem Eventualantrage fordern wir eine schärfere Fassung der vom Ausschuß beschlossenen Bestimmung.

Zu § 17 verlangen wir, daß der Vorsitzende des Landesvertretung und sein Stellvertreter aus der Reihe der Mitglieder gewählt werden und daß der Stellvertreter den Reihen des zweitstärksten Volkes im Lande zu entnehmen ist. Einen ähnlichen Antrag stellen wir im Hinblick auf die Bezirksvertretungen. Zur Wahlordnung für die Landes und Bezirksvertretungen beantragen wir, das Wahlalter wiederum auf 21 Jahre festzusetzen. (Potlesk poslancù nìm. strany nár.-socialistické.).

2. Øeè posl. de Witte (viz str. 1941 tìsnopisecké zprávy):

Hohes Haus! Auf unseren Pulten liegt eine Gesetzesvorlage, äußerlich eine Druckschrift, wie jede andere auch, aber doch eine von ganz besonderer Art: Es ist ein Todesurteil, das wir unterschreiben sollen. Man mutet uns zu, das Volk, das uns hiehergeschickt hat, um seine Rechte zu vertreten, nun um die Rechte, die es längst errungen hat, zu betrügen. Wir sollen das Todesurteil der Selbstverwaltung aussprechen, unserem Volke den Strick um den Hals legen, den Weg zur nationalen Autonomie verrammeln, die Staatsbürokraten, die nichts anderes sind, als Werkzeuge der jeweils herrschenden Gewalt, sollen wir zu Herren über unsere Gemeinden und Bezirke machen, wir sollen die ohnedies kargen persönlichen Freiheiten der Staatsbürger auslöschen und das Prügelpatent aus der Zeit der finstersten habsburgischen Reaktion feierlich sanktionieren und es zum Wahrzeichen der angeblich freiheitlichen demokratischen Republik gestalten.

Die èechischen Parteien, die für diese Schandvorlage, genannt Verwaltungsreform stimmen, meucheln die Demokratie. Sie fälschen das Revolutionsprogramm des èechischen Volkes, sie steigen auf das Niveau vormärzlicher Reaktionäre hinab, sie beschmutzen die Geschichte des èechischen Volkes, eines Volkes, dessen Vergangenheit groß war, das in der Zeit seiner Unterdrückung vorbildliche Bürgertugenden zeigte, dessen Bürgertum man aber würde nach sagen müssen, daß es von seinen Freiheiten den denkbar schlechtesten Gebrauch zu machen verstand. Die èechischen Parteien, die sich dazu hergeben, für diese Verwaltungsreform zu stimmen, übertreffen die Volksunterdrücker von gestern an Brutalität und zeigen sich erbärmlicher als jene, die wenigstens niemandem vorzutäuschen versuchten, daß sie Demokraten wären, als sie den Untertanen der einstigen Herrschaft das Prügelpatent bescherten.

Aber die deutschen Parteien, die für diese Vorlage stimmen, tun noch ein ärgeres. Sie erniedrigen sich dazu, am eigenen Volk das Henkeramt zu vollziehen. Wir sind nicht verwôhnt in diesem Staate durch das, was wir von Seite der allnationalen Koalition erlebt haben. Wir haben Furchtbares ertragen müssen. Es ist uns ganz Erschreckliches geschehen. Aber was immer unternommen worden ist, wir haben diese deutschen Parteien draußen von Versammlung zu Versammlung ziehen sehen und sie immer wieder sagen hören: Das machen die Sozialdemokraten, die èechisch en Sozialdemokraten, wie z. B. die Bodenreform, die Schulsperren. Dies sagten sie, wohlwissend, daß die èechischen Sozialdemokraten nur ein kleiner Teil der Koalition gewesen sind; wohl wissend, daß die Sozialdemokraten versucht haben, das ärgste an nationalen Chauvinismus zu verhindern, haben die Deutschbürgerlichen dies zu dem Zwecke behauptet, um uns zu treffen, zu dem Zwecke, um gegen die Arbeiterschaft die Massen aufzupeitschen, haben diese Parteien für all das die èechischen Sozialdemokraten verantwortlich gemacht. Freilich, die allnationale Koalition war getragen von dem Aberglauben, daß es möglich sei, in der Verfechtung gemeinsamer nationaler Interessen eine Möglichkeit zu finden, die wirtschaftlichen Gegensätze zu überbrücken. Die allnationale Koalition ist heute abgetan, dieser Aberglaube ist abgetan, aber er ist teuer genug bezahlt. In der Republik des Jan Hus regiert heute der Pater Šrámek, èechische, slovakische und deutsche Bourgeois und Pfaffen sind zusammengeschlossen gegen die èechischen, magyarischen, deutschen und slovakischen Arbeiter in diesem Staate. Die Bourgeoisie ist konsolidiert, der Klerikalismus herrscht, die Völker sind unfrei, die Massen sind arbeitslos, sie hungern in diesem Staate, weite Flächen von Ackerboden und Wald sind vergeudet, die Schulen sind verdorben worden, nationaler Chauvinismus hat Zehntausenden Menschen das Brot genommen. Eine verschlechterte Auflage des alten Österreichs, das ist dieser Staat geworden, dessen Gründer, wie Seliger hier von diesem Platze treffend sagte, den Leichnam des alten Österreich mit sich geschleppt haben. Man hat uns seinerzeit versprochen, daß nichts von den Freiheiten uns genommen werden soll, die uns die Republik Österreich gegeben hat - man hat sie uns alle genommen. In diesem Staate herrscht keine Versammlungsfreiheit, die Polizei ist unser Vormund, in diesem Staate herrscht keine Preßfreiheit, die Polizeifaust spürt man an allen Ecken und Enden, in diesem Staate herrscht eine Zensur ganz und gar im Sinne Bertholds, des Mainzer Erzbischofs vom Jahre 1486, in diesem Staate sind die Menschen unfrei.

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