Meine Damen und Herren! Das uns vorliegende
Zigeunergesetz ist nicht nur ein Ausnahmsgesetz, sondern ist gleichzeitig
ein verfassungswidriges Gesetz. Nach dem Umsturz sind wir ohne
jedes Ausnahmsgesetz ausgekommen. Erst jetzt - und das ist ein
Zeichen des Wachsens der Reaktion schafft man Ausnahmsgesetze.
Das Zigeunergesetz ist ganz überflüssig, denn die Bestimmungen
des bürgerlichen Gesetzbuches und des Strafgesetzes genügen
vollkommen und geben so viel Möglichkeiten, Zuwiderhandelnde
zu erfassen und eventuell zu bestrafen.
Wenn ich das Gesetz als verfassungswidrig bezeichnet habe, so
will ich dies gleich beweisen. Im Artikel 106 der Verfassungsurkunde
heißt es, daß Vorrechte des Geschlechtes, der Geburt
und des Berufes nicht anerkannt werden, alle Einwohner der Èechoslovakischen
Republik genießen in gleicher Grenzen als Staatsbürger
dieser Republik auf ihrem Gebiete vollen und unbedingten Schutz
ihres Lebens, ihrer Freiheit, ohne Rücksicht darauf, welcher
Abstammung, Staatszugehörigkeit, Sprache, Rasse oder Religion
sie sind. (Posl. Hackenberg: Bezieht sich auch auf die Rasse!)
Ja, bezieht sich auch auf die Rasse, und deshalb will
ich auch auf § 128 verweisen, der von den Minderheitsvölkern
und Rassen spricht, wo es heißt: Alle Staatsbürger
der Èechoslovakischen Republik sind vor dem Gesetze vollständig
gleich und genießen gleiche bürgerliche
und politische Rechte ohne Rücksicht darauf, welcher Rasse,
Sprache oder Religion sie sind. Es ist also klar erwiesen, daß
dieses Gesetz verfassungswidrig ist. Aber wir sind es ja schon
von dieser Majorität gewöhnt, daß sie verfassungswidrige
Gesetze schafft. Erst in der letzten Zeit sahen wir, wie ohne
Achselzucken die verfassungswidrige Verwaltungsreform beschlossen
wurde, und nunmehr folgt dieses Zigeunergesetz.
Nach dem vorliegenden Gesetz werden alle Zigeuner
fast ohne Ausnahme als Hühnerdiebe stigmatisiert. Der Herr
Referent Viškovský erklärte, daß
dieses Gesetz deshalb geschaffen werden mußte, weil alle
Zigeuner - er hat also generalisiert - die Arbeit negieren, also
arbeitsscheu und faul sind. Wir wissen jedoch, daß dort,
wo die Bedingungen vorhanden sind, sich die Zigeuner akklimatisiert
haben, daß in der Slovakei ganze Gebiete von Zigeunern bewohnt
sind, und sie dort bürgerliche Berufe ergriffen haben. Man
kann natürlich nicht, so wie es der Herr Berichterstatter
getan hat, generalisieren und alle Zigeuner als verwahrloste,
arbeitsscheue Elemente hinstellen. (Posl. Hackenberg: Man soll
ihnen Gelegenheit zur Arbeit geben, ein Stückerl Boden, statt
im Bodenamt so zu wirtschaften, wie es geschehen ist!) Der
Boden wird natürlich nicht an Zigeuner zugeteilt,
sondern an èechische Agrarier, für die anderen bleibt
nichts übrig, für die anderen werden Ausnahmsgesetze,
werden verfassungswidrige Gesetze geschaffen. Wir lehnen selbstverständlich
dieses Gesetz ab, bemühen uns aber doch, durch Einbringung
von Abänderungsanträgen zumindestens die härtesten
Schärfen wegzunehmen.
Ich möchte nun einzelne Paragraphen dieses
Gesetzes vortragen, um Ihnen zu zeigen, wie unsozial, unmenschlich
und verfassungswidrig sie sind. Unter den § 1 fallen nicht
nur die Zigeuner, sondern auch die anderen nach Zigeunerart lebenden
Landstreicher, auch wenn sie während eines Teiles des Jahres
einen ständigen Wohnsitz hatten. Das Gesetz ist nicht nur
gegen die Zigeuner geschaffen, sondern ist auch ein arbeiterfeindliches
Gesetz. Nicht selten wird es vorkommen, daß Arbeiter, nach
Arbeit suchend, von Ort zu Ort ziehend erfaßt werden und
der Bestrafung zugeführt werden. Wir lehnen natürlich
den dehnbaren Begriff dieses Paragraphen ab und haben auch einen
Antrag auf Streichung eingebracht. (Výkøiky
posl. Hackenberga.)
Ganz verfassungswidrig ist auch der Absatz 3 des § 5 und der § 10, deren Streichung wir ebenfalls beantragen. Im Nomadisierschein kann im Interesse der öffentlichen Sicherheit auch die Richtung und Art des Weges vorgeschrieben werden. Es kann bestimmt werden, wo sich die betreffenden Zigeuner aufhalten dürfen. Hier wird ein staatsgrundgesetzlich gewährleistetes Recht durchbrochen. Auf Grund unseres Verfassungsgesetzes ist die Freizügigkeit gewahrt, alle Rassen und Völker sind gleichzuhalten, sie dürfen ihren Wohnsitz nach Belieben wählen. Nach diesem Gesetz ist das selbstverständlich verboten. Nach Abs. 4 liegt es im Ermessen der politischen Behörde. wenn und auf wie lange die Bewilligung zum Nomadisieren erteilt wird. Die Zigeuner sind der Willkür der Beamten, der Bürokratie preisgegeben. Wem der Nomadisierschein ausgestellt werden kann, darüber gar keine Bestimmung, auf wie lange er lauten kann, gar keine Bestimmung, welche Gebiete ihnen erschlossen werden, keine Bestimmung: alles liegt in dem Ermessen der Beamten der politischen Behörden. Wir verwahren uns dagegen, daß die Freizügigkeit, die jedem Menschen gewährleistet ist, durch die Bestimmungen dieses Gesetzes unterbunden wird. Einer der härtesten, unsozialsten und unmenschlichsten Paragraphen ist der § 12, dessen Gesamtstreichung wir beantragen. § 12 sagt klar und deutlich: Kinder unter 14 Jahren können den herumziehenden Zigeunern entzogen werden, wenn sie wegen ihrer herumziehenden Lebensart außerstande sind, für dieselben gebührend Sorge zu tragen. Dem Senat war die Bestimmung der Jahreszahl viel zu niedrig, und so wurde eine Änderung vorgenommen und die Jahreszahl von 14 auf 18 Jahre erhöht. Gleichzeitig sollen die Kinder bis zum 21. Lebensjahre in Anstaltspflege oder in private Pflege in Familien untergebracht bleiben. Der ursprüngliche Text lautete auf 16 Jahre. Sie werden mir nun vielleicht vorwerfen - mag sein, ich nehme den Vorwurf ganz gerne entgegen - daß ich mich hier rein von Gefühlsmomenten leiten lasse, wenn ich diesen Paragraphen als unmenschlich und unsozial bezeichne. Es sind furchtbare Härten, wenn Eltern von Kindern, Kinder von Eltern gewaltsam, gegen ihren Willen getrennt werden. Ich möchte einen der Initiatoren dieses Gesetzes fragen, was er dazu sagen würde, wenn man ihm sein Kind gewaltsam nehmen würde. Auch Zigeunermütter lieben ihre Kinder, mehr vielleicht, als diese Herren ahnen. Sie lieben ihre Kinder, weil sie ihr einziges Gut sind. Es ist dieser gewaltsame Raub mehr als eine Grausamkeit. Den Zigeunern steht überhaupt keine Berufung zu. Jeder Mörder hat das Recht, bei seiner Verurteilung eine Berufung einzubringen, den Zigeunern ist dieses Recht überhaupt nicht zugebilligt, ist ihnen versagt. Nicht nur von Gefühlsmomenten habe ich mich leiten lassen, wenn ich gegen diesen Paragraph sprach, sondern der klare, nüchterne Verstand sagte mir, daß der § 12 eine harte, unmenschliche Grausamkeit
ist. Auch Sie, meine Herren, müßten
sich gegen diese Unmenschlichkeit wehren. Aber, von Ihnen, meine
Herren, der bürgerlichen Majoritätsparteien, sind wir
schon gewohnt, daß Sie mit den Arbeitern nach Ihrem Belieben
umgehen, Sie kennen keine Humanität, Zigeuner scheinen bei
Ihnen keine Menschen zu sein! Die Herren Viškovský
und Schubert haben uns erzählt, das Gesetz ist ein
vom sozialen Geist und Humanität getragenes Gesetz, sie erklärten,
man wolle die Zigeunerkinder retten, ihnen Erziehung angedeihen
lassen, man wolle die Kinder auf den richtigen Lebenspfad bringen,
man wolle den Kindern eine sichere Zukunft gewährleisten.
Sie, meine Herren, die hier von Humanität und sozialen Gefühl
und Geist sprechen, Sie haben über haupt keine Ahnung, was
Humanität ist. Das haben Sie in diesem Hause nicht einmal,
das beweisen Sie täglich; denn ein unsoziales Gesetz jagt
das andere. Das Ihnen zu sagen, halte ich für meine Pflicht.
Diese Gesetzesvorlage ist der beste Beweis, wie unsozial Ihre
Handlungen nicht nur den Zigeunern gegenüber, sondern gegenüber
der gesamten arbeitenden Bevölkerung sind.
Nun zu der Aufnahme der Kinder in den Anstalten.
Es wurde hier gepriesen, sowohl vom Herrn Berichterstatter, als
auch von den Rednern der Majorität, daß es sehr gut
sei, daß man sich endlich mehr der Familienpflege als der
Anstaltspflege zuwende. Doch der Herr Koll. Schubert hat
aber gleich die Befürchtung ausgesprochen, daß sich
wohl wenige Familien finden werden, die Zigeunerkinder aufnehmen
werden, weil sie mit Recht fürchten müssen, daß
ihre eigenen Kinder dem schlechten Einflusse der Zigeunerkinder
unterliegen könnten. Es bleibt also natürlich nur der
Weg zu der Anstaltspflege. Nun wie sieht es da aus? Sie selbst
legen im Gesetze fest, daß der Staat verpflichtet sei, für
die Unterkunft der Kinder Sorge zu tragen. Wir können aber
nicht einmal alle hilfsbedürftigen Kinder in Anstalten unterbringen,
wo wollen Sie noch so viele Zigeunerkinder unterbringen? Sie schaffen
nur Gesetze, die gleichzeitig eine Augenauswischerei sind. Ich
erinnere bei dieser Gelegenheit, daß im Jahre 1921 hier
ein gutes Gesetz, das auch unsere Zustimmung gefunden hat, angenommen
wurde - das Gesetz zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten,
das ebenfalls einen Paragraphen hat, der besagt, daß die
Geschlechtskranken in Asylen, in Heimen und Anstalten unterzubringen
seien, für deren Errichtung in erster Linie die Regierung
Sorge zu tragen habe. Das Gesetz besteht schon seit dem Jahre
1921, bis zum heutigen Tage hat aber die Regierung noch nicht
eine einzige derartige Anstalt errichtet. Es konnten die gesetzlichen
Bestimmungen nicht eingehalten werden. Ja noch mehr, meine Damen
und Herren! Dort, wo Gemeinden und Bezirke oder gemeinnützige
Korporationen wie die Gesellschaft zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten
sich bereit erklären, derartige Heime zu errichten, dort
legt man ihnen seitens der Regierung unüberbrückbare
Hindernisse in den Weg. Die Gesellschaft zur Bekämpfung der
Geschlechtskrankheiten in Aussig bemüht sich seit Jahr und
Tag, ein derartiges Heim zu errichten. Interventionen wurden durchgeführt,
alle kompetenten Stellen von uns bereits aufgesucht, damit uns
Geld zur Verfügung gestellt werde, um dieses Heim errichten
zu können, das doch aufgrund des Gesetzes errichtet werden
sollte. Das Ministerium für Gesundheitswesen sagte: Wenn
das Finanzministerium eine Summe zur Verfügung stellt. Das
Finanzministerium erklärte: Wenn das Ministerium für
soziale Fürsorge eine Summe zur Verfügung stellt. So
lehnte einer nach dem andern ab, Geld zur Verfügung zu stellen,
und zum Schluß erklärten sie: Wenn die Gemeinden und
die betreffenden Bezirke Geld zur Verfügung stellen, wenn
der Bau finanziell gesichert sein werde, dann wollen auch wir
unser Schärflein beitragen. Das ist ein Beispiel für
viele, viele andere, das ich bei dieser Gelegenheit anführen
wollte.
Nun zur Anstaltspflege als solche, weil Sie
glauben, daß in der Anstaltspflege das Allheilmittel zu
suchen sei. Wir stehen der Anstaltspflege nicht ablehnend gegenüber,
aber natürlich muß die Unterbringung der Kinder individualisiert
werden. Es muß eine natürliche Unterscheidung nach
der Hilfsbedürftigkeit und Schutzbedürftigkeit der Kinder
vorgenommen werden. Aber was sehen wir in vielen unserer Anstalten?
Da sind schwer psychopathische Kinder mit Waisenkindern, körperlich
defekte mit geistig defekten Kindern beisammen. Ein Erziehungserfolg
ist überhaupt nicht möglich, weil keine Individualisierung
vorgenommen werden kann. Der Lehrer kann unmöglich den an
ihn gestellten Anforderungen gerecht werden. Die Landesjugendfürsorge
bemüht sich wohl, hier Wandel zu schaffen, aber auch ihr
sind die Hände gebunden. Die staatliche finanzielle Unterstützung
für die Jugendfürsorge ist sehr minimal. Die Subventionen
nehmen von Jahr zu Jahr ab und die Jugendfürsorge vermag
ihre Tätigkeit nur aufrechterhalten, wenn ihr durch Sammlungen
Gold zur Verfügung gestellt wird. Der Senator Dr Stolberg
und das darf hier unbedingt nicht unerwähnt bleiben - hat
im Senat zum Zigeunergesetz gesprochen und folgendes erklärt:
Ich erfülle im Namen der Organisationen eine Pflicht der
Dankbarkeit, wenn ich hervorhebe, daß das Ministerium für
soziale Fürsorge und das Ressort für Jugendfürsorge
den Jugendschutzorganisationen volles Verständnis und nach
Kräften auch Unterstützung angedeihen lassen. Ich vermag
hier nicht zu beurteilen, ob Sen. Stolberg beauftragt war,
dies im Namen der Jugendfürsorge auszusprechen. Nach dem
Bericht der "Deutschen Presse" sagte er klar und deutlich:
Im Namen dieser Organisationen. Falls er beau ftragt wäre,
so wäre das der reinste Widerspruch zu den Reden, die wir
von den Vertretern der Jugendfürsorge selbst vor ein paar
Wochen in Teplitz auf der Vertretungstagung gehört haben.
Dort wurde von den exponiertesten Vertretern der Landesfürsorge
bitter Klage darüber geführt, daß die Subventionen
überhaupt nicht oder nur zu sehr spärlich einlaufen,
daß sie wohl moralische Unterstützung erhalten, doch
das Wichtigste, die finanzielle Unterstützung, bleibe aus.
(Posl. Hackenberg: Darüber klagen sogar die Vertreter
des Ministeriums für soziale Fürsorge, daß sie
nicht die Möglichkeit dazu haben!) Ja, ihnen sind die
Hände gebunden, sie können unmöglich etwas machen,
aber der Herr Minister hat sich in der letzten Zeit vorbehalten,
jedes Subventionsgesuch zu prüfen, und es wird die Subvention
erst dann bewilligt, wenn Herr Pater Šrámek
die Zustimmung hiezu gibt. Vielleicht haben die Deutschen etwas
zuviel bekommen und nun haben sich die èechischen
Herren Minister das Recht herausgenommen, die Subventionsgesuche
selbst zu prüfen und die Subventionen nachzuprüfen.
Ich will, um den Wahrheitsbeweis zu erbringen, wie wenig Subventionen
gegeben werden. Ihnen nur noch folgende
Summen mitteilen: Im Jahre 1926 erhielt die deutsche Landeskommission
eine Gesamtsubvention von 175.975 Kè. (Posl.
Schweichhart: Böhmen?) Ja. Der Gesamtaufwand für
den Militarismus hat aber in derselben Zeit fast 2 Milliarden
Kè verschlungen. Für den Militarismus
fast doppelt soviel wie die Gesamtsumme für soziale Fürsorge
und die Gesundheit in diesem Staate ausmacht. Diese Gegenüberstellungen
sprechen eine deutliche Sprache und widerlegen so die Ausführungen
des Herrn Senators Stolberg Wenn ein Herr der christlichsozialen
Partei - verzeihen Sie, beinahe hätte ich einen unparlamentarischen
Ausdruck gebraucht - den Mut aufbringt - um mich ein wenig zu
dämpfen - Anerkennung und Dank der Regierung für die
finanzielle Unterstützung zu zollen, dann muß
ich hier von dieser Stelle aus aussprechen, daß das eine
Kriecherei vor den èechischen bürgerlichen Parteien
ist. (Rùzné výkøiky na levici.)
Vielleicht gibt es dafür eine andere
Belohnung, vielleicht ein paar Kohleneinfuhrscheine wieder mehr!
Die Jugendfürsorge selbst soll sich äußern. Ich
habe aber nur in den Intentionen dieser Korporationen gesprochen,
weil ich selbst ihre Beschwerden aus dem Munde der exponierten
Führer gehört habe.
Nun noch einmal ein paar Worte zu der Unterbringung
der Kinder in Anstalten. Es kann uns durchaus nicht genügen,
daß man die Kinder wahl- und planlos unterbringt, so wie
man es heute tut, vielleicht nur um sich das eigene Gewissen zu
beruhigen. Wir verlangen, daß die Kinder nach ihrer Eigenart
und Hilfsbedürftigkeit untergebracht werden. Wir verlangen
aber auch gleichzeitig, daß die Kinder in diesen Anstalten
nicht zu schwerer körperlicher Arbeit verwendet werden dürfen.
Leider ist es heute in manchen Anstalten so, daß sich die
Kinder dem geistigen Lehrstoff nicht voll und ganz widmen können,
weil sie vor und nach dem Schulunterricht schwere körperliche
Arbeit, und zwar zwecks der Erhaltung der Anstalt leisten müssen.
Daß der Unterrichtserfolg ausbleiben muß, wenn der
Körper ermüdet und der Geist dadurch nicht aufnahmsfähig
ist, ist nur selbstverständlich. Aber unmoralisch ist es
auch, wenn eine andere Kategorie von bedauernswerten, ja der bedauernswertesten
Geschöpfe für ihren Unterhalt, vielmehr für den
der Anstalt mit Sorge tragen muß. Ich denke z. B. an die
Blindenschule in Aussig. Nachdem die Erhaltung durch den Staat
viel zu wünschen übrig läßt, die Leitung
oft nicht weiß, wie sie die Mittel aufbringen soll, fahren
die Kinder oft in andere Städte - nicht um ihr Können
allein zu zeigen, sondern um Konzerte zu veranstalten, damit der
Ertrag aus diesen Konzerten mitverwendet werden kann zur Erhaltung
dieser sozialen Anstalt. Das ist unmoralisch, das ist doch alles
andere als human, und doch sprechen Sie hier soviel von Humanität
und sozialen Geist.
Zum Schlusse möchte ich sagen, daß
wir, nachdem wir die Spezialisierung der Anstalten verlangen,
eine zweite Forderung erheben: Moderne Anstalten, moderne Pädagogen,
aber nicht in der Art eines Herrn Schubert. Solche Prügelpädagogen
lehnen wir ab, aber sozialempfindende Leiter. Nachdem der Grundsatz
sich immer bewahrheitet hat, daß Vorbeugen billiger ist
als Heilen, wollen wir, daß die Kinder nicht erst untergebracht
werden, wenn sie verwahrlost sind, sondern sofort erfaßt
werden, sobald der Beginn der Verwahrlosung bemerkbar ist. Das
alles aber ist nur durchzuführen aufgrund eines großen
Programms, und hiezu ist eine Vorbedingung notwendig: Ein vom
sozialen Geiste getragenes modernes Jugendfürsorgegesetz
und im Zusammenhang damit ein modernes Jugendstrafrecht. Wir haben
diese Forderung bei jeder Budgetberatung aufgestellt, wir wiederholen
sie noch einmal in der Hoffnung, daß diese Vorlagen ehestens
dem Hause vorgelegt werden. Zum Zigeunergesetz erkläre ich
namens meiner Fraktion, daß wir gegen das Gesetz stimmen
werden. (Potlesk nìm. soc. demokratických
poslancù.)
Die Regierung legt dem Abgeordnetenhause drei
Gesetze vor, die sie mit den Erreignissen der letzten Zeit begründet.
Das Überhandnehmen der sogenannten Zigeunerplage, die nicht
nur in der Slovakei und Podkarpatská Rus, sondern in den
letzten Jahren auch in Mähren und Böhmen besonders größeren
Umfang angenommen hat, wird dazu benützt, um eine Sondergesetzgebung
aufzurichten, die unserer Meinung nach nicht nur im Widerspruch
zur Verfassung steht, sondern auch ein höchst gefährliches
Präjudiz für die Zukunft bedeutet. Der § 128 der
Staatsverfassung bestimmt ausdrücklich: "Alle Staatsbürger
der Èechoslovakischen Republik sind vor dem Gesetze
vollkommen gleich und genießen die gleichen bürgerlichen
und politischen Rechte ohne Rücksicht darauf, welcher Rasse,
Sprache oder Religion sie angehören". Aber auch der
§ 107 der Staatsverfassung verbietet eine
derartige Sondergesetzgebung; dort heißt es wörtlich:
"Die Freiheit der Person ist gewährleistet". Wenn
nun die Regierungsmehrheit sich über diese Bestimmungen der
Staatsverfassung hinwegsetzt, dann ist es ein gewöhnlicher
Verfassungsbruch. Aber in diesem Hause ist man gegen Verfassungsverletzungen
schon derart abgebrüht, daß es niemand wundernehmen
darf, wenn sich die Mehrheit auch diesmal bedenkenlos über
alle Einwendungen hinwegsetzen wird. Wir haben es ja vor wenigen
Tagen erlebt, daß sich die Mehrheit bei der Gesetzesvorlage
über die Verwaltungsreform über alle Einwendungen hinwegsetzte
und Bestimmungen in das Gesetz aufnahm, die tatsächlich verfassungswidrig
sind. Als Zigeuner haben sich in der ganzen Republik 8.446 zur
èechoslovakischen Staatszugehörigkeit
bekannt, die vorwiegend in der Slovakei und Podkarpatská
Rus leben; in Böhmen, Mähren und Schlesien wurden nur
61 Zigeuner gezählt. Dieses Verhältnis hat sich zweifellos
in den letzten 6 Jahren - es war die Volkszählung von 1921
- wesentlich verschoben, sicherlich sind viele hunderte
Zigeuner nach Böhmen, Mähren und Schlesien zugewandert.
Insgesamt leben hier neben den 8.446 Zigeunern der èechoslovakischen
Staatsangehörigkeit noch 282 ausländische Zigeuner.
Wir geben ohneweiters zu, daß sich das Zigeunerunwesen
zu einer Landplage in einzelnen Teilen dieses Staates herausgebildet
hat. Wir bestreiten aber, daß zur Bewältigung des Zigeunerunwesens
ein besonderes Gesetz nötig sei. Wir sind vielmehr der Ansicht,
daß die bestehenden gesetzlichen Bestimmungen vollkommen
genügen, um der vorkommenden Gesetzwidrigkeiten Herr zu werden.
Aber das vorliegende Gesetz beschränkt sich ja nicht nur
auf die sogenannten herumziehenden Zigeuner, sondern faßt
unter seine Strafbestimmungen auch den sehr dehnbaren Begriff
"ähnliche Landstreicher". Was kann man mit dieser
Subsummierung von Begriffen alles machen! Gegen jeden anständigen
Arbeiter, der durch Unglück oder Arbeitslosigkeit ins Elend
gekommen ist, kann dieses Gesetz in der schamlosesten Art und
Weise mißbraucht werden. Der § 1 bezeichnet als Zigeuner
nicht nur die von Ort zu Ort herumziehenden Zigeuner, sondern
ausdrücklich auch andere nach Zigeunerart lebende Landstreicher,
und zwar auch dann, wenn sie während eines Teiles des Jahres
einen ständigen Wohnsitz haben. Wer etwa ein Gewerbe im Umherziehen
ausübt oder durch Arbeitslosigkeit gezwungen ist, arbeitssuchend
im Lande zu wandern, kann ohne weiters unter die drakonischen
Bestimmungen des Zigeunergesetzes fallen. Er wird nicht nur eine
Zigeunerlegitimation aufgezwungen erhalten, von ihm werden wie
von einem Verbrecher Fingerabdrücke abgenommen, er wird so
stigmatisiert werden. Er kann zur Impfung, Desinfektion, Haarabschneidung
und Isolierung gezwungen werden, und man kann sich schon vorstellen,
in welcher Art und Weise derartig unerhörte Eingriffe in
das Privatleben einzelner Menschen mißbraucht werden können.
Aber daran nicht genug; die Zigeuner können
sogar ihrer Kinder beraubt werden, ein Eingriff in die Familie,
der so unerhört ist, daß dieses Gesetz gewiß
einzig dasteht in der Geschichte der modernen Gesetzgebung. Darüber
hinaus können nach § 13 bei Verurteilungen der betreffenden
Personen Fuhrwerke, Tiere, Waffen, Munition und Explosivstoffe
zu Gunsten des Staates für verfallen erklärt werden.
Es fehlt nur noch die Bestimmung, daß die Kinder meistbietend
verkauft werden können. Aber alle diese Bestimmungen genügen
der Regierungsmehrheit nicht, sie will im Kampfe mit den Zigeunern
noch schärfere Waffen, die wiederum überaus zweischneidig
sind und sich gegen ganz andere Bevölkerungsschichten richten
können, als vorgegeben ist. Der Gesetzentwurf, der mit Drucknummer
448, betreffend den Waffengebrauch der Gendarmerie und der Polizei,
dem Hause zur Beschlußfassung vorliegt, bestimmt wesentliche
Erleichterungen beim Gebrauch der Schußwaffe. Der Gendarm
kann danach von der Waffe schon Gebrauch machen, wenn er sich
im Falle der Notwehr zur Abwendung eines gewalttätigen Angriffes
befindet, und zwar auch dann, wenn er ihn nicht unmittelbar bedroht,
sondern wenn dadurch das Leben anderer Personen gefährdet
wird. Auch diese Bestimmung ist derart dehnbar gefaßt, daß
die schwersten Befürchtungen für die Zukunft am Platze
sind. Es ist klar, daß es sich hier um eine weitgehende
Erleichterung des Waffengebrauches handelt, deren Folgen nur allzubald
und in erschreckender Weise fühlbar sein werden. Der Gendarm
oder Polizist braucht sich nach Gesetzwerdung dieser Vorlage nicht
mehr zurückzuhalten. Er kann in demonstrierende Arbeitermassen
oder in Kundgebungen der Deutschen ruhig hineinschießen;
denn er wird immer den sogenannten Nachweis erbringen, daß
unmittelbar oder mittelbar das Leben anderer Personen - wie es
in der Vorlage so schön heißt bedroht war. Wer weiß,
wie leicht die Gewehrkugeln unserer Sicherheitswache und der Gendarmerie
seit dem Umsturze sitzen, wie viele Todesopfer bei den geringfügigsten
Anlässen gefordert worden sind, der wird erkennen, welche
ungeheure Gefahren eine weitere Erleichterung des Gebrauches der
Schußwaffe für die Bevölkerung bringen muß.
Wenn man im Zusammenhang mit den reaktionären
Tendenzen der Mehrheit diese Vorlagen übersieht, kann kann
man sich des Eindruckes nicht erwehren, daß es hier nur
scheinbar, und nicht allein gegen die Zigeuner geht, und daß
die ganze Härte der Vorlage sich gegen die Arbeitermassen
kehren und schließlich und endlich auch gegen die Minderheitsnationen
gerichtet ist. Wir warnen nicht nur die èechischen Mehrheitsparteien,
den Bogen zu überspannen, sondern rufen insbesondere den
deutschen Regierungsparteien ins Gewissen,
daß sie sich nicht zu Sondergesetzen, die noch dazu gegen
die Bestimmungen der Verfassung sind, mißbrauchen lassen
sollen. Heute geht es gegen die Zigeuner - scheinbar. Wer wird
uns aber davor schützen, daß es nicht mißbräuchlich
angewendet wird, daß es nicht gegen unsere Erzgebirgshausierer
mißbraucht wird, gegen unsere Arbeiter angewendet wird?
Wir deutschen Nationalsozialisten werden aus den angeführten
Gründen selbstverständlich gegen diese Vorlage stimmen.
(Potlesk poslancù nìm. strany nár.
socialistické.)
Hohes Haus! Ich habe bereits im Ausschusse
die Stellung der deutschen Nationalsozialisten zu dieser Gesetzesvorlage
eingehend dargelegt und darf mich mit Rücksicht darauf, daß
ja an der vom Ausschuß beschlossenen Gesetzesvorlage nichts
mehr geändert werden wird, auf folgende kurze Erklärung
meiner Partei beschränken:
Die Auflassung des vermessenstechnischen Kunses
an der altehrwürdigen Deutschen technischen Hochschule in
Prag, dieses krasse und schreiende Unrecht, das man heute zum
Gesetz erheben wird, bedeutet eine Katastrophe, deren Tragweite
unabsehbar ist. Es kann nicht eindringlich genug davor gewarnt
wer den, an der Schaffung dieses äußerst gefährlichen
Präzedenzfalles mitzuwirken.
Die deutschen Abgeordneten als Vertreter des
deutschen Volkes haben die heilige Pflicht, unsere Kulturgüter
unter allen Umständen zu schützen und zu erhalten. (Souhlas
na levici.) Wir deutschen Nationalsozialisten können
nie und nimmer zustimmen, daß unter dem nichtigen Vorwand,
den das Ministerium für Schulwesen und Volkskultur in seinem
Motivenbericht angibt, unsere Prager Deutsche technische Hochschule
in ihrem ererbten kulturellen Besitzstand dauernd auf das empfindlichste
geschädigt wird. In einer Zeit des technischen Fortschrittes
und der allgemeinen Aufwärtsentwicklung ist diese zielbewußte
einseitige Hemmung der deutschen Wissenschaft geradezu ein Verbrechen
an der Zukunft unseres Volkes. Es wird durch die Abschnürung
der vermessungstechnischen Abteilung die Grundlage für eine
gedeihliche wissenschaftliche Weiterentwicklung auf diesem Gebiete
geradezu unterbunden.