Hohes Haus! Das schwerste Gesetzeswerk, welches
das Parlament alljährlich zu erledigen hat, ist das Budget.
Schwer nach zwei Seiten hin. Es wiegt mehrere Kilogramm und es
wird nur wenige Abgeordnete geben, die sich der sauren Mühe
unterziehen, das gewaltige Zahlen- und Tabellenmaterial zu studieren.
Das merkt man ja den Budgetreden an. Jedes Budget teilt das Parlament
in zwei Gruppen. Die Opposition spricht um jeden Preis gegen das
Budget, weil sie eben in Opposition ist. (Výkøiky
na levici.) Die Regierungsparteien versuchen,
es um jeden Preis zu verteidigen, weil sie eben Regierungsparteien
sind. Unser gegenwärtiges Budget wird von den Regierungsparteien
als ein Erfolg verteidigt. Eines ist sicher: Unser Budget ist
aktiv. Es ist das erste aktive Budget seit Bestand dieses Staates.
(Hluk a výkøiky poslancù strany
komunistické a nìm. strany soc. demokratické.)
Ordnung machen im Haushalt, Ordnung machen
im demokratischen Staate, kann nicht Reaktion sein. Wer den demokratischen
Staat bejaht, wer die Demokratie verteidigt, muß mithelfen,
den Haushalt des demokratischen Staates in Ordnung zu bringen.
Wer den Haushalt des demokratischen Staates bedroht, ist also
ein Feind der Demokratie. (Hluk trvá. - Místopøedseda
Zierhut zvoní.)
Hinter den Zahlen, die dieser Staatshaushalt
beinhaltet, stecken gewaltige Lasten für die Bevölkerung.
Gleichviel ob in Stadt oder Land, all überall hören
wir, die Steuerlasten seien unerträglich. Diese Klagen sind
zweifellos berechtigt. Ich habe aber sehr oft den Eindruck, daß
die, die am meisten klagen, relativ am wenigsten bezahlen. Daß
die Steuerlasten in unserem Budget richtig verteilt sind, das
wage ich nicht zu behaupten. Aber der erste Schritt war ein Ordnung
machen. (Rùzné výkøiky na
levici.) Ich komme schon noch zu all dem,
was Sie da rufen, nur Geduld! (Posl. Heeger: Vorläufig
sind Sie ein bißchen entgleist!) Nur Geduld! (Posl.
Kaufmann: Sonst kriegen Sie eine Rüge vom Präsidium!)
Ich spreche hier im Namen einer Regierungspartei. Ich bin
beauftragt, zu dem Kapitel Sozialpolitik zu reden. Es gibt kein
Kapitel, das in- und außerhalb der gegenwärtigen Mehrheit
so heiß umstritten ist, wie das Kapitel Sozialpolitik. (Rùzné
výkøiky na levici.) Man kann
von Sozialpolitik reden und dabei Parteipolitik meinen. Man kann
aber auch über soziale Dinge etwas schweigsamer sein und
trotzdem mit der ganzen Kraft und gerade deshalb im innersten
Herzen ein wärmeres Gefühl für eine gesunde, wirkliche
Sozialpolitik besitzen. (Hluk na levici trvá. -
Rùzné výkøiky.) In
einer solchen Lage, wie ich sie mit dem letzten
Satze gezeichnet habe, befindet sich gegenwärtig die Partei,
in deren Namen zu sprechen ich die Ehre habe. (Smích
na levici. - Výkøiky: Ist diese Ehre
so groß?) Sagen Sie, was Sie wollen,
meine Herren von der Linken, es hat Augenblicke gegeben, in denen
Scheidemänner für Kriegskredite gestimmt haben, und
es hat Augenblicke gegeben, in denen Habrmänner einen Militarismus
aufgebaut haben, den zu zerstören Sie heute als ihre vornehmste
Aufgabe angeben. Die Habrmänner und Scheidemänner (Výkøiky
posl. Heegera.) sind aber meines Erachtens
trotzdem Ehrenmänner geblieben, denn die Kunst der Politik
besteht nicht allein im Aufstellen von Programmen, sondern in
der Erreichung des jeweils Möglichen. Das gilt von der Kunst
der sozialistischen Politik, wie auch von der Weisheit der christlichsozialen
Politik. Hier, meine Herren, müssen wir uns auf einer gewissen
gemeinsamen Linie finden. (Rüzné výkøiky
na levici. - Hluk trvá.)
Es gibt keinen, der mit dem jeweiligen Budget
zufrieden ist. Es gibt auch keinen Lohn- und Gehaltsempfänger,
der mit dem gegenwärtigen Budget zufrieden ist. Dabei gestatte
ich mir die Frage: Waren die Lohn- und Gehaltsempfänger mit
den früheren Staatsvoranschlägen zufrieden, für
die Sie, meine Herren von der Opposition, zum größten
Teil mitgestimmt haben, zufrieden im Innersten? Ebenso wie die
Arbeitnehmer in der Koalition ein ganzes Bündel von Bedenken
gegen das Budget haben, ebenso hatten sie in allen früheren
Koalitionen gegen den Voranschlag ihre Bedenken. Es hat nur manchmal
an der notwendigen Aufrichtigkeit gefehlt, diese Bedenken offen
und ehrlich zu sagen. Sie haben bei ihren Budgetreden sehr oft
für die Wähler geredet und nicht zur Regierung und zum
Parlament.
Die soziale Seite des gegenwärtigen Budgets
möchte ich mit zwei Schlagworten kennzeichnen. Wenn auch
jedes Parlament sich in Regierungsparteien und Oppositionsparteien
trennt, so bleibt doch das Parlament selber ein ganzes. Es hat
gemeinsame Aufgaben, die auch dann ein gemeinsames Ganzes bleiben,
wenn die Wege der parlamentarischen Parteien scheinbar auseinandergehen.
Mir scheint es, daß dies noch niemals so zutage getreten
ist, wie im jetzigen Parlament beim vorliegenden Budget. Mir scheint
es, als ob diese Wahrheit nirgends so wahr wäre wie beim
Kapitel soziale Fürsorge. (Rùzné
výkøiky na levici.) Zwei
Schlagworte, sagte ich, sagen dies. Das eine richtet sich an die
Regierung, das andere an die Opposition. Ich spreche im Namen
einer Regierungspartei. Trotzdem gestatte ich mir zu sagen: Das
aufliegende Budget entspricht nicht den Erwartungen, den Gefühlen
und Grundsätzen der sozialen Gerechtigkeit. (Rùzné
výkøiky, hluk na levici.) Gerechtigkeit,
das heißt: Sich nicht begnügen, selbst an der Tafel
des Lebens zu sitzen, sondern sich bewußt bleiben und danach
handeln, daß Hunderttausende, ja Millionen von Staatsbürgern,
die nicht bevorzugt sind, Licht und Luft, Sonne und Wärme,
Entwicklung und Entfaltung gleich der eigenen Seele und dem täglichen
Brote brauchen, das gleiche Recht auf alle diese Dinge haben.
Meine Herren, diese Gerechtigkeit für die Lohn- und Gehaltsempfänger,
für jene, die von der Mutter Natur nicht mit Schätzen
ausgestattet sind, kommt in diesem Budget noch nicht voll und
ganz zum Ausdruck. Der demokratische Staat kann nur einen Sinn
haben, daß er diese Gerechtigkeit verwirklicht. Konkret
gesprochen, meine Herren, fehlt diesem Budget das, worauf die
Altpensionisten berechtigten Anspruch haben, es fehlt diesem Budget
das, was den Sozialminister in die Lage versetzt, das Schicksal
der Arbeitslosen zu erleichtern, den berechtigten Wünschen
der Pensionsversicherten entgegenzukommen, die Bergwerksbruderladen
zu sanieren usw. An die über 60 Jahre alten Personen denkt
dieses Budget ebenfalls nicht. Dieses Budget ist nicht schlechter
als sein Vorgänger, aber es entspricht noch nicht den Forderungen
der sozialen Gerechtigkeit. (Rùzné výkøiky,
hluk na levici.) Meine Herren, der Unterschied
in den Auseinandersetzungen über Sozialpolitik zwischen Ihnen
und mir besteht darin, daß wir Sozialfürsorge meinen,
wie man es spricht und Sie das Wort umgekehrt lesen. (Posl.
Heger: Jetzt bin ich gescheit!) Es heißt, wie Sie es
lesen: Sorge für alle Sozi! (Rùzné
výkøiky na levici.)
Einmal, meine Herren, erfordert jedes Budget
bis zu einem gewissen Grade soziales Vertrauen auch von der Opposition.
Die Opposition nennt die jetzige Regierung sozialreaktionär.
Der Begriff "Reaktion" ist bei weitem noch nicht geklärt.
Es mag sein, daß andere Regierungen mehr sozialpolitische
Gesetze geschaffen haben als die jetzige. Es mag sein, daß
hinter diesem Budget eine Regierung steht, die aus Kreisen zusammengesetzt
ist, wo nicht alle das für notwendig halten, was für
die Lohn- und Gehaltsempfänger als sozial notwendig empfunden
wird. Deshalb würde es Ihnen, meine Herren. aber nicht gelingen
zu beweisen, daß hinter dieser Regierung nicht auch Gruppen
stehen, die sozialpolitisch bis zu einem gewissen Grade das gleiche
anstreben, was ein Teil der Opposition wünscht. Auch der
Teil der nichtsozialistischen Lohn- und Gehaltsempfänger
der sich zu den Regierungsparteien rechnet hat Anspruch auf dieses
Vertrauen und verdient es. Auch wenn Sie sagen, daß erst
ein Beweis erbracht werden müsse, daß dieses Vertrauen
auch ein verdientes ist, dann erinnere ich, meine Herren, an die
beschlossene Steuerreform, die bei ihren tausend Schattenseiten
zumindestens ebenso sozial ist, wie alle Steuergesetze, die die
heutige Opposition früher mit schaffen half. Der Herr Abg.
Bechynì hat in seiner
Rede zum Budget gefordert, daß die heutige Regierung und
ihre Mehrheit nicht den letzten Faden zerschneiden solle, der
sie mit der Opposition verbindet. Ich stimme mit diesem Gedanken
des Herrn Abg. Bechynì
vollkommen überein. (Rùzné výkøiky
na levici.) Wenn der Herr Abg. Bechynì
bei dieser Gelegenheit konkret auf die vorgelegte Sozialversicherungsnovelle
hingewiesen hat, dann darf ich wohl erklären, daß das
letzte Wort über die Novellierung der Sozialversicherung
noch nicht gesprochen ist. Ich darf bei dem Gedanken des sozialen
Ausgleichs wohl um eines bitten: Im Kampfe um die Erhaltung und
Verbesserung der Sozialversicherung vergessen wir nicht das Kräfteverhältnis
im Staate und im Parlamente, vergessen wir nicht die Beschaffenheit
und die Verhältnisse der einzelnen Landschaften, die zu diesem
Staate gehören und lassen wir es endgültig bleiben,
parteipolitische Ziele damit zu verquicken. Unserer Partei wurde
von der Opposition und von Freunden in der Regierung die bisherige
Zurückhaltung gegenüber der Öffentlichkeit in puncto
Sozialversicherung angerechnet. Ich habe hier offen zu erklären,
daß diese Zurückhaltung auf keinerlei Hintergedanken
beruht, daß wir, u. zw. unter allen Zugehörigen unserer
Partei, die den verschiedensten Ständen und Klassen angehören,
uns auf folgende Grundsätze geeinigt haben, die wir auch
in der Regierung verteidigen werden: 1. An den Grundsätzen
der Sozialversicherung darf nichts geändert werden; 2. dort,
wo Mängel nachgewiesen werden, sind wir bereit, an der Verbesserung
mitzuarbeiten. (Výkøiky na levici.) Wenn
das Thema Sozialversicherung meritorisch zur Debatte stehen wird,
dann werden wir an dieser Stelle klar zu erklären haben,
was wir unter dem ersten und zweiten Punkt verstehen, was wir
damit meinen. Wir glauben nicht daran, daß die Interessen
der Versicherten in einem Widerspruche stehen mit dem, was die
Wirtschaft puncto Sozialversicherung zu leisten in der Lage ist.
(Výkøiky na levici.) Wir
wissen, daß die Sozialpolitik ihre Grenzen hat. Wir wissen
aber auch, daß sie zunächst und zuerst dazu da ist,
um den schwächeren Staatsbürger zu schützen. Bei
l Verwirklichung dieses Zieles wird unsere Partei sich in der
gegenwärtigen Koalition als ein Anwalt der schwächeren
Staatsbürger fühlen. (Smích na levici.) Sie
hofft und vertraut, daß es ihr die übrigen Koalitionsparteien
ermöglichen, innerhalb dieser Koalition diesen Teil unseres
volksparteilichen Programmes zu verwirklichen. Uns ist es klar,
daß mit Fürsorgegesetzen die sozialpolitische Tätigkeit
keineswegs erschöpft ist.
Die wirtschaftliche und die kulturelle Entwicklung
stellt uns auch auf dem Gebiete der Sozialpolitik vor immer neue
Aufgaben. Vor wenigen Tagen erst wurde der große Lohnstreit
der nordböhmischen Textilarbeiter beigelegt. (Výkøiky
na levici.) Daß dieser Kampf der
65.000 Textilarbeiter von Nordböhmen ohne größere
Erschütterungen für unsere Volkswirtschaft zu Ende geführt
werden konnte, ist einzig und allein der kaltblütigen, zielbewußten
Führung und den stärkeren Nerven der koalierten Gewerkschaftsverbände
zu danken. (Hluk na levici.) Wir freuen uns, daß
an diesem Erfolge der Verband christlicher Arbeiter und Arbeiterinnen
aus der Textil-, Putz- und Bekleidungsindustrie seinen vollen
Anteil hat. Was aber ist die Lehre daraus? Ohne diese äußerst
maßvolle Taktik der koalierten Gewerkschaftsverbände
hätte dieser Lohnkampf wieder zu einer jener Machtproben
werden müssen, die wir in den letzten Jahren nur allzuhäufig
erleben mußten und deren Ergebnis fast regelmäßig
das war, daß der errungene finanzielle Erfolg nicht im entferntesten
im Einklang stand mit den Opfern an verlorenen Arbeitsstunden
und verminderter Produktion. Daß die Folgen solcher Lohnkämpfe
immer eine schwere Erschütterung unserer Wirtschaft bedeuten,
die letzten Endes immer die Allgemeinheit zu tragen hat, bedarf
wohl keines weiteren Beweises. Hier harrt ein neues Problem seiner
Lösung. Die sich immer stärker fühlbar machende
Abhängigkeit der Wirtschaft Europas von der Finanzmacht
Amerikas einerseits und die Tatsache andererseits, daß die
èechoslovakische Industrie noch immer um die durch die
unglückselige Wirtschaftspolitik der ersten Nachkriegsjahre
verloren gegangenen Absatzgebiete hart ringen muß, zwingt
unsere Industrie zu den größten Anstrengungen, um durch
eine durchgreifende Rationalisierung die Konkurrenzfähigkeit
auf dem Weltmarkte zu gewinnen.
Gewiß, diese Rationalisierungsbestrebungen
müssen im Interesse des Bestandes und der weiteren gesunden
Entwicklung unserer Volkswirtschaft gefördert werden. Verhindert
werden muß jedoch, daß die Folgen der Rationalisierung
wieder die Massen der Lohn- und Gehaltsempfänger allein zu
tragen haben. Die Rentabilität der Betriebe durch möglichste
Niedrighaltung der Löhne herbeiführen zu wollen, ist,
abgesehen davon, daß nach unseren Grundsätzen die Vorenthaltung
des verdienten Lohnes, also des gerechten Anteiles am Ertrage
der Wirtschaft, ein zum Himmel schreiendes Unrecht ist, auch vom
Standpunkte des Volkswirtschaftlers die allerverkehrteste und
ungeeignetste Maßnahme. Die Möglichkeit einer Steigerung
der Produktion hat einen aufnahmsfähigen Inlandsmarkt vor
allem zur Voraussetzung. Diese Voraussetzung ist nicht gegeben,
wenn dem größten Teile der Inlandskäufer infolge
des zu geringen Anteiles am Wirtschaftsertrage in Form niedrigster
Löhne und Gehälter die Möglichkeit zur Befriedigung
der notwendigsten Bedürfnisse genommen wird. Hier ist die
Staatsgewalt durch entsprechende sozialpolitische gesetzliche
Maßnahmen zum Eingreifen verpflichtet. Das besiegte Deutschland,
dessen Wirtschaft unter der Last der Reparationsverpflichtungen
seufzt, kann uns hier als Beispiel gelten. Als vor wenigen Monaten
die sächsische Textilarbeiterschaft sich vergeblich bemühte,
eine Lohnerhöhung im Verhandlungswege durchzusetzen, griffen
die staatlichen Einigungs- und Schlichtungsämter ein und
fällten auf Grund der Ergebnisse ihrer Prüfung den Schiedsspruch,
daß die sächsische Textilindustrie eine Erhöhung
der Löhne um 11% ertragen kann. Das bedeutet eine ungefähr
durchschnittliche Erhöhung der Stundenlöhne um 1 Kè.
Die nordböhmischen Textilarbeiter haben nach langwierigsten
Verhandlungen und teilweiser Arbeitsniederlegung eine Erhöhung
ihrer Löhne um wenige Heller erreicht. Und doch ersehen wir
aus den schon frisierten und verschleierten Bilanzen unserer Aktiengesellschaften,
daß die Unternehmergewinne ganz bedeutende Erhöhungen
der Gehälter und Löhne vertragen könnten, wenn
nur diejenigen allein, welche arbeitsloses Einkommen darstellen,
das nach unseren christlichen Sittenbegriffen keine Existenzberechtigung
hat, in Lohnerhöhungen umgewandelt würden.
Damit komme ich zum zweiten Teil des sozialen
Vertrauens, von dem ich sprach. Unsere Partei wünscht, daß
auch die mächtigeren und stärkeren Gruppen und Klassen
der Staatsbürger nicht das soziale Vertrauen mißachten.
Für diese Teile bedeutet soziales Vertrauen nichts anderes
als Glauben, daß der Wille zum Guten und die Erkenntnis
des Rechten auch bei den großen Massen der Hunderttausende
vorhanden sind, deren Einzeldasein nicht in den Himmel empor strebt,
sondern bescheiden, niedrig und in seiner Vielheit verborgen unten
am Boden bleibt und doch seine Frucht tragen will. Meine
Herren! Welche Hoffnung können wir für die Zukunft für
diesen Staat und seine Völker haben, ohne einen solchen
Glauben, ohne ein solches soziales Vertrauen an den inneren Wert
unserer gesamten Staatsbürgerschaft? Arbeiten wir gemeinsam,
jeder an seinem Platz, ob Oppositions- oder Regierungspartei,
an dem Zustandekommen eines solchen sozialen Vertrauens. Die Vorbedingung
für dieses soziale Vertrauen ist die soziale Gerechtigkeit.
Nehmen Sie von unserer Partei das unbedingte Versprechen entgegen,
daß sie mit allen ihr zur Verfügung stehenden Kräften
im Rahmen des Möglichen für die soziale Gerechtigkeit
eintreten wird. Nehme aber auch die andere Seite dieses Hauses
den dringen den Appell zur Kenntnis. unsere Partei im Kampfe um
die Verwirklichung der sozialen Gerechtigkeit zu unterstützen
(Výkøiky na levici.) und
damit die Bahn frei zu machen für das soziale Vertrauen,
das neben dem nationalen Frieden dringendste Lebensnotwendigkeit
dieses Staates ist.
Es ist heute nicht meine Aufgabe, zu tief in
die Einzelheiten dieser wirtschaftlichen Entwicklungen einzudringen.
Aber schon aus den wenigen Hinweisen darauf, wie ich sie gegeben
habe, ist für den Sozialpolitiker die Menge der neuen Aufgaben
ersichtlich. Die Schaffung von Einigungs- und Schlichtungsämtern,
eines Kartellgesetzes, eines Gesetzes zum Schutze der Kollektivverträge,
eines Gesetzes zwecks Einschränkung der Frauen- und Kinderarbeit,
das sind sozialpolitische Notwendigkeiten, denen sich keine Regierung
verschließen kann, der es mit der Arbeit an der Konsolidierung
der Staatsverhältnisse ernst ist.
In allen diesen Fragen sichern wir der Regierung
unsere Mitarbeit zu; wir sind überzeugt davon, daß
wir durch solche Arbeit am besten nach unserem Programme als Volkspartei
unserem Volke und dem Allgemeinwohl dienen.
Meine Herren! Wenn wir für dieses Budget
stimmen, dann verraten wir kein Geheimnis (Výkøiky
na levici.), wenn wir hier sagen, daß
es in dem Budget noch Posten gibt, die uns durchaus nicht gefallen.
(Hluk na levici.)
Wir sind für den Schutz des Staates. Wir
gewähren ihm die Mittel, die er dafür braucht. Wir haben
aber die Überzeugung, daß es nicht immer die rechten
Mittel sind, die der Staat zu seinem Schutze bereit hält.
(Výkøiky na levici.) Den
Frieden nach außen und innen bietet mehr als ein hoher und
überspannter Militarismus die soziale Befriedigung, das soziale
Vertrauen aller Staatsbürger. Auch im Interesse des Schutzes
dieses Staates, an dem wir eben nun einmal als Regierungspartei
mitzuwirken haben. müssen wir die Forderung nach sozialer
Gerechtigkeit und sozialem Vertrauen an die Spitze unserer Forderungen
stellen.
Meine Herren! Das vorliegende Budget macht
ziffernmäßig Ordnung. Die Zahlen stimmen. Jetzt gilt
es noch Ordnung zu machen bei der Verteilung dieser Zahlen bezw.
bei der Verteilung der Lasten, die sich aus diesen Zahlen ergeben.
Dadurch. daß unsere Partei durch ihre Stimme für dieses
Budget mit Ordnung schaffen half, glaubt sie, die Bahn frei gemacht
zu haben für eine Verteilung der Lasten in allen kommenden
Budgets, glaubt sie die Bahn freigemacht zu haben für die
soziale Gerechtigkeit und das soziale Vertrauen. (Souhlas
a potlesk poslancù nìm. strany køes.
sociální.)
Hohes Haus! Es ist bezeichnend, daß
der Herr Unterrichtsminister in seinem Exposée auf die
Notwendigkeit wesentlicher Ersparnisse in der Schulverwaltung
hingewiesen hat. Er hat damit bewiesen, daß ihm das
Verständnis für das kulturelle Wohl unserer Jugend und
das Verständnis für den kulturellen Aufbau eines Staatswesens
fehlt. Unser größtes Kulturgut, die deutsche
Schule, ist dadurch noch mehr bedroht. Noch immer schauen wir
auf einen Trümmerhaufen der Kultur und trotzdem Deutsche
in der Regierung sitzen, wird das deutsche Schulwesen weiter gedrosselt,
èechische Minderheitsschulen
für 4, 5 und 6 Kinder errichtet. Ich verweise unter anderem
auf die Errichtung der èechischen Schulen in den Orten
Liboch in Schlesien, in Jeschowitz, in Heinrichsdorf und anderen
Orten mehr. In letzter Gemeinde wohnen 99%
Deutsche. Oft sind jene Kinder,
für welche eine èechische Schule errichtet wird, Kinder
deutscher Eltern, deren Väter infolge ihrer abhängigen
Stellung entweder beim Land, oder Staat, Post, Eisenbahn u. s.
w. aus Angst, ihre Stellung zu verlieren, oder schikaniert zu
werden, sich verpflichtet fühlen,
ihre Kinder in èechische Schulen zu schicken. Das Statistische
Amt weist nach, daß im Schuljahre 1925/26 2228 Kinder deutscher
Nationalität èechische Bürgerschulen
und 4.652 èechische Volksschulen
besuchten. Allerdings will ich meine erste Meinung nicht
generalisieren, daß deutsche Kinder immer nur aus Zwangsgründen
in èechische Schulen geschickt werden. So weist das staatliche
Statistische Amt in einer fast 300 Seiten umfassenden Arbeit weiter
nach, daß in Prag 30 deutsche Bürgerschüler
und 38 deutsche Volksschüler nicht die deutsche. sondern
die èechische Bürger-, bzw. Volksschule im Jahre 1926
besuchten. Nachdem es in Prag nur 296 deutsche Bürgerschüler
gab, so ergibt sich, daß mehr als 10%
der deutschen Bürgerschüler èechische
Schulen besuchten. Umgekehrt besuchten
0.058% èechischer Kinder deutsche
Lehranstalten. Insgesamt besuchen in der Èechoslovakei,
ohne Karpathorußland, 9.253
deutsche Kinder èechische Schulen. Es ergibt sich nach
den Gesamtzahlen, daß fast dreimal soviel deutsche Kinder
èechische Schulen besuchen, als èechische Kinder
deutsche Schulen. Ich möchte, um Mißverständnissen
vorzubeugen, erklären, daß wir selbstverständlich
gegen die Erlernung der èechischen Sprache nichts einzuwenden
haben, im Gegenteil, wir wünschen
dies, aber wir wenden uns sicher mit Recht dagegen, daß
deutsche Eltern ihre Kinder in èechische Schulen geben
und so nicht allein den èechischen Machthabern die Möglichkeit
bieten, das deutsche Schulwesen, mit Rücksicht auf die Verminderung
der Schülerzahl weiter zu drosseln, sondern
es wird auch der Unterrichtserfolg der Kinder dadurch, daß
sie dem Unterrichte nicht so folgen können, wie es notwendig
wäre, herabgemindert. Das deutsche Kind gehört in die
deutsche Schule, wie jedes anders sprechende Kind in jene
Schule gehört, in der der Unterricht in seiner Muttersprache
erteilt wird. Die Errichtung von èechischen Schulen für
3 bis 4 Kinder bedeutet ein Vorrecht für die èechische
Nation und zeigt die nationale Herrschsucht. Jedes Vorrecht ist
aber Unrecht. Unrecht lehnen wir nicht
nur ab, sondern bekämpfen es. Man wird wohl einwenden, daß
auch èechische Klassen gesperrt wurden, doch sind dies
nur demonstrative Reduzierungen und das èechische Volk
hat keine Ursache, über Drosselung seines Schulwesens Klage
zu führen. Die sogenannte Teilnahme an der Macht der deutschen
Regierungsparteien, der Zöllner, der Kongruisten und ihres
Anhängsels, der Gewerbeparteiler, vermochten den ungerechten
Schuldrosselungen nicht Einhalt zu tun. Daß bis zum heutigen
Tage über 4.000 deutsche Schulklassen gesperrt wurden, bedeutet
einen Kulturskandal. Die Schuldrosselungen führen nicht nur
zur Erschwerung des Unterrichtes der deutschen Schulkinder, sondern
sie nähren und stärken die nationalen Leidenschaften.
Die deutschen Aktivisten erzählen und schreiben, daß
die Eröffnung neuer deutscher Schulklassen ein Erfolg ihrer
Regierungsanteilnahme sei. wissen aber ganz genau. daß auch
ohne ihre Regierungsanteilnahme diese Klassen hätten eröffnet
werden müssen, weil die Bestimmung des kleinen Schulgesetzes
über die Reduzierung der Minimalzahl der Kinder in einer
Klasse von 80 Kindern auf 70 Kinder in Kraft trat.
Herr Koll. Lukavský hat heute
über die Schulautonomie gesprochen und erklärt. daß
bei den deutschen Sozialdemokraten der Nationalismus über
den Sozialismus gesiegt hat und gleichzeitig betont, daß
die Nationaldemokratie auf ihrem ablehnenden Standpunkt gegenüber
der nationalen Autonomie beharre. Es fällt mir nicht ein,
mit dem Herrn Abg. Lukavský zu polemisieren, denn
er ist sicher nicht der Mann, der das Recht hat, über die
nationale Autonomie zu reden. Er sieht die Autonomie, wie es bei
seiner Einstellung nicht anders möglich ist, mit der nationalen
Brille an. Ich erkläre, daß die Forderung nach Einführung
der nationalen Autonomie schon eine alte Forderung der
Sozialdemokratie sei und nicht etwa erst nach Schaffung der Èechoslovakischen
Republik, wo die Deutschen eine Minorität wurden, aufgestellt
wurde, sondern schon im alten Österreich, also wo die Deutschen
die Majorität hatten, gefordert wurde.
Ich brauche nicht zu betonen, daß die
Autonomie für die Deutschen in diesem Staate eine Lebensnotwendigkeit
ist. Seinerzeit erklärten die deutschen Aktivisten, es gebe
keinen Eintritt in die Regierung, bevor die furchtbaren Schäden,
die an der deutschen Schule begangen wurden, gutgemacht seien,
und wir dachten, der Herr Minister Spina werde an seinem
Autonomieantrage festhalten. Doch allzu bald ließ Herr Minister
Spina seinen Antrag im Stich. Herr Minister Hodža
wollte bereits am 1. Juli die Regelung der Schulautonomie einführen,
später verschob er sie für den Monat Oktober und jetzt
erfahren wir auf Grund einer Interpellationsbeantwortung, die
Durchführung werde demnächst erfolgen. Der Herr Minister
verspricht seit seinem Amtsantritt die Autonomie.
Die aktivistischen Parteien geben sich mit
diesem Versprechen zufrieden und nach der Absage, vielmehr nach
der moralischen Ohrfeige, die sie vom Herrn Minister Hodža
anläßlich der Vorsprache bei ihm, die sie im Auftrage
des parlamentarischen Schulausschusses durchführten, erhalten
haben, schweigen sie, ja, sie scheinen die Ohrfeige sehr schnell
überwunden zu haben. Doch einmal wurde das Problem Autonomie
in den Vordergrund der parlamentarischen Erörterungen gerückt.
Vor der Annahme der Verwaltungsreform mußte vorgegaukelt
werden - nicht den Regierungsparteien, sondern ihren Wählern
- daß sie für die Annahme der Verwaltungsreform eine
wichtige nationale Konzession erhalten. Diese unbestimmten Angaben
verpflichten zu nichts und sie beruhigen doch die rebellierenden
Wähler. Die Gemeindewahlen haben aber erwiesen, daß
die vernünftigen Elemente diese Täuschungsmanöver
und Beschwichtigungskünste durchblickt haben, und sie kehrten
zum großen Teile den aktivistischen Parteien den Rücken.
In Zukunft dürften wohl derartige Bewilligungspillen gar
keine Wirkung erzielen und die Wähler werden sich davon überzeugen,
daß die Agrarier, Klerikalen und Gewerbeparteiler nur sehr
wenig Interesse an der Erhaltung und an dem Ausbau des höchsten
Volksgutes, der deutschen Schule haben, vielmehr die Schule als
ein Schacherobjekt betrachten. Für zwei Ministerröcke
gaben sie das deutsche Schulwesen preis.
Die bürgerlichen Zöllner, an der
Spitze die Klerikalen, richten neue Angriffe gegen die Schule
und wollen die Schule an den Katecheten ausliefern. Ihr Ziel ist
die Verpfaffung der Schule. Mit Recht kann man nun sagen, das
Volk Hussens steht am Grabe seiner Hoffnungen und schaut mit Schrecken,
wie die Klerikalen, unterstützt vom jetzigen Unterrichtsminister,
einen wohl durchdachten Feldzug gegen die Schule eröffnen
und sich wie immer als die Förderer der Reaktion und Feinde
jeglichen Fortschrittes entpuppen. Sie gehen planmäßig
und zielbewußt an ihr Werk. So haben die èechischen
Klerikalen, sicher im Einvernehmen mit den deutschen
Klerikalen, ein Schulprogramm ausgearbeitet, dessen wichtigste
Punkte Folgendes erhalten: 1. Verbot des Vortrages irgendeiner
antichristlichen Anschauung im Unterricht und dementsprechende
Kontrolle der Lehrer, d. h. also mit anderen Worten die Rückführung
der Schule auf den Stand der Konkordatszeit. 2. Revision der Schulbücher
und Ausmerzung aller Stellen, die mit dem katholischen Bewußtsein
nicht im Einklang steh en. Wir fragen, wie soll dann der Geschichts-
und insbesondere der Naturgeschichtsunterricht gelehrt werden?
3. Wiedereinführung des zwangsweisen Religionsunterrichtes
an allen Mittelschulen und Beseitigung des Paragraphen, der den
Eltern die Abmeldung der Schüler vom Religionsunterrichte
gestattet. 4. Zusammensetzung der Bezirksschulräte nach dem
Stande der Wahlen vom Jahre 1925. Wir fragen: Warum nicht nach
denen vom Jahre 1927? 5. Zwangsweise religiöse Übungen,
aber keinen Zwang zur Teilnahme der Schulkinder an den Husfeiern.
6. Schaffung eigener katholischer Schulen, da die Staatsschulen
hussitisch sind. Und das ist ein Minimalprogramm der Klerikalen,
das man in der allernächsten Zeit, weil man angeblich dem
Drucke der Wähler nicht mehr widerstehen kann, auf das politische
Forum zur meritorischen Verhandlung bringen wird!