Støeda 25. ledna 1928

Pøíloha k tìsnopisecké zprávì

o 124. schùzi poslanecké snìmovny Národního shromáždìní

republiky Èeskoslovenské

v Praze ve støedu dne 25. ledna 1928.

1. Øeè posl. Knirsche (viz str. 9 tìsnopisecké zprávy):

Meine Damen und Herren! Auf der Tagesordnung steht nur der mit dem kleinen Örtchen St. Gotthard zusammenhängende Waffenschmuggel. Es gehört auf dieselbe jedoch unseres Erachtens auch die Waffensendung der Èechoslovakei nach China. (Souhlas poslancù nìm. strany nár. socialistické.) Über erstere hat gestern hier in Form einer feierlichen Regierungserklärung der Stellvertreter des Ministerpräsidenten gesprochen, über letztere der Kriegsminister im Wehrausschuß. Die Stellungnahme der Regierung zu diesen beiden Waffenlieferungsaffären, und der èechischen Redner, soweit solche bisher in die Wechselrede eingegriffen haben, zeigen die ganze innere Unwahrhaftigkeit der èechischen Politik auf und setzen die dauernd beunruhigenden Verhältnisse in Europa in ein helles Licht. Ist es im Grunde genommen nicht ein und dasselbe, ob irgend eine italienische Firma Waffen an eine europäische Kundschaft, um bei den Worten des Herrn Kriegsministers zu bleiben, liefert, oder ob dies eine èechoslovakische Firma an eine chinesische tut? (Posl. Krebs: Vielleicht hätte sie auch Herrn Horthy Waffen geliefert!) Sehr richtig. Nicht die Modalitäten der Lieferung, sondern deren Zweckbestimmung ist doch entscheidend. Waffenlieferungen bedeuten Rüstung und Rüstungen führen bekanntlich immer zum Krieg. Das ist so in Europa und auch in Asien drüben. Es ist eine sehr merkwürdige Moral, dem einen Gewehre zum Kriegführen zu liefern und dies in vollster Ordnung zu finden, den andern aber auf die Anklagebank zu setzen, weil er sich auch Gewehre kauft. Zur Heuchelei wird aber diese Moral, wenn man im Völkerbund sitzt, dort ständig von Abrüstung redet, eine führende Stellung in der Abrüstungskommission des Völkerbundes einnimmt, sich selbst bis an die Zähne bewaffnet, durch Waffenlieferungen an Kriegführende den Krieg schürt und nun im Namen des heiligen Friedens eine große diplomatische Kampagne wegen einiger Waggons Waffen einleitet, die angeblich an Ungarn geliefert worden sein sollen. (So ist es!) Womit rechtfertigt die Regierung diese ihre Waffenlieferung? Der Herr Kriegsminister hat im Wehrausschuß von den Waffenlieferungen an China gesprochen und sie damit gerechtfertigt, daß in Brünn eine große Waffenfabrik errichtet wurde, an der auch der èechische Staat mit Kapital beteiligt sei. Diese Waffenfabrik wurde, wie der Herr Kriegsminister sagt, auf kommerzieller Grundlage aufgebaut und sie ist daher darauf angewiesen, zu verdienen. Da aber der èechoslovakische Staat die große Fabrik nicht dauernd beschäftigen kann, so sei es selbstverständlich, daß man sich Kundschaften anderwärts, in diesem Falle im Ausland, sucht. (Posl. Krebs: Das ist förmlich eine Offerte an die Ungarn. sich in Brünn Waffen zu besorgen!) Das Geschäft sei ein vollständig legales, denn, sagt der Herr Kriegsminister, die Èechoslovakei ist in keiner Hinsicht durch die Friedensverträge oder andere internationale Abkommen daran gehindert, Waffen oder Munition zu erzeugen und an wen immer zu liefern. Hätte daher die Èechoslovakei nicht das Geschäft mit China gemacht, so wäre dies für den Staat ein wirtschaftlicher und sozialer Nachteil gewesen und irgend ein anderer Staat oder eine andere Firma hätte diese Lieferung übernommen. (Výkøiky na levici.) So der Herr Minister! Nun wirft sich da doch zunächst die Frage auf, warum die Èechoslovakei eine über ihre eigenen Bedürfnisse weit hinausreichende Waffenfabrik errichtet hat. Sie hat sie zweifellos schon im Hinblicke auf eine allfällige Mobilisierung errichtet, um im gegebenen Augenblicke auf der vollen Höhe (Posl. Krebs: Des Bedarfes!) des Kriegsbedarfes zu sein. Aber das gibt doch dem Staate, der, wie ich schon sagte, im Völkerbund sitzt, dessen Außenminister in der Abrüstungskommission eine so große Rolle spielt, schon vom moralischen Standpunkt aus kein Recht, Waffen und Rüstungen für andere kriegführende oder kriegführen wollende Staaten oder Gruppen zu liefern. Wir meinen, es gäbe genug Möglichkeiten, sich auf andere Produktionszweige zu verlegen als auf Gewehre, Kanonen und Munition. Der Kernpunkt der Darlegungen des Herrn Ministers Udržal liegt aber in seinem Hinweis darauf, daß die Èechei durch keinerlei Verträge gebunden oder verhindert sei, Waffen oder Munition an wen immer zu liefern und solche zu erzeugen. Man könnte demgegenüber nichts einwenden, wenn gleiches Recht für alle gälte. Aber der Herr Stellvertreter des Ministerpräsidenten hat ja gestern ausgeführt, daß Ungarn kein Recht habe, Waffen einzuführen, denn die Friedensverträge untersagen dies dem ungarischen Staat, Ungarn stehe unter der Kontrolle des Völkerbundes, dürfe daher keinerlei Waffen oder Munition einführen. In dieser Ungleichheit liegt die Ursache aller Konflikte, aller europäischen Beunruhigungen. (Souhlas na levici.) Die Friedensdiktate haben in Europa unmögliche staatliche und wirtschaftliche Zustände geschaffen und die Völker in freie und hörige eingeteilt. Die Hörigen sollen dauernd machtlos und wehrlos bleiben, aber sie rütteln ständig an ihren Ketten und suchen selbstverständlich die Knechtschaft abzuschütteln. Zu diesen Hörigen gehört auch Ungarn, und wenn die geschmuggelten Waffen wirklich für Ungarn bestimmt waren - vorläufig wird das nur von den Èechen behauptet - so ist die Sendung wohl nicht den legalen Weg gegangen, aber moralisch ist sie genau so zu bewerten, wie die èechoslovakische Waffensendung nach China. (So ist es!) Herr Dr. Kramáø hat gestern von dieser Stelle aus auch seinen Standpunkt zu dieser Waffensendung dargelegt und es für gut befunden, darauf hinzuweisen, daß am heutigen Tage in Prag die Abrüstungskommission des Völkerbundes zusammentritt, welchen Umstand er begrüßte. Er meinte, daß sich die Kommission hier werde überzeugen können, wie sehr kompromittierend es für den Völkerbund sei, wenn er nicht mit voller Autorität in Hinkunft die geheimen Waffensendungen unterbinde. Auch wir begrüßen es, daß die Abrüstungskommission des Völkerbundes in den Mauern von Prag weilt. Sie hat hier wirklich Gelegenheit, in ein den Frieden bedrohendes Rüstungsarsenal zu blicken, und sie wird bei unvoreingenommener Beurteilung der Lage feststellen können, daß die wahnwitzigen Rüstungen hierzulande und unsere exportierende Waffenindustrie für den Völkerbund viel kompromittierender sind als der Waffenschmuggel von St. Gotthard.

Dr. Kramáø hat gestern an dieser Stelle aus einem Großmachtsgefühl und Selbstbewußtsein heraus gesprochen und wiederum versucht, der Welt vorzumachen, wie gut es den Deutschen in diesem Staate geht und wie gerecht es die Entente bei Abschluß der Friedensverträge mit dem deutschen Volke meinte. Er verwies darauf, daß im Gegensatz zu einstmals heute unsere Volksgenossen in der Slovakei unten ihre Schule haben, während sie früher unterdrückt wurden, er verwies weiter darauf, daß es doch ein Zeichen des Rechtlichkeitsgefühles gewesen sei, daß man mit Abschluß der Friedensverträge einige Zehntausende deutscher Volksgenossen des heutigen Burgenlandes vor der vollständigen Magyarisierung gerettet hat. (Výkøiky na levici.) Dieser Hinweis auf Gerechtigkeit zeugt von einem ganz merkwürdigen Gerechtigkeitsgefühl. Was Herr Dr. Kramáø hier als nationale Gerechtigkeit hinstellt, ist doch nichts anderes, als eine Politik, die darauf hinausläuft, zu teilen und zu herrschen (Souhlas na levici.) und das Deutschtum zum Zankapfel zwischen den Nationen zu machen.

Das deutsche Schulwesen in der Slovakei unten wurde - das ist richtig - im Gegensatz zur früheren Zeit, da es unter magyarischer Herrschaft stand, wirklich wieder der eigenen Bestimmung durch unsere Volksgenossen zurückgegeben. Aber man hat es bei Gott nicht getan, um dort das Deutschtum zu stärken, seine Entwicklung für dauernde Zeit zu sichern, sondern um dort das deutsche Element gegen das Magyarentum auszuspielen und der Welt zu zeigen, wie sehr dieser Staat bestrebt ist, den kulturellen Bedürfnissen der Deutschen Rechnung zu tragen. (Výkøiky na levici.) Aber zu derselben Zeit, da man in der Slovakei die eine oder die andere Schule eröffnete, oder wieder den deutschen Sprachunterricht einführte, hat man in kulturell so hoch entwickelten Landen, wie es die Sudetenländer sind, Tausende Schulklassen gesperrt und unser Schulwesen um Jahrzehnte zurückgeworfen. Aus diesem Gegensatze sieht man klar, zu welchen politischen Zwecken auch hier die sogenannte Kulturpolitik in der Slovakei mißbraucht wurde. Es ist weiters doch jedem der in der Politik nur einigermaßen Bescheid weiß, klar, daß die Zuteilung eines Teiles des heutigen Burgenlandes an Deutschösterreich doch nicht die Ursache etwa darin hatte, daß man dem Selbstbestimmungsrecht der Völker Rechnung tragen wollte, sondern man hat es von Ungarn losgetrennt und an Österreich angeschlossen, um einen dauernden Zankapfel zwischen Deutschösterreich und Ungarn zu schaffen. (Výkøiky na levici.)

Zu derselben Zeit, da man uns Sudetendeutschen, die wir uns nach dem Zusammenbruch kraft des gewährleisteten Selbstbestimmungsrechtes der Völker souverän erklärten, darangingen, unsere eigene Landesverwaltung einzurichten, da wir kraft freien Entschlusses uns an unsere Volksgenossen in Deutschösterreich anschlossen, zu derselben Zeit, da man mit brutaler militärischer Macht diese unsere Willensmeinung unterdrückte und erstickte, machte man der Welt den Schein der Gerechtigkeit vor (Posl. Krebs: Den Schwindel!), den Schwindel, einen Streifen deutschen Landes an das kleine Deutschösterreich anzugliedern. Damit Deutschösterreich aber ja nicht leben und wieder aufsteigen kann, verhindert man gleichzeitig den von allen gewollten Anschluß an das Deutsche Reich und man verwehrt diesen heute noch. Das ist die Politik der nationalen Gerechtigkeit, von der von dieser Stelle gestern Dr. Kramáø sprach, aufzufassen und auszulegen, der Gerechtigkeitssinn, von dem Dr. Kramáø sprach, ist in Wirklichkeit nur das raffinierte politische Bestreben, die Deutschen als Zankapfel zwischen die Völker zu werfen und Unfrieden in die Welt zu tragen. Denn wäre es anders, müßte man vor allem daran gehen, in diesem Staate andere Verhältnisse und Zustände zu schaffen. Daß die Zustände hier in nationaler Hinsicht nicht gerecht sind, davon scheint auch der letzte Redner von èechischer Seite gestern doch bereits durchdrungen zu sein oder eine Ahnung zu haben, der Herr Abgeordnete Dr. Mièura, der gestern im Namen der èechischen Volkspartei erklärte, daß die èechische Volkspartei bestrebt sein werde, und zwar vom Standpunkt der christlichen Gerechtigkeit aus, den Minderheiten in diesem Staate alle Rechte zuzugestehen, die ihnen nach menschlichem Rechte zukommen. (Výkøiky na levici.) Mit dieser Erklärung gab er zu, daß in diesem Staate bisher die Minderheiten noch nicht einmal die bescheidenen menschlichen Minderheitsrechte zugestanden bekamen. Was wir bisher hier an nationaler Gerechtigkeit zu spüren bekamen, war alles andere als - das wird wohl auch ein Christlicher bestätigen christliche und menschliche Gerechtigkeit. Wir sind aber keine Minderheit, wir sind hier ein geschlossenes Volk auf eigenem Boden, das ein Recht hat auf Eigenleben (Souhlas na levici.) und wir fordern hier daher auch nicht etwa nur Gerechtigkeit im Sinne der Minderheitsbestimmungen der Friedensverträge, sondern fordern volle nationale Gleichberechtigung, wie sie einem freien selbständigen Volke zukommt. (Potlesk na leviei.) Damit schließe ich. Wir werden die Erklärung des Herrn Ministers nicht zur Kenntnis nehmen. (Potlesk poslancù nìm. strany nár. socialistické.)

2. Øeè posl. inž. Kalliny (viz str. 13 tìsnopisecké zprávy):

Meine Damen und Herren! Die gestern von dieser Stelle abgegebene Regierungserklärung beleuchtet blitzartig die naturnotwendigen Auswirkungen der Friedensdiktate, mit welchen trotz aller Lehren der Weltgeschichte die Sieger und Mitsieger des Jahres 1918 glaubten, Europa einen dauernden Unrechtfrieden aufzwingen zu können. Es ist für jeden geschichtlich gebildeten Menschen eine Binsenweisheit, daß Völker nach einem solchen schweren blutigen Krieg - der auch nach seinem Abschlusse durch die furchtbaren Wirkungen der aller Menschlichkeit hohnsprechenden Hungerblokade fortgesetzt wurde - zwar gezwungen werden können, ein Friedensdiktat zu unterschreiben, aber es ist auch selbstverständlich, daß innerlich gesunde Völker bestrebt sind - wollen sie nicht Selbstmord begehen - an den aufgelegten Sklavenketten zu rütteln und kein Mittel unversucht zu lassen, diesem Zustande der mit allem Raffinement ausgedachten modernen Sklaverei sobald als möglich ein Ende zu bereiten.

Wie die sittlich hochstehenden, ihrer Menschheitsverantwortung sich bewußten Männer aller Kulturnationen heute schon über diese Schandfriedensverträge denken, ist nur allzu bekannt und ich will daher auf die Wiedergabe einzelner Zitate verzichten und mich mit den Auswirkungen dieser, die betroffenen Völker an ihrem Lebensnerv bedrohenden, fälschlicherweise als Friedensverträge bezeichneten, Diktate beschäftigen. An die Spitze meiner Betrachtungen will ich die Tatsache setzen, daß in dem neuen demokratischen Friedenszeitalter schon das Abrollen eines Eisenbahnzuges mit 5 Waggons zerlegten Maschinengewehren genügt um die Welt oder zumindest die Kleine Ententewelt in Aufregung und Schrecken zu versetzen. Daß Dr. Beneš als der geistige Urheber, als der geistige Vater dieses Staatenkomplexes augenblicklich schwerste Zeiten durchlebt, ist doch nur die Frucht der bösen Tat, die auf ihm lastet. Noch vor zwanzig Jahren konnten ganze Eisenbahnzüge schwer beladen mit Munition und Waffen durch die Welt kreuzen, Grenzen kreuzen, ohne daß man darin eine Bedrohung des Weltfriedens erblickt hätte. Dies allein ist meines Erachtens schon ein Beweis dafür, daß sich die Zustände in dieser Richtung in der Nachkriegszeit bedeutend verschlechtert haben und daß in der Zwischenzeit Maßnahmen gesetzt wurden, die an dieser, den wahren Weltfrieden bedrohenden Entwicklung in erster Linie die Schuld tragen müssen. Meines Erachtens ist es unser aller Pflicht, ist es die sittliche Pflicht eines jeden wahren Friedensfreundes, ist es die Pflicht eines jeden, der an der Menschlichkeit nicht verzweifeln will, der sich seiner Verantwortung bewußt ist der neue blutige Kriege verhindern will, die, Schuld jener aufzuzeigen, die an der Entwicklung dieser Zustände in erster Linie ausschlaggebend mitgewirkt haben. Hiezu ist es aber meines Erachtens notwendig, das Übel schon an der Wurzel zu fassen und nicht an Stelle einer befreienden Tat sich mit billigem pazifistischen Phrasengewäsch zu begnügen. Die Verurteilung des Krieges ist an sich eine schöne Sache, wirklich verhindern kann man Kriege auf Erden nur, wenn man nach den Ursachen forscht, die zu neuen kriegerischen Entwicklungen führen, und auch den Mut besitzt, nach Möglichkeit mit friedlichen Mitteln diese Ursachen zu beheben. Von diesem einzig richtigen Standpunkt beurteilt, muß schon der einleitende Satz der hier abgegebenen Regierungserklärung: "Die Regierung ist sich bewußt, daß die Einhaltung der Friedensverträge und die richtige Erfüllung aller Verpflichtungen, welche die einzelnen Staaten durch die Verträge übernommen haben, Grundlage des guten Verhältnisses zwischen den Staaten und Voraussetzung des Friedens ist" mit aller Entschiedenheit zurückgewiesen werden, da es sich bei diesen sogenannten Friedensverträgen nicht um den freien Entschluß zweier Vertragspartner handelt, sondern um ein einseitiges Vernichtungsdiktat, zu dessen Anerkennung der zweite Teil nur durch Drohungen schwerster Art - wie es im vorliegenden Falle der Fall war, durch eine Hungerblokadedrohung - einfach gezwungen wurde.

Selbst aus den Reihen der damaligen Diktatoren sind heute schon Männer wie Lloyd George aufgetreten, die eine Revision dieser von den Betroffenen unerfüllbaren Friedensbestimmungen fordern, in der realen Erkenntnis, daß ein starres Festhalten an den einzelnen Bestimmungen naturnotwendig zu einer Katastrophe führen müsse. Lloyd George erklärte wörtlich, daß die Ursachen neuer Kriegsgefahren in Europa in den Grenzkonflikten liegen, die entstanden sind, weil man im Jahre 1919 die Friedensverträge geschaffen hat, als man durch den langen Krieg erbittert war, und den Verbündeten damals unzureichende und unpraktische Informationen - man denke doch nur an den verlogenen Inhalt des berüchtigten Mémoire IIl - zur Verfügung standen. Lloyd George erklärte weiters, daß die Grenzfragen in Europa nur auf friedlichem Wege durch den Völkerbund und auch dann erst nach einer Abrüstung der europäischen Mächte gelöst werden können. Ich verweise ferner darauf, daß die Mantelnote Clémenceaus vom 16. Juni 1919 zum Vertrage von Versailles ausdrücklich eine Revisionsmöglichkeit verspricht und erkläre, daß der Völkerbund seine Aufgabe verfehlt, wenn er es ablehnt, diesen Weg zu beschreiten. Diese Erkenntnis bricht sich also überall Bahn. Sie ist eine Frucht des begangenen schweren Verrates an den 14 Punkten Wilsons, der den aufhorchenden, nach einem wahren Völkerfrieden lechzenden Völkern einen Frieden zu bringen versprach auf der Grundlage der unbeeinflußten Ausübung des Selbstbestimmungsrechtes der Völker, daß also jedes Volk selbst zu entscheiden hat, wohin es gehören und wie es regiert werden wolle.

Gegen diese Erkenntnis, gegen das weitere Umsichgreifen dieser Erkenntnis stemmen sich nur die Kriegsgewinnler unter den Völkern, die die heiligen Friedensgrundsätze verletzend, an Stelle von Gerechtigkeit ein Gewaltsystem aufgerichtet haben, wie es die Welt vorher kaum gekannt hat. Für sie ist auch der Völkerbund nur ein Mittel zum Zweck für die Aufrechterhaltung der Friedensbestimmungen um jeden Preis, da sie wissen, daß in dem Augenblicke, wo an die Stelle des Zwangsdiktates wahre Gerechtigkeit treten würde, sie gezwungen wären, auf ihre Eroberungen zum größten Teil zu verzichten, Eroberungen, die sie im Kampfe der Lüge und der Verdrehung der Tatsachen gegen die Wahrheit, vor einem unterrichteten Forum im Jahre 1919 errungen haben. Diesem Siege der Lüge und der Gewalt gegen Wahrheit und Gerechtigkeit sind allein in Mitteleuropa 40 Millionen Menschen unterlegen, die heute gegen ihren laut und feierlich verkündeten Willen, losgerissen von ihrem angestammten Volkstum, fremder Knechtschaft unterworfen sind.

Der ehemalige italienische Ministerpräsident Nitti spricht in einem seiner Werke von den sechs neugeschaffenen Elsaß-Lothringen und sieht in ihnen die schwerste Bedrohung des Weltfriedens. Wer also wirklich für die Erhaltung des Weltfriedens arbeiten will, muß diesen Tatsachen auf den Grund gehen und sich von dem Bestreben leiten lassen, die schwere Versündigung an diesen 40 Millionen solbad als möglich wieder gutzumachen. Nur dann, wenn der Völkerbund in dieser Richtung - Abänderung unhaltbar gewordener, den Weltfrieden bedrohender Bestimmungen - seine Tätigkeit entfalten wird, ist zu erhoffen, daß seine Gründung als Heil für die Menschheit und sein Wirken als segensreich in der Weltgeschichte verzeichnet werden kann. Die bisherige Tätigkeit des Völkerbundes stimmt uns aber durchaus nicht hoffnungsvoll. Entgegen den heiligen Idealen, auf Grund welcher er in die Welt gesetzt wurde, hat er trotz seines neunjährigen Bestandes keinen wirklichen Schritt in der vorgezeichneten Richtung getan, ja im Gegenteil, wir mußten bis heute in ihm nur ein Machtinstrument zur Aufrechterhaltung dieser Gewaltfriedensverträge erblicken und seit dem Eintritt Deutschlands feststellen, daß er in erster Linie bestrebt ist, der Lösung aller bedeutsamen Fragen auszuweichen um ein gerechtes Eingreifen Deutschlands im Völkerbundrate von vornherein unmöglich zu machen.

Eine der wichtigsten Fragen, mit der sich der Völkerbund kraft seiner Satzungen zu beschäftigen hätte und hat, ist bekanntlich die Abrüstungsfrage, als allgemein anerkannte Voraussetzung für einen wahren Völkerfrieden. Lloyd George hat, wie bereits vorhin erwähnt, als Vorbedingung für eine durchgreifende Revision, der auf die Dauer unhaltbaren Bestimmungen der sogenannten Friedensverträge vor allem die Abrüstung der noch nicht abgerüsteten Staaten bezeichnet. Wir wissen, daß die ständige Bedrohung der Welt und des Weltfriedens verursacht wird durch die politische Haltung Frankreichs und der von ihm geführten Vasallenstaaten. Wir wissen, daß die Abrüstung Deutschlands und der Mittelmächte restlos vollzogen ist, wir wissen aber auch, daß es eine Vertragspflicht der anderen Vertragspartner war und ist, nunmehr selbst abzurüsten. Statt einer einsetzenden Abrüstung in diesen Staaten konnten wir aber nur ein allgemeines Wettrüsten feststellen. Zur Irreführung der pazifistischen Kreise setzt man zwar die Sitzungen der Völkerbundsabrüstungskommission, die bekanntlich unter dem Vorsitz des èechoslovakischen Außenministers Dr Beneš tagt, noch immer unentwegt fort, beschäftigt sich mit den verschiedensten Vorfragen, die zu lösen sind, um nur nicht zu einer Abrüstung der FeindStaaten zu gelangen. Man versteht es die Sache immer wieder so zu formulieren, daß immer unerfüllbarere Vorbedingungen gestellt werden, so daß man trotz angeblich besten Willens zu einer wirklichen Abrüstung nicht kommen kann. Ich verweise darauf, daß vor allem erklärt wird, daß augenblicklich eine Abrüstung der ehemaligen Feindbundstaaten deshalb nicht möglich ist, weil es an gemeinsamen Vergleichsunterlagen mangle, um den derzeitigen Stand der Rüstungen in den einzelnen Staaten feststellen zu können. Zu Beginn des Vorjahres ist eine eigene Sitzung nach Paris einberufen worden, beschickt von den Vertretern von 27 Mächten, die sich der Aufgabe zu unterziehen hatten, ein Einheitsschema für die Militärsbudgets auszuarbeiten. Dr Beneš hat in seinem eigenen Staat dafür Sorge getragen, daß dieses Einheitsschema für die Militärbudgets schon Monate vorher in Kraft getreten ist. Erinnern Sie sich doch - es war in dem Zeitpunkt, wo man es plötzlich für notwendig gefunden hat, im èechoslovakischen Staatsvoranschlag Schiebungen vorzunehmen, indem man Posten, die früher im Militärbudget zu finden waren, plötzlich im Budget des Ministeriums für soziale Fürsorge und des Arbeitsministeriums vorfand, oder in andere Ministerien verschob, um so zu einer klareren "Einsicht" und "Durchsicht" des Militärbudgets zu gelangen. Sie erinnern sich an jenes Gesetz, ich glaube vom 16. oder 17. Dezember 1926, wo außerdem beschlossen wurde, daß beim Militärbudget in Zukunft die Höchstgrenze von 1400 Millionen nicht überschritten werden dürfe, wobei gleichzeitig die Bestimmung aufgenommen wurde, daß ein militärischer, zwar nicht geheimer, sondern nur für die Umwelt geheimer Militärausrüstungsfond ins Leben gerufen wird, der jährlich mit 350 Millionen Kronen gespeist wird. Das alles waren Maßnahmen, scheinbar vielleicht auch gegen den Widerstand des Herrn Dr Beneš. Ich bin darüber nicht unterrichtet und es ist auch keiner der Herren Minister anwesend, um uns darüber Aufklärung zu geben. Es dürfte hier wahrscheinlich die böse Absicht der anderen gesiegt haben über den guten Willen des Herrn Dr Beneš, endlich zu einem klaren durchsichtigen Einheitsschema für das Militärbudget zu gelangen. Tatsache ist, daß der èechische Staat alle Vorsorgen getroffen hat, um die Umwelt vor eine fertige Tatsache zu stellen, das heißt zu düpieren, indem seine Vertreter nunmehr mit einem Militärbudget bei den einzelnen Sicherheitskommissionen herumreisen, das in Wirklichkeit dem tatsächlichen Aufwand für die militärischen Angelegenheiten im èechischen Staate nicht entspricht, denn wie auf Grund des letzt vorgelegten Staatsvoranschlages nachzuweisen ist, betragen die Ausgaben nicht 1400 Millionen Kronen, sondern in Wirklichkeit 2.1 Milliarden. Wir sehen also, daß rund 700 Millionen Kronen, verteilt auf andere Kapitel des Staatsvornaschlages untergebracht wurden, um dem allgemeinen Wunsche nach einer durchsichtigen, allen Staaten gemeinsamen Unterlage des Einheitsschemas für Militärbudgets entsprechend Rechnung zu tragen.

Man könnte nun auch behaupten, daß diese geheimen Rüstungen - denn man kann da eben nur von geheimen Rüstungen sprechen - eigentlich nichts anderes bezwecken, als endlich einmal den Friedenswillen der Èechoslovakei nach innen restlos Rechnung zu tragen, das heißt durch eine entsprechende Aufrüstung, die den anderen unbekannt ist, jenen Machtfaktor zu schaffen, der dann im gegebenen Augenblick, wenn gegen den Willen der regierenden Kreis die Gewehre losgehen, die Èechoslovakei in die Lage versetzt, den sich wehrenden Dritten entsprechend abzuführen. Das nennt man heute Abrüstung, das nennt man Rechnung tragen der allgemeinen Weltfriedensforderung, möglichst rasch und möglichst gründlich abzurüsten.

Man hat aber auch neben diesen Abrüstungskommissionsschwindel sich noch eine zweite Formel zurecht gelegt. Und zwar die bekannte, die berüchtigte Sicherheitsformel. Nachdem Lloyd George erklärt hatte, daß zur Durchführung der notwendigen Revision der Friedensverträge es unbedingt notwendig sei, daß zuerst die europäischen Staaten abrüsten, erklärt man nun, daß eine Abrüstung nicht früher möglich sei, bevor nicht jeder einzelne Staat, und zwar jeder der Kriegsgewinnerstaaten die restlose Sicherheit besitze, daß an den Bestimmungen der Friedensverträge, und wären sie auch im praktischen Völkerleben noch so undurchführbar, festgehalten werden müsse, verlangen alle Sicherheiten dafür, daß eine Revision der Friedensverträge niemals, auch nicht durch den Völkerbund anerkannt werde. Meine sehr geehrt en Damen und Herren. Sie werden sich erinnern, daß der Herr Staatspräsident Masaryk wiederholt seiner Meinung dahin Ausdruck gegeben hat, daß diese Friedensverträge, wie sie heute vorliegen, einer Verbesserung bedürftig sind, und daß seiner Meinung nach auch Grenzkorrekturen möglich sein werden, im Interesse des weiteren Ausbaues des Friedens in Mitteleuropa. Das sagte der Herr Staatspräsident. Der Herr Minister des Äußern hat in einer der letzten Sitzungen zwar erklärt, und zwar beeinflußt durch jenen bekannten Oktoberartikel Lloyd Georges, der geradezu wie eine Bombe in Prag eingeschlagen hat, daß auch er als wahrer Verfechter des Friedensvertrages auf der Durchführung aller Bestimmungen des Völkerbundpaktes und der Friedensverträge bestehe, daß auch er anerkenne, daß auf Grund des Artikels 18 des Völkerbundpaktes es möglich sei zu einer Revision der Friedensbestimmungen zu schreiten. Als ihm aber nahegelegt wurde und er gefragt wurde, ob er diese Möglichkeit auch darauf erstrecke, daß es zu einer Korrektur der unmöglichen, den ethnographischen Verhältnissen widersprechenden Grenzen kommen könnte, erklärte er: "unter keinen Umständen". Er verleugnet also selbst jene Friedensverträge und Völkerbundpakte, an dessen Schaffung er so großen Anteil hatte, in dem Augenblicke, wo sich seine Bestimmungen gegen seine eigenen Wünsche und Pläne richten könnten. Man kann ruhig sagen: Herr Dr Beneš ist ein wirklicher, ehrlicher und überzeugter Völkerbundanhänger. (Posl. dr Lehnert: Ist ja einer wie der andere. Ich glaube, er ist noch der Beste von allen!) Ich gratuliere Dir, zu Deiner Ansicht.

Diese Beratungen, nunmehr auf das Geleise der Sicherheitsformel abgeschoben, werden bekanntlich am morgigen Tage in Prag fortgesetzt werden. Man kann zwar nicht behaupten, daß sie unter einem ungestümen Andrang der Vertreter der verschiedenen Staaten der Welt stattfinden werden. Soweit man durch die offiziöse Presse erfährt, ist der Andrang außerordentlich gering und es werden sich nur wenige Vertreter einfinden, um gewissermaßen als unbeteiligte Zuhörer den neuen Friedensversicherungen Benešs Gehör zu schenken

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