.
Die Beratungen der Abrüstungskommissionen
sind vollständig von jenen Bestimmungen abgekommen, die früher
allgemein als Richtschnur anerkannt wurden. Wir sehen bei diesen
Beratungen ständig die Aufstellung neuer Forderungen, deren
Erfüllung sich gegenseitig ausschließen und das ist
der wahre Grund der vollständigen Erfolglosigkeit der bisherigen
Beratungen. Denn die Siegerstaaten sind nicht gewillt auch nur
eine der wenigen Bestimmungen der Friedensverträge zu erfüllen,
und zwar in dem Augenblicke, in dem ihnen dadurch selbst Verpflichtungen
auferlegt werden. In Wirklichkeit wollen sie, auch wenn sie noch
so oft vom Frieden und von der Aufrechterhaltung des Weltfriedens
sprechen um diesem angeblich zu dienen, doch etwas ganz anderes,
denn ihr wahres Streben gilt nur der brutalen Aufrechterhaltung
der Gewaltfriedensbestimmungen. Die Losungsworte auf diesem Wege
sind, wie ich vorhin schon erwähnt habe, Sicherung und Verteidigung,
und ihrer Ansicht nach waren ja bestimmt auch die Raubkriege Ludwigs
XIV. und die Feldzüge Napoleons nichts anderes als Sicherungs-
und Verteidigungskriege der französischen Vormachtstellung
in Europa, also nichts anderes als ihre heutigen Bestrebungen,
wie nach Masaryk die Verbündeten im Dienste der Humanität
und Sittlichkeit sich im Weltkriege das Ziel gesetzt hatten, Europa,
ja die Welt vor der Gewaltherrschaft des Pangermanismus zu befreien
und eine politische Neuorganisation Europas in die Wege zu leiten,
die aufzubauen sei auf der ethischen Grundlage der Humanität
und Selbstbestimmung der Völker. Also auf der Grundlage wahrer
Demokratie. Masaryk sagt zur Begründung dieser Forderung
in seinem Buche, "Das neue Europa" wörtlich: "Die
Demokratie ist politische Organisation der Gesellschaft, welche
auf Arbeit beruht; in ihr gibt es keine Individuen und Klassen,
welche die Arbeit der anderen ausbeuten; der demokratische Staat
ist ohne Militarismus, ohne geheime Diplomatie, die Außen-
und Innenpolitik unterliegt der Kritik und Verwaltung des Parlamentes.
Demokratie ist Diskussion. Die Menschen fangen an, den Argumenten,
nicht der Willkür oder sogar der Gewalt zu folgen. Sie sehen
ihr Hauptziel in der Verwaltung nicht im Herrschen."
Und dann weiter: "Die Nationen sind die
natürliche Organisation der Menschheit". Und dann weiter:
"Es handelt sich nicht bloß um die Freiheit der Nationen,
sondern um ihre Vereinigung. Das Schlagwort ohne Annexion ist
nicht genügend klar. Das Recht der Selbstbestimmung der Nationen,
welches die russische Revolution verkündet hat, fordert die
Berichtigung der politischen Grenzen, die Staaten müssen
also nationalisiert werden". Also, die Forderung nach der
Schaffung von Nationalstaaten umfassend das geschlossene Sprachgebiet
der einzelnen Völker. Ich will nicht verschweigen, daß
Herr Staatspräsident Masaryk, damals noch Professor
Dr. Masaryk dieses ehrliche Bekenntnis sofort in den nächsten
Absätzen dadurch einschränkt, daß er eine Reihe
von Ausnahmen zuläßt, die auch die Einverleibung anderssprachiger
Volksgebiete gestattet, soweit die wirtschaftlichen und strategische
Gründe dies erfordern. Auf dieser These ist ja bekanntlich
das Memoire IlI aufgebaut und die gewaltsame Zuteilung der 3 1/2
Millionen Sudetendeutsche in diesem Staat erfolgt. Ob der Staat
aus der Beugung dieses heiligsten Naturrechtes dauernd Nutzen
ziehen wird, kann erst die Zukunft lehren. Für mich und meine
Partei bleiben nach wie vor die in der staatsrechtlichen Erklärung
niedergelegten Grundsätze bindend und wir beharren gemeinsam
mit allen unterdrückten Volksteilen Europas auf der Erringung
des Selbstbestimmungsrechtes, das auf die Dauer auch unserem Volke
- dem Staatspräsident Masaryk nunmehr entgegen seiner
früheren Stellungnahme z. B. in seinem Buche "Das neue
Europa" mit Rücksicht auf die geänderte Weltlage
- große Achtung entgegenzubringen genötigt ist, nicht
vorenthalten werden kann. Im Anschluß an diese Äußerung,
die bekanntlich gegenüber den vor kurzer Zeit hier weilenden
deutschen Zentrumsjournalisten gefallen ist, hat der Herr Staatspräsident
weitere Äußerungen getan, die von unserer Seite nicht
unwidersprochen bleiben dürfen. Ich denke hier in erster
Linie an jene anmaßende Äußerung, mit der er
gewissermaßen dem deutschen Volke, also nicht nur den deutschen
Zwangsbürgern innerhalb dieses Staates, Vorschriften über
seine staatspolitische Betätigung machte, indem er - die
richtige Wiedergabe durch die Presse vorausgesetzt - erklärte,
daß das deutsche Volk die Aufgabe habe, sich in mehreren
Staaten u. zw. in Deutschland, Deutschösterreich und der
Schweiz auszuwirken und auszuleben, wobei er im Anschlusse gnädigst
zu bemerken geruhte, daß die 3 1/2 Millionen
èechoslovakischer Staatsbürger deutscher Nationalität
keine Minderheit, sondern ein organischer Bestandteil des Staates
seien. Hiezu ist vor allem festzustellen, daß das deutsche
Volk eine Einmischung in seine ureigenen Angelegenheiten
seitens dritter grundsätzlich ablehnt und auch sein endgültiges
staatliches Schicksal sich von niemandem diktieren lassen wird.
Nachdem ich dem Herrn Staatspräsidenten aber auch nicht zumuten
kann, daß er ernstlich an eine Befolgung dieser seiner Lehrertätigkeit
glaubt, kann ich nur annehmen, daß es sich hier um eine
vom Herrn Außenminister Dr. Beneš suggerierte
Stellungnahme gegen den Anschluß Deutschösterreichs
an Deutschland gehandelt hat. Ich will nicht untersuchen ob ein
solches außenpolitisches Auftreten des Herrn Staatspräsidenten
auch dem Staate als solchen zweckdienlich sein dürfte, da
auf diesen Präjudizfall es auch anderen Staatsoberhäuptern
unbenommen bleiben müßte ihre politische Ansicht z.
B. bezüglich der abgerissenen sudetendeutschen Volksgebiete
oder der magyarischen Volksgebiete gegenüber Besuchern aus
der Èechoslovakei zu äußern.
Die Èechen haben während des Weltkrieges die Forderungnach
Bestimmung ihres staatlichen Schicksals aufgestellt und, ist es
mindestens widerspruchsvoll, daß nunmehr der èechoslovakische
Staatspräsident dem großen deutschen Volke dieses Recht
auf Selbstbestimmung absprechen will. Ich glaube,
es genügt in diesem Zusammenhang festzustellen, daß
es im Leben der Völker keinen Stillstand gibt und daß
schon manch Großer dieser Welt sich gezwungen sah, im Laufe
der Zeiten seine Ansichten zu revidieren. Auch wir Sudetendeutsche
mußten es bekanntlich vor Jahren erleben, als Kolonisten
und Eindringlinge hingestellt zu werden und heute, wenige Jahre
später hören wir aus dem gleichen Munde, daß wir
keine Minderheit, sondern ein organischer Bestandteil dieses Staates
seien. Das Wort wollen wir lassen steh'n! Keine Minderheit.
Den Kollegen von der èechischen Seite möchte ich bei
dieser Gelegenheit aber auch gleichzeitig eine Versicherung abgeben.
Wir haben uns nie als Minderheit gefühlt und werden uns nie
als Minderheit fühlen, aber auch nicht als organischer
Bestandteil des èechoslovakischen Staates in dem Sinne,
der wohl bei diesen Worten dem Herrn Staatspräsidenten Masaryk
vorgeschwebt haben mag, sondern wir fühlen uns nach wie vor
als einen Teil des geschlossenen deutschen mitteleuropäischen
Sprachgebietes, dessen staatliche Einigung das Ziel deutscher
Politik ist und bleiben wird. Wir sind uns dessen bewußt,
daß die augenblicklichen Machtverhältnisse dieses Einigungswerk
noch zu verhindern vermögen. Wir vertrauen aber auf die sieghafte
Kraft unseres Volkstums, das seit dem Jahre 1918 manchen feindlichen
Plan - ich denke da in erster Linie an den französischen
Ruhreinbruch - zu Schande geritten und durch seine erfolgreiche
friedliche Aufbauarbeit auf kulturellem und wirtschaftlichem Gebiete
die Welt mit Bewunderung erfüllt hat, aber auch hat erkennen
lassen, daß eine weitere Ausschaltung dieser Werkstatt der
Welt für die gesamte Weltwirtschaft zum Verhängnis geworden
wäre. Alle seit Friedensschluß abgehaltenen Konferenzen,
mögen sie in London oder Genua, in Spaa, Genf oder Toiry
getagt haben, sie bezweckten nichts anderes, als ohne förmliche
Abänderung der unerfüllbaren Friedensdiktatbestimmungen,
doch Lockerungen zuzulassen, die es ermöglichen sollten,
ein Verbluten des Arbeitssklaven Deutschland zu verhindern aber
gleichzeitig auch eine durchgreifende Revision der Friedensverträge
hintanzuhalten. Daß die von Frankreich geführte Politik
nicht ernstlich dem Abrüstungsgedanken, also Weltfrieden
dienen will, erhellt schon aus seinem Verhalten gegenüber
Deutschland nach Abschluß des Locarnopaktes. Die freiwillige
Anerkennung der Westgrenze Deutschlands, bzw. der Ostgrenze Frankreichs
seitens Deutschlands unter gleichzeitiger Garantie durch England
und Italien, hätte sinngemäß begleitet werden
müssen von der Räumung des Rheinlandes; denn eine einseitige
Verständigungsbereitschaft kann weder außen- noch innenpolitisch
zu einem greifbaren Ziele führen. Frankreichs Ostgrenze ist
durch den Locarnovertrag so gesichert, wie dies wohl seit Jahrhunderten,
man kann ruhig sagen seit einem Jahrtausend, niemals der Fall
gewesen ist. Trotzdem Deutschland diesen grenzenlosen Verständigungswillen
bewies, erfährt es von Frankreich nur Ablehnung und die Forderung
nach Abschluß eines Ostlocarno, also eine Forderung, die
für Deutschland unerfüllbar ist, will es seine eigene
Zukunft nicht selbst auf das Spiel setzen. Es ist nur zu bekannt,
daß es ein Lieblingswunsch Dr. Benešs ist, nach
Ablehnung seines Genfer Protokolls ein Ostlocarno heraufzuführen.
Deutschlands Staatsmänner stellen dieser unberechtigten Forderung
mit vollem Rechte die Feststellung entgegen, daß Deutschlands
Zukunft ohne gerechte Lösung der polnischen Korridorfragen
gefährdet wäre, also gegenüber Polen von einem
Ostlocarno keine Rede sein kann. Um aber jeden Zweifel an seinem
ehrlichen Willen im Keime zu ersticken, erklärt sich Deutschland
bereit, eine Revision der diesbezüglichen Bestimmungen nur
auf dem Wege des Völkerbundes, also mit friedlichen Mitteln
erstreben zu wollen. Dasselbe gilt bezüglich der Èechoslovakei.
Im übrigen hat Deutschland mit
diesen beiden Staaten einen Schiedsgerichtsvertrag abgeschlossen,
auf Grund dessen alle auftauchenden Streitfragen zu regeln sind.
Trotz alledem bemüht sich der èechoslovakische Außenminister,
anstatt dem Abrüstungsgedanken wirklich
zu dienen, immer wieder das Sicherheitsproblem aufzurollen, und
wir werden es erleben, daß am morgigen Tage Dr. Benešs
Konferenzbericht nichts anderes sein wird als eine Wiederholung
seines alten Planes nach Abschluß eines Ostlocarno. Alle
seine Pläne, welchen Namen sie auch immer tragen mögen,
laufen immer wieder auf nichts anderes heraus als auf die nochmalige
freiwillige Anerkennung der deutschen Ost- und Südostgrenzen
durch Deutschland unter gleichzeitigem Verzicht auf den Anschluß
Deutschösterreichs.
In einer der letzten Außendebatten des
deutschen Reichstages hat ein Redner treffend zum Verständigungsgedanken,
zur Abrüstung und der Sicherung des Weltfriedens Stellung
genommen. Er sagte: "Solange das deutsche Volk unter dem
Ausnahmsgesetz der Entwaffnung steht, solange die Faust unserer
früheren Feinde in unserem Nacken sitzt, solange hat eine
Verständigung keinen wahren Wert, weil sie nicht zwischen
Gleichberechtigten abgeschlossen wird. Die Entwicklung geht in
der Welt weiter und in ihr gibt es viele Brennpunkte. Ich kann
mir ganz gut eine Entwicklung denken, wo es für das eine
oder das andere der uns umliegenden Völker von Wert sein
kann, ein nicht feindlich gesinntes Deutschland als Nachbar zu
haben. Gleichberechtigung, Anerkennung der deutschen Lebensinteressen,
Anerkennung des verletzten Selbstbestimmungsrechtes der Nationen,
nur auf solcher Basis ist eine dauernde Verständigung möglich."
Dieses Ziel ist aber, und das möchte ich besonders hervorheben,
noch nie das Ziel des èechoslovakischen Außenministers
Dr. Beneš
gewesen. Denn Dr. Beneš hat, gewiß manchmal
gut maskiert, in seiner Außenpolitik immer nur eine Einstellung
obwalten lassen, die getragen war von der, von ihm schon während
des Krieges propagierten Feindseligkeit gegen das deutsche Volk,
die er nunmehr im demokratischen Friedenszeitalter systematisch
fortsetzt. Aber auch er wird mit der Zeit lernen müssen,
die Macht des Geschehens anzuerkennen, anzuerkennen, daß
das Deutschland von 1928 nicht mehr das niedergetretene und ausgeblutete
Deutschland von 1918 ist. Seine Anschlußfeindlichkeit
und die Duldung der auch unter dem Deckmantel einer èechisch-deutschen
Regierung weiterverfolgten Unterdrückung und Entnationalisierungspolitik
in diesem Staate wird dieser Aufwärtsentwicklung des deutschen
Volkstums endlich einmal Rechnung tragen müssen,
soll das èechische Volk nicht dereinst selbst schweren
Schaden daraus ziehen. Ich will durchaus nicht verkennen, daß
unter den gegebenen Verhältnissen es den Èechen schwer
ankommen mag, nach einem Jahrzehnt Eigenstaatlichkeit schon erkennen
zu müssen, daß Siegestaumel
und Friedensarbeit oft gegensätzliche Forderungen erstehen
lassen und nur allzubald auf das junge Reis des selbständigen
Staates schwere Sorgentropfen gefallen sind. Es wäre aber
höchst ungerecht seitens der Èechen, die angrenzenden
Völker mit Schuld zu beladen. Denn
alle diese Gefahren, die den jungen Staat umdräuen, sind
doch nur eine Folge der Unersättlichkeit der èechischen
Führung von 1918. Hätte man sich damals mit einem Staatsterritorium
begnügt, das die èechischen und slovakischen
Sprachgebiete umfaßt hätte, wäre es um die Konsolidierung
Mitteleuropas heute anders bestellt und noch so große Waffentransporte
würden die friedlich arbeitende Bevölkerung der neuen
Staaten nicht mit banger Sorge erfüllen. Wären Wilsons
14 Punkte durchgeführt worden, hätte jedes Volk auf
Grund durchgeführter Volksabstimmung sein staatliches Schicksal
sich selbst bestimmen dürfen, gäbe es heute keine unter
Gewaltherrschaft lebende Volksteile in Mitteleuropa, sondern nur
auf freiem Entschluß der Bevölkerung gebildete Nationalstaaten,
die erfolgreich nach einem Zusammenschluß auf wirtschaftlichem
Gebiete hätten hinarbeiten können, und dies nicht nur
im Interesse der einzelnen Staaten sondern auch der diese Staaten
bewohnenden Volksstämme. An Stelle dieser Entwicklung sehen
wir aber, wie die Unruhe wächst, und dies nicht nur in Mitteleuropa,
sondern in der ganzen Welt. Die unterworfenen Volksteile, bezw.
Völker werden als Spielball oder Sprungbrett von den großen
Staaten benützt, als Werkzeug ihrer imperialistischen Politik,
die nur ein Ziel kennt, brutale Machterweiterung. Vergebens versuchen
die Staaten der Kleinen Entente sich gegen diese Entwicklung zu
stemmen. Schon die Gründung der Kleinen Entente war, möchte
ich sagen, die Erkenntnis, daß, je weiter die Zeit sich
von 1918 entfernt, umso weniger werden die großen Ententestaaten
sich um die kleinen und die großen Sorgen der Kleinstaaten
kümmern wollen. Heute schon sehen wir mit offenen Augen,
daß das kleine zerstückelte Ungarn, heute noch ohne
Grenzerweiterung, als Vorposten eines Großstaates zu einem
Machtfaktor heranwächst, der das schlechte Gewissen der Nachbarstaaten
nicht zur Ruhe kommen läßt. Fünf Waggons Waffen
italienischen Ursprunges mit dem angeblich en Ziele Warschau setzen
die Kleine Entente-Kabinette bereits in heillose Verwirrung.
Es ist dies der beste Wertmesser für die viel besungene Konsolidierung
der Èechoslovakei und der anderen Kleinstaaten. Die großen
Weltmächte, Italien, Frankreich und England - ich will nur
die europäischen nennen - lassen sich
nicht aus ihrer Ruhe bringen, sondern es wird den um ihre Sicherheit
besorgten kleinen Staaten nur bewilligt, bezüglich des St.
Gottharder Vorfalles einen gemeinsamen Amtsvortrag im Völkerbundsekretariat
einzubringen, und damit ist vorläufig dem Weltgewissen, besser
gesagt, dem Völkerbundgewissen Rechnung getragen. Man wird
nicht fehl gehen, festzustellen, daß der Völkerbundrat
bzw. die Staaten, die im Völkerbundrate vertreten sind, zur
Zeit mit ganz anderen Sorgen sich zu befassen haben, so z. B.
in erster Linie mit der Regelung des Reparationsproblems, der
notwendig gewordenen Abänderung des Dawesplanes, der Rhein-Nichträumung,
der Regelung der Kriegsschuldenfrage Frankreichs und Englands
an die Vereinigten Staaten von Nord-Amerika, Briands Mißerfolg
in Nord-Amerika mit seinem Bündnis und Friedensvorschlag
liegt Frankreich noch zu sehr in den Knochen, um sich mit Lappalien,
wie es der St. Gottharder Vorfall ist, ernstlich zu beschäftigen,
wobei nicht vergessen werden darf, daß dieser Transport
aus Mussolinis Herrschaftsbereich kommt, der es wohl kaum dulden
wird, daß diesem Waffenlieferungvorfall an seinem Ursprung
allzusehr nachgeforscht werde. Vielleicht, und das dürfte
meines Erachtens das Weitgehendste sein, was der Völkerbund
beschließen dürfte, wird man einen italienischen
Offizier mit den notwendigen Erhebungen betrauen u. zw. in der
Richtung, ob dieser Waffentransport nach der Èechoslovakei
oder nach Polen gehen sollte. Nachdem aber bereits die amtlichen
Erklärungen dieser beiden Staaten vorliegen,
u. zw. in verneinendem Sinne vorliegen, muß heute schon
angenommen werden, daß die Völkerbundaktion, wofern
man sich überhaupt zu einer solchen aufraffen sollte, restlos
im Sande verlaufen wird.
Bleiben aber wird die dauernde Unruhe in den
Staaten, die sich wider Recht und Gerechtigkeit fremdvölkische
Volksteile einverleibt haben, bleiben wird auch das Streben der
Unterdrückten nach Abwerfung der Sklavenketten. Es hieße
Vogelstraußpolitik betreiben, wollten die Machthaber in
diesem Lande nicht erkennen, daß sie zwar heute noch die
Macht zur Ausbeutung und Unterdrückung, zur Entnationalisierung
dieser Millionen Menschen besitzen, aber die Zeit arbeitet für
uns. Wir sind uns wohl bewußt, daß es noch eines schweren,
entsagungsvollen Kampfes bedürfen wird, um diese schwere
Notzeit, in der wir leben, rüstig und gesund als geschlossener
Volksteil zu überleben. Aber meines Erachtens ist es Pflicht
aller Deutschen ohne Unterschied der Klasse, des Standes und Berufes
an dem großen Werk, das wir alle gemeinsam zu vollbringen
haben, mitzuwirken. Gewiß, die derzeitigen Machtverhältnisse
mögen es einzelnen Politikern für tunlich, ja sogar
für notwendig erscheinen lassen, diesen oder jenen Weg zu
gehen, beseelt von dem Glauben und der Hoffnung, auf diesem Wege
unserem Volke den Besitzstand sichern zu können. Aber über
alle diese Wirrnisse des Tages müssen wir uns alle, gerade
wegen des Vorfalls, der sich jetzt an der westungarischen Grenze
abgespielt hat, dessen bewußt werden, daß mit Friedensschalmeien
allein kommende Kriege nicht verhindert werden, sondern diese
nur dadurch verhindert werden, daß man die Wurzel des Übels
bloßlegt. Die Wurzel des Übels sind die Machtfriedensdiktate.
Und solange man nicht zur Revision der Friedensverträge,
solange man nicht zu einer Volksabstimmung in den vom Volkskörper
abgerissenen und losgetrennten Gebieten kommt, insolange wird
nicht Ruhe und Frieden in diesem schwergeprüften Erdteile
einkehren. Wir Sudetendeutschen sind voll und ganz von der Hoffnung
beseelt, daß man auf die Dauer auch unserem Volke das Recht
der freien Selbstbestimmung nicht vorenthalten darf und kann und
dieser Hoffnung wollen wir leben, in dieser Hoffnung wollen wir
restlos arbeiten, bis auch für uns der Tag der Freiheit anbricht.
(Souhlas a potlesk poslancù nìm.
strany národní.)
Hohes Haus! Mir wurde der Auftrag zuteil, hier
im Namen des deutschen Verbandes zu erklären, daß unsere
Bevölkerung durch die Nachrichten über die Aufdeckung
eines geheimen Waffentransportes in St. Gotthard erregt worden
ist. (Výkøiky poslancù nìm.
strany národní.)
Wir entnehmen aus dieser Tatsache, daß,
trotz der noch allzu lebhaften Erinnerung an die eben erst verflossenen
Kriegsjahre, heute schon wieder Mächte am Werke sind, deren
Bestreben darin besteht, den kaum errungenen Frieden zu vernichten
und die Schrecken eines neuen Krieges aufleben zu lassen.
Die vernünftigen Menschen aller Staaten
sind jedoch heute in dem Urteile darüber einig, daß
Kriege künftighin überhaupt ausgeschaltet werden müssen,
weil eine jede blutige Auseinandersetzung der Völker das
größte Unglück für den Fortschritt der Menschheit
bedeutet.
Aus diesem Grunde war die Bevölkerung
auch darüber entsetzt, als gerade in ihrer Nähe, in
Mitteleuropa, der Versuch eines geheimen Waffentransportes aufgedeckt
wurde. (Výkøiky posl. Grünznera.)
Die Regierung hat erfreulicher Weise in
dieser Angelegenheit sofort die notwendigen Schritte zum Schutze
unseres Staates unternommen. Dieses Vorgehen halten wir für
richtig und wir billigen auch aus diesem Grunde die von der Regierung
hier abgegebene Erklärung. (Potlesk.)
Hohes Haus! Eine Reihe von Ereignissen der
letzten Tage hat bewiesen, daß die Konsolidierung Europas
und die Festigung des Friedens, von der in den Kundgebungen der
Staatsmänner soviel die Rede ist, noch immer auf recht schwachen
Füßen steht. (Pøedsednictví
pøevzal místopøedseda Zierhut.) Am
2. Jänner hat ein Prager Regierungsblatt optimistische und
friedensfreundliche Äußerungen von Briand und Mussolini,
von Hoover und Baldwin mit Genugtuung registriert, aber bereits
am nächsten Tage mußte - oh Pech! - dasselbe Blatt
berichten, daß in St. Gotthard an der österreichisch-ungarischen
Grenze ein falsch deklarierter Waffentransport, 5 Waggons Maschinengewehrbestandteile,
aufgehalten wurde, der erste, der entdeckt, aber zweifellos nicht
der erste, der über die Grenze geschmuggelt worden ist. Wir
erfassen voll die ganze Größe der Gefahren, die dem
internationalen Frieden von den reaktionären und imperialistischen
Regierungen Italiens und Ungarns drohen. Wir begreifen es daher
durchaus, daß auch die offiziellen èechoslovakischen
Kreise aufs schwerste beunruhigt sind und wir verstehen es,
daß sich die Regierung an den Völkerbund wendet. Allerdings
stehen wir diesem Schritt einiger maßen skeptisch gegenüber.
Der Völkerbund hat noch in keinem einzigen Falle bewiesen,
daß er in internationale Konflikte wirksam einzugreifen
vermag. Seit Jahren berät der Völkerbund, beraten seine
verschiedenen Kommissionen über die Abrüstung, aber
die Abrüstung ist noch nicht um einen Schritt weiter gekommen.
Der Völkerbund berät unzählige Entwürfe von
Friedenspakten, die Staatsmänner der maßgebenden Großmächte
sprechen sich begeistert für Frieden und Abrüstung,
für Sicherungen und Garantien aus, allerdings nur im Prinzipe.
Es findet sich immer eine Klausel, immer ein Vorbehalt, um eine
konkrete Regelung zu verhindern und zu sabotieren. Wir haben daher
heute wenig Vertrauen zum Völkerbund, wir haben noch weniger
Vertrauen in die Kleine Entente. Wir fragen: Welche Wirkung kann
eine gemeinsame Demarche der Kleinen Entente beim Völkerbund
haben, wenn just in diesen Tagen, da der kollektive Schritt der
Kleinen Entente in Genf angekündigt wird, der Außenminister
Rumäniens in Rom weilt und dort bei Mussolini, dem Spießgesellen
Horthys in der Waffenlieferungsaffäre, um die Freundschaft
des fascistischen Italiens buhlt?
Wir erwarten die Sicherung des Friedens nicht
von den Intriguen der reaktionären Kabinette, sondern
nur von den lebendigen Kräften der Demokratie und des Sozialismus.
Wir versteh en daher nicht, warum die Èechoslovakei ständig
an der unseligen Politik der Bündnisse und Sonderverträge
festhält, mit Vorliebe die reaktionärsten Staaten
zu Bundesgenissen wählt - wir haben ja auch mit Italien einen
sogenannten Freundschaftsvertrag - und warum sie nicht dem Beispiel
anderer kleiner Staaten folgt, die ihre Sicherung gegen kriegerische
Verwicklungen nicht in Bündnissen und diplomatischen Intriguen
suchen, sondern in der Abrüstung und vollkommenen Neutralität.
Die Schweiz betreibt diese Politik mit vollem Erfolg seit Jahrzehnten
und kein Staat in Europa genießt eine solche Sicherheit
des Friedens, wie gerade sie. In jüngster Zeit ist das kleine
Dänemark, allerdings unter einem sozialistischen Regime,
diesem Beispiele gefolgt und hat damit für die Sicherung
des eigenen Landes und für den allgemeinen Frieden zweifellos
mehr getan, als die Èechoslovakei mit ihren ständigen
Rüstungen, mit der Verlängerung der
Militärdienstzeit, der kaum verschleierten Erhöhung
des Präsenzstandes durch die Ersatzreserve und der Schaffung
des unkontrollierbaren Rüstungsfonds, mit allen diesen Maßnahmen,
die der Bevölkerung unerträgliche Lasten aufbürden,
ohne doch eine wirkliche Sicherheit des Landes auch nur im Entferntesten
zu gewährleisten.
Das ist indes im Augenblick nicht zu ändern und es bleibt
der Èechoslovakei daher in der gegebenen Situation freilich
nichts übrig, als die Anrufung des Völkerbundes im Verein
mit ihren derzeitigen Bundesgenossen. Wir müssen hier allerdings
die sehr ernste Frage aufwerfen, mit
welcher moralischen Legitimation die Èechoslovakei ein
Einschreiten des Völkerbundes gegen die Waffenlieferungen
Italiens an Ungarn fordern kann, während sie selbst in denselben
Tagen sich der Waffenlieferung an die nordchinesische Armee
schuldig gemacht hat. Es ist nach einem anfänglichen, sehr
ungeschickten Ableugnungsversuche nunmehr amtlich zugestanden,
daß die èechoslovakische Waffenfabrik in Brünn
der nordchinesischen Regierung 40.000 Schießgewehre geliefert
hat. Es ist dabei von keiner Seite bestritten
worden, daß diese Waffenlieferung mit Wissen und Zustimmung,
daher unter voller Verantwortlichkeit der Regierung erfolgen konnte.
Der Herr Minister für nationale Verteidigung Udržal
hat im Wehrausschuß erklärt, daß diese Waffenlieferung
vollkommen legal erfolgt und daß die Èechoslovakei
durch keine Bestimmung des Friedensvertrages und durch keine internationale
Vereinbarung an der Ausfuhr von Waffen gehindert sei. Seine Bemerkung,
hätte nicht die èechoslovakische Waffenfabrik das
Geschäft abgeschlossen, dann hätte
dies bestimmt ein anderes ausländisches Unternehmen getan,
wird dem Präsidenten der Sicherheitskommission des Völkerbundes,
dem Herrn Minister Beneš, vermutlich nicht angenehm
in den Ohren geklungen haben. Aber wir sind es ja in der
Èechoslovakei schon gewohnt, daß sich Außenminister
und Heeresminister gegenseitig das Konzept verderben, wobei in
der Regel der èechoslovakische Friedensengel als der Schwächere
den Kürzeren zieht. Vor allem aber übersieht der Herr
Minister Udržal, daß
er mit seiner Verteidigung der Legalität der èechoslovakischen
Waffenlieferungen dem Herrn Mussolini Argumente liefert, der sich
ebenso wie Udržal darauf berufen
kann, daß kein internationaler Vertrag Italien die Ausfuhr
von Waffen verbiete, und der seinen Freund Horthy, der durch Friedensverträge
allerdings gebunden ist, schon mit der Lüge decken wird,
daß die Sendung ja nicht für Ungarn bestimmt sei. Denn
der ungarische Imperialismus hat es seinerseits immer vorzüglich
verstanden die Welt über sein wahres Gesicht zu täuschen
und seine fieberhaft betriebenen Rüstungen zu verbergen.
Die imperialistische ungarische Herrenklasse, die Österreich
als den schwächsten Gegner unaufhörlich beunruhigt,
dabei aber alle Nachbarstaaten bedroht, tritt vor der internationalen
Öffentlichkeit als der Anwalt eines unterdrückten Volkes
auf, obwohl das ungarische Volk von niemandem schamloser und grausamer
unterdrückt wird, als von seiner eigenen brutalen Herrenklasse.
Dieses Doppelspiel eines Staates, in dem die bescheidenste Regung
der Opposition gegen das blutige herrschende System mit Kerker
und Galgen, mit legalem und illegalem Mord unterdrückt wird,
ist freilich nur deshalb möglich, weil der Imperialismus
der Großmächte dem ungarischen Imperialismus bereitwillig
die Mauer macht. Diesen Imperialismus unterstützt freilich
auch Herr Udržal indem er
die Legalität von Waffenlieferungen ins Ausland verficht.
Dann aber übersieht Herr Minister Udržal
- und dies ist der springende Punkt - daß die nordchinesische
Regierung sich im Kriegszustande befindet und daß daher
eine Waffenlieferung an sie, an eine kriegführende Regierung,
einen schweren Neutralitätsbruch darstellt.