Hohes Haus! Der vorliegende Gesetzentwurf verfolgt
den Zweck, einige Bestimmungen, u. zw. die §§ 13, 24
und 25 des im Jahre 1920 beschlossenen Gendarmeriegesetzes abzuändern.
Vor allem sollen diese Bestimmungen der Gendarmerie den Gebrauch
der Schußwaffe erleichtern und die bisher geltende Verantwortung
für den Gebrauch dieser Schußwaffe bedeutend mildern.
Gleichzeitig wird mit dieser Gesetzesabänderung festgelegt,
daß die Dienstbezüge ebenso wie die Ruhe- und Versorgungsgenüsse
der Gendarmerie durch besondere Vorschriften geregelt werden sollen.
Außerdem sollen § 4 des Gesetzes vom 3. Juli 1927,
betreffend die Sicherheitswache abgeändert und dieser Sicherheitswache
die Rechte der Zivilwache zuerkannt werden.
Die neuen Bestimmungen des Gesetzes und die
geplanten Abänderungen sind so durchsichtig, daß man
recht deutlich beobachten kann, daß nicht bloß der
Zweck verfolgt wird, den Gebrauch der Schußwaffe Verbrechern
gegenüber zu erleichtern, sondern daß man auch diese
Schußwaffe leichter und ohne Verantwortung, wenn
es notwendig erscheint, den friedliebenden èechoslovakischen
Staatsbürgern gegenüber zur Anwendung bringen will.
Es soll - und das ist wohl Tendenz dieser nun verlangten Abänderungen
des Gendarmeriegesetzes - die Möglichkeit geboten werden,
unter Umständen den èechoslovakischen
Staatsbürgern den Begriff èechoslovakischer Demokratie
mit blauen Bohnen beibringen zu können. Das alte Gesetz,
das im Jahre 1920 beschlossen wurde, hat ausdrücklich festgelegt,
wann, in welchen Fällen die Gendarmerie von der
Schußwaffe Gebrauch machen kann. In diesem Gesetze wurde
festgesetzt, daß von der Schußwaffe nur Gebrauch gemacht
werden darf im Falle der Notwehr, eines gegen den Gendarmen gerichteten
tätlichen, gewaltsamen Angriffes oder dann, wenn das Leben
einer anderen Person gefährdet oder bedroht gewesen ist.
Nach dem neuen Gesetz, unter den Bestimmungen, wie sie diese Abänderungen
verlangen, kann die Gendarmerie schießen, wann, wo und wie
es ihr paßt. Sie kann von der Schießwaffe Gebrauch
machen nicht nur im Falle der Notwehr, nicht nur wegen eines gegen
sie gerichteten Angriffes, nicht nur wenn das Leben einer anderen
Person gefährdet erscheint, sondern sie kann auch von der
Schußwaffe Gebrauch machen, wenn der Träger dieser
Schußwaffe glaubt oder sich einbildet, daß sein Leben
bedroht ist oder wenn der Verbrecher, den er zu verfolgen hat,
sich nicht ergibt oder, wie es in den neuen Abänderungen
heißt, sich weigert, das Versteck zu verlassen.
Die ungeheuerlichste Bestimmung, die wohl den
schärfsten Protest hervorrufen muß und die so deutlich
gegen die Arbeiterklasse gerichtet ist, ist wohl die, daß
der Gendarm, wenn er sieht, daß irgend ein absichtlicher
Widerstand seine Dienstverrichtung vereitelt, von der Schußwaffe
Gebrauch machen kann. Diese sowie die weitere Bestimmung, daß
für die Gendarmerie in Zukunft, wenn sie unter einheitlichem
Kommando oder unter einheitlicher Führung steht und wenn
sie berufen wird, bei Ansammlungen und Demonstrationen zu intervenieren,
für den Gebrauch der Schußwaffe die militärischen
Bestimmungen gelten, diese beiden Erweiterungen soweit es sich
um den Gebrauch der Schußwaffe - bei einer Vereitlung der
Dienstverrichtung handelt oder soweit die Gendarmerie unter einheitlichem
Kommando steht - sind nicht nur eine Ungeheuerlichkeit, sondern
weichen auch weit ab von den alten Bestimmungen, wo doch gewisse
Vorsichtsmaßnahmen beim Gebrauch der Schußwaffe gegeben
waren, und sie sind gleichzeitig ein Freibrief für die Sinnlosigkeit
einer ohne Verantwortung erfolgenden Schießerei.
Es ist daher sehr interessant, einen Vergleich
zu ziehen zwischen dem, was jetzt durch das Gesetz festgelegt
werden soll, und dem, was schon im alten österreichischen
Gesetz über den Gebrauch der Schußwaffe durch die Gendarmerie
festgelegt war. Im alten Österreich lauteten die Bestimmungen
sehr klar und die Gendarmerie erhielt, wenn sie zu öffentlichen
Kundgebungen oder Ansammlungen herangezogen wurde, ihre Weisungen
auf Grund der damals vorhandenen Instruktionen, in denen festgelegt
war, daß der Gendarm sich ernst und höflich zu verhalten
habe, wenn er bei größeren Ansammlungen zugezogen ist,
und daß er nur dann von der Schußwaffe Gebrauch machen
darf, wenn alle vorherigen Versuche mit gelinden Mitteln fruchtlos
geblieben sind; und selbst dann durften sie nur unter größtmöglichsten
Vorsichten von der Waffe Gebrauch machen und hatten dafür
die ganze Verantwortung zu tragen. Diese Bestimmungen, soweit
es sich um die Dienstverrichtung und den Waffengebrauch bei Ansammlungen
handelt, sind deutlich gegen die Arbeiter und ihre Bewegung gerichtet.
Sie werden in Anwendung gebracht werden bei Streiks, politischen
Kundgebungen, Massendemonstrationen und man glaubt, daß
diese Art des Waffengebrauches das notwendige und wirksame Mittel
der Bekämpfung sei. Trotzdem gibt es heute noch auf
den Bänken der Regierungsparteien Menschen, die der Ansicht
sind, daß man derartige Bestimmungen und Ungeheuerlichkeiten
mit dem Begriff der èechoslovakischen Demokratie in Einklang
bringen kann.
Wie versucht man nun diese Gesetzesänderungen
zu begründen? Man motiviert die Notwendigkeit dieses Gesetzes
damit, daß die Gendarmen nicht genug Verteidigungsmittel
gegen das in der Nachkriegszeit immer mehr hervortretende Verbrechertum
zur Verfügung haben. Man erzählt, daß bereits
45 Gendarmen in Erfüllung ihrer Dienstpflicht das Leben lassen
mußten und daher ein gewisser Schutz in den Verteidigungsmitteln
gegeben werden müsse. Wir bedauern auf das lebhafteste, daß
45 Menschen den Berufsgefahren, wenn ich so sagen darf, erlegen
sind. Aber es ist meiner Ansicht nach doch eine total irrige Annahme,
wenn man sich dem Glauben hingibt, daß Gewehre, die leichter
losgehen, imstande sind, das Verbrechertum einzuschränken.
Wir sind der Meinung, daß durch dieses Gesetz auch die Berufsgefahr
nicht gemildert werden kann, sondern daß unter Umständen
das Gegenteil von dem herbeigeführt wird, was man zu erreichen
glaubte. Denn man darf doch nicht verkennen, wenn von Verbrechertum
und von Verbrechen überhaupt gesprochen wird, daß die
meisten Ursachen des Verbrechens in dem Wesen der kapitalistischen
Gesellschaft liegen, in der wir leben, daß diese Gesellschaft
durch ihre Mittel und Methoden, durch Grausamkeit und Rücksichtslosigkeit
auf allen Gebieten des wirtschaftlichen und sozialen Lebens geradezu
Verbrecher züchtet, daß es diese Gesellschaft mit sich
bringt, daß Menschen, die sonst von Natur aus friedliebend
und ordnungsliebend sind, in ihrer Not und Verzweiflung, in ihrem
Drang nach Selbsterhaltung auf die Bahn des Verbrechens gedrängt
werden.
Die Gendarmen als Menschen selbst werden vielleicht
zum großen Teil und auch vielfach wider ihren Willen durch
die strengen Vorschriften, durch den Raub des Koalitionsrechtes,
durch das Verbot, Standesorganisationen bilden zu dürfen,
durch den Raub des Wahlrechtes zu Werkzeugen der Reaktion gemacht
und auch sonst nicht so wie die anderen Staatsangestellten behandelt.
Nicht nur daß man ihnen jede politische Betätigung
nimmt, daß man ihnen dieses Recht, das alle Staatsbürger
besitzen, entzieht, behandelt man sie auch in der Entlohnungsfrage
ganz anders, als die übrigen Staatsangestellten. Man behandelt
sie geradezu als Bedienstete zweiter Klasse. Während für
alle Staatsangestellten, für die Bediensteten, für die
Militärgagisten die Bezüge genau festgesetzt sind, wird
in diesem Gesetzentwurf nur gesagt, daß die Bezüge
dieser Gendarmeriepersonen durch besondere Vorschriften geregelt
werden sollen. Das ist unserer Ansicht nach eine unerhört
ungleiche Behandlung der Gendarmen, die sicherlich keinen allzu
leichten Dienst zu erfüllen haben. Wir machen aber nicht
die Personen als solche für all das verantwortlich, was wir
als Anklage gegen dieses Gesetz und gegen das Wesen des Gendarmerie-
und Polizeisystems zu erheben haben, wir machen nicht die einzelnen
Menschen dafür verantwortlich, denn diese sind in dieses
System eingereiht, eingezwängt und müssen diesem System
dienen, sondern unser Kampf richtet sich vor allem gegen dieses
System selbst als solches. Nicht nur daß man auf Grund dieses
Gesetzes den Geist erkennt, den die Mehrheitsparteien, die so
viel von Demokratie sprechen, besitzen, kommt noch weiter in Betracht,
daß dieses Gesetz sich würdig anreiht an die sonstigen
Handlungen, die diesem demokratischen Staat so recht das Gepräge
eines Militär- und Polizeistaates aufdrücken. Wir haben
nicht nur ein stehendes Heer von durchschnittlich 120.000 Soldaten,
sondern wir haben nebst dem noch ein Gendarmerieheer von 13.634
Mann und 651 Vorgesetzten. Weil es dem Wesen der Demokratie entspricht,
sehen wir außer diesem ungeheueren Gendarmerieheer noch
das ganze Staatsgebiet mit einem Polizeikordon überzogen
Wir haben in der letzten Zeit die Beobachtung machen können,
daß überall, in den entlegensten Dörfern Gendarmeriestationen
errichtet werden, daß diese Kommandostellen nicht nur die
Aufgaben haben, die sie vermöge den Bestimmungen des Gendarmeriegesetzes
zu erfüllen haben, sondern daß sie vielfach auch als
Organe im politischen und wirtschaftlichen Leben benützt
werden. Wir in Schlesien, einem kleinen Lande, können am
deutlichsten diesen demokratischen Fortschritt beobachten. Wahrscheinlich
hat sich die Regierung mit dem Gedanken getragen, man müsse
doch den Schlesiern für die verloren gegangene Selbständigkeit
irgendeinen Ersatz bieten und an Stelle der Verwaltungsselbständigkeit
haben wir nun cca 170 neue Gendarmeriestationen bekommen, die
in den entlegensten Gebirgsdörfern verstreut sind und mit
Rücksicht auf ihre große Zahl und den kleinen Betätigungskreis,
den sie besitzen, sich doch in irgendeiner Form nützlich
und dienstbar erweisen müssen und versuchen, in dieser anderen
Form durch ihre Tätigkeit sich bemerkbar zu machen. Gerade
seitdem diese große Schar Gendarmeriestationen in den entlegensten
Dörfern errichtet sind, seitdem oft Gendarmerieposten dorthin
kommen, die kaum die Sprache der Menschen verstehen und die Sitten
und Gebräuche der Bevölkerungskreise nicht kennen, finden
wir, daß sich bei allen Gerichten auch die politischen Verfolgungen
bedeutend vermehren. Dieser ungeheuere Apparat muß sich
irgendwie betätigen, die Folge davon sind die unsinnigsten
Anklagen und Anzeigen, bei den geringfügigsten Vorkommnissen,
die man früher achtlos übergangen hat, werden nun politische
und gerichtliche Verfolgungen eingeleitet.
Dabei kommt noch eines in Betracht, und das
ist eine Angelegenheit, die geeignet erscheint, das Rechtsbewußtsein
bei der Bevölkerung dieses Staates zu gefährden: Es
ist die Tatsache, daß den Aussagen der Gendarmerieorgane,
ganz gleichgültig bei welchen Ämtern und Körperschaften,
bei den Verwaltungsbehörden und Gerichten, bei der untersten
und höchsten Instanz unbedingte Glaubwürdigkeit beigemessen
wird, ganz gleichgültig, ob durch eine Reihe von anderen
Zeugen das Gegenteil bewiesen wird. Die Aussage dieser Organe
ist unantastbar, auf Grund der Aussagen dieser Organe erfolgen
Bestrafungen und Verurteilungen.
Ein solcher Zustand muß natürlich
das Rechtsbewußtsein aller erschüttern und bei aller
Anerkennung des schweren Dienstes, den die Gendarmerie zu erfüllen
hat und der vielfach auch vielleicht von einem großen Teile
mit Widerwillen erfüllt wird, muß doch gesagt werden,
daß auch die Gendarmerieorgane keine hundertprozentigen
Edelmenschen sind, sondern daß auch sie als Menschen mit
allen den Hunderten Fehlern und Irrungen behaftet sind, wie die
übrigen Sterblichen und daß es daher unbegreiflich
und unerklärlich für jeden erscheint, der einigermaßen
von Rechtsbewußtsein getragen wird, daß solchen Angaben,
ganz gleichgültig ob sie widerlegt werden oder nicht, unbedingte
Glaubwürdigkeit beigemessen wird.
Ich möchte aus der Fülle der Ereignisse
und der Fälle, die in dieser Richtung massenhaft zur Verfügung
stehen, nur einen herausgreifen, um Ihnen zu zeigen, was auf Grund
solcher Gendarmerieangaben alles geschehen kann. Anläßlich
der Gemeindewahlen in einem kleinen schlesischen Gebirgsdorf hat
im Wahlkampf ein Arbeiter angeblich die Äußerung getan,
es habe der Ortsvorsteher einen Gemeindeofen verscheppert. Der
Ortsvorsteher bringt die Ehrenbeleidigungsklage ein, eine Reihe
von Zeugen wird geführt, alle diese Zeugen erklären,
sie haben eine solche Äußerung nicht gehört, und
nur ein einziger Zeuge, auf dessen Aussage sich die ganze Anklage
gestützt hat, erklärt auf das bestimmteste, diese Äußerung
vernommen zu haben. Dieser Zeuge war kurz vorher aus der Landesirrenanstalt
entlassen worden und über Betreiben des Richters hat der
Primarius dieser Nervenheilanstalt ein Zeugnis eingeschickt, daß
der Zeuge nicht geheilt, sondern nur als gebessert entlassen worden
sei. Diese Aussage des Primarius hat aber dem Richter nicht genügt.
Er hat bei dem Gendarmeriekommando angefragt und der Wachtmeister
des Gendarmeriepostens hat mitgeteilt, der Mann sei vollständig
zurechnungsfähig; und auf Grund dieser Mitteilung wurde der
Arbeiter zu 5 Tagen Arrest verurteilt. Es hat also der Kommandant
des Gendarmeriepostens für den Richter ein maßgebenderes
Zeugnis abgegeben, als der Primarius der Nervenheilanstalt, in
dessen Behandlung der betreffende Zeuge gestanden ist. Und wie
in diesem einen Fall, können wir die Beobachtung bei allen
politischen Verfolgungen, bei allen Prozessen auf Grund des Schutzgesetzes,
bei allen Klagen aus was für immer Gründen, machen und
damit rechnen, wenn eine Gendarmerieaussage vorliegt, daß
diese Aussage für die unbedingte Verurteilung entscheidend
ist.
Gegen eine solche, dem Rechtsbewußtsein
widersprechende Tatsache müssen wir bei der Behandlung dieses
Gesetzes den schärfsten Protest erheben. Ebenso können
wir auch den übrigen Abänderungsbestimmungen dieses
Gesetzes unsere Zustimmung nicht erteilen, soweit es sich um die
Erweiterung des Waffengebrauches handelt, um die Regelung der
Einquartierung, die die Gemeinden kolossal belastet, oder um die
Frage der Entlohnung der Gendarmerieorgane, weil wir der Ansicht
sind, daß auch diese, wie alle anderen öffentlichen
Organe und Bediensteten das Recht haben, ihre Bezüge durch
ein Gesetz geregelt zu erhalten, und daß es nicht angeht,
sie durch besondere Vorschriften zu regeln. Aus allen diesen Gründen
werden wir gegen diese Gesetzesvorlage stimmen. (Souhlas
a potlesk nìm. soc. demokratických poslancù.)
2. Øeè posl. dr Koberga
(viz str. 7 tìsnopisecké zprávy):
Meine Damen und Herren! Seit Jahr und Tag verfolge ich die gerade
zwangsläufig immer mehr und mehr fortschreitende Entwicklung
des èechoslovakischen Staates zu einem Polizeistaat. Es
gibt fast keinen Gesetzentwurf mehr, der sich
mit der Verwaltung dieses Staates beschäftigt, in dem nicht
eine neue Bevormundung der Bevölkerung und eine Verstärkung
der Polizeigewalt der Bürokratenherrschaft vorgesehen wäre.
Auch der vorliegende Gesetzentwurf ist wieder aus dem gleichen
Polizeigeist geboren, wie alle anderen bisherigen Verwaltungsgesetze.
Er regelt den administrativen Waffengebrauch für die Gendarmerie
und für das Korps der Sicherheitswache. Er erweitert ganz
bedeutend die Befugnisse dieser beiden Körperschaften zum
Gebrauch der Waffe, und zwar in einer Weise, wie sie bisher und
im alten Österreich nie für möglich erachtet
wurde. Denn der administrative Waffengebrauch ist doch das äußerste
Mittel der Staatsgewalt, ihren Willen durchzusetzen. Ein aufschiebendes
Beschwerderecht oder ein Überprüfungsrecht mit aufschiebender
Wirkung ist bei dem Waffengebrauche naturgemäß ausgeschlossen.
Daraus entstehen nun selbstverständlich große Gefahren
für die Interessen der Einzelnen, infolge willkürlicher
Handlungen des zwingenden Organes des Staates. Der Erfolg der
Waffenanwendung kann unmöglich im einzelnen Falle sicher
vorausgesagt und berechnet werden. Aus der Willkür kann aber
ein großes Unrecht für den einzelnen Betroffenen entstehen.
Manchmal mag es auch gar keine Willkür sein. Der betreffende
Gendarm oder Polizist ist, wie schon der Herr Vorredner sagte,
auch nur ein Mensch und kann oft von der Waffe, sagen wir, aus
Furcht, Aufregung, aber auch aus Zorn, Rachsucht, Gehässigkeit
gegenüber dem Betroffenen, dem er gegenübersteht, Gebrauch
machen. Das alles kann ihn zum Waffengebrauch verleiten
und deshalb ist es unseres Erachtens notwendig, daß dagegen
schärfste gesetzliche Abhaltungsmotive geschaffen werden.
Der Waffengebrauch geht in seinen Wirkungen
- Tod oder Körperverletzung - weit über das grundsätzliche
Maß der polizeilichen Zwangsmittel hinaus, er ist geradezu
dazu bestimmt, die wichtigsten Güter des Menschen, Leben
und Gesundheit, zu verletzen. Dem gegenüber steht das in
der Verfassung ganz besonders geschützte Recht der körperlichen
Integrität. Deshalb müssen die Vollzugsorgane für
alle Fälle eines Waffengebrauches grundsätzlich der
vollen strafrechtlichen Verantwortung unterworfen werden. Mißbrauch
ist jedenfalls strengstens zu bestrafen, weil einzig und allein
die Strafe ein Abhaltungsmotiv gegenüber allzu großer
Leichtfertigkeit sein kann. Mit diesen Grundsätzen stimmt
aber der vorliegende Entwurf keinesfalls überein.
In Abänderung des § 13 werden im
Art. die Fälle aufgezählt, in denen der Waffengebrauch
erlaubt ist, sowohl für die Gendarmerie wie für die
organisierte Staatspolizei. Nun ist hier aber nicht gesagt, so
wie im alten Österreich, daß der Waffengebrauch nur
nach einer speziellen Aufforderung "im Namen des Gesetzes"
erfolgen darf, es ist nicht gesagt, in welcher Weise der betreffende
Gendarm oder das betreffende Polizeiorgan feststellen kann, ob
es sich tatsächlich um einen gefährlichen Schwerverbrecher
handelt, denn es ist höchst subjektiv zu beurteilen, ob ein
Mensch gefährlich ist oder nicht. Hier in Zahl 2 ist eine
Erweiterung gegenüber den früheren Bestimmungen enthalten,
weil auch ein rein passives Verhalten, wenn nämlich ein sogenannter
gefährlicher Verbrecher über Aufforderung des Gendarmen
sich nicht ergibt oder sein Versteck zu verlassen sich weigert,
die Gefahr herbeiführt, daß gegen ihn von der Waffe
Gebrauch gemacht werden kann. Nun besteht aber bei uns irgend
eine allgemeine Gehorsamspflicht der Staatsbürger keineswegs
und es ist deshalb nicht gut verständlich, daß man
in solchen Fällen gleich mit der Waffe vorgehen soll.
Zahl 3 ist in einer sehr allgemeinen Fassung
gehalten, wie sie sich schon im alten Österreich als unzweckmäßig
gezeigt hat, indem es heißt: "wenn ein auf Vereitelung
der Dienstverrichtung abzielender Widerstand anders nicht bezwungen
werden kann". Das ist viel zu allgemein. Es kann sich ja
dieser Tatbestand gegenüber einem Polizeiorgan auch ergeben
im Trunkenheitsexzess oder weil sich jemand weigert mitzugehen,
obwohl es sich vielleicht nur um eine nächtliche Ruhestörung
handelt; dann ist der betreffende Wachmann ihm gegenüber
nach dem Wortlaut der Bestimmungen unbedingt zum Waffengebrauch
befugt und berechtigt. Dasselbe kann bei Assistenz und bei Exekutionsvereitelung
eintreten, kurz bei Anlässen, die in gar keinem Verhältnis
zu der Schwere des Waffengebrauches stehen. Wohl war in dem österreichischen
Gendarmeriegesetz eine ähnliche Fassung schon vorhanden,
aber damals trug man sich mit der Absicht, diese Fassung etwas
zu konkretisieren, was hier jedoch nicht geschehen ist. Man spricht
hier vom Widerstand, worunter wohl der aktive und der passive
Widerstand zu verstehen ist, der tätliche und stille Widerstand;
wenn z. B. eine Menge der Aufforderung zum Auseinandergehen nicht
Folge leistet, dann hat der Gendarm oder Polizist das Recht zum
Waffengebrauch, aber auch dann, wenn ein einzelner im Ungehorsam
verharrt, kann auf Grund dieser Gesetzesbestimmung sofort von
der Waffe Gebrauch gemacht werden, ohne daß der betreffende
Gendarm oder Polizist zu befürchten hätte, daß
deswegen gegen ihn irgendwie eingeschritten werden könnte.
Im allgemeinen war die frühere Bestimmung, wornach in der
Regel Notwehr notwendig war, um einzuschreiten, gewiß ausreichend
genug, hier aber ist allzu viel Spielraum dem freien Ermessen
gegeben, wenn einfach gesagt wird, "daß der Widerstand
nicht anders bezwungen werden kann". Das ist eine quaestio
facti, die man je nach Auffassung und Ansicht beurteilen kann.
In Zahl 4 heißt es aber auch: "Zur
Vereitelung der Flucht eines gefährlichen Verbrechers"
darf sich das Sicherheitsorgan der Waffe bedienen. Auch das ist
selbstverständlich Ansichtssache, wann ein Verbrecher gefährlich
ist oder minder gefährlich, oder ob nur gegen einen Schwerverbrecher
das Recht des Waffengebrauches gegeben ist; oder muß der
betreffende Verfolgte als gefährlich von den Behörden
bezeichnet worden oder muß er als solcher allgemein bekannt
sein? All das ist hier nicht gesagt. Ist nur dann das Recht des
Waffengebrauches vorhanden, wenn einer begleitet wird, oder wenn
sich der Betreffende auf der Flucht befindet und verfolgt wird?
Jedenfalls ist all dies unklar, Irrtümer dabei sind sehr
leicht möglich, weil bei irgend einem, der flieht, nicht
festgestellt werden kann, ob er tatsächlich ein Verbrecher
ist, und wenn man sofort von der Schußwaffe gegen ihn Gebrauch
macht, kann sehr leicht ein Menschenleben aufs Spiel gesetzt werden,
ohne daß irgend eine Schuld von seiner Seite vorliegt. Jedenfalls
werden hier Rechte eingeräumt, die weit über das Maß
dessen hinausgehen, was man in Österreich oder im Deutschen
Reich diesbezüglich als zulässig erklärt hat. Man
sieht wiederum, daß die Gendarmerie und Polizei ebenso wie
die Finanzwache als Teil der Armee betrachtet werden und deshalb
gibt man ihr auch im letzten Absatz der Zahl 1 die Möglichkeit,
wenn sie geschlossen unter einheitlicher Führung und Kommando
auftritt, also z. B. beim Menschenauflauf oder Zusammenrottung,
und dann auch nach den gleichen Vorschriften beurteilt
zu werden, wie das Militär.
Wir hatten im alten Österreich eine ähnliche
Bestimmung, welche allerdings besagte, daß zum Waffengebrauch
des Militärs unter allen Umständen notwendig sei eine
Übereinstimmung des betreffenden politischen Kommissärs
und des militärischen Kommandanten der betreffenden Truppenabteilung;
erst dann durfte das ausgerückte Militär von der Waffe
Gebrauch machen. Nun entfällt das, es kann ohne politischen
Beamten und ohne Offizier der betreffende Gendarm, der das Kommando
hinsichtlich der zusammengezogenen Polizei oder Gendarmerie führt,
einfach zum Waffengebrauch übergehen. Wir haben am 4. März
1919 die traurigsten Erfahrungen damit gemacht, in welcher Weise
das Recht zum Waffengebrauch mißbraucht wird, in Kaaden,
Sternberg und in andern Orten, wo eine Menge ganz unschuldiger
deutscher Menschen erschossen wurde, bloß weil der betreffende
Kommandant etwas nervös geworden ist, oder weil man damals
die Absicht hatte, in die deutschen hineinzupulvern und ein Exempel
zu statuieren gegen das Selbstbestimmungsrecht.
Nach dem alten österreichischen Dienstreglement
des Heeres war bei jedem Einschreiten die Übereinstimmung
des politischen Beamten und des militärischen Kommandanten
notwendig, es sei denn, daß die Truppe von Tumultanten angegriffen
wurde oder tatsächlich insultiert wurde, wie es damals hieß;
doch bestimmte Punkt 518/l: "Unbewaffnete Weiber, Kinder
und Greise sind zu schonen." Gerade das aber war in Kaaden
und Sternberg nicht der Fall, eine ganze Menge von unbewaffneten
Weibern, Kindern und Greisen ist von rückwärts erschossen
worden. Man hat sich also schon damals nicht an diese Bestimmung
gehalten und erweitert nunmehr das Recht des Waffengebrauches
durch Gendarmerie und Polizei in gleicher Weise, wie es beim Militär
schon bestand. Die Gefahr für die Bevölkerung wird dadurch
selbstverständlich noch größer. Im Absatz 2 des
Punktes 518 hieß es: "Die Schußwaffe ist nur
dann zu gebrauchen, wenn ein Bajonettangriff nicht ausreicht,
oder aber wenn die Truppe zum Schußwaffengebrauch infolge
Notwehr gezwungen ist." Nun, damals im Jahre 1919 war gewiß
kein Zwang dafür vorhanden. Wenn man schon in diesen Städten
die Plätze hätte räumen wollen, hätte man
sicherlich mit einem Bajonettangriff das Auslangen gefunden. Man
hat aber nicht nur mit Gewehren, man hat auch mit Maschinengewehren
in die Menge hineingeschossen und hat dabei den ganzen Platz abgestreut,
sodaß gerade solche Leute, die im Hintergrund standen und
an den ganzen Vorfällen unbeteiligt waren, getroffen und
getötet wurden.
Infolgedessen gehören ähnliche einschränkende
Bestimmungen, wie sie schon im alten Österreich in den Dienstvorschriften
des Heeres vorhanden waren, auch in dieses Gesetz hinein, leider
aber hat man in dieser Beziehung keine Zeit gefunden, sich mit
allen diese Möglichkeiten zu beschäftigen, die sich
aus einem derartigen Gesetz ergeben; man hat ja Sorgen, man ist
erregt und entsetzt darüber, daß 5 Waggons Maschinengewehrbestandteile
nach Ungarn transportiert wurden.Darüber hat man sich den
Kopf zerbrochen, hat Tage lang hier herumgeredet, daher findet
man keine Zeit, sich mit dem vorliegenden Gesetzentwurf ausführlich
zu beschäftigen. Wir wissen genau, daß von einer Erregung
in der deutschen Bevölkerung wegen St. Gotthard keine Rede
ist, es fällt draußen bei uns niemanden ein, sich zu
entsetzen, weil Ungarn 5 Waggons Maschinengewehrbestandteile
bezogen hat, denn wir wissen nach allen Äußerungen
unseres Außen- und Innenministers, daß die Èechoslovakische
Republik so konsolidiert ist, daß ihr 5 Waggons Maschinengewehrbestandteile
jedenfalls keinen allzu großen Schaden zufügen werden.
Wir sind deshalb durchaus nicht beunruhigt
und schauen vertrauensvoll in die Zukunft, werden uns also keineswegs
entsetzen und erregen, wie Abg. Windirsch gestern gesagt
hat, daß es die deutsche Bevölkerung draußen
tue. Es würde uns sehr interessieren, zu erfahren, wo diese
Erregung im deutschen Gebiete vorhanden ist. Wir wissen jedenfalls
nichts davon und haben deshalb gestern auch darüber lachen
müssen, als mit einer derartigen Theatralik von der Erregung
in der deutschen Bevölkerung über eine Waffensendung
nach Ungarn gesprochen wurde. Wir würden wünschen, daß
man sich ausführlicher mit derartigen Gesetzesvorschriften
und Gesetzesanträgen beschäftigen würde und dabei
gewiß große Gefährdungen der Bevölkerung
hintanhalten könnte. Man hat aber scheinbar dafür kein
Interesse und überläßt es ganz dem Gutdünken
der Regierung; welchen Antrag immer sie vorzulegen beliebt, alles
wird geschluckt und wenn dadurch die Allmacht der Staatsorgane
gestützt und gestärkt wird, ist man damit durchaus zufrieden.