Ètvrtek 26. ledna 1928

Pøíloha k tìsnopisecké zprávì

o 125. schùzi poslanecké snìmovny Národního shromáždìní

republiky Èeskoslovenské

v Praze ve ètvrtek dne 26. ledna 1928.

1. Øeè posl. Heegera (viz str. 5 tìsnopisccké zprávy):

Hohes Haus! Der vorliegende Gesetzentwurf verfolgt den Zweck, einige Bestimmungen, u. zw. die §§ 13, 24 und 25 des im Jahre 1920 beschlossenen Gendarmeriegesetzes abzuändern. Vor allem sollen diese Bestimmungen der Gendarmerie den Gebrauch der Schußwaffe erleichtern und die bisher geltende Verantwortung für den Gebrauch dieser Schußwaffe bedeutend mildern. Gleichzeitig wird mit dieser Gesetzesabänderung festgelegt, daß die Dienstbezüge ebenso wie die Ruhe- und Versorgungsgenüsse der Gendarmerie durch besondere Vorschriften geregelt werden sollen. Außerdem sollen § 4 des Gesetzes vom 3. Juli 1927, betreffend die Sicherheitswache abgeändert und dieser Sicherheitswache die Rechte der Zivilwache zuerkannt werden.

Die neuen Bestimmungen des Gesetzes und die geplanten Abänderungen sind so durchsichtig, daß man recht deutlich beobachten kann, daß nicht bloß der Zweck verfolgt wird, den Gebrauch der Schußwaffe Verbrechern gegenüber zu erleichtern, sondern daß man auch diese Schußwaffe leichter und ohne Verantwortung, wenn es notwendig erscheint, den friedliebenden èechoslovakischen Staatsbürgern gegenüber zur Anwendung bringen will. Es soll - und das ist wohl Tendenz dieser nun verlangten Abänderungen des Gendarmeriegesetzes - die Möglichkeit geboten werden, unter Umständen den èechoslovakischen Staatsbürgern den Begriff èechoslovakischer Demokratie mit blauen Bohnen beibringen zu können. Das alte Gesetz, das im Jahre 1920 beschlossen wurde, hat ausdrücklich festgelegt, wann, in welchen Fällen die Gendarmerie von der Schußwaffe Gebrauch machen kann. In diesem Gesetze wurde festgesetzt, daß von der Schußwaffe nur Gebrauch gemacht werden darf im Falle der Notwehr, eines gegen den Gendarmen gerichteten tätlichen, gewaltsamen Angriffes oder dann, wenn das Leben einer anderen Person gefährdet oder bedroht gewesen ist. Nach dem neuen Gesetz, unter den Bestimmungen, wie sie diese Abänderungen verlangen, kann die Gendarmerie schießen, wann, wo und wie es ihr paßt. Sie kann von der Schießwaffe Gebrauch machen nicht nur im Falle der Notwehr, nicht nur wegen eines gegen sie gerichteten Angriffes, nicht nur wenn das Leben einer anderen Person gefährdet erscheint, sondern sie kann auch von der Schußwaffe Gebrauch machen, wenn der Träger dieser Schußwaffe glaubt oder sich einbildet, daß sein Leben bedroht ist oder wenn der Verbrecher, den er zu verfolgen hat, sich nicht ergibt oder, wie es in den neuen Abänderungen heißt, sich weigert, das Versteck zu verlassen.

Die ungeheuerlichste Bestimmung, die wohl den schärfsten Protest hervorrufen muß und die so deutlich gegen die Arbeiterklasse gerichtet ist, ist wohl die, daß der Gendarm, wenn er sieht, daß irgend ein absichtlicher Widerstand seine Dienstverrichtung vereitelt, von der Schußwaffe Gebrauch machen kann. Diese sowie die weitere Bestimmung, daß für die Gendarmerie in Zukunft, wenn sie unter einheitlichem Kommando oder unter einheitlicher Führung steht und wenn sie berufen wird, bei Ansammlungen und Demonstrationen zu intervenieren, für den Gebrauch der Schußwaffe die militärischen Bestimmungen gelten, diese beiden Erweiterungen soweit es sich um den Gebrauch der Schußwaffe - bei einer Vereitlung der Dienstverrichtung handelt oder soweit die Gendarmerie unter einheitlichem Kommando steht - sind nicht nur eine Ungeheuerlichkeit, sondern weichen auch weit ab von den alten Bestimmungen, wo doch gewisse Vorsichtsmaßnahmen beim Gebrauch der Schußwaffe gegeben waren, und sie sind gleichzeitig ein Freibrief für die Sinnlosigkeit einer ohne Verantwortung erfolgenden Schießerei.

Es ist daher sehr interessant, einen Vergleich zu ziehen zwischen dem, was jetzt durch das Gesetz festgelegt werden soll, und dem, was schon im alten österreichischen Gesetz über den Gebrauch der Schußwaffe durch die Gendarmerie festgelegt war. Im alten Österreich lauteten die Bestimmungen sehr klar und die Gendarmerie erhielt, wenn sie zu öffentlichen Kundgebungen oder Ansammlungen herangezogen wurde, ihre Weisungen auf Grund der damals vorhandenen Instruktionen, in denen festgelegt war, daß der Gendarm sich ernst und höflich zu verhalten habe, wenn er bei größeren Ansammlungen zugezogen ist, und daß er nur dann von der Schußwaffe Gebrauch machen darf, wenn alle vorherigen Versuche mit gelinden Mitteln fruchtlos geblieben sind; und selbst dann durften sie nur unter größtmöglichsten Vorsichten von der Waffe Gebrauch machen und hatten dafür die ganze Verantwortung zu tragen. Diese Bestimmungen, soweit es sich um die Dienstverrichtung und den Waffengebrauch bei Ansammlungen handelt, sind deutlich gegen die Arbeiter und ihre Bewegung gerichtet. Sie werden in Anwendung gebracht werden bei Streiks, politischen Kundgebungen, Massendemonstrationen und man glaubt, daß diese Art des Waffengebrauches das notwendige und wirksame Mittel der Bekämpfung sei. Trotzdem gibt es heute noch auf den Bänken der Regierungsparteien Menschen, die der Ansicht sind, daß man derartige Bestimmungen und Ungeheuerlichkeiten mit dem Begriff der èechoslovakischen Demokratie in Einklang bringen kann.

Wie versucht man nun diese Gesetzesänderungen zu begründen? Man motiviert die Notwendigkeit dieses Gesetzes damit, daß die Gendarmen nicht genug Verteidigungsmittel gegen das in der Nachkriegszeit immer mehr hervortretende Verbrechertum zur Verfügung haben. Man erzählt, daß bereits 45 Gendarmen in Erfüllung ihrer Dienstpflicht das Leben lassen mußten und daher ein gewisser Schutz in den Verteidigungsmitteln gegeben werden müsse. Wir bedauern auf das lebhafteste, daß 45 Menschen den Berufsgefahren, wenn ich so sagen darf, erlegen sind. Aber es ist meiner Ansicht nach doch eine total irrige Annahme, wenn man sich dem Glauben hingibt, daß Gewehre, die leichter losgehen, imstande sind, das Verbrechertum einzuschränken. Wir sind der Meinung, daß durch dieses Gesetz auch die Berufsgefahr nicht gemildert werden kann, sondern daß unter Umständen das Gegenteil von dem herbeigeführt wird, was man zu erreichen glaubte. Denn man darf doch nicht verkennen, wenn von Verbrechertum und von Verbrechen überhaupt gesprochen wird, daß die meisten Ursachen des Verbrechens in dem Wesen der kapitalistischen Gesellschaft liegen, in der wir leben, daß diese Gesellschaft durch ihre Mittel und Methoden, durch Grausamkeit und Rücksichtslosigkeit auf allen Gebieten des wirtschaftlichen und sozialen Lebens geradezu Verbrecher züchtet, daß es diese Gesellschaft mit sich bringt, daß Menschen, die sonst von Natur aus friedliebend und ordnungsliebend sind, in ihrer Not und Verzweiflung, in ihrem Drang nach Selbsterhaltung auf die Bahn des Verbrechens gedrängt werden.

Die Gendarmen als Menschen selbst werden vielleicht zum großen Teil und auch vielfach wider ihren Willen durch die strengen Vorschriften, durch den Raub des Koalitionsrechtes, durch das Verbot, Standesorganisationen bilden zu dürfen, durch den Raub des Wahlrechtes zu Werkzeugen der Reaktion gemacht und auch sonst nicht so wie die anderen Staatsangestellten behandelt. Nicht nur daß man ihnen jede politische Betätigung nimmt, daß man ihnen dieses Recht, das alle Staatsbürger besitzen, entzieht, behandelt man sie auch in der Entlohnungsfrage ganz anders, als die übrigen Staatsangestellten. Man behandelt sie geradezu als Bedienstete zweiter Klasse. Während für alle Staatsangestellten, für die Bediensteten, für die Militärgagisten die Bezüge genau festgesetzt sind, wird in diesem Gesetzentwurf nur gesagt, daß die Bezüge dieser Gendarmeriepersonen durch besondere Vorschriften geregelt werden sollen. Das ist unserer Ansicht nach eine unerhört ungleiche Behandlung der Gendarmen, die sicherlich keinen allzu leichten Dienst zu erfüllen haben. Wir machen aber nicht die Personen als solche für all das verantwortlich, was wir als Anklage gegen dieses Gesetz und gegen das Wesen des Gendarmerie- und Polizeisystems zu erheben haben, wir machen nicht die einzelnen Menschen dafür verantwortlich, denn diese sind in dieses System eingereiht, eingezwängt und müssen diesem System dienen, sondern unser Kampf richtet sich vor allem gegen dieses System selbst als solches. Nicht nur daß man auf Grund dieses Gesetzes den Geist erkennt, den die Mehrheitsparteien, die so viel von Demokratie sprechen, besitzen, kommt noch weiter in Betracht, daß dieses Gesetz sich würdig anreiht an die sonstigen Handlungen, die diesem demokratischen Staat so recht das Gepräge eines Militär- und Polizeistaates aufdrücken. Wir haben nicht nur ein stehendes Heer von durchschnittlich 120.000 Soldaten, sondern wir haben nebst dem noch ein Gendarmerieheer von 13.634 Mann und 651 Vorgesetzten. Weil es dem Wesen der Demokratie entspricht, sehen wir außer diesem ungeheueren Gendarmerieheer noch das ganze Staatsgebiet mit einem Polizeikordon überzogen Wir haben in der letzten Zeit die Beobachtung machen können, daß überall, in den entlegensten Dörfern Gendarmeriestationen errichtet werden, daß diese Kommandostellen nicht nur die Aufgaben haben, die sie vermöge den Bestimmungen des Gendarmeriegesetzes zu erfüllen haben, sondern daß sie vielfach auch als Organe im politischen und wirtschaftlichen Leben benützt werden. Wir in Schlesien, einem kleinen Lande, können am deutlichsten diesen demokratischen Fortschritt beobachten. Wahrscheinlich hat sich die Regierung mit dem Gedanken getragen, man müsse doch den Schlesiern für die verloren gegangene Selbständigkeit irgendeinen Ersatz bieten und an Stelle der Verwaltungsselbständigkeit haben wir nun cca 170 neue Gendarmeriestationen bekommen, die in den entlegensten Gebirgsdörfern verstreut sind und mit Rücksicht auf ihre große Zahl und den kleinen Betätigungskreis, den sie besitzen, sich doch in irgendeiner Form nützlich und dienstbar erweisen müssen und versuchen, in dieser anderen Form durch ihre Tätigkeit sich bemerkbar zu machen. Gerade seitdem diese große Schar Gendarmeriestationen in den entlegensten Dörfern errichtet sind, seitdem oft Gendarmerieposten dorthin kommen, die kaum die Sprache der Menschen verstehen und die Sitten und Gebräuche der Bevölkerungskreise nicht kennen, finden wir, daß sich bei allen Gerichten auch die politischen Verfolgungen bedeutend vermehren. Dieser ungeheuere Apparat muß sich irgendwie betätigen, die Folge davon sind die unsinnigsten Anklagen und Anzeigen, bei den geringfügigsten Vorkommnissen, die man früher achtlos übergangen hat, werden nun politische und gerichtliche Verfolgungen eingeleitet.

Dabei kommt noch eines in Betracht, und das ist eine Angelegenheit, die geeignet erscheint, das Rechtsbewußtsein bei der Bevölkerung dieses Staates zu gefährden: Es ist die Tatsache, daß den Aussagen der Gendarmerieorgane, ganz gleichgültig bei welchen Ämtern und Körperschaften, bei den Verwaltungsbehörden und Gerichten, bei der untersten und höchsten Instanz unbedingte Glaubwürdigkeit beigemessen wird, ganz gleichgültig, ob durch eine Reihe von anderen Zeugen das Gegenteil bewiesen wird. Die Aussage dieser Organe ist unantastbar, auf Grund der Aussagen dieser Organe erfolgen Bestrafungen und Verurteilungen.

Ein solcher Zustand muß natürlich das Rechtsbewußtsein aller erschüttern und bei aller Anerkennung des schweren Dienstes, den die Gendarmerie zu erfüllen hat und der vielfach auch vielleicht von einem großen Teile mit Widerwillen erfüllt wird, muß doch gesagt werden, daß auch die Gendarmerieorgane keine hundertprozentigen Edelmenschen sind, sondern daß auch sie als Menschen mit allen den Hunderten Fehlern und Irrungen behaftet sind, wie die übrigen Sterblichen und daß es daher unbegreiflich und unerklärlich für jeden erscheint, der einigermaßen von Rechtsbewußtsein getragen wird, daß solchen Angaben, ganz gleichgültig ob sie widerlegt werden oder nicht, unbedingte Glaubwürdigkeit beigemessen wird.

Ich möchte aus der Fülle der Ereignisse und der Fälle, die in dieser Richtung massenhaft zur Verfügung stehen, nur einen herausgreifen, um Ihnen zu zeigen, was auf Grund solcher Gendarmerieangaben alles geschehen kann. Anläßlich der Gemeindewahlen in einem kleinen schlesischen Gebirgsdorf hat im Wahlkampf ein Arbeiter angeblich die Äußerung getan, es habe der Ortsvorsteher einen Gemeindeofen verscheppert. Der Ortsvorsteher bringt die Ehrenbeleidigungsklage ein, eine Reihe von Zeugen wird geführt, alle diese Zeugen erklären, sie haben eine solche Äußerung nicht gehört, und nur ein einziger Zeuge, auf dessen Aussage sich die ganze Anklage gestützt hat, erklärt auf das bestimmteste, diese Äußerung vernommen zu haben. Dieser Zeuge war kurz vorher aus der Landesirrenanstalt entlassen worden und über Betreiben des Richters hat der Primarius dieser Nervenheilanstalt ein Zeugnis eingeschickt, daß der Zeuge nicht geheilt, sondern nur als gebessert entlassen worden sei. Diese Aussage des Primarius hat aber dem Richter nicht genügt. Er hat bei dem Gendarmeriekommando angefragt und der Wachtmeister des Gendarmeriepostens hat mitgeteilt, der Mann sei vollständig zurechnungsfähig; und auf Grund dieser Mitteilung wurde der Arbeiter zu 5 Tagen Arrest verurteilt. Es hat also der Kommandant des Gendarmeriepostens für den Richter ein maßgebenderes Zeugnis abgegeben, als der Primarius der Nervenheilanstalt, in dessen Behandlung der betreffende Zeuge gestanden ist. Und wie in diesem einen Fall, können wir die Beobachtung bei allen politischen Verfolgungen, bei allen Prozessen auf Grund des Schutzgesetzes, bei allen Klagen aus was für immer Gründen, machen und damit rechnen, wenn eine Gendarmerieaussage vorliegt, daß diese Aussage für die unbedingte Verurteilung entscheidend ist.

Gegen eine solche, dem Rechtsbewußtsein widersprechende Tatsache müssen wir bei der Behandlung dieses Gesetzes den schärfsten Protest erheben. Ebenso können wir auch den übrigen Abänderungsbestimmungen dieses Gesetzes unsere Zustimmung nicht erteilen, soweit es sich um die Erweiterung des Waffengebrauches handelt, um die Regelung der Einquartierung, die die Gemeinden kolossal belastet, oder um die Frage der Entlohnung der Gendarmerieorgane, weil wir der Ansicht sind, daß auch diese, wie alle anderen öffentlichen Organe und Bediensteten das Recht haben, ihre Bezüge durch ein Gesetz geregelt zu erhalten, und daß es nicht angeht, sie durch besondere Vorschriften zu regeln. Aus allen diesen Gründen werden wir gegen diese Gesetzesvorlage stimmen. (Souhlas a potlesk nìm. soc. demokratických poslancù.)

2. Øeè posl. dr Koberga (viz str. 7 tìsnopisecké zprávy):

Meine Damen und Herren! Seit Jahr und Tag verfolge ich die gerade zwangsläufig immer mehr und mehr fortschreitende Entwicklung des èechoslovakischen Staates zu einem Polizeistaat. Es gibt fast keinen Gesetzentwurf mehr, der sich mit der Verwaltung dieses Staates beschäftigt, in dem nicht eine neue Bevormundung der Bevölkerung und eine Verstärkung der Polizeigewalt der Bürokratenherrschaft vorgesehen wäre. Auch der vorliegende Gesetzentwurf ist wieder aus dem gleichen Polizeigeist geboren, wie alle anderen bisherigen Verwaltungsgesetze. Er regelt den administrativen Waffengebrauch für die Gendarmerie und für das Korps der Sicherheitswache. Er erweitert ganz bedeutend die Befugnisse dieser beiden Körperschaften zum Gebrauch der Waffe, und zwar in einer Weise, wie sie bisher und im alten Österreich nie für möglich erachtet wurde. Denn der administrative Waffengebrauch ist doch das äußerste Mittel der Staatsgewalt, ihren Willen durchzusetzen. Ein aufschiebendes Beschwerderecht oder ein Überprüfungsrecht mit aufschiebender Wirkung ist bei dem Waffengebrauche naturgemäß ausgeschlossen. Daraus entstehen nun selbstverständlich große Gefahren für die Interessen der Einzelnen, infolge willkürlicher Handlungen des zwingenden Organes des Staates. Der Erfolg der Waffenanwendung kann unmöglich im einzelnen Falle sicher vorausgesagt und berechnet werden. Aus der Willkür kann aber ein großes Unrecht für den einzelnen Betroffenen entstehen. Manchmal mag es auch gar keine Willkür sein. Der betreffende Gendarm oder Polizist ist, wie schon der Herr Vorredner sagte, auch nur ein Mensch und kann oft von der Waffe, sagen wir, aus Furcht, Aufregung, aber auch aus Zorn, Rachsucht, Gehässigkeit gegenüber dem Betroffenen, dem er gegenübersteht, Gebrauch machen. Das alles kann ihn zum Waffengebrauch verleiten und deshalb ist es unseres Erachtens notwendig, daß dagegen schärfste gesetzliche Abhaltungsmotive geschaffen werden.

Der Waffengebrauch geht in seinen Wirkungen - Tod oder Körperverletzung - weit über das grundsätzliche Maß der polizeilichen Zwangsmittel hinaus, er ist geradezu dazu bestimmt, die wichtigsten Güter des Menschen, Leben und Gesundheit, zu verletzen. Dem gegenüber steht das in der Verfassung ganz besonders geschützte Recht der körperlichen Integrität. Deshalb müssen die Vollzugsorgane für alle Fälle eines Waffengebrauches grundsätzlich der vollen strafrechtlichen Verantwortung unterworfen werden. Mißbrauch ist jedenfalls strengstens zu bestrafen, weil einzig und allein die Strafe ein Abhaltungsmotiv gegenüber allzu großer Leichtfertigkeit sein kann. Mit diesen Grundsätzen stimmt aber der vorliegende Entwurf keinesfalls überein.

In Abänderung des § 13 werden im Art. die Fälle aufgezählt, in denen der Waffengebrauch erlaubt ist, sowohl für die Gendarmerie wie für die organisierte Staatspolizei. Nun ist hier aber nicht gesagt, so wie im alten Österreich, daß der Waffengebrauch nur nach einer speziellen Aufforderung "im Namen des Gesetzes" erfolgen darf, es ist nicht gesagt, in welcher Weise der betreffende Gendarm oder das betreffende Polizeiorgan feststellen kann, ob es sich tatsächlich um einen gefährlichen Schwerverbrecher handelt, denn es ist höchst subjektiv zu beurteilen, ob ein Mensch gefährlich ist oder nicht. Hier in Zahl 2 ist eine Erweiterung gegenüber den früheren Bestimmungen enthalten, weil auch ein rein passives Verhalten, wenn nämlich ein sogenannter gefährlicher Verbrecher über Aufforderung des Gendarmen sich nicht ergibt oder sein Versteck zu verlassen sich weigert, die Gefahr herbeiführt, daß gegen ihn von der Waffe Gebrauch gemacht werden kann. Nun besteht aber bei uns irgend eine allgemeine Gehorsamspflicht der Staatsbürger keineswegs und es ist deshalb nicht gut verständlich, daß man in solchen Fällen gleich mit der Waffe vorgehen soll.

Zahl 3 ist in einer sehr allgemeinen Fassung gehalten, wie sie sich schon im alten Österreich als unzweckmäßig gezeigt hat, indem es heißt: "wenn ein auf Vereitelung der Dienstverrichtung abzielender Widerstand anders nicht bezwungen werden kann". Das ist viel zu allgemein. Es kann sich ja dieser Tatbestand gegenüber einem Polizeiorgan auch ergeben im Trunkenheitsexzess oder weil sich jemand weigert mitzugehen, obwohl es sich vielleicht nur um eine nächtliche Ruhestörung handelt; dann ist der betreffende Wachmann ihm gegenüber nach dem Wortlaut der Bestimmungen unbedingt zum Waffengebrauch befugt und berechtigt. Dasselbe kann bei Assistenz und bei Exekutionsvereitelung eintreten, kurz bei Anlässen, die in gar keinem Verhältnis zu der Schwere des Waffengebrauches stehen. Wohl war in dem österreichischen Gendarmeriegesetz eine ähnliche Fassung schon vorhanden, aber damals trug man sich mit der Absicht, diese Fassung etwas zu konkretisieren, was hier jedoch nicht geschehen ist. Man spricht hier vom Widerstand, worunter wohl der aktive und der passive Widerstand zu verstehen ist, der tätliche und stille Widerstand; wenn z. B. eine Menge der Aufforderung zum Auseinandergehen nicht Folge leistet, dann hat der Gendarm oder Polizist das Recht zum Waffengebrauch, aber auch dann, wenn ein einzelner im Ungehorsam verharrt, kann auf Grund dieser Gesetzesbestimmung sofort von der Waffe Gebrauch gemacht werden, ohne daß der betreffende Gendarm oder Polizist zu befürchten hätte, daß deswegen gegen ihn irgendwie eingeschritten werden könnte. Im allgemeinen war die frühere Bestimmung, wornach in der Regel Notwehr notwendig war, um einzuschreiten, gewiß ausreichend genug, hier aber ist allzu viel Spielraum dem freien Ermessen gegeben, wenn einfach gesagt wird, "daß der Widerstand nicht anders bezwungen werden kann". Das ist eine quaestio facti, die man je nach Auffassung und Ansicht beurteilen kann.

In Zahl 4 heißt es aber auch: "Zur Vereitelung der Flucht eines gefährlichen Verbrechers" darf sich das Sicherheitsorgan der Waffe bedienen. Auch das ist selbstverständlich Ansichtssache, wann ein Verbrecher gefährlich ist oder minder gefährlich, oder ob nur gegen einen Schwerverbrecher das Recht des Waffengebrauches gegeben ist; oder muß der betreffende Verfolgte als gefährlich von den Behörden bezeichnet worden oder muß er als solcher allgemein bekannt sein? All das ist hier nicht gesagt. Ist nur dann das Recht des Waffengebrauches vorhanden, wenn einer begleitet wird, oder wenn sich der Betreffende auf der Flucht befindet und verfolgt wird? Jedenfalls ist all dies unklar, Irrtümer dabei sind sehr leicht möglich, weil bei irgend einem, der flieht, nicht festgestellt werden kann, ob er tatsächlich ein Verbrecher ist, und wenn man sofort von der Schußwaffe gegen ihn Gebrauch macht, kann sehr leicht ein Menschenleben aufs Spiel gesetzt werden, ohne daß irgend eine Schuld von seiner Seite vorliegt. Jedenfalls werden hier Rechte eingeräumt, die weit über das Maß dessen hinausgehen, was man in Österreich oder im Deutschen Reich diesbezüglich als zulässig erklärt hat. Man sieht wiederum, daß die Gendarmerie und Polizei ebenso wie die Finanzwache als Teil der Armee betrachtet werden und deshalb gibt man ihr auch im letzten Absatz der Zahl 1 die Möglichkeit, wenn sie geschlossen unter einheitlicher Führung und Kommando auftritt, also z. B. beim Menschenauflauf oder Zusammenrottung, und dann auch nach den gleichen Vorschriften beurteilt zu werden, wie das Militär.

Wir hatten im alten Österreich eine ähnliche Bestimmung, welche allerdings besagte, daß zum Waffengebrauch des Militärs unter allen Umständen notwendig sei eine Übereinstimmung des betreffenden politischen Kommissärs und des militärischen Kommandanten der betreffenden Truppenabteilung; erst dann durfte das ausgerückte Militär von der Waffe Gebrauch machen. Nun entfällt das, es kann ohne politischen Beamten und ohne Offizier der betreffende Gendarm, der das Kommando hinsichtlich der zusammengezogenen Polizei oder Gendarmerie führt, einfach zum Waffengebrauch übergehen. Wir haben am 4. März 1919 die traurigsten Erfahrungen damit gemacht, in welcher Weise das Recht zum Waffengebrauch mißbraucht wird, in Kaaden, Sternberg und in andern Orten, wo eine Menge ganz unschuldiger deutscher Menschen erschossen wurde, bloß weil der betreffende Kommandant etwas nervös geworden ist, oder weil man damals die Absicht hatte, in die deutschen hineinzupulvern und ein Exempel zu statuieren gegen das Selbstbestimmungsrecht.

Nach dem alten österreichischen Dienstreglement des Heeres war bei jedem Einschreiten die Übereinstimmung des politischen Beamten und des militärischen Kommandanten notwendig, es sei denn, daß die Truppe von Tumultanten angegriffen wurde oder tatsächlich insultiert wurde, wie es damals hieß; doch bestimmte Punkt 518/l: "Unbewaffnete Weiber, Kinder und Greise sind zu schonen." Gerade das aber war in Kaaden und Sternberg nicht der Fall, eine ganze Menge von unbewaffneten Weibern, Kindern und Greisen ist von rückwärts erschossen worden. Man hat sich also schon damals nicht an diese Bestimmung gehalten und erweitert nunmehr das Recht des Waffengebrauches durch Gendarmerie und Polizei in gleicher Weise, wie es beim Militär schon bestand. Die Gefahr für die Bevölkerung wird dadurch selbstverständlich noch größer. Im Absatz 2 des Punktes 518 hieß es: "Die Schußwaffe ist nur dann zu gebrauchen, wenn ein Bajonettangriff nicht ausreicht, oder aber wenn die Truppe zum Schußwaffengebrauch infolge Notwehr gezwungen ist." Nun, damals im Jahre 1919 war gewiß kein Zwang dafür vorhanden. Wenn man schon in diesen Städten die Plätze hätte räumen wollen, hätte man sicherlich mit einem Bajonettangriff das Auslangen gefunden. Man hat aber nicht nur mit Gewehren, man hat auch mit Maschinengewehren in die Menge hineingeschossen und hat dabei den ganzen Platz abgestreut, sodaß gerade solche Leute, die im Hintergrund standen und an den ganzen Vorfällen unbeteiligt waren, getroffen und getötet wurden.

Infolgedessen gehören ähnliche einschränkende Bestimmungen, wie sie schon im alten Österreich in den Dienstvorschriften des Heeres vorhanden waren, auch in dieses Gesetz hinein, leider aber hat man in dieser Beziehung keine Zeit gefunden, sich mit allen diese Möglichkeiten zu beschäftigen, die sich aus einem derartigen Gesetz ergeben; man hat ja Sorgen, man ist erregt und entsetzt darüber, daß 5 Waggons Maschinengewehrbestandteile nach Ungarn transportiert wurden.Darüber hat man sich den Kopf zerbrochen, hat Tage lang hier herumgeredet, daher findet man keine Zeit, sich mit dem vorliegenden Gesetzentwurf ausführlich zu beschäftigen. Wir wissen genau, daß von einer Erregung in der deutschen Bevölkerung wegen St. Gotthard keine Rede ist, es fällt draußen bei uns niemanden ein, sich zu entsetzen, weil Ungarn 5 Waggons Maschinengewehrbestandteile bezogen hat, denn wir wissen nach allen Äußerungen unseres Außen- und Innenministers, daß die Èechoslovakische Republik so konsolidiert ist, daß ihr 5 Waggons Maschinengewehrbestandteile jedenfalls keinen allzu großen Schaden zufügen werden. Wir sind deshalb durchaus nicht beunruhigt und schauen vertrauensvoll in die Zukunft, werden uns also keineswegs entsetzen und erregen, wie Abg. Windirsch gestern gesagt hat, daß es die deutsche Bevölkerung draußen tue. Es würde uns sehr interessieren, zu erfahren, wo diese Erregung im deutschen Gebiete vorhanden ist. Wir wissen jedenfalls nichts davon und haben deshalb gestern auch darüber lachen müssen, als mit einer derartigen Theatralik von der Erregung in der deutschen Bevölkerung über eine Waffensendung nach Ungarn gesprochen wurde. Wir würden wünschen, daß man sich ausführlicher mit derartigen Gesetzesvorschriften und Gesetzesanträgen beschäftigen würde und dabei gewiß große Gefährdungen der Bevölkerung hintanhalten könnte. Man hat aber scheinbar dafür kein Interesse und überläßt es ganz dem Gutdünken der Regierung; welchen Antrag immer sie vorzulegen beliebt, alles wird geschluckt und wenn dadurch die Allmacht der Staatsorgane gestützt und gestärkt wird, ist man damit durchaus zufrieden.

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