Ètvrtek 26. ledna 1928

Ich möchte bei der Gelegenheit noch einer Merkwürdigkeit Ausdruck verleihen, die sich im Gesetze findet. Es heißt dort: Die gleichen Rechte wie die Gendarmerie bekommen hinsichtlich des Gebrauches der Waffen auch die Korps der Sicherheitswache. Es ist damit also gesagt, daß wohl das organisierte Sicherheitswachekorps die gleichen Rechte bekommt, es ist aber nicht gesagt, daß die Gemeindepolizei im Allgemeinen auch diese Rechte des Waffengebrauches bekommt, wie sie hier der Gendarmerie und der Staatspolizei zugedacht sind. Die Gemeindepolizei kann sich also ruhig totschlagen lassen, der Gemeindepolizist oder Ortspolizist muß sich erschlagen lassen, oder macht er Gebrauch von der Waffe, muß er sich einsperren lassen, geschützt wird nur die Staatspolizei und die Gendarmerie; die Polizei der Gemeinde dagegen erfreut sich nicht der geringsten Beliebtheit und deshalb auch keines Schutzes. Jedenfalls wäre es dringend notwendig gewesen, auch in dieser Hinsicht Vorkehrungen zu treffen, wenn man glaubt, daß die Sicherheitsorgane im Allgemeinen besser geschützt werden müssen als bisher und man ist dieser Ansicht, denn im Gesetzentwurf hinsichtlich der Zwangsarbeitskolonien, welcher als vierter Punkt auf der heutigen Tagesordnung steht, steht ausdrücklich, daß die Aufsichtsorgane in den Strafanstalten, in den Gefängnissen, Zwangsarbeitsanstalten, in den Arbeitskolonien und Besserungsanstalten in Hinkunft die gleichen Rechte zum Waffengebrauch bekommen, wie die Gendarmerie. Mithin werden diese wesentlich erweiterten Rechte zum Waffengebrauch auch jedem beliebigen Gefangenaufseher oder Aufseher in den Strafkolonien, wohin auch politische Verbrecher kommen können, damit sie nicht entfliehen, zugesprochen; er kann sofort von der Schußwaffe Gebrauch machen. Der Gemeindepolizei hingegen gibt man merkwürdigerweise diese Rechte nicht. Man will die Staatsgewalt und die staatliche Bürokratie und deren Arm noch verstärken, stützen und ausbauen, die Selbstverwaltung hingegen wird bei jeder Gelegenheit umgebracht.

Wir befinden uns mitten im Vormärz. 80 Jahre sind verflossen, seit das Volk in Österreich sich gegen Metternich erhob und damals nicht nur dessen Entlassung, sondern auch eine Milderung des Polizeidruckes und die Aufhebung der Zensur durchsetzte. Heute wäre eine solche Erhebung genau so berechtigt und sogar sittlich notwendiger, als damals, denn trotz der nach außenhin demokratischen Verfassung herrscht wiederum ein System, das um kein Haar besser ist, als vor hundert Jahren, und das damals die freiheitsliebenden Bürger, deutscher und èechischer Zunge, ohne Unterschied der Nationalität, geradezu zur Revolution trieb. Der Machtdünkel der hohen Bürokratie kennt heute schon keine Grenzen mehr. Die maßlos übertriebene Zentralisation ist der politischen Freiheit jedes Einzelnen weit gefährlicher, als die alten kaiserlichen Patente oder Verordnungen der damaligen Staatsregierung unter Metternich und das Parlament ist zur Ja-Sage-Maschine herabgewürdigt und diese funktioniert nach der Meinung der hinter den Kulissen wirkenden Drahtzieher nur dann gut, wenn es ihren Willen tut. "Hoch die Freiheit, so hoch, daß man sie nicht erreichen kann!" So können Sie beim zehnjährigen Stiftungsfest der Republik mit Recht rufen, die Brust von Stolz geschwellt, wie herrlich weit Sie es in den zehn Jahren gebracht haben. Der beste Maßstab dafür, wie ernst es der Regierung mit der Wahrung der in der Verfassung gewährleisteten Freiheitsrechte ist, liegt in der Handhabung des Preßgesetzes, bzw. der Preßzensur. Der Herr Minister Mayr-Harting hat im Haushaltungsausschuß bei der Beratung des Staatsvoranschlages für das Jahr 1928 zugegeben, daß sich die Zahl der Beschlagnahmen in der Zeit vom 1. Jänner bis zum 25. Oktober 1927 gegenüber dem gleichen Zeitraume des Vorjahres fast verdoppelte, nämlich von 833 auf 1522 anstieg. Er versicherte damals, er wolle sich dafür einsetzen, daß in Hinkunft die Zensur möglichst milde gehandhabt werde. Tatsächlich ist aber die Beschlagnahmepraxis seither noch weit ärger geworden, als früher, und als Beweis für diese Behauptung will ich nur einige wenige Beispiele aus der allerletzten Zeit und aus einem ganz engen Gebiete, aus dem ich komme, nämlich aus Schlesien und Nordmähren, anführen.

Wir hatten gerade in den letzten Wochen Gelegenheit genug, das Walten des Rotstiftes und des Zensors bei uns kennen zu lernen. Zunächst einmal habe ich hier ein Blatt der "Oderberger Zeitung", des "Teschener Anzeigers", "Waagstädter Bezirkszeitung", der "Deutschen Volkswehr" in Friedek, die Nummer vom 17. Dezember 1927. Da ist ein Gedicht "Die Galeere", das in verschiedenen Blättern unbeanständet erschien, konfisziert.

Es lautet (ète):

Die Galeere...

Aus der in Vorbereitung befindlichen Gedichtsammlung "Sudetendeutsche" von Hermann Heß.

Die dampfenden Leiber in Fieberglut Mit Schwielen bedeckt und mit Staub und Blut,

In Eisen geschlagen, zur Fron verdammt,

So treiben sie "ihre" Galeere...

Und nirgends ein Stern, der leuchtend entflammt

Die Seelen in keuchender Menschenbrust

Es singt nur die Peitsche der Vögte voll Lust

das Lied von des "Vaterlands" Ehre. -

Vom Leibe die Augen wie ausgebrannt,

Die Adern und Muskeln zum Springen gespannt,

Erfüllt von unbändigem Haß und Wut -

So starren die unten ins Leere...

Und droben - durchpulst von demselben Blut -

Stehn lächelnd die Vögte devot vor den Herr'n

Und hören vom "neuen Kurse" so gern,

Vom Kurse der Sklaven-Galeere...

"Ihr Tiere dort unten im Eisenjoch,

Was faulenzet ihr denn, so zieht doch! -

Ihr Vögte von dannen und tut eure Pflicht!" -

So fordert des "Vaterlands" Ehre... - -

Da läuft es und rennt es und hageldicht

Streut nieder die Geissel nun Schlag um Schlag,

Bis daß auch der Vögte Kunst nicht vermag -

Den flotteren Gang der Galeere...

Die unten, die beißen die Zähne ins Fleisch,

Sie kümmert nicht mehr ihrer Vögte Gekreisch,

Von fern ist ein ewiges Licht entflammt,

Das leuchtet in ihre Galeere...

Sie beten nun stündlich, daß endlich rammt

Der Retter erlösend das Sklavenschiff,

Dann schwimmen sie froh an ein Felsenriff

Als Freie im leuchtenden Meere...

Ich wollte damit nur dartun, daß keineswegs die Worte des Herrn Minister Mayr-Harting, er werde für eine milde Handhabung sorgen, in Erfüllung gegangen sind, das Gegenteil, daß mancher Zensor noch viel ärger als früher auf der Beschlagnahme herumreitet, ist eingetreten.

Ebenfalls aus der "Deutschen Volkswehr" in Friedek wurde am 23. November 1927 eine Stelle beschlagnahmt in einem harmlosen Artikel: "3 1/2 Jahre statutenwidriger Sparkassenausschuß in Friedek." Daraus wurde folgender Satz beschlagnahmt: (Další vìta byla usnesením pøedsednictva posl. snìmovny ze dne 26. ledna 1928 podle §u 9, lit. m) jedn. øádu vylouèena z tìsnopisecké zprávy. Viz str. 50 této tìsnopisecké zprávy.) Der Vorwurf der Illoyalität trifft in erster Linie die angeblichen Macher des Staates selbst, weil sie die Gesetze zu Hunderten fabrizieren lassen, ihnen keine Autorität aber schaffen, die diesen Gesetzen immer und überall zum Durchbruch verhelfen würde." Diesbezüglich wurde dem Abg. Schollich auf eine Anfrage bezw. Interpellation mitgeteilt, daß diese Stelle, die ich jetzt verlesen habe, "als eine die Sittlichkeit" - die Sittlichkeit! "grob verletzende Äußerung" aus der Interpellation vom Präsidium des Abgeordentenhauses ausgeschieden werden mußte, daß also diese Worte nicht abgedruckt werden dürfen. Ich frage die anwesenden Herrschaften, ob sie darin tatsächlich eine gröbliche Verletzung der Sittlichkeit erblicken können. Es ist ganz merkwürdig, daß sich auch das Präsidium des Hauses zu einer derartigen Zensur hergibt, wie sie tatsächlich nicht ärger unter Metternich gewesen sein kann, jedenfalls aber eines Parlaments im 20. Jahrhundert vollständig unwürdig ist.

Eine ähnliche Geschichte ereignete sich wiederum mit der "Deutschen Volkswehr", vom 8. Oktober 1927, in der folgende Sätze konfisziert wurden: "Die èechische Presse ergeht sich fast durchwegs in gehässigen Artikeln über die grandiosen Hindenburgfeiern im Reiche anläßlich des 80. Geburtstages des deutschen Reichspräsidenten. In keiner Zeitung hat man bisher von einem Glückwunsch des Präsidenten Masaryk an Hindenburg etwas gelesen und es würde eine diesbezügliche Unterlassung nach dem internationalen Takt gewiß als Taktlosigkeit sondergleichen zu werten sein." Auch das wurde damals beschlagnahmt, obwohl dadurch nichts anderes als eine Tatsache konstatiert wurde.

Und nun die "Freudenthaler Zeitung". In Freudenthal wurde im Laufe dieses Jahres, u. zw. am 18. Jänner, eine Beschlagnahme vorgenommen. In einem Artikel: "Zwei Flugdeserteure sind mit einem Militärflugzeug fortgeflogen" heißt es in dem letzten Satze: "Mit dem Heimatsschutzdienst des èechischen Fliegerwesens sieht es recht windig aus." Auch das mußte beschlagnahmt werden, obwohl nichts anderes zum Ausdruck gebracht wurde, als daß es mit dem Heimatsschutzdienst "des èechischen Flugwesens" wobei nicht einmal das Militärflugwesen gemeint sein mußte, es konnte ja auch das Zivilflugwesen gemeint sein - recht windig aussehe. Und nun letzten Samstag am 21. Jänner, wurde in der "Freudenthaler Zeitung" ein ganzer Artikel vom dortigen Zensor beschlagnahmt ein Zensor, der übrigens erst heuer dorthin gekommen ist und sich sehr unangenehm bemerkbar gemacht hat, indem er auch die "Deutsche Zeitung" in Freudenthal erst neulich beschlagnahmte weshalb Abg. Schollich eine Interpellation eingebracht hat. Es handelt sich da um die Errichtung eines Scharfschießplatzes in Freudenthal. Ich werde auf diese Sache nicht zurückkommen, hingegen aus der "Freudenthaler Zeitung" jenen Artikel zur Verlesung bringen, der überschrieben ist: "Eine neue Entrechtung der Stadt Freudenthal. Die Verstaatlichung der Polizei." Der Artikel lautet (ète): "Im Jubiläumsjahr dieser Republik müssen noch mehr èechische Erfolge aufzuweisen sein als bisher. Einen solchen soll unter unzähligen anderen auch die Verstaatlichung der Polizei in Freudenthal bilden. Wie wir erfahren, soll im Laufe des Jahres 1928, spätestens am 1. Jänner 1929, Freudenthal eine Expositur der Staatspolizei in Jägerndorf erhalten. Das bedeutet nichts weniger als eine neuerliche Einschränkung der Gemeindeselbstverwaltung, als einen deutschfeindlichen Akt. Diese Verachtung des deutschen Stadtrechtes wird sich nicht nur national, sondern auch wirtschaftlich auswirken. Nicht allein, daß die deutschen Sicherheitswachleute brotlos gemacht, um ihren Arbeitsplatz gebracht werden, es dient die Verstaatlichung der systematischen Verèechung der Stadt. Der Akt wird als eine dem Völkerrecht widersprechende Tat zu bezeichnen sein. Von vornherein kann die einheimische deutsche Bevölkerung gewärtig sein - alle anderen Besetzungen der Amtsleiterstellen mit Èechen beweisen es - daß der Leiter der Staatspolizeiexpositur ein punzierter Èeche sein wird. Anders tun es die Staatsgewaltigen doch nicht. Und die Polizeileute wird man sich aus den Reihen der verläßlichen Republikaner holen. Gendarmerie und Militär konnten kraft ihrer Dienstvorschriften noch nicht überall hineinspähen. Dazu soll nun die Staatspolizei berufen sein. Die Deutschen werden also nicht nur Steuern und Abgaben zu zahlen haben, daß die Schwarten krachen, sie werden dafür auch unter die Fittiche von Schutzengeln gestellt, die den Pendrek umso lieber schwingen werden, je mehr Büttelrechte ihnen gegen die Deutschen zugebilligt werden. Die reindeutsche Stadtvertretung und die deutsche Bevölkerung der Stadt werden gegen die bevorstehende Drosselung der Gemeindeverwaltung entschieden Stellung nehmen und dem Entrechtungsgrundsatze entgegentreten müssen. Es sind nun bald 9 Jahre her, daß der Arbeiter Karl Fischer auf dem Hauptplatz in Freudenthal unweit der Polizeiwachstube ein Opfer der deutschen Freiheit, des Selbstbestimmungsrechtes, geworden ist. Die meuchlerische Bluttat ist bis heute nicht gesühnt. Bedenken wir, was uns seither in dieser Republik an Recht, Eigentum und Besitz genommen worden ist.

Stellen wir uns in der urdeutschen Stadt hinter unsere deutschen Schutzleute, lassen wir sie nicht aufs Pflaster werfen! Wir dürfen nicht zugeben, daß wieder ein Teil deutscher Gemeindeselbstverwaltung verloren geht. Sollte die Staatsgewalt dennoch ihren das Recht verletzenden Pfeil gegen die deutsche Bevölkerung abschießen, dann wird hoffentlich selbst den Gutgläubigsten klar werden, wie weit der Einfluß deutscher Regierungsparlamentarier reicht!"

Das ist die "Freudenthaler Zeitung" vom letzten Samstag. Eine ähnliche Beschlagnahme hat im "Nordmährischen Grenzboten" vom 18. Eismond (Jänner) 1928, Nr. 8, stattgefunden. Dort ist ein Artikel des Senators Oberleithner veröffentlicht, der die Überschrift trägt "Die Verstaatlichung der Polizei - ein neuer Èechisierungsakt". Aus diesem Artikel wurden folgende Sätze beschlagnahmt (ète): "Entspricht dies der Demokratie, oder ist ein solches Vorgehen der Regierung nicht vergleichbar mit dem ärgsten Despotismus, dem ein Volk je ausgesetzt war? Hat nicht überhaupt das ganze Tun und Lassen der Regierung Ähnlichkeit mit jenem der französischen Regierung gegenüber dem deutschen Volk im Ruhrgebiet und im Rheinland? Ist der Zustand, in dem wir uns befinden, nicht analog der Besetzung eines feindlichen Gebietes? Und das nennt man eine Regierung Gleicher unter Gleichen, das nennt man Demokratie?" Ferner wurde, nachdem hier die Rede des èechischen Gesandten in Berlin zu Neujahr besprochen wird, folgende Stelle aus dem Artikel beschlagnahmt: "Wenn sich in gleicher Weise aber auch deutsche Volksführer im Ausland äußern, was in der letzten Zeit wiederholt vorkam, so grenzt das an Volksverrat und verlangt den schärfsten Widerspruch." Weiters verfiel nachstehender Satz der Konfiskation: "Eine unheimliche Anzahl Intellektueller steht vor dem Verhungern und eine Unzahl von Professionisten leistet gezwungen Taglöhnerarbeiten." Auch das mußte beschlagnahmt werden, trotzdem es eine Tatsache ist, die hier festgestellt wird. Ferner wurden in dem Satze: "Wenn ich diese nicht zu widersprechenden Tatsachen im Gemeinderat einer Erörterung unterzogen habe, so geschah es, um aufzufordern, die Arbeit, die in der Gemeindeverwaltung Schönbergs geleistet wird, in dem Bewußtsein, dem deutschen Volke anzugehören," nachstehende Worte konfisziert: "und nicht in unverantwortlicher Liebedienerei gegenüber der uns feindlich gesinnten Regierung durchzuführen." Alle diese Stellen wurden beschlagnahmt und es ist geradezu lächerlich, wenn die Behauptung des Herrn Justizministers Mayr-Harting gegenübergestellt wird, der sagte, schuld an diesen Beschlagnahmen sei nicht etwa eine Verschärfung der Zensur, sondern die schärfere Schreibweise der Presse. Das entspricht keineswegs den Tatsachen. Ich überlasse das ruhig der Beurteilung eines jeden einzelnen der Anwesenden. Wie schon gesagt, wirkt es geradezu lächerlich, was alles in dieser freien demokratischen Republik dem Rotstift verfällt. Demokratie scheint hierzulande nicht Diskussion zu sein, wie Masaryk meint, sondern Konfiskation. Die Absicht liegt offen zutage: Gewisse Blätter einzuschüchtern und sie durch fortwährende Beschlagnahme schwer zu schädigen. Genau so wie zu Metternichs Zeiten erblickt die Regierung in der Unterdrückung der Presse das Mittel, um das herrschende System zu unterstützen. Auf der anderen Seite haben wir wiederholt gesehen, daß zur Stützung dieses Systems auch Unterstützungen aus Staatsmitteln gegeben werden, daß eine Propaganda entfaltet wird, die keineswegs den Tatsachen entspricht. Ich habe hier ein Blatt vom 1. Jänner dieses Jahres, genannt "Heimatsbote, Zeitschrift für die Interessen der èechoslovakischen Staatsangehörigen im Auslande". Dieses Blatt wird in Prag gedruckt und herausgegeben und bezahlt vom Innenministerium von den 27 Millionen, die im Staatsvoranschlag für das Jahr 1928 für Propagandazwecke eingestellt sind. Es soll dem sudetendeutschen Heimatbund im Deutschen Reiche und in Deutschösterreich Abbruch tun, und wird dort kostenlos verteilt. Mir wurde eine Nummer zugesendet, weil sich darin ein Artikel mit meiner Person befaßt. Überschrieben ist der Artikel "Deutschnationale Mordsgeschichten", und es wird mir insinuiert, also unterschoben, daß ich in Görlitz in einer Versammlung wahre Mordsgeschichten aus der Èechoslovakei zum besten gegeben hätte. Es wird unter anderem gesagt, ich hätte erklärt, oder der Befürchtung Ausdruck gegeben, daß die dritte Generation bereits Staatsgeist in sich tragen werde, weil man die Seelen der Menschen hier vergifte. Als Antwort darauf wird gesagt, daß die dritte Generation den Staatsgeist in sich tragen werde, das ist doch nichts Fürchterliches, sondern (im Sinne der Schreiber und Herausgeber der Zeitung) ganz gewiß begrüssenswert. Ferner hat man behauptet, ich hätte dort erklärt, die Èechoslovakei wolle Deutschland vernichten und das Gebiet bis Kottbus und bis an die Oder sich einverleiben. Und nun sagt der Schreiberling zum Schluß: "Daß die Èechoslovakei Annexionspläne mit Deutschland hat - man beachte das schöne Deutsch - glaubt nur ein geistig Minderwertiger." Mit dem Geistigminderwertigen bin jedenfalls ich gemeint. Ich habe selbstverständlich keine Ursache, mich mit diesem nicht gerade auf der Höhe stehenden Zeitungsgewäsch zu meiner Rede, die ich angeblich im Ausland gehalten haben soll, des näheren zu befassen. Ich möchte nur bei dieser Gelegenheit darauf verweisen, daß für derartige Zwecke Geld genug vorhanden ist und daß sich da kein Zensor findet, der irgendwie daran Anstand nimmt, während auf der anderen Seite bei uns die ganze Inlandspresse, soweit sie sich nicht im regierungsfreundlichen Lager befindet, der ärgsten Zensur und Drosselung ausgesetzt ist.

Ganz bezeichnend ist auch, wie man bei der Verstaatlichung der Gemeindepolizei vorgeht. Die Beispiele von Jägerndorf, Freudenthal und Mähr.-Schönberg, die ich bereits angeführt, sind dafür Beweis. Alle Artikel, die sich irgendwie mit der Verstaatlichung beschäftigen, sind sofort beschlagnahmt worden. Bezeichnend ist aber auch eine Interpellationsbeantwortung, die heute im Druck im Hause verteilt wurde und die sich auf die Interpellation des Abg. Kallina bezieht in Angelegenheit der Nichtauszahlung der ersparten Monturgelder an Polizeiinspektor Alfred Müller in Karlsbad. Koll. Kallina hatte zuerst eine Anfrage, dann aber, als er eine nichtssagende Antwort erhielt, eine Interpellation an den Herrn Minister des Innern gerichtet, und hat darin unter anderem ausdrücklich angeführt, daß der Inspektor Rudolf Putz, welcher die Monturwirtschaft bei der Karlsbader Staatspolizei führt, dem betreffenden Manne mitgeteilt habe, daß seine Monturersparnisse bereits am 1. März 1926, also schon am Tage, an welchem er wegen Erkrankung in den Ruhestand versetzt wurde, als ausgezahlt gebucht sind. Es handelt sich hier um einen Betrag von 1336 Kè. Alfred Müller kann dieses Geld nicht bekommen, obwohl hier ausdrücklich festgestellt wurde, daß dieser Betrag bereits als ausgezahlt gebucht ist, also vermutlich irgendwo abhanden gekommen sein muß. Nun aber geht die Antwort des Herren Ministers auf diesen heiklen Punkt überhaupt nicht ein, dagegen beschäftigt sie sich nur mit der allgemeinen Forderung nach Rückersatz und sagt, daß nach den geltenden Vorschriften irgend eine Verpflichtung zum Rückersatz nicht bestanden hätte. Sie weist ferner darauf hin, daß in Pilsen, wo auch die Staatspolizei übernommen wurde und wo den Leuten bereits nach einem Jahre Staatsdienst die ersparten Monturgelder ausgezahlt worden sind, andere Verhältnisse vorhanden seien, weil dort die Staatspolizei unter anderen Bedingungen errichtet wurde als in Karlsbad, weil sie von der Stadt unter anderen Bedingungen übernommen worden ist als in Karlsbad, so daß die Forderung der Sicherheitswache in Pilsen einen anderen rechtlichen Charakter besizt. Es ist jedenfalls sehr merkwürdig, wenn man in deutschen Städten härtere Forderungen und Bedingungen aufstellt als in èechischen Städten, wo man die ganze Sicherheitswache restlos übernimmt und ihr auch alle Forderungen, die sie stellt, erfüllt, während man in Karlsbad dem offenkundigen Rechtsanspruch eines Sicherheitswachinspektors keine Folge leistet und ihn zum Schluß einfach an das Oberste Verwaltungsgericht verweist, damit der Mann sich ja nur noch 2000 Kè Kosten macht, um 1300 Kè zu bekommen. Das klingt wie blutiger Hohn. Eine derartige Antwort ist jedenfalls unwürdig des Abgeordnetenhauses und man sollte sich schon etwas sachlicher von Seiten der Herren Minister mit unseren Interpellationen beschäftigen, weil wir doch Anspruch haben, auch ernst genommen zu werden und ernste Anfragen ernst beantwortet zu bekommen. Das können wir mit Recht verlangen, nicht aber dürfen wir ruhig hinnehmen, daß wir, wie hier, mit wegwerfender Geste damit beschieden werden, man solle an das Oberste Verwaltungsgericht gehen. Diese Beschwerde ist ein außerordentliches Rechtsmittel, welches außerordentliche Kosten verursacht und wozu eben nicht jeder Sicherheitswachmann das Geld hat, umsomehr, als man in jedem einzelnen Falle eine Beschwerde einbringen muß und die Entscheidung zu Gunsten eines Sicherheitswachmannes noch nicht die Verpflichtung nach sich zieht, in einem analogen Falle sich nach dieser Entscheidung zu richten. Jedenfalls ist das herrschende System, wie ich schon sagte, fast ärger als das alte Metternich'sche System, man schikaniert ununterbrochen die Bevölkerung, wo man nur kann und man hat tatsächlich in der schändlichsten Weise die Freiheitsrechte der gesamten Bevölkerung mit Füßen getreten. Es wird aber genau so wie zu Metternichs Zeiten damit nichts erreicht. Im Gegenteil, man wird eher die Bevölkerung dadurch aufreizen, denn durch Druck wird immer nur Gegendruck ausgelöst und auch diesmal wird es nicht anders sein. Man bilde sich nur nicht ein, etwa durch eine derartige scharfe Zensur, wie sie uns gegenüber jetzt überall gehandhabt wird, darzutun, wie konsolidiert dieser Staat bereits sei. Das Gegenteil wird dadurch aller Welt kundgetan. Ein festgefügter Staat kann bekanntlich eine sehr weitgehende Freiheit der Presse ertragen, ja selbst Ausschreitungen der Presse lassen ihn völlig kalt. Beschlagnahmen solcher Art aber, wie sie jetzt in der letzten Zeit wiederholt erfolgt sind und von denen ich eine kleine Auslese mitgeteilt habe, beweisen deutlich, wie unsicher sich die Regierung fühlt. Diese Unsicherheit kommt übrigens nicht nur in der Pressezensur, sondern auch in sonstigen Knebelungen der öffentlichen Meinung immer deutlicher zum Ausdruck. Theater-, Radio-, Filmzensur, Versammlungspolizei, Unterdrückung von Flugblättern, Verfolgung nach dem Schutzgesetz sind sichere Anzeichen dafür, daß etwas faul ist im Staate Dänemark. Auch das Ausmerzen jeder wahren Selbstverwaltung geht auf die gleichen Ursachen zurück. Alles soll verstaatlicht werden, ganze Grenzwälder ebenso wie die gesamte Verwaltung, damit die hohe Obrigkeit in ungestörter Ruhe und Sicherheit ihrem Hauptgeschäfte obliegen kann, nämlich den Bürgern das Fell über die Ohren zu ziehen. Und deshalb hat sich der Herr Minister des Innern Èerný so beeilt, auch in den Städten Jägerndorf und Schönberg am 1. Jänner d. J. die Staatspolizei einzuführen und uns mit deren Segnungen zu beglücken. Das Gleiche soll ja angeblich heuer auch noch in Freudenthal geschehen. Daß da bei den Deutschen Arbeitsplätze verloren gehen, daß eine Menge èechischer Familien zur Auffüllung der èechischen Minderheitsschulen ins deutsche Gebiet kommen und daß die deutschen Gemeinden wiederum eine ganze Menge neuer Bedrückungen erfahren müssen, daß auch die Bürger noch besser als früher überwacht und gequält werden können, sind nur angenehme Nebenerscheinungen, die man hier nicht ungern in Kauf nimmt. Von Sparsamkeit ist dabei keine Rede, die predigt man immer nur den anderen, insbesondere den Gemeinden und Bezirken. Man predigt Wasser und trinkt selbst Wein. Die Staatspolizei kostet bekanntlich, das kann man nachweisen, das Vier- bis Fünffache dessen, was bisher die Gemeindepolizei gekostet hat. Aber was tut das? Für die Polizei und die Gendarmerie muß man eben immer Geld genug haben, genau wie für das Militär. Der äußere und der innere Feind, gegen die eine so gewaltige Macht aufgeboten wird, sind zwar nur fiktiv, bloß in den Angstträumen einiger neurasthenischer Staatslenker vorhanden. Aber ist nicht vielleicht der ruhige Schlaf dieser Herren mit etlichen hundert Millionen zu teuer erkauft? Übrigens versteht man es ja ausgezeichnet, der braven Bevölkerung einzureden, daß die Verstaatlichung der Verwaltung eine Verbilligung mit sich bringen müße. Als ich seinerzeit den Minister Èerný im Haushaltungsausschuß befragte, wozu im Staatsvoranschlag für 1928 fast 33 Millionen Kronen für die Durchführung der Verwaltungsreform eingesetzt sind, erklärte er, daß hievon die persönlichen Auslagen für die mit 1. Juli zu übernehmenden Landes- und Bezirksbeamten gedeckt werden sollen. Als aber die Landesausschüsse im Jänner dieses Jahres ihre Voranschläge von der Regierung zurückbekamen, um das Defizit durch Millionenabstriche an den Ausgaben herabzudrücken, da ist merkwürdigerweise keine Rede mehr davon gewesen, daß die Gehälter und Pensionen der ehemaligen Landesbeamten, die im zweiten Halbjahr vom Staat übernommen werden sollen, nur für das erste Halbjahr in dem Landesvoranschlag zu verbleiben haben. So ist für diese Post doppelt vorgesorgt, nämlich bei Staat und Land. Hoffentlich wird der Staatsrechnungsabschluß für 1928 ausweisen, daß diese 33 Millionen auch tatsächlich erspart wurden. Allzu optimistisch bin ich diesbezüglich allerdings nicht; das ist auch kein Wunder, wenn man beobachtet, in welch bürokratischer, umständlicher und kostspieliger Weise die Durchführung der Verwaltungsreform in die Wege geleitet wird. Da verliert man jeden Glauben daran, daß in diesem Staate auch wirklich zweckmäßig und sparsam gearbeitet wird.

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