Ich möchte bei der Gelegenheit noch einer
Merkwürdigkeit Ausdruck verleihen, die sich im Gesetze findet.
Es heißt dort: Die gleichen Rechte wie die Gendarmerie bekommen
hinsichtlich des Gebrauches der Waffen auch die Korps der Sicherheitswache.
Es ist damit also gesagt, daß wohl das organisierte Sicherheitswachekorps
die gleichen Rechte bekommt, es ist aber nicht gesagt, daß
die Gemeindepolizei im Allgemeinen auch diese Rechte des Waffengebrauches
bekommt, wie sie hier der Gendarmerie und der Staatspolizei zugedacht
sind. Die Gemeindepolizei kann sich also ruhig totschlagen lassen,
der Gemeindepolizist oder Ortspolizist muß sich erschlagen
lassen, oder macht er Gebrauch von der Waffe, muß er sich
einsperren lassen, geschützt wird nur die Staatspolizei und
die Gendarmerie; die Polizei der Gemeinde dagegen erfreut sich
nicht der geringsten Beliebtheit und deshalb auch keines Schutzes.
Jedenfalls wäre es dringend notwendig gewesen, auch in dieser
Hinsicht Vorkehrungen zu treffen, wenn man glaubt, daß die
Sicherheitsorgane im Allgemeinen besser geschützt werden
müssen als bisher und man ist dieser Ansicht, denn im Gesetzentwurf
hinsichtlich der Zwangsarbeitskolonien, welcher als vierter Punkt
auf der heutigen Tagesordnung steht, steht ausdrücklich,
daß die Aufsichtsorgane in den Strafanstalten, in den Gefängnissen,
Zwangsarbeitsanstalten, in den Arbeitskolonien und Besserungsanstalten
in Hinkunft die gleichen Rechte zum Waffengebrauch bekommen, wie
die Gendarmerie. Mithin werden diese wesentlich erweiterten Rechte
zum Waffengebrauch auch jedem beliebigen Gefangenaufseher oder
Aufseher in den Strafkolonien, wohin auch politische Verbrecher
kommen können, damit sie nicht entfliehen, zugesprochen;
er kann sofort von der Schußwaffe Gebrauch machen. Der Gemeindepolizei
hingegen gibt man merkwürdigerweise diese Rechte nicht. Man
will die Staatsgewalt und die staatliche Bürokratie und deren
Arm noch verstärken, stützen und ausbauen, die Selbstverwaltung
hingegen wird bei jeder Gelegenheit umgebracht.
Wir befinden uns mitten im Vormärz. 80
Jahre sind verflossen, seit das Volk in Österreich sich gegen
Metternich erhob und damals nicht nur dessen Entlassung, sondern
auch eine Milderung des Polizeidruckes und die Aufhebung der Zensur
durchsetzte. Heute wäre eine solche Erhebung genau so berechtigt
und sogar sittlich notwendiger, als damals, denn trotz der nach
außenhin demokratischen Verfassung herrscht wiederum ein
System, das um kein Haar besser ist, als vor hundert Jahren, und
das damals die freiheitsliebenden Bürger, deutscher und èechischer
Zunge, ohne Unterschied der Nationalität, geradezu zur Revolution
trieb. Der Machtdünkel der hohen Bürokratie kennt heute
schon keine Grenzen mehr. Die maßlos übertriebene Zentralisation
ist der politischen Freiheit jedes Einzelnen weit gefährlicher,
als die alten kaiserlichen Patente oder Verordnungen der damaligen
Staatsregierung unter Metternich und das Parlament ist zur Ja-Sage-Maschine
herabgewürdigt und diese funktioniert nach der Meinung der
hinter den Kulissen wirkenden Drahtzieher nur dann gut, wenn es
ihren Willen tut. "Hoch die Freiheit, so hoch, daß
man sie nicht erreichen kann!" So können Sie beim zehnjährigen
Stiftungsfest der Republik mit Recht rufen, die Brust von Stolz
geschwellt, wie herrlich weit Sie es in den zehn Jahren gebracht
haben. Der beste Maßstab dafür, wie ernst es der Regierung
mit der Wahrung der in der Verfassung gewährleisteten Freiheitsrechte
ist, liegt in der Handhabung des Preßgesetzes, bzw. der
Preßzensur. Der Herr Minister Mayr-Harting hat im
Haushaltungsausschuß bei der Beratung des Staatsvoranschlages
für das Jahr 1928 zugegeben, daß sich die Zahl der
Beschlagnahmen in der Zeit vom 1. Jänner bis zum 25. Oktober
1927 gegenüber dem gleichen Zeitraume des Vorjahres fast
verdoppelte, nämlich von 833 auf 1522 anstieg. Er versicherte
damals, er wolle sich dafür einsetzen, daß in Hinkunft
die Zensur möglichst milde gehandhabt werde. Tatsächlich
ist aber die Beschlagnahmepraxis seither noch weit ärger
geworden, als früher, und als Beweis für diese Behauptung
will ich nur einige wenige Beispiele aus der allerletzten Zeit
und aus einem ganz engen Gebiete, aus dem ich komme, nämlich
aus Schlesien und Nordmähren, anführen.
Wir hatten gerade in den letzten Wochen Gelegenheit
genug, das Walten des Rotstiftes und des Zensors bei uns kennen
zu lernen. Zunächst einmal habe ich hier ein Blatt der "Oderberger
Zeitung", des "Teschener Anzeigers", "Waagstädter
Bezirkszeitung", der "Deutschen Volkswehr" in Friedek,
die Nummer vom 17. Dezember 1927. Da ist ein Gedicht "Die
Galeere", das in verschiedenen Blättern unbeanständet
erschien, konfisziert.
Es lautet (ète):
Aus der in Vorbereitung befindlichen Gedichtsammlung
"Sudetendeutsche" von Hermann Heß.
Die dampfenden Leiber in Fieberglut Mit Schwielen bedeckt und mit Staub und Blut,
In Eisen geschlagen, zur Fron verdammt,
So treiben sie "ihre" Galeere...
Und nirgends ein Stern, der leuchtend entflammt
Die Seelen in keuchender Menschenbrust
Es singt nur die Peitsche der Vögte voll Lust
das Lied von des "Vaterlands" Ehre.
-
Vom Leibe die Augen wie ausgebrannt,
Die Adern und Muskeln zum Springen gespannt,
Erfüllt von unbändigem Haß und Wut -
So starren die unten ins Leere...
Und droben - durchpulst von demselben Blut -
Stehn lächelnd die Vögte devot vor den Herr'n
Und hören vom "neuen Kurse" so gern,
Vom Kurse der Sklaven-Galeere...
"Ihr Tiere dort unten im Eisenjoch,
Was faulenzet ihr denn, so zieht doch! -
Ihr Vögte von dannen und tut eure Pflicht!" -
So fordert des "Vaterlands" Ehre... - -
Da läuft es und rennt es und hageldicht
Streut nieder die Geissel nun Schlag um Schlag,
Bis daß auch der Vögte Kunst nicht vermag -
Den flotteren Gang der Galeere...
Die unten, die beißen die Zähne ins Fleisch,
Sie kümmert nicht mehr ihrer Vögte Gekreisch,
Von fern ist ein ewiges Licht entflammt,
Das leuchtet in ihre Galeere...
Sie beten nun stündlich, daß endlich rammt
Der Retter erlösend das Sklavenschiff,
Dann schwimmen sie froh an ein Felsenriff
Als Freie im leuchtenden Meere...
Ich wollte damit nur dartun, daß keineswegs
die Worte des Herrn Minister Mayr-Harting, er werde für
eine milde Handhabung sorgen, in Erfüllung gegangen sind,
das Gegenteil, daß mancher Zensor noch viel ärger als
früher auf der Beschlagnahme herumreitet, ist eingetreten.
Ebenfalls aus der "Deutschen Volkswehr"
in Friedek wurde am 23. November 1927 eine Stelle beschlagnahmt
in einem harmlosen Artikel: "3 1/2
Jahre statutenwidriger Sparkassenausschuß in Friedek."
Daraus wurde folgender Satz beschlagnahmt: (Další
vìta byla usnesením pøedsednictva posl. snìmovny
ze dne 26. ledna 1928 podle §u 9,
lit. m) jedn. øádu vylouèena z
tìsnopisecké zprávy. Viz str. 50 této
tìsnopisecké zprávy.) Der
Vorwurf der Illoyalität trifft in erster Linie die angeblichen
Macher des Staates selbst, weil sie die Gesetze zu Hunderten fabrizieren
lassen, ihnen keine Autorität aber schaffen, die diesen Gesetzen
immer und überall zum Durchbruch verhelfen würde."
Diesbezüglich wurde dem Abg. Schollich auf eine Anfrage
bezw. Interpellation mitgeteilt, daß diese Stelle, die ich
jetzt verlesen habe, "als eine die Sittlichkeit" - die
Sittlichkeit! "grob verletzende Äußerung"
aus der Interpellation vom Präsidium des Abgeordentenhauses
ausgeschieden werden mußte, daß also diese Worte nicht
abgedruckt werden dürfen. Ich frage die anwesenden Herrschaften,
ob sie darin tatsächlich eine gröbliche Verletzung der
Sittlichkeit erblicken können. Es ist ganz merkwürdig,
daß sich auch das Präsidium des Hauses zu einer derartigen
Zensur hergibt, wie sie tatsächlich nicht ärger unter
Metternich gewesen sein kann, jedenfalls aber eines Parlaments
im 20. Jahrhundert vollständig unwürdig ist.
Eine ähnliche Geschichte ereignete sich
wiederum mit der "Deutschen Volkswehr", vom 8. Oktober
1927, in der folgende Sätze konfisziert wurden: "Die
èechische Presse
ergeht sich fast durchwegs in gehässigen Artikeln über
die grandiosen Hindenburgfeiern im Reiche anläßlich
des 80. Geburtstages des deutschen Reichspräsidenten. In
keiner Zeitung hat man bisher von einem Glückwunsch des Präsidenten
Masaryk an Hindenburg etwas gelesen und es würde eine
diesbezügliche Unterlassung nach dem internationalen Takt
gewiß als Taktlosigkeit sondergleichen zu werten sein."
Auch das wurde damals beschlagnahmt, obwohl dadurch nichts anderes
als eine Tatsache konstatiert wurde.
Und nun die "Freudenthaler Zeitung".
In Freudenthal wurde im Laufe dieses Jahres, u. zw. am 18. Jänner,
eine Beschlagnahme vorgenommen. In einem Artikel: "Zwei Flugdeserteure
sind mit einem Militärflugzeug fortgeflogen"
heißt es in dem letzten Satze: "Mit dem Heimatsschutzdienst
des èechischen Fliegerwesens sieht es recht windig aus."
Auch das mußte beschlagnahmt werden, obwohl nichts anderes
zum Ausdruck gebracht wurde, als daß es mit
dem Heimatsschutzdienst "des èechischen Flugwesens"
wobei nicht einmal das Militärflugwesen gemeint sein mußte,
es konnte ja auch das Zivilflugwesen gemeint
sein - recht windig aussehe. Und nun letzten Samstag am 21. Jänner,
wurde in der "Freudenthaler Zeitung" ein ganzer Artikel
vom dortigen Zensor beschlagnahmt ein Zensor, der übrigens
erst heuer dorthin gekommen ist und sich sehr unangenehm bemerkbar
gemacht hat, indem er auch die "Deutsche Zeitung" in
Freudenthal erst neulich beschlagnahmte weshalb Abg. Schollich
eine Interpellation eingebracht hat. Es handelt sich da um die
Errichtung eines Scharfschießplatzes in Freudenthal. Ich
werde auf diese Sache nicht zurückkommen, hingegen aus der
"Freudenthaler Zeitung" jenen Artikel zur Verlesung
bringen, der überschrieben ist: "Eine neue Entrechtung
der Stadt Freudenthal. Die Verstaatlichung der Polizei."
Der Artikel lautet (ète): "Im Jubiläumsjahr
dieser Republik müssen noch mehr èechische Erfolge
aufzuweisen sein als bisher. Einen solchen soll unter
unzähligen anderen auch die Verstaatlichung der Polizei in
Freudenthal bilden. Wie wir erfahren, soll im Laufe des Jahres
1928, spätestens am 1. Jänner 1929, Freudenthal eine
Expositur der Staatspolizei in Jägerndorf erhalten. Das bedeutet
nichts weniger als eine neuerliche Einschränkung der Gemeindeselbstverwaltung,
als einen deutschfeindlichen Akt. Diese Verachtung des deutschen
Stadtrechtes wird sich nicht nur national, sondern auch wirtschaftlich
auswirken. Nicht allein, daß die deutschen Sicherheitswachleute
brotlos gemacht, um ihren Arbeitsplatz gebracht werden, es dient
die Verstaatlichung der systematischen Verèechung der Stadt.
Der Akt wird als eine dem Völkerrecht widersprechende Tat
zu bezeichnen sein. Von vornherein kann die einheimische deutsche
Bevölkerung gewärtig sein - alle anderen Besetzungen
der Amtsleiterstellen mit Èechen beweisen es - daß
der Leiter der Staatspolizeiexpositur ein punzierter Èeche
sein wird. Anders tun es die Staatsgewaltigen doch nicht. Und
die Polizeileute wird man sich aus den Reihen
der verläßlichen Republikaner holen. Gendarmerie und
Militär konnten kraft ihrer Dienstvorschriften noch nicht
überall hineinspähen. Dazu soll nun die Staatspolizei
berufen sein. Die Deutschen werden also nicht nur Steuern und
Abgaben zu zahlen haben, daß die Schwarten krachen, sie
werden dafür auch unter die Fittiche von Schutzengeln gestellt,
die den Pendrek umso lieber schwingen werden, je mehr Büttelrechte
ihnen gegen die Deutschen zugebilligt werden. Die reindeutsche
Stadtvertretung und die deutsche Bevölkerung der Stadt werden
gegen die bevorstehende Drosselung der Gemeindeverwaltung entschieden
Stellung nehmen und dem Entrechtungsgrundsatze entgegentreten
müssen. Es sind nun bald 9 Jahre her, daß der Arbeiter
Karl Fischer auf dem Hauptplatz in Freudenthal unweit der Polizeiwachstube
ein Opfer der deutschen Freiheit, des Selbstbestimmungsrechtes,
geworden ist. Die meuchlerische Bluttat ist bis heute nicht gesühnt.
Bedenken wir, was uns seither in dieser Republik an Recht, Eigentum
und Besitz genommen worden ist.
Stellen wir uns in der urdeutschen Stadt hinter
unsere deutschen Schutzleute, lassen wir sie nicht aufs Pflaster
werfen! Wir dürfen nicht zugeben, daß wieder ein Teil
deutscher Gemeindeselbstverwaltung verloren geht. Sollte die Staatsgewalt
dennoch ihren das Recht verletzenden Pfeil gegen die deutsche
Bevölkerung abschießen, dann wird hoffentlich selbst
den Gutgläubigsten klar werden, wie weit der Einfluß
deutscher Regierungsparlamentarier reicht!"
Das ist die "Freudenthaler Zeitung"
vom letzten Samstag. Eine ähnliche Beschlagnahme hat im "Nordmährischen
Grenzboten" vom 18. Eismond (Jänner) 1928, Nr. 8, stattgefunden.
Dort ist ein Artikel des Senators Oberleithner veröffentlicht,
der die Überschrift trägt "Die Verstaatlichung
der Polizei - ein neuer Èechisierungsakt". Aus diesem
Artikel wurden folgende Sätze beschlagnahmt (ète):
"Entspricht dies der Demokratie, oder
ist ein solches Vorgehen der Regierung nicht vergleichbar mit
dem ärgsten Despotismus, dem ein Volk je ausgesetzt war?
Hat nicht überhaupt das ganze Tun und Lassen der Regierung
Ähnlichkeit mit jenem der französischen Regierung gegenüber
dem deutschen Volk im Ruhrgebiet und im Rheinland? Ist der Zustand,
in dem wir uns befinden, nicht analog der Besetzung eines
feindlichen Gebietes? Und das nennt man eine Regierung Gleicher
unter Gleichen, das nennt man Demokratie?" Ferner wurde,
nachdem hier die Rede des èechischen Gesandten in Berlin
zu Neujahr besprochen wird, folgende Stelle aus dem Artikel beschlagnahmt:
"Wenn sich in gleicher Weise aber auch deutsche Volksführer
im Ausland äußern, was in der letzten Zeit wiederholt
vorkam, so grenzt das an Volksverrat und verlangt den schärfsten
Widerspruch." Weiters verfiel nachstehender Satz der Konfiskation:
"Eine unheimliche Anzahl Intellektueller steht vor dem Verhungern
und eine Unzahl von Professionisten leistet gezwungen Taglöhnerarbeiten."
Auch das mußte beschlagnahmt werden, trotzdem es eine Tatsache
ist, die hier festgestellt wird. Ferner wurden in dem Satze: "Wenn
ich diese nicht zu widersprechenden Tatsachen im Gemeinderat einer
Erörterung unterzogen habe, so geschah es, um aufzufordern,
die Arbeit, die in der Gemeindeverwaltung Schönbergs geleistet
wird, in dem Bewußtsein, dem deutschen Volke anzugehören,"
nachstehende Worte konfisziert: "und nicht in unverantwortlicher
Liebedienerei gegenüber der uns feindlich gesinnten Regierung
durchzuführen." Alle diese Stellen wurden beschlagnahmt
und es ist geradezu lächerlich, wenn die Behauptung des Herrn
Justizministers Mayr-Harting gegenübergestellt wird,
der sagte, schuld an diesen Beschlagnahmen sei nicht etwa eine
Verschärfung der Zensur, sondern die schärfere Schreibweise
der Presse. Das entspricht keineswegs den Tatsachen. Ich überlasse
das ruhig der Beurteilung eines jeden einzelnen der Anwesenden.
Wie schon gesagt, wirkt es geradezu lächerlich, was alles
in dieser freien demokratischen Republik dem Rotstift verfällt.
Demokratie scheint hierzulande nicht Diskussion zu sein, wie Masaryk
meint, sondern Konfiskation. Die Absicht liegt offen zutage:
Gewisse Blätter einzuschüchtern und sie durch fortwährende
Beschlagnahme schwer zu schädigen. Genau so wie zu Metternichs
Zeiten erblickt die Regierung in der Unterdrückung der Presse
das Mittel, um das herrschende System zu unterstützen. Auf
der anderen Seite haben wir wiederholt gesehen, daß zur
Stützung dieses Systems auch Unterstützungen aus Staatsmitteln
gegeben werden, daß eine Propaganda entfaltet wird, die
keineswegs den Tatsachen entspricht. Ich habe hier ein
Blatt vom 1. Jänner dieses Jahres, genannt "Heimatsbote,
Zeitschrift für die Interessen der èechoslovakischen
Staatsangehörigen im Auslande". Dieses Blatt wird in
Prag gedruckt und herausgegeben und bezahlt vom Innenministerium
von den 27 Millionen, die im Staatsvoranschlag
für das Jahr 1928 für Propagandazwecke eingestellt sind.
Es soll dem sudetendeutschen Heimatbund im Deutschen Reiche
und in Deutschösterreich Abbruch tun, und wird dort kostenlos
verteilt. Mir wurde eine Nummer zugesendet, weil sich darin
ein Artikel mit meiner Person befaßt. Überschrieben
ist der Artikel "Deutschnationale Mordsgeschichten",
und es wird mir insinuiert, also unterschoben, daß ich in
Görlitz in einer Versammlung wahre Mordsgeschichten aus der
Èechoslovakei zum besten gegeben hätte.
Es wird unter anderem gesagt, ich hätte erklärt, oder
der Befürchtung Ausdruck gegeben, daß die dritte Generation
bereits Staatsgeist in sich tragen werde, weil man die Seelen
der Menschen hier vergifte. Als Antwort darauf wird gesagt,
daß die dritte Generation den Staatsgeist in sich tragen
werde, das ist doch nichts Fürchterliches, sondern (im Sinne
der Schreiber und Herausgeber der Zeitung) ganz gewiß begrüssenswert.
Ferner hat man behauptet, ich hätte dort erklärt, die
Èechoslovakei wolle Deutschland
vernichten und das Gebiet bis Kottbus und bis an die Oder sich
einverleiben. Und nun sagt der Schreiberling zum Schluß:
"Daß die Èechoslovakei Annexionspläne mit
Deutschland hat - man beachte das schöne Deutsch - glaubt
nur ein geistig Minderwertiger." Mit dem
Geistigminderwertigen bin jedenfalls ich gemeint. Ich habe selbstverständlich
keine Ursache, mich mit diesem nicht gerade auf der Höhe
stehenden Zeitungsgewäsch zu meiner Rede, die ich angeblich
im Ausland gehalten haben soll, des näheren zu befassen.
Ich möchte nur bei dieser Gelegenheit darauf verweisen, daß
für derartige Zwecke Geld genug vorhanden ist und daß
sich da kein Zensor findet, der irgendwie daran Anstand nimmt,
während auf der anderen Seite bei uns die ganze Inlandspresse,
soweit sie sich nicht im regierungsfreundlichen Lager befindet,
der ärgsten Zensur und Drosselung ausgesetzt ist.
Ganz bezeichnend ist auch, wie man bei der
Verstaatlichung der Gemeindepolizei vorgeht. Die Beispiele von
Jägerndorf, Freudenthal und Mähr.-Schönberg, die
ich bereits angeführt, sind dafür Beweis. Alle Artikel,
die sich irgendwie mit der Verstaatlichung beschäftigen,
sind sofort beschlagnahmt worden. Bezeichnend ist aber auch eine
Interpellationsbeantwortung, die heute im Druck im Hause verteilt
wurde und die sich auf die Interpellation des Abg. Kallina
bezieht in Angelegenheit der Nichtauszahlung der ersparten Monturgelder
an Polizeiinspektor Alfred Müller in Karlsbad. Koll. Kallina
hatte zuerst eine Anfrage, dann aber, als er eine nichtssagende
Antwort erhielt, eine Interpellation an den Herrn Minister des
Innern gerichtet, und hat darin unter anderem ausdrücklich
angeführt, daß der Inspektor Rudolf Putz, welcher die
Monturwirtschaft bei der Karlsbader Staatspolizei führt,
dem betreffenden Manne mitgeteilt habe, daß seine
Monturersparnisse bereits am 1. März 1926, also schon am
Tage, an welchem er wegen Erkrankung in den Ruhestand versetzt
wurde, als ausgezahlt gebucht sind. Es handelt sich hier um einen
Betrag von 1336 Kè. Alfred Müller
kann dieses Geld nicht bekommen, obwohl hier ausdrücklich
festgestellt wurde, daß dieser Betrag bereits als ausgezahlt
gebucht ist, also vermutlich irgendwo abhanden gekommen sein muß.
Nun aber geht die Antwort des Herren Ministers auf diesen heiklen
Punkt überhaupt nicht ein, dagegen beschäftigt sie sich
nur mit der allgemeinen Forderung nach Rückersatz und sagt,
daß nach den geltenden Vorschriften irgend eine Verpflichtung
zum Rückersatz nicht bestanden hätte. Sie weist ferner
darauf hin, daß in Pilsen, wo auch die Staatspolizei übernommen
wurde und wo den Leuten bereits nach einem Jahre Staatsdienst
die ersparten Monturgelder ausgezahlt worden sind, andere Verhältnisse
vorhanden seien, weil dort die Staatspolizei unter anderen Bedingungen
errichtet wurde als in Karlsbad, weil sie von der Stadt unter
anderen Bedingungen übernommen worden ist als in Karlsbad,
so daß die Forderung der Sicherheitswache in Pilsen einen
anderen rechtlichen Charakter besizt. Es ist jedenfalls sehr merkwürdig,
wenn man in deutschen Städten härtere Forderungen
und Bedingungen aufstellt als in èechischen Städten,
wo man die ganze Sicherheitswache restlos übernimmt und ihr
auch alle Forderungen, die sie stellt, erfüllt, während
man in Karlsbad dem offenkundigen Rechtsanspruch
eines Sicherheitswachinspektors keine Folge leistet und ihn
zum Schluß einfach an das Oberste Verwaltungsgericht
verweist, damit der Mann sich ja nur noch 2000 Kè Kosten
macht, um 1300 Kè zu bekommen. Das klingt wie blutiger
Hohn. Eine derartige Antwort ist jedenfalls
unwürdig des Abgeordnetenhauses und man sollte sich schon
etwas sachlicher von Seiten der Herren Minister mit unseren Interpellationen
beschäftigen, weil wir doch Anspruch haben, auch ernst genommen
zu werden und ernste Anfragen ernst beantwortet zu bekommen. Das
können wir mit Recht verlangen, nicht aber dürfen wir
ruhig hinnehmen, daß wir, wie hier, mit wegwerfender Geste
damit beschieden werden, man solle an das Oberste Verwaltungsgericht
gehen. Diese Beschwerde ist ein außerordentliches Rechtsmittel,
welches außerordentliche Kosten verursacht und wozu eben
nicht jeder Sicherheitswachmann das Geld hat, umsomehr, als man
in jedem einzelnen Falle eine Beschwerde einbringen muß
und die Entscheidung zu Gunsten eines Sicherheitswachmannes noch
nicht die Verpflichtung nach sich zieht, in einem analogen Falle
sich nach dieser Entscheidung zu richten. Jedenfalls ist das herrschende
System, wie ich schon sagte, fast ärger als das alte Metternich'sche
System, man schikaniert ununterbrochen die Bevölkerung, wo
man nur kann und man hat tatsächlich in der schändlichsten
Weise die Freiheitsrechte der gesamten Bevölkerung mit Füßen
getreten. Es wird aber genau so wie zu Metternichs Zeiten damit
nichts erreicht. Im Gegenteil, man wird eher die Bevölkerung
dadurch aufreizen, denn durch Druck wird immer nur Gegendruck
ausgelöst und auch diesmal wird es nicht anders sein. Man
bilde sich nur nicht ein, etwa durch eine derartige scharfe Zensur,
wie sie uns gegenüber jetzt überall gehandhabt wird,
darzutun, wie konsolidiert dieser Staat bereits sei. Das Gegenteil
wird dadurch aller Welt kundgetan. Ein festgefügter Staat
kann bekanntlich eine sehr weitgehende Freiheit der Presse ertragen,
ja selbst Ausschreitungen der Presse lassen ihn völlig kalt.
Beschlagnahmen solcher Art aber, wie sie jetzt in der letzten
Zeit wiederholt erfolgt sind und von denen ich eine kleine Auslese
mitgeteilt habe, beweisen deutlich, wie unsicher sich die Regierung
fühlt. Diese Unsicherheit kommt übrigens nicht nur in
der Pressezensur, sondern auch in sonstigen Knebelungen der öffentlichen
Meinung immer deutlicher zum Ausdruck. Theater-, Radio-, Filmzensur,
Versammlungspolizei, Unterdrückung von Flugblättern,
Verfolgung nach dem Schutzgesetz sind sichere Anzeichen dafür,
daß etwas faul ist im Staate Dänemark. Auch das Ausmerzen
jeder wahren Selbstverwaltung geht auf die gleichen Ursachen zurück.
Alles soll verstaatlicht werden, ganze Grenzwälder ebenso
wie die gesamte Verwaltung, damit die hohe Obrigkeit in ungestörter
Ruhe und Sicherheit ihrem Hauptgeschäfte obliegen kann, nämlich
den Bürgern das Fell über die Ohren zu ziehen. Und deshalb
hat sich der Herr Minister des Innern Èerný
so beeilt, auch in den Städten Jägerndorf und Schönberg
am 1. Jänner d. J. die Staatspolizei einzuführen und
uns mit deren Segnungen zu beglücken. Das Gleiche
soll ja angeblich heuer auch noch in Freudenthal geschehen. Daß
da bei den Deutschen Arbeitsplätze verloren gehen, daß
eine Menge èechischer Familien zur Auffüllung der
èechischen Minderheitsschulen ins deutsche
Gebiet kommen und daß die deutschen Gemeinden wiederum eine
ganze Menge neuer Bedrückungen erfahren müssen, daß
auch die Bürger noch besser als früher überwacht
und gequält werden können, sind nur angenehme Nebenerscheinungen,
die man hier nicht ungern in Kauf nimmt. Von Sparsamkeit ist dabei
keine Rede, die predigt man immer nur den anderen, insbesondere
den Gemeinden und Bezirken. Man predigt Wasser und trinkt selbst
Wein. Die Staatspolizei kostet bekanntlich, das kann man nachweisen,
das Vier- bis Fünffache dessen, was bisher die Gemeindepolizei
gekostet hat. Aber was tut das? Für die Polizei und die Gendarmerie
muß man eben immer Geld genug haben, genau wie für
das Militär. Der äußere und der innere Feind,
gegen die eine so gewaltige Macht aufgeboten wird, sind zwar nur
fiktiv, bloß in den Angstträumen einiger neurasthenischer
Staatslenker vorhanden. Aber ist nicht vielleicht der ruhige Schlaf
dieser Herren mit etlichen hundert Millionen zu teuer erkauft?
Übrigens versteht man es ja ausgezeichnet, der braven Bevölkerung
einzureden, daß die Verstaatlichung der Verwaltung eine
Verbilligung mit sich bringen müße. Als ich
seinerzeit den Minister Èerný
im Haushaltungsausschuß befragte, wozu im Staatsvoranschlag
für 1928 fast 33 Millionen Kronen für die Durchführung
der Verwaltungsreform eingesetzt sind, erklärte er, daß
hievon die persönlichen Auslagen für die mit 1. Juli
zu übernehmenden Landes- und Bezirksbeamten gedeckt werden
sollen. Als aber die Landesausschüsse im Jänner dieses
Jahres ihre Voranschläge von der Regierung zurückbekamen,
um das Defizit durch Millionenabstriche an den Ausgaben herabzudrücken,
da ist merkwürdigerweise keine Rede mehr davon gewesen, daß
die Gehälter und Pensionen der ehemaligen Landesbeamten,
die im zweiten Halbjahr vom Staat übernommen werden sollen,
nur für das erste Halbjahr in dem Landesvoranschlag zu verbleiben
haben. So ist für diese Post doppelt vorgesorgt, nämlich
bei Staat und Land. Hoffentlich wird der Staatsrechnungsabschluß
für 1928 ausweisen, daß diese 33 Millionen auch tatsächlich
erspart wurden. Allzu optimistisch bin ich diesbezüglich
allerdings nicht; das ist auch kein Wunder, wenn man beobachtet,
in welch bürokratischer, umständlicher und kostspieliger
Weise die Durchführung der Verwaltungsreform in die Wege
geleitet wird. Da verliert man jeden Glauben daran, daß
in diesem Staate auch wirklich zweckmäßig und sparsam
gearbeitet wird.