Ètvrtek 9. února 1928

Ich habe heute noch über etwas anderes zu sprechen. Ich möchte an die Rede des Koll. Meissner anschließen, die er das letzte Mal anläßlich der Verhandlung der Arbeitskolonien hier im Hause gehalten hat. Er kam zum Schlusse auch auf die Krise des Parlamentarismus zu sprechen. Der Herr Ministerpräsident Švehla bestreitet zwar, daß es eine Krise des Parlamentarismus gibt, er sagt: "Die Krise ist abhängig von dem Benehmen der Abgeordneten, sie müssen sich halt etwas anständiger benehmen, die Arbeit muß in den Ausschuß verlegt werden; dort spricht man sich sachlich aus und im Hause spricht man sich eben dann politisch aus." Das ist nicht so einfach. Es ist über die Krise des Parlamentarismus schon ungemein viel nachgedacht und auch geschrieben worden. Und wie sollen wir eigentlich alle wissen, wovon das abhängt? denn die verschiedenartigsten Momente sind ja dafür maßgebend und da ist interessant der Artikel der "Bohemia" vom 3. Feber, dem zu entnehmen ist daß bei der vorjährigen Tagung der interparlamentarischen Konferenz auf Anregung des schweizerischen Nationalrates Michels die Frage untersucht worden ist in Form einer Rundfrage über die Krise des Parlamentarismus. Er steht auf dem Standpunkt, daß die Abgeordneten in kürzester Zeit mit so einer Unzahl von Gesetzen überlastet sein werden, daß es dem einzelnen natürlich gar nicht möglich ist, sie überhaupt beherrschen zu können. Erstens namentlich die verschiedenartigen Materien; bei uns kommt noch dazu, daß wir deutschen Abgeordneten zum großen Teil auch mit der Sprache Schwierigkeiten haben. So geht es auch den ungarischen und den karpathorussischen Abgeordneten; und auf der anderen Seite fehlt natürlich die Einsicht, daß zu einer sachlichen Arbeit auch Unterstützung mit dazu gehört. Ich habe die verschiedenartigsten Anregungen diesbezüglich gegeben - nennen Sie es Abschrift oder Durchschlag. Da steckt auch ein Stück Krise des Parlamentarismus drin. Mit reinem Chauvinismus läßt sich ein Staat nicht in dem Maße regieren, wie Sie glauben. Das kann man eine zeitlang machen, wenn man aber positive und tatkräftige Arbeit und Unterstützung haben will, muß man weiter gehen, muß man weitsichtiger sein, muß auch Gelegenheit zur Mitarbeit geben. Also, die Materien, abgesehen von der sprachlichen Seite, sind verschiedenartigster Natur und jeder Abgeordnete müßte ein Universalgenie sein, um alle diese Materien beherrschen zu können. Ich stehe auf dem Standpunkt, daß für die Abgeordneten ein ausreichender Informationsdienst da sein müßte, und da machen wir die komische Erfahrung, daß ganze Parteien und auch Abgeordnete auf dem Standpunkt stehen: "Wir haben keine Sachverständigen zu fragen, wir sind es, und nicht sie, die darüber zu entscheiden haben." Ich führe hier als Beispiel die Verwaltungsreform an. Der Juristentag stand auf dem Standpunkt, so und so müsse sie gemacht werden, man hat aber erklärt: "Das geht uns nichts an, es gehen uns die Sachverständigen nichts an, wir entscheiden." Das ist nicht richtig, weil kein Mensch alles verstehen kann. Dann führt er als Grund an, daß Parlamentsmitglieder sich im Parlament als Vertreter besonderer Interessengruppen betrachten und dementsprechend handeln. Aber es ist interessant, was Professor Bonn sagt. Ich möchte Ihnen das vorlesen und dabei auf ein Kapitel kommen, das besonders spruchreif ist. Er sagt nämlich: "Die Politik wird durch das Listenwahlrecht zur Parteimaschine bürokratisiert. Es besteht insbesondere gar keine Möglichkeit, die Jugend am Parteileben beteiligen zu lassen, wie z. B. in England." Er sagt dann weiter, daß in den organisierten Berufsinteressen wirtschaftliche Machtgruppen und verkalkte Parteisekretäre zu dominieren scheinen. Er sagt mit anderen Worten, daß ein großer Teil der Parlamentskrisen - nicht nur bei uns, es ist auch in der Umgebung so - in dem Listenwahlrecht besteht, weil im Prinzip der Individualismus sich bei dem System nicht durchsetzen kann. Denn im Prinzipe, wenn er sich durchsetzen will und anderer Ansicht ist (Posl. Krebs: Mayer und Hanreich!), wird er hinausgeschmissen. Da haben wir auch die Mittel dazu, daß er dann sofort auch erledigt wird. Auf den Fall komme ich noch nachher zu sprechen.

Ich möchte nun noch an Herrn Dr Meissner anknüpfen. Dr Meissner hat das Kapitel der Regierungsmehrheit und der Opposition angeführt. Wir beide waren es im Budgetausschuß, die eigentlich die vollständige Ignorierung der Opposition nicht verstanden und darauf hingewiesen haben, und als damals Ministerpräsident Švehla anwesend war, habe ich mir erlaubt, an seine seinerzeitige Rede anzuknüpfen, wo er sagte, Gleiche mit Gleichen regieren jetzt, die Opposition solle nicht demagogisch sein, sie solle kritisch und sachlich sein. Gerade dazu gehört natürlich auch das Verständnis der Regierungsparteien. Die Regierungsparteien müssen sich mit der Opposition verständigen können. Herr Dr Meissner hat als ein Mann gesprochen, der sieben Jahre in der Regierungskoalition war; ich spreche namens einer Partei, die seit 9 1/2 Jahren in Opposition ist, und die Herrschaften von den èechischen Sozialdemokraten sind gerade diejenigen, die darauf eigentlich nie Rücksicht genommen haben. Sie haben auch ganz kalt lächelnd, ohne die Opposition anzuhören, regiert. Bitte, ich bin sehr einverstanden damit, daß Dr Meissner seine Ansichten korrigiert hat, da ich an den dünnen Faden, den Koll. Bechynì ausspinnt, nicht glaube und weil ich es für möglich halte, daß Sie über den Faden hinweggehen und mitregieren. (Posl. Bechynì: Gehen Sie mit?) Herr Kollege, ich müßte erst feststellen, ob wir zwei uns vertragen. Also: Gesetzt, Sie sind in der Regierung und die anderen in der Opposition. Dann bin ich neugierig, ob Sie von der neuen Einsicht werden Gebrauch machen und ob Sie sich mit der Opposition verständigen werden. Weil Sie gesagt haben, ob ich mit Ihnen gehe. Schauen Sie, da müßte ich Ihnen eigentlich auch eine Vorgeschichte erzählen. Sie pflegen die Idee der Verständigung mit den deutschen Sozialdemokraten zum Zwecke des Zusammenschlusses. Sie haben alle in den Vorreden zum Kongreß, die mich ungemein interessiert haben, ganz offen erklärt, daß nur in der geschlossenen Einheit in der Zusammenfassung die Kraft ruht. Und ich finde es ganz begreiflich, und das hätte eigentlich schon lange stattfinden sollen, daß sich Ihre zwei Gruppen zusammenfinden. Das konnten Sie aber früher nicht, das konnten Sie erst in dem Stadium machen, wo Sie in die Opposition kamen, weil Sie vorher das nationale Moment dem internationalen voransetzten und kaltlächelnd gegen Ihre eigenen deutschen Kollegen vorgingen. (Posl. Knirsch: Jetzt auch noch!) Ich bin ein Mensch, der immer an das Gute glaubt, bis er sich vom Gegenteil überzeugt. Ich weiß, wie schwer eine Verständigungsarbeit ist, Herr Kollege, und das werden Sie auch wissen. Aber Ihnen als èechischen Kollegen sage ich, Sie werden ein bischen mehr Verständnis haben müssen als die deutschen Kollegen, weil Sie nämlich auf dem Standpunkt stehen müssen, daß Sie neben den sozialpolitischen Problemen im Kampf gegen die bürgerliche Mehrheitsregierung auch den Standpunkt beachten müssen: Gleiche mit Gleichen, auch die deutschen Kollegen sind gleichberechtigte Staatsbürger. Sehen Sie, Herr Kollege, dann werden Sie auf dem Standpunkt stehen müssen: nachdem wir auf dem Boden der Tatsachen stehen, ist nicht maßgeben, ob die deutschen Regierungsparteien in der Regierung sind, sondern maßgebend ist, ob ein Ausgleich von Volk zu Volk möglich ist, d. h. mit anderen Worten, ob Sie von der Idee des Nationalstaates ablassen und sagen können, die anderen Mitbewohner des Staates sind gleichberechtigte Bürger. Es ist sehr interessant, wenn man sich ein bischen philosophisch damit beschäftigt, die Ängste und Nöte zu sehen, wie Sie um den Nationalstaat kämpfen. Bitte, ich begreife das. Schauen Sie: Masaryk hat gesagt: "Kolonisten", er hat gesagt: "Organischer Bestandteil". Hodža werkelt zum 50ten Geburtstag herum und sagt: "Nationalstaat, aber die Deutschen gleichberechtigt." Genieren Sie sich nicht, nur einmal heraus mit der Farbe. Brauchen Sie die andern mit dazu, oder wollen Sie sie mit dazu haben,- dann geht die Geschichte ganz anders. Von diesem Gesichtspunkt aus, wenn Sie es ehrlich meinen und wenn es wahr ist, daß Sie neben der Losung der sozialpolitischen Probleme auf Ihre Fahne auch die Lösung der nationalen Probleme gesetzt haben, indem Sie sagen: wir wollen alle Staatsbürger gleich behandeln, gehe ich mit Ihnen, Herr Kollege. Also verstehen wir uns recht! Wir haben damals erklärt: Jawohl, wir wollen aktiv und positiv mitarbeiten, aber unter anderen Bedingungen, und die bürgerliche Mehrheit, die heute am Ruder ist, hätte sich das eine klarmachen sollen, daß Sie den Vorwurf von Ihnen nicht ertragen müßte, sie habe kein nationalpolitisches Programm. Ja, ob Sie das nationalpolitische Programm im Sinne des Ausgleiches meinen, oder im Sinne der weiteren Verfolgung gegen die 3 1/2 Millionen Deutschen, das ist etwas anderes. Aber gespannt bin ich, Herr Kollege - weil ich der Ansicht bin, daß aus dem Faden der Strick wird, der nicht reißt ob Sie tatsächlich die Richtlinien des Kongresses auch in dem Punkte der Lösung des nationalen Problems restlos durchführen werden. Sehen Sie, Herr Kollege, von dem Gesichtspunkte aus geht auch bei uns der Verständigungsgedanke. Man hat in den èechischen Zeitungen die verschiedensten Ansichten lesen können. Da hat man gesagt: Die Deutschen wollen sich nur verständigen, um gegen uns aufzutreten. Nicht war? Die anderen verhöhnten das, andere suchten wieder etwas anderes dahinter und da will ich Ihnen etwas sagen: Wenn Sie selbst bezüglich des eigenen Volkes dorthin kommen und sagen: Volk, halte zusammen, bleibe ganz, dann müssen Sie auch auf der anderen Seite den 3 1/2 Millionen Deutschen gestatten, daß sie sich zusammenschließen, weil ich der Ansicht bin, wenn Sie ehrlich den Grundsatz aufrecht erhalten "Gleiche mit Gleichen" wenn gilt, daß Sie die Deutschen als gleichberechtigte Staatsbürger behandeln wollen, dann muß Ihr Verhalten ein ganz anderes werden. Denn täuschen Sie sich nicht: In Wirklichkeit geht das System der Verfolgung der nationalen Zwecke trotz der Teilnahme der deutschen Parteien an der Regierung, mag das auch geleugnet werden, restlos weiter. Wir werden in Zukunft sehen, wie Sie das System fortsetzen. Sie werden einmal die Maske des doppelten Spieles ablegen müssen. Von dem Gesichtspunkt aus, daß nicht parteimäßig ein Ausgleich von Volk zu Volk geschlossen werden kann, daß das nur durch den Zusammenschluß zustande kommen kann, habe ich Ihren Kongreß begrüßt und kann es nicht dulden, daß Sie auf der anderen Seite vielleicht irgend wie eine Verständigung unter den anderen deutschen Parteien verhöhnen, belachen. Da ist es doch sehr interessant, Folgendes wahrzunehmen: Als dieser Gedanke ausgesprochen wurde, da war es Koll. Windirsch, der als Antwort darauf von der Lächerlichkeit und Groteske der deutschböhmischen Landesregierung sprach. Darauf erfolgten im Hause die weiteren Ausfälle, bis wir endlich bei der gurgelnden Jauche waren. Man mag darüber denken, wie man will, das gehört jedenfalls zur Krise des Parlamentarismus. (Posl. Weisser: Vergessen Sie die Watsche nicht, Herr Kollege!) Die ist mit drin, selbstverständlich, die vergesse ich keinesfalls, die hätte aber Ihr Kollege nicht gekriegt, wenn Windirsch nicht so gesprochen hätte. (Potlesk poslancù nìm. strany národní a nár. socialistické.) Wenn man ganz ehrlich ist: die Watsche hat doch ein Falscher gekriegt. (Posl. Weisser: Sie müssen doch wissen, wem Sie sie geben wollten!) Ich habe sie doch nicht ausgeteilt. (Veselost.) Nun stellen Sie sich Folgendes vor: Da konstatiert Koll. Windirsch in einer Versammlung in Neundorf bei Kratzau, die Nationalpartei habe sich auf den Boden der Tatsachen gestellt, die Nationalpartei will die Ausscheidung des Persönlichen. Das wird begrüßt.

Und der Aufruf der Fünfzig zur Einigung wird auch begrüßt. Bis dorthin geht die Rede schön. Und dann wagt Koll. Windirsch zu sagen: "Eine Zusammenarbeit zwischen Regierungsparteien und Opposition ist ausgeschlossen, weil sie das sofortige Ende der Koalition bedeuten würde." Ich habe lange Geduld, das können Sie mir glauben. Aber wenn ich das höre, daß an einem Verständigungsgedanken eine Koalition zugrunde gehen soll, wenn ich höre, daß eine Zusammenarbeit zwischen deutschen Regierungsparteien und der deutschen Opposition unmöglich sein soll, wenn ich höre, daß er erklärt, wir müssen den èechischen Kollegen gegenüber loyal sein nun, was ist es mit der Loyalität gegenüber den Deutschen? - dann muß ich erklären, daß dieser Standpunkt unrichtig ist und diese Äußerung entweder ungeschickt oder in böser Absicht gemacht wird und daß man mit den beiden Methoden (Výkøiky na levici.) keine sudetendeutsche Volkspolitik macht. (Sehr richtig!) Wenn ich es hier von dieser Tribune erkläre, fühle ich das Recht dazu, weil Koll. Windirsch diese Erklärung in einer öffentlichen Versammlung tat. Ich rufe hier der ganzen deutschen Öffentlichkeit zu, daß es Koll. Windirsch ist, der erklärt, eine Zusammenarbeit zwischen Regierungsparteien und Opposition sei ausgeschlossen. Ich bin weit entfernt, die anderen Mitglieder des Bundes der Landwirte damit zu identifizeren, weil ich einfach nicht glauben kann, daß die anderen Mitglieder des Bundes der Landwirte damit einverstanden sein können. (Výkøiky na levici.) Aber wir können es nicht zulassen, daß die sudetendeutsche Volkspolitik auf diese Basis gestellt werde. Verzeihen Sie mir wenn ich dem Koll. Windirsch darauf folgendes erwidere: Wenn er der Ansicht ist, daß eine Zusammenarbeit zwischen Regierungsparteien und Opposition unmöglich ist, dann verweise ich ihn auf die Ausführungen des Koll. Dr Meissner auf der einen Seite und auf die Ausführungen der "Národní Politika" auf der anderen Seite, die mit vollem Recht am 5. Feber auf meinen Artikel: "Die dringendsten Notwendigkeiten für unser Sudetendeutschtum" folgendes schrieb: "Wir wissen nicht, wie oft schon nach ähnlichen sudetendeutschen Organisationen gerufen wurde, wieviel Pläne schon entworfen wurden. Das eine ist aber sicher, daß durch eine bloße Aktion auf dem Papier weder Dr. Rosche noch die übrigen deutschen Parteien jemanden überzeugen werden von der Aufrichtigkeit und dem Ernst ihrer Verständigungs- und Einigungsbestrebungen. Warum traten die Herren nicht schon endlich zusammen, um sich auszusprechen und - einig zu werden über diese "Einheitsfront der Sudetendeutschen"? Oder wollen sie das vermeiden in der Ahnung, wie die Vorkehrungen zu dieser "dringendsten Notwendigkeit für das Sudetendeutschtum" ausfallen werden?" Diese Belehrung muß sich Koll. Windirsch geben lassen. Gleichzeitig verweise ich darauf, was Dr Kramáø auf dem Studentenkongreß erklärt hat: "Wir müssen auch den anderen Nationalismus zulassen", wo also Dr Kramáø den berechtigten Nationalismus zuläßt. Und ich erkläre Koll. Windirsch, daß man auch auf èechischer Seite seinen Standpunkt nicht billigen kann, und ich erkläre weiter, daß ich trotz diesen Äußerungen des Koll. Windirsch die ich für vereinzelt halte, bevor nicht der Bund der Landwirte ausdrücklich geschlossen erklärt, daß er sich dahinter stellt, mich deswegen vom Gedanken der Verständigung nicht abbringen lasse und ich rufe ihm zu: Die Verständigung wird auch ohne ihn zustandekommen, nur muß man dann Windirsch beibringen, daß seine Politik nicht gemacht werden kann.

Wir haben einen zweiten Fall, der anschließend die Öffentlichkeit beschäftigt, das ist die Mandatsaberkennung Mayers und Hanreichs. Ich erkläre, daß es im Prinzip eine Angelegenheit des Bundes der Landwirte ist und daß ich absolut nicht gewillt bin, zu untersuchen, inwieweit Recht hier und Recht dort ist. Darüber soll die Öffentlichkeit entscheiden. Aber eines erkläre ich, daß für den Bund der Landwirte und für die gesamte sudetendeutsche Politik und Öffentlichkeit der Fall ungemein traurig ist, weil er unter allen Umständen eine neue Zersplitterung im sudetendeutschen Lager bedeutet. Menschlich betrachtet, bin ich darüber erschüttert, wenn ich sehe, daß ein Parlamentarier, der 20 Jahre die Interessen des Landvolkes vertreten hat, nicht weil ihm ein diffamierender Vorwurf im Sinne des Strafgesetzes gemacht werden konnte, sondern aus dem Grunde mandatslos in seine Heimat gehen muß, weil er erklärt hat: Seien wir doch etwas nationaler! Dies trifft auch bei dem zweiten Abgeordneten zu, und aus diesem Grunde wird diese Angelegenheit sowohl für den Bund der Landwirte wie auch für die sudetendeutsche Politik bedauert. Wir können aber daraus Schlüsse ziehen. Merken Sie sich alle, die Sie da bei den Parteien sitzen: Wagen Sie nicht, Opposition zu machen! Das Beispiel ist gegeben, der Spruch ist gefällt, das Intermezzo hat begonnen. Ich glaube, jetzt werden Støíbrný und Trnobranský- oder wie er heißt - daran kommen, und wenn wir alle hier, ob da, ob dort (ukazuje napravo a nalevo) einmal Opposition machen werden: Wer der Mächtigere ist, der schmeißt den anderen hinaus!

Aber wir sehen noch Folgendes bei diesem Falle, der traurig ist, der eigentlich Ihr Sprachengesetz und Ihre Sprachenverordnung ad absurdum führt. Hier sehen Sie das Beispiel, daß sich eine deutsche Wahlgruppe nicht getraut, die Klage deutsch einzubringen. Sie bringt sie èechisch ein und sie sagt, als es zur Verhandlung kommt, man wahre sich das Recht, deutsch zu verhandeln, man verhandle aber èechisch, um das Verfahren zu beschleunigen. Und auf der anderen Seite wird lediglich aus Loyalität den beiden Angeklagten gestattet, deutsch zu sprechen, es wird ihnen aber nicht gestattet, einen Dolmetsch zuzuziehen, und es wird nicht gestattet, daß ihre Verteidiger deutsch sprechen. Ad absurdum wird dieses Sprachengesetz und wird diese Sprachenverordnung dadurch geführt, indem man den Anwalt von den Klienten trennt, die doch prozeßrechtlich sonst eine Person sind. Von diesem Gesichtspunkte aus ist es ungemein bedauerlich. Die Zukunft wird natürlich lehren, wie die Sache aufgefaßt wird.

Jedenfalls darf auch dieses Vorkommnis keinesfalls den eingenommenen Standpunkt irgendwie beirren, und es wird lediglich auf die èechische Mehrheit ankommen, wie sie sich ihr Verhalten einrichten wird. Man wird aber auf den Standpunkt kommen müssen, daß man Demokratie Demokratie sein läßt, wenn Demokratie Diskussion sein, die tatsächliche Volksherrschaft darstellen soll. Dann wird man auch im Parlamente als Regierungsmehrheit zur Opposition einen anderen Standpunkt einnehmen und sich auch dann entschließen müssen, einen anderen Gesichtswinkel zu beziehen und Wort und Schrift gelten lassen.

Ich meine die Beschlagnahmungen. Da habe ich jüngst wirklich gelacht. Als meine Partei eine Reichsparteileitungssitzung hatte und der Bericht - mit dem ich übrigens nichts zu tun hatte - ausgegeben wurde, da sah die "Bohemia" an zwei Stellen vollständig weiß aus. Da hat die èechische Presse geschrieben, es wäre ganz gut gewesen, wenn man gewußt hätte, was Dr Rosche gesagt hat. Das will ich Ihnen sagen: Ich habe einmal vom Selbstbestimmungsrecht gesprochen und zum Schluß erklärt, daß wir Sudetendeutschen zusammenhalten müssen. Und diese Stellen hat man konfisziert! Ich stehe auf folgendem Standpunkt - ob es deutsche oder èechische Parteien sind, kommt nicht in Frage: Wo hält man nicht am Selbstbestimmungsrechte fest? Sie haben Ihre Verfassung, die Proklamation baut sich auf dem Selbstbestimmungsrecht der Völker auf, Sie nehmen es für sich in Anspruch, und auch wir Sudetendeutsche werden es in Anspruch nehmen können. Wenn wir soweit kommen, daß hier vielleicht ein staatsgefährliches Moment darin erblickt wird, daß man selbst das Reden über das Selbstbestimmungsrecht beschneiden will, dann sage ich Ihnen: Dann leben wir nicht in einem demokratischen Staate, sondern in einem Polizeistaate. (Výkøiky posl. Bechynì.) Haben Sie eine Ahnung, Herr Koll. Bechynì! Sie haben die Eisenbahnerbewegung mitgemacht. Halten Sie es für möglich, daß eine Zeitung, die eine Notiz darüber brachte, laut Erlasses des Eisenbahnministeriums und der Eisenbahndirektion um den Verkauf bei den Verschleißstellen kam? (Posl. Bechynì: Sprechen Sie mit Mayr-Harting, nicht mit mir!) Ich spreche mit Ihnen, weil ich weiß, daß Sie sich für Politik interessieren. Minister Mayr-Harting ist leider nicht da. Ich kann doch nicht zu seinem leeren Stuhl reden! Aber eine Anfrage richte ich an den Herrn Minister: Das ganze System der Beschlagnahmungen beruht nicht nur auf dem Justizministerium, sondern hauptsächlich auf dem Innenministerium. Ich erlaube mir an den Minister Mayr-Harting die höfliche Anfrage - Herr Koll. Dr. Luschka, vielleicht sagen Sie es ihm (Veselost.) - er möchte dem Parlamente bekannt geben, wieviel Beschlagnahmen seit Bestand der Republik vorgenommen worden sind - es ist das vielleicht ein bißchen viel also sagen wir, seit zwei Jahren, und er soll auch bekanntgeben, wieviel Beschlagnahmen durch den Pressesenat aufgehoben worden sind. (Posl. dr Petersilka: Wieviel in den ersten 8 Jahren und wieviel in den Jahren seiner Ministerschaft!) Einverstanden.

Wenn man wegen Staatsgefährlichkeit oder aus sozialpolitischen Gründen, weil die Eisenbahner eventuell streiken könnten, die Beschlagnahme gelten läßt, so kann das vom Standpunkt der anderen eventuell gerechtfertigt sein. Aber mir liegt ein derart krasser Fall von Beschlagnahme vor, daß man sich an den Kopf greifen muß, wie das möglich war.

Wie Sie wissen, hat die Finanzverwaltung ungemein komplizierte Bekenntnisformulare hinausgegeben, vor denen normalerweise tatsächlich der arme Staatsbürger sitzt und sich nicht auskennt. (Posl. Krebs: Muß sich halt einen Advokaten nehmen!) Kommt vor, daß er das Geld dazu nicht hat. In diesen Formularen hat die Finanzverwaltung in ihrer rührenden Ängstlichkeit auch gefordert, daß bei den Spareinlagen nicht nur die Art und die Höhe, sondern auch die Institute angegeben werden sollen. Das hat einen ziemlichen Wirbel gemacht und es scheint, als ob bei den Geldanstalten ein Geldabfluß eingetreten sei. In Wirklichkeit hatte ja die Finanzverwaltung Absichten, denn sie hat diese Frage in die Formulare hineingegeben, rechtfertigte sich aber später, daß der Staatsbürger auch laut § 301 des Gesetzes über die direkten Steuern seiner Verpflichtung nachkomme, auch wenn er das Institut nicht angibt. Die "Bohemia", Nummer vom 29. Jänner 1928, hatte sich erlabut, einen Leitartikel darüber zu schreiben, mit der Überschrift: "Die Kehrseite der Medaille." Von diesem Artikel hat man nicht einen Buchstaben stehen lassen, man hat den ganzen Artikel samt und sonders konfisziert. (Posl. Krebs: Diese Nummer ist die beste Auslandspropaganda!) Das ist wahr. Der Artikel lautet, hören Sie zu, urteilen Sie gerecht, ob mein Standpunkt der richtige ist (ète):

"Die Kehrseite der Medaille. Kaum sind die Formulare für die Bekenntnisse zur Einkommensteuer herausgekommen, muß schon der Finanzminister Beruhigungskundgebungen veröffentlichen, während die Polizei telephonisch Zensurmaßnahmen androht, wenn über dieses oder jenes Gerücht eine Zeile geschrieben werden sollte. Diese Erscheinungen sind überaus bezeichnend für die Nervosität, die sich der Öffentlichkeit bemächtigt hat, seit sie sich nur einigermaßen mit dem Inhalt der neuen Steuervorschriften bekannt gemacht hat. Selbstverständlich ist es weit weniger die Höhe der Steuern, sind es viel weniger die Steuersätze, die so beunruhigend wirken, wie der polizeiliche Geist, von dem das neue Steuerverfahren erfüllt ist. Der Steuerzahler wird zum Objekt degradiert, auf ihn wird die ganze Beweislast überwälzt, er sitzt gewissermaßen unausgesetzt auf der Anklagebank einer das ganze Jahr dauernden Verhandlung, sein Kalender zerfällt fortan in eine ganze Skala von Steuerterminen, die er bei Androhung empfindlicher Strafen strenge einzuhalten hat, und er muß eigentlich jeden Tag gefaßt sein, daß wegen eines Versehens, einer kleinen Schlamperei, aber auch wegen der Gehässigkeit eines unvernünftigen Finanzbeamten die Strafguillotine auf seinen Nacken niedersaust.

Die jede liberale Anschauungsweise wie die Pest meidenden neuen Vorschriften haben eine Stimmung erzeugt, ja erzeugen müssen, die von einem ungeheueren Mißtrauen gegen die Finanzverwaltung erfüllt ist. Namentlich die Provinzbevölkerung wittert heute hinter jedem Schritt der Finanzbehörden eine Tücke oder einen Überfall. So ist es auch zu erklären, daß die Phantasie in der letzten Zeit, als man aus den Überschriften auf den Bekenntnisformularen das Interesse der Steuerbehörden für gewisse Einzelfragen wahrnahm, sofort allerhand weitere Folgerungen ableitete, daß man von neuen Vermögenskonskriptionen zu munkeln begann und die Einleger massenweise zu den Sparkassen strömten, um ihr Geld wieder in den Strümpfen, in den Schubladen oder im Ausland vor der Neugierde und dem Zugriff der Finanzbehörden in Sicherheit zu bringen. Diese Rückwanderung der Einlegergelder ist nun begreiflicherweise keine geringe Gefahr für die ohnehin noch immer recht kapitalsarme Volkswirtschaft, und der Finanzminister hat sich fast zu lange Zeit gelassen, ehe er sich entschloß, seine Beruhigungskundmachungen durch die Zeitungen zu verbreiten.

Von besonderer Wichtigkeit ist es nun, daß er dabei auch auf das sogenannte Bankgeheimnis zu sprechen kommt. Er macht aufmerksam, daß die Geldinstitute nicht verpflichtet sind, Mitteilungen über die Höhe der Einlagen zu machen, auch wenn der Einleger sein Bekenntnis nicht ordentlich ausgefüllt haben sollte, und verweist dabei auf den § 301 der Steuernovelle, die die Wahrung des Geschäftsgeheimnisses behandelt. Allerdings wäre es wohl nicht zutreffend, wenn man aus dem Wortlaute des Gesetzes allein die unbedingte, schrankenlose Wahrung des Bankgeheimnisses ableiten wollte; denn in dem angeführten Paragraphen heißt es:

"Wenn es sich um ein Geschäftsgeheimnis handelt, d. h. um einen Tatumstand, dessen Geheimhaltung eine so wichtige Grundlage der Tätigkeit des Gefragten ist, daß eine Enthüllung die Tätigkeit in ihrem bisherigen Umfang unmöglich machen oder zumindest ernstlich erschweren könnte, so kann die Zeugenaussage verweigert werden."

Auf den ersten Blick ist zu erkennen, daß nicht der Wortlaut, sondern erst eine Interpretation in dem Sinne, daß die Nichtbewahrung des Bankgeheimnisses die Tätigkeit der Banken allmählich vollständig untergraben müßte, dazu führt, daß in dem erwähnten § 301 ein hinreichender Schutz gegen eine Verletzung des Bankgeheimnisses erblickt werden kann, obwohl richtiger schon die Anfrage der Behörde im Gesetz hätte verboten werden sollen.

Trotz alledem bleibt immer noch eine Frage offen: Wie steht es denn mit den Revisionskommissionen? Zugegeben, daß die Bank auf Anfragen der Steuerbehörde über ein bestimmtes Konto oder eine bestimmte Einlage - notabene, wenn sie sich traut - die Antwort verweigert: was tut sie aber, wenn sich die berüchtigte Revisionskommission, im Volksmund Steuertscheka genannt, in ihre Büros setzt, die Bücher zu durchstöbern beginnt und sich ihre Aufzeichnungen macht? Kann denn die Bank kontrollieren, welcher Gebrauch von dem gefundenen Material gemacht wird? Hat sie überhaupt einen Einfluß auf die Tätigkeit einer solchen Kommission?

Der Finanzminister weiß ganz genau, wie sehr gerade die Revisionskommissionen, das personifizierte Mißtrauen des Staates zum Steuerzahler, das Verhältnis zwischen dem besteuerten Bürger zur Finanzverwaltung vergiftet haben. Aber er ist so verliebt in dieses Requisit eines übelwollenden Steuerabsolutismus, daß er nicht zu bewegen war, diese Kommissionen zu beseitigen. Solange aber nicht eine legislatorische Maßnahme herausgegeben wird, wonach das Bankgeheimnis auch der Steuertscheka gegenüber bedingungslos gilt, so lange ist, da die Einlegerpsyche wieder einmal aufgewühlt zu sein scheint, mit einer vollen Beruhigung kaum zu rechnen. Der Finanzminister kann zwar sagen, die Maßnahmen der Steuernovelle dienten bloß der Hebung der Steuermoral und der Fassionswahrheit, aber das Leben geht nun einmal seine eigenen Wege, und auch der bravste Steuerzahler wird bockig, wenn er zusehen muß, wie ihm der Fiskus unablässig hinter die Möbel, unter die Kästen und in alle Töpfe guckt.

Es wurde eben des Guten zuviel getan. Gewarnt wurde rechtzeitig und eindringlich genug. Man hat trotzdem hinter jeden Steuerzahler einen Polizisten gestellt; der Steuerzahler hat ihn erblickt und fängt an, stutzig zu werden. Kapitalflucht ist dann erfahrungsgemäß die höchst unerwünschte nächste Folge. F. B."

Diesen Artikel hat man samt und sonders vom Anfang bis zum Ende glatt konfisziert. (Výkøiky komunistických poslancù: Jetzt wird ihn der Malypetr konfiszieren!) Das glaube ich nicht. Herr Kollege, wenn Sie da recht haben, dann gehen wir bitteren Zeiten entgegen, vielleicht gerade im Jubiläumsjahre den bittersten Zeiten. Ich kann nicht glauben, daß Sie in dem Falle Recht haben, weil das lediglich eine rein wissenschaftlich theoretische Diskussion ist, die jedem sowohl in der Zeitung als auch mündlich gestattet sein muß. Ich bin der Ansicht, daß ein derartiges Polizeisystem unter keinen Umständen haltbar ist, daß Wandel geschaffen werden muß. In dieser Hinsicht werden wir mit allem Nachdruck auf den Minister des Innern wie auf den Herrn Justizminister einwirken müssen, daß hier Ordnung gemacht werde, denn diese Zustände sind unhaltbar.(Potlesk poslancù nìm. strany národní a nár. socialistické.)


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