Dieser Artikel wurde von demselben Zensor vollkommen
unbeanständet durchgelassen! Hier haben Sie den Beweis, wie
derselbe Staatsbeamte die gleichen Gesetze gegen verschiedene
Bürger dieses Staates handhabt. Ein nationales Blatt darf
über den 4. März überhaupt nicht schreiben, die
Presse der deutschen Regierungsparteien darf sich alles erlauben.
Ich frage Sie, meine Herren, ich frage das
Präsidium des Hauses, ich frage die kompetenten Herren Ressortminister,
ob alle Bürger des Staates vor dem Gesetze gleich sind, ob
wir Sudetendeutsche unter uns überhaupt noch von "Gleiche
unter Gleichen" sprechen können, ein Wort, das der Herr
Ministerpräsident von den Angehörigen der verschiedenen,
diesen Staat bewohnenden Nationen geprägt hat. Ich glaube,
ich werde auf diese Frage von Ihnen wohl schwerlich eine
Antwort bekommen. Wie tief korrumpiert ist aber die èechische
Beamtenschaft dieses Staates, die trotz ihres Amtseides in derartiger
Form die Gesetze des Staates handhabt. (Souhlas a potlesk poslancù
nìm. strany národní.)
Hohes Haus! Die Frage des Mieterschutzes sowie
auch jene der Bauförderung sind unzweifelhaft die wichtigsten
sozialen Probleme, die in diesem Staate zu lösen sind. Es
ist nur bedauerlich, daß diese nicht nur für den Hausbesitzer,
sondern auch für den Mieter so ungemein ernsten Fragen nicht
etwa wie man glauben sollte, vom Standpunkte der Wissenschaft
oder vom Standpunkte unserer Volkswirtschaft, sondern vom Standpunkte
nackter Parteipolitik betrachtet wird, welche Betrachtung zu demagogischen
Phrasen und selbstredend auch zu Wählerfang führen müssen.
Man betrachte nur, um dies zu dokumentieren, die großen
Kundgebungen, welche sich gerade in der letzten Zeit mit dieser
Frage befaßt haben.
In Aussig fand am 12. Feber eine Hausbesitzertagung
statt und wir wissen, daß bei dieser Tagung die Herren Hausbesitzer
aus den Reihen der Nationalpartei und jener der Deutschdemokraten
tonangebend waren. Schon die Einstellung und der Ton der Referate,
insbesondere aber der Widerspruch bei der Rede des Koll. Krumpe
von der christlichsozialen Partei und des Koll. Fischer
vom Bund der Landwirte, der ein Verfechter des radikalen Abbaues
des Mieterschutzes ist, somit der weitgehendsten Forderung der
Hausbesitzer, lassen erkennen, welchen Zweck diese Tagungen haben
sollten. Selbstredend war dann der Refrain der Versammlung kein
anderer, wie zu erwarten war: "An allem Elend der Hausbesitzer
tragen die deutschen Regierungsparteien die Schuld und deshalb
keine Stimme den deutschen Regierungsparteien bei den künftigen
Wahlen in die Bezirks- und Landesvertretung." (Výkøiky
na levici.)
Ausgerechnet 14 Tage darnach fand in Teplitz-Schönau
eine Mietertagung statt, bei der natürlich wiederum die sozialistischen
Parteien die erste Geige spielten und der Refrain in dieser Versammlung
war der gleiche: "Die deutschen Regierungsparteien tragen
an allem Elend der Mieterschuld und deshalb wie bei der Hausbesitzertagung
- keine Stimme den deutschen Regierungsparteien bei den künftigen
Wahlen." Wenn man dieses demagogische Treiben, ob es nun
da oder dort inszeniert wird, betrachtet, so muß man unwillkürlich
die Überzeugung gewinnen, daß diese Tagungen und Kundgebungen
nicht etwa vor allem dazu gemacht werden um auf der einen Seite
die berechtigten Forderungen des Hausbesitzers durchzusetzen,
oder um auf der anderen Seite den Wünschen der Mieter Recht
zu verschaffen. Nein, diese Tagungen sind lediglich Mittel zum
Zweck, damit bestimmte politische Parteien dabei ihr Süppchen
kochen, damit sie Wähler einfangen können, vor allem
anderen aber um die deutschen Regierungsparteien vor der deutschen
Bevölkerung herabzusetzen. Gerade vor einigen Tagen fand
eine gleiche Mieterversammlung in Karlsbad statt. Zum Schlusse
wurde sie nichts anderes als eine Wählerversammlung der Sozialdemokraten
vor den Karlsbader Gemeindewahlen. Und die gleichen Kundgebungen,
die in den Gemeindevertretungen gefaßt werden, haben keine
anderen als politisch demagogische Zwecke, sollen nichts anderes
als Wählerfang herbeiführen und sich politisch gegen
die Regierungsparteien auswirken. (Posl. Heeger: Was die Gewerbetreibenden
in Karlsbad dazu sagen werden?) Herr Kollege, ich werde darauf
noch zu sprechen kommen.
Kein vernünftiger Mensch wird es den Vertretern
des Proletariats verwehren, daß sie für die Interessen
der Arbeiterschaft, in diesem Falle für die Interessen der
Mieter eintreten. Das ist im Gegenteil ihre Pflicht genau so,
wie wir es als unsere ernste Pflicht..... (Posl. Heeger: Sie
sprechen von Demagogie und in den Versammlungen haben ihre Vertreter
zugleich in demselben Atem links und rechts gesprochen!) Dafür
kann ich nicht. Hören Sie erst an, was für eine Stellung
ich dazu einnehme. Auch wir betrachten es als unsere ernste Pflicht
hier den Weg der Mitte zu gehen, weil wir eine Wirtschaftspartei
sind und es nicht wünschen können, daß die Reste
der gebundenen Wirtschaft auf ewige Zeiten erhalten bleiben. Genau
so wie die Konsumenten froh sind, daß sie sich von der gebundenen
Wirtschaft, soweit sie Nahrungsmittel und Bedarfsartikel betraf
befreit haben, genau so haben Gewerbetreibende und Landwirte diese
gebundene Wirtschaft als Diktatur und Erniedrigung empfunden.
Lediglich in der Wohnungsfrage ist die gebundene Wirtschaft bis
heute aufrecht geblieben. Dies liegt darin, weil man in diesem
Staate nach dem Umsturze den Fehler begangen hat, ein sozialpolitisches
Gesetz nach dem anderen besonders zu lösen, ohne zu bedenken,
daß alle zusammen auf einmal kollektiv gelöst werden
sollten. Wenn das geschehen wäre, wären wir heute in
unserer Sozialpolitik viel weiter und es würde keine der
Frage solche Erschütterungen unseres öffentlichen Lebens
herbeiführen, deren wir immer und immer wieder Zeugen sind.
In der Frage selbst ist der Standpunkt meiner
Partei fest umschrieben. (Výkøiky na levici:
Über die Umschreibung wollen wir nicht reden!) Wie
Sie sich dazu stellen, ist mir ja ganz gleichgültig. Ihnen
gegenüber bin ich keine Rechenschaft schuldig. Dazu bedürfen
wir keinesfalls, wie es die Herren Gegner behaupten, eines Eiertanzes,
weil der deutsche Gewerbestand, ob er nun aus Mietern oder Hausbesitzern
besteht, unsere Stellungnahme billigt und auch verstehen wird,
weil er uns auch schon in anderen Fragen bisher verstanden hat.
(Posl. Heeger: Die Kleingewerbetreibenden verstehen das jedoch
nicht!) Diese Sorge überlassen Sie uns, Herr Kollege
Heeger. Das sehen wir am besten trotz allen demagogischen
Treibens und Kampfes gegen uns durch unsere Erfolge bei den letzten
Gemeindewahlen und dem Erstarken unserer Bewegung auf allen Gebieten.
(Posl. Heeger: Es gibt keine größeren Demagogen
als Sie sind!) No ja, ganz bestimmt!
Der Erfolg bei den letzten Gemeindewahlen ist
der beste Beweis dafür, daß uns unsere Leute wohl verstehen.
Unsere Gewerbetreibenden, die Mieter sind, sehen es vollständig
ein, daß die Forderung des Hausbesitzers nach einer mäßigen
Erhöhung des Mietzinses vollauf berechtigt ist. Sie tragen
diese Erhöhung gerne, wenn sie nur von dem Kummer und den
Sorgen befreit sind, heute oder morgen ohne Wohnung zu sein. Andererseits
verstehen unsere Gewerbetreibenden, die Hausbesitzer sind, es
allzugut, daß in der heutigen Zeit es noch lange nicht möglich
ist radikal den Mieterschutz abzubauen. Mit einer Verhetzung der
Gewerbetreibenden, ob sie nun Mieter und Hausbesitzer sind, werden
unsere Gegner deshalb wenig Glück haben. Das kann ich ihnen
heute schon sagen. Die Gewerbetreibenden gehen nicht mehr auf
den Leim, weil sie genau wissen, daß es sich hiebei nicht
um eine Liebe zum Gewerbestand handelt, sondern lediglich um nackten
Parteiegoismus, der sich auf billige Art Anhang schaffen will.
(Posl. Heeger: Die kleinen Schuster- und Schneidermeister erzählen
Ihnen etwas anderes, Herr Kollege!) Ich glaube, ich komme
mindestens so oft wie Sie mit den kleinen Schustern und Schneidern
in Verbindung. (Posl. Heeger: Das werden Sie wissen, daß
in Schlesien Kundgebungen gegen die Haltung Ihrer Partei stattgefunden
haben!) Wir wissen nichts davon. (Posl. Heeger: Wenn es
sich um unangenehme Dinge handelt, will man nichts davon wissen!)
Sie haben auch schwere Zeiten politisch hinter sich, aber
wir haben sie noch nicht. Tatsache ist, und darüber wird
man auch in den Kreisen der vernünftigen und nicht verhetzten
Mieter nicht hinwegkommen, daß der Mieterschutz ein Überbleibsel
der Kriegsmaßnahmen ist. Der èechoslovakische
Staat ist nach Rußland und Österreich am rückständigsten
im Abbau dieser Zwangsmaßnahmen. (Posl.
Heeger: Sie sind für das Zahlen bis zum Schwarzwerden!) Wer
sagt denn das? Alles was bisher unter dem Titel Bauförderung
zur Linderung der Wohnungsnot oder Abbau des Mieterschutzes unternommen
wurde, war ein Pfuschwerk. Heute wissen wir es, daß alle
bisher durchgeführten Subventionsbauten fast ausschließlich
nur sozial Bessergestellten zugute kamen, während die wirtschaftlich
Schwachen die große Masse der unter der Wohnungsnot leide
den von diesen Wohltaten fast zur Gänze unberüht blieb.
Es handelt sich hier um sozialpolitische Gesetze aus einer Zeit,
wo wir nicht in der Regierung waren.
Es ist unstreitig, daß der Mieterschutz
nur mit einer im gleichmäßigen Ausmaße erfolgenden
großzügigen Bauförderung abgebaut werden kann.
Am schwersten leiden die Städte unter der Wohnungsnot und
den Übeln dieses Zwangsgesetztes. Wir wissen, daß nach
dem Umsturz eine förmliche Völkerwanderung eingesetzt
hat. Über eine halbe Million Menschen der ländlichen
Bevölkerung wandte sich den Städten zuweil durch die
Absperrungsmaßnahmen gegenüber den Nachbarstaaten diese
natürlichen Abwanderungsgebiete hermetisch abgeriegelt wurden.
Die natürliche Folge davon war, daß in den Städten
Wohnungsnot und auch Arbeitslosigkeit herrschte, während
der Landwirt am flachen Lande über Leutenot klagt und nur
mit schwerer Mühe und hohen Kosten heute Knechte und Mägde
bekommt. (Výkøiky na levici.) Ich
bin zufällig Bürgermeister einer Stadt am flachen Lande
und kenne die Verhältnisse ganz genau. Ich skizziere hier
nur Tatsachen. Außerdem gibt es natürlicherweise am
flachen Lande eine Unmenge leerstehender Wohnungen. Das sind Tatsachen,
an denen man, wenn man objektiv und nicht durch die Parteibrille
diese brennende Frage beurteilt, nicht achtlos vorübergehen
kann.
Die große Masse der Mieter.... (Posl.
Heeger: Windirsch freut sich über Ihre Fortschritte!) Er
ist ja ein Kollege von mir.
Die große Masse der Mieter steht auf
dem Standpunkt - und man kann ja dieses Recht nicht streitig machen
- daß gerade wieder die wirtschaftlich Schwächsten
durch einen radikalen Abbau des Mieterschutzes auf die Straße
gesetzt würden und dies zu schweren sozialen Erschütterungen
führen müßte. Trotz dieser Tatsache sind wir auch
diesmal in den gleichen Fehler verfallen, die Frage des Mieterschutzes
und auch jene der Baubewegung provisorisch zu regeln. Mit solchen
Provisorien werden wir weder den Mietern noch auch den Hausbesitzern
etwas nützen. Man hätte genug Zeit gehabt, um an ein
dauerndes mindestens mehrjähriges Gesetz zu denken.
Wenn man diesen Mut nicht aufgebracht hat,
so liegt dies leider in unseren ungesunden politischen Verhältnissen.
Solange die Sozialisten mit in der Regierung waren und dort bekanntlich
das große Wort führten, haben sie es trotzdem unterlassen,
durch ein dauerndes Gesetz dieses große Problem zu lösen,
weil die Rücksicht auf ihre bürgerlichen Koalitionsgenossen
immer im Vordergrunde stand, und heute haben wir eine sogenannte
bürgerliche Mehrheit und auch in dieser hat man nicht den
Mut ein dauerndes Problem zu schaffen, weil politische Umstände
angeblich dagegen sprechen.
Es ist unstreitig, daß der heutige Zustand
auf dem Wohnungsmarkt unhaltbar ist. Vor allem ist es die Ungleichheit
der Mietzinse in neuen und in alten Häusern. Neben tausenden
von Leuten, die durch den Mieterschutz geschützt sind, wächst
von Tag zu Tag ein ganzes Heer von Mietern, die keinen Mieterschutz
genießen, die hohe Mietzinse zahlen müssen, obzwar
es in der Mehrheit Menschen sind, die man keinesfalls zu den wirtschaftlich
Starken zählen kann. Da nun die Regierungsvorlage ein Provisorium
ist, konnte man in ihr alle die vorgebrachten Wünsche der
Interessenten nicht unterbringen. Dies alles muß man der
dauernden Lösung dieser Frage vorbehalten.
Ich will nun im wesentlichen mich mit einigen
besonderen Bestimmungen des Mieterschutzes und des Gesetzes über
die Bauförderung befassen. Gegenüber dem bisherigen
Zustand hat man Wohnungen mit vier und mehr Zimmern aus den Mieterschutz
ausgenommen. Es bleiben somit alle kleineren Wohnungen durch den
Mieterschutz wie bisher geschützt. (Posl. Hackenberg:
Auch in den Landgemeinden?) Ich komme noch dazu.
Der Mieterschutz für gewerbliche Betriebsstätten
bleibt ebenfalls unberührt, trotzdem man die ernste Absicht
gehabt hat, gerade diesen Mieterschutz aufzuheben. Wir hätten
unter keinen Umständen dies zulassen können, weil die
Aufhebung des Mieterschutzes für Geschäfts- und Betriebsräume
geradezu eine Katastrophe für die Gewerbetreibenden bedeuten
würde. (Posl. Dietl: Es kommt eben auf die große
Protektion an!) Das ist keine Protektion, aber ich weiß,
daß in Berlin und in Wien, gerade dort, wo die Sozialdemokraten
in der Gemeinde noch ein gewichtiges Wort zu sprechen haben, der
Mieterschutz für Geschäftslokale aufgehoben wurde. Das
haben Sie nicht verhütet. (Posl. Dietl: Aber, ab er!)
Jawohl, so ist es.
Die Regierungsvorlage bringt die Vertragsfreiheit
für Mietverträge, betreffend Wohnungen in alten Häusern,
welche auf die Dauer von mehr als vier Jahren nach dem 31. März
1928 abgeschlossen wurden. Die größte Aufregung in
Mieterkreisen hat die Erhöhung der Mietzinse mit sich gebracht,
doch erklärt ein großer Teil der Mieter, daß
sie gerne eine Erhöhung der Zinse tragen, wenn sie nur in
der Wohnung bleiben können.
Eine Erhöhung der Mietzinse mußte
eintreten, weil sich ein großer Teil der Hauseigentümer
geradezu in einer Zwangslage befindet, insbesondere diejenigen,
die weder über ein anderes Einkommen, noch über Vermögen
verfügen. Es ist statistisch festgestellt, daß vor
dem Kriege schon das in Häusern investierte Kapital nur 2%
trug, während sich dies heute bei den meisten Häusern
im Verhältnis zu den derzeitigen Werten noch ungünstiger
gestaltet. Bitte hören Sie doch einmal Ihre Leute, meine
Herren Sozialdemokraten, die Hausbesitzer sind. Die sprechen ganz
anders, wenn man mit ihnen darüber redet. (Posl. Heeger:
Es gibt auch Gewerbe treibende, die anders sprechen wie Sie!)
Das ist möglich. Aber über diese Tatsachen werden
wir nicht hinwegkommen. Es war deshalb notwendig, die Mietzinse
am 1. Juli 1928 um 20% und am 1. Jänner 1929 um weitere
20% zu erhöhen. Nur bei großen Betriebsstätten
sind es 30% und bei großen Wohnungen mit mehr als
vier Zimmern erhöht sich der Friedenszins noch um weitere
20%. Wenn man bedenkt, daß diese Zinserhöhungen
weder von Steuern noch von Umlagen befreit sein werden, so muß
man bei nüchterner und objektiver Betrachtung feststellen,
daß von einer Bereicherung der Hausbesitzer keine Rede sein
kann. Dagegen, daß alle diejenigen, die in den Jahren 1924,
1925 und 1926 von einem Einkommen von mehr als 100.000 K jährlich
einkommensteuerpflichtig waren, von Mieterschutz ausgenommen werden,
wird wohl niemand etwas einwenden können. Besitzer gewerblicher
Betriebsstätten bleiben von dieser Maßnahme ausgenommen.
Ein wesentlicher Durchbruch und Abbau des Mieterschutzgesetzes
kann wohl in der Bestimmung gesehen werden, daß in Gemeinden
mit nicht mehr als 2.000 Einwohnern der Mieterschutz über
Antrag der Gemeindevertretung aufgehoben werden kann, wenn dieser
Beschluß von der Landesbehörde genehmigt wird. Es wird
hier lediglich von der Zusammensetzung der Gemeindevertretung
abhängen, ob diese von diesen Bestimmungen des Gesetzes Gebrauch
machen wird oder nicht. Auch eine Gemeindevertretung mit bürgerlicher
Mehrheit wird nicht um jeden Preis den Mieterschutz aufheben,
wenn sie aus eigener Wahrnehmung erkennen wird, daß in der
Gemeinde Wohnungsnot herrscht.
Ich komme nun zum Gesetze über die Bauförderung.
Auch hier bedeutet jedes Provisorium geradezu ein Unglück.
Das letzte Gesetz, das im Vorjahre geschaffen wurde, hat wohl
die Baubewegung gefördert, aber nicht in der von uns allen
gewünschten Richtung. Es ist heute bekannt, daß die
25jährige Steuer- und Umlagenfreiheit für Häuser
mit großen Wohnungen dazu führt, daß sich die
Spekulation solcher Bauten bemächtigte, während Bauten
mit Kleinwohnungen trotz der 35jährigen Steuerfreiheit keinesfalls
im gleich en Maße errichtet wurden.
Durch diese teilweise künstlich herbeigeführte,
insbesondere durch das kurze Provisorium begünstigte Bautätigkeit
sind die Baukosten ungemein gestiegen, so daß es schon im
Vorjahre kleineren Leuten ungemein schwer fiel, sich ein eigenes
Heim zu schaffen. Die Förderung der Baubewegung muß
deshalb ebenfalls durch ein langbefristetes Gesetz gelöst
werden, dann wird auch die Wohnungsnot schwinden. Mit der Staatsgarantie
allein ist dabei nicht viel getan. Es wird nichts übrig bleiben,
als daß der Staat, wie er es früher getan hat, solche
Bauten subventioniert. Es müssen außerdem Sparkassen,
insbesondere aber auch soziale Anstalten, Unfallversicherung,
Zentralversicherungsanstalt und Pensionsanstalten einen billigen,
nicht mehr als 5% betragenden Baukredit zur Verfügung
stellen, dann kann man erst von einer richtigen Bauförderung
sprechen. Es ist aber auch weiters notwendig, daß die Baugewerbetreibenden
durch gesetzliche Bestimmungen die Sicherheit für ihre Forderungen
genießen, um nicht durch gewissenlose Bauspekulanten, wie
es leider oft geschieht, betrogen zu werden. Alle diese Fragen
müssen und werden im Rahmen des definitiven Gesetzes realisiert
werden und nur mit Rücksicht darauf, daß dies geschieht,
werden wir für die beiden Gesetze stimmen. (Potlesk
poslancù nìm. strany živnostenské.)
Soeben wird uns bekanntgegeben, daß der
Sekretär der Mieterorganisation von Prag eine Kundgebung
einberufen hat, damit die Mieter gegen die Verschlechterung des
Mieterschutzes Stellung nehmen. Da die Mieter ihr Recht verteidigen
wollen, so stellten sich die Behörden gegen die Mieter und
verboten diese Kundgebung. Im Namen der kommunistischen Fraktion
protestieren wir gegen dieses Verbot und fordern die sofortige
Bewilligung der Kundgebung. Der Herr Tichý von der
Gewerbepartei hat hier soeben eine typische Rede gehalten, in
der er sich darüber beschwerte, daß von den Arbeiterparteien
Kundgebungen veranstaltet werden, wo den Mietern die Tragweite
der Verschlechterung des Mieterschutzes aufgezeigt wird. Herr
Tichý findet es unerhört, daß die Mieter
über die Schandtaten der Regierung aufgeklärt werden.
Wenn heute Herr Tichý als Mitglied einer Regierungspartei
hier so offen seine Feindseligkeit gegen die Mieter zum Ausdruck
bringt und ihn Kundgebungen so in Erregung bringen, so können
wir verstehen, wie energisch dann die Regierung gegen die arbeitende
Bevölkerung vorgehen wird. (Posl. Stenzel: Das, was Kollege
Tichý gesagt hat, ist gerade das Gegenteil gewesen! -
Posl. Tichý: Mißbrauch solcher Kundgebungen!)
Herr Tichý hatte sich über die Tatsache
beschwert, daß Arbeiterparteien feststellen, daß durch
die jetzige Novellierung des Gesetzes eine ungeheuere Verschlechterung
des Mieterschutzes eintritt. Diese Tatsache hat auch Herr Tichý
festgestellt. Wir können das Verbot nicht anders bezeichnen
denn als eine Provokation der arbeitenden Bevölkerung und
der Mieter, weil sie es wagen, gegen Euere Schandtaten aufzutreten.
Die Regierung legt einen Antrag vor, der auf
die arbeitende Bevölkerung schwer schädigend wirken
wird. Nach diesem Gesetz wird der Mieterschutz, der ohnehin sehr
kümmerlich war, nicht nur durchlöchert, sondern beseitigt.
Bei Beurteilung des Regierungsantrages muß man sich die
Frage vorlegen: Haben die Mieter ihr zustehendes Recht ausgenützt,
und wenn nicht, warum ist dies nicht geschehen? Wenn von diesem
Standpunkt aus die Rechte der Mieter behandelt werden, dann muß
zugegeben werden, daß die Mieter, insbesondere die Arbeiter
mehr Rechte erhalten müssen; denn tausende Mieter zahlen
mehr Mietzins, als sie gesetzlich verpflichtet sind. Tausende
Mieter werden aus nichtigen Gründen delogiert und tausende
Mieter werden Hausordnungen und Privatverträgen unterworfen,
zu denen sie gesetzlich nicht verpflichtet wären. Und selbst
dann, wenn die Mieter Klage führen, werden sie übervorteilt.
Daraus ist schon zu ersehen, daß die Mieter eine Verbesserung
des Mieterschutzes und nicht eine Verschlechterung haben wollen.
Der Regierungsantrag ist ein Attentat auf die Rechte der Mieter.
Die Regierung will in dem Chaos der Wohnungsgesetzgebung
Ordnung schaffen, aber wie es sich für eine Kapitalisten-
und Großagrarierregierung gehört, auf Kosten der armen
Mieter. Die Stabilisierungspläne der Bourgeoisie kommen im
Mieterschutzgesetz zum Ausdruck. Wird der Arbeiter schon bei der
Entlohnung betrogen, so will man nun noch dazu übergehen,
den Ärmsten das Dach über dem Kopfe zu nehmen. Die Regierungsvorlage
bringt eine Reihe neuer Kündigungsgründe und Verschlechterungen
des Mieterschutzes. Nach dem jetzigen Mieterschutzgesetz haben
die Erben nach dem Tode des Mieters Anspruch auf die Wohnung,
nach der neuen Regierungsvorlage dagegen werden nur noch die Mitglieder
der Familie Anspruch auf die Wohnung haben. Dies bedeutet eine
große Verschlechterung des Mieterschutzes. So werden Fälle
eintreten, wo der Großvater, Onkel usw. als Mieter galt,
die Enkelkinder, die den gemeinsamen Haushalt führten, nun
delogiert werden, weil sie nicht Mitglieder der Familie sind.
Eine weitere Bestimmung, in welcher den Gemeinden bis zu 2000
Einwohnern das Recht eingeräumt wird, den Beschluß
zu fassen, den Mieterschutz aufzuheben, ist beispiellos in der
Gesetzesmacherei der reaktionären Regierung. Da werden die
bürgerlichen Parteien in der Gemeindestube nach Herzenslust
den Mieterschutz beseitigen. Von den kleinen Gemeinden wird es
sehr wenige geben, die dieses Recht nicht ausnützen werden.
Die Regierungsparteien haben während der Gemeindewahlen viel
davon gesprochen, daß in die Gemeindestube keine Politik
gehört. Da nun den Gemeinden das Recht eingeräumt wird,
den Mieterschutz nach Herzenslust zu beseitigen, so tragen die
Regierungsparteien ihren brutalen, arbeiterfeindlichen Standpunkt
auch in die Gemeindestube. Natürlich werden alle rechtlich
denkenden Männer in der Gemeindestube auf dieses Recht pfeifen
u. zw. so lange, als das Wohnungselend nicht beseitigt ist. Vor
allem werden die Arbeiter-Gemeindevertreter die Bevölkerung
über euere Schandtat aufklären und sie zum Kampfe gegen
diese Gesetzesmacherei aufrufen. Auf der einen Seite wird den
Gemeinden durch das Gemeindefinanzgesetz jede Möglichkeit
geraubt, Mittel zu verschaffen, um Wohnungen zu bauen, auf der
anderen Seite gibt man den Gemeinden das Recht, den Mieterschutz
zu beseitigen. Durch diese Politik wird die Arbeiterschaft ihre
Feinde und ihre wahren Freunde erkennen. Durch diese Zweideutigkeit
charakterisieren sich die Koalitionsparteien selbst. Sie besitzen
nicht den Mut, offen aufzutreten und zu sagen: Weg mit dem Mieterschutz!,
obwohl sie dasselbe tun. Bei dieser Art von Politik ist der Jesuitentrick
klar zu sehen. In Gemeinden, wo eine starke Arbeiterschaft und
christlich und anders organisierte Arbeiter sind, können
die Regierungsparteien den brutalen Hausbesitzerstandpunkt nicht
verteidigen. Dort spielen sie den radikalen Mann, um nicht von
den Arbeiterwählern verjagt zu werden. Dieser Trick wird
Euch diesmal nicht gelingen. Die Arbeiter merken sich solche Schandtaten,
sie werden genau verfolgen, welche Partei für die Verschlechterung
des Mieterschutzes stimmte.
Die Rücksichtslosigkeit der Regierungsparteien
zeigt sich besonders in der Zulassung von Privatverträgen.
Nach dem bisherigen Mieterschutzgesetz war der Hausbesitzer im
Fall einer Klage verpflichtet, den überzahlten Mietsbetrag
dem Mieter zurückzuzahlen. Aber nach der Regierungsvorlage
sind die Hausbesitzer nicht mehr verpflichtet, den überzahlten
Zinsbetrag zurückzuerstatten. Kann noch eine größerei
Lumperei in einem Gesetz festgelegt werden? Wenn ein Käufer
in einem Geschäft ein Kilogramm Mehl für 2 Kè
kauft, aber in Wirklichkeit 4 Kè bezahlt, so ist nach einwandfreiem
Beweis der Kaufmann verpflichtet, dem Käufer das Geld zurückzuzahlen.
Bezahlt aber ein Mieter für seine Wohnung anstelle von
100 Kè, 200 Kè, so ist der Hausbesitzer nicht
mehr verpflichtet, den überzahlten Betrag zurückzuerstatten.
Und so eine Gesetzesmacherei will Anspruch darauf erheben, daß
die breiten Massen die Gesetze achten. Das ist ein direktes Geschenk
an die Wucherer! Man kann ohne Übertreibung
sagen: Die Regierung gibt die Parole aus: "Hauswucherer,
vereinigt Euch gegen die armen Mieter!"
Doch das ist nicht alles. Die Regierungsparteien
sagen sich: Wenn wir dazu da sind, den Wucherern zu helfen, dann
gleich entsprechend! Der Referent dieser Gesetzesvorlagen hat
als einzigen Ausweg die Erhöhung der Mietzinse um 20% bezw.
40% verteidigt. Der Mietzins soll vom 1. Juli 1928 bei Wohnungen
von 1 bis 2 Zimmer um 20% erhöht werden. Dieselbe. Mietzinserhöhung
soll am 1. Jänner 1929 durchgeführt werden. Die Arbeiter
können eine Mehrbelastung nicht mehr ertragen, da das Elend
den Höhepunkt erreicht hat. Ich werde dies später noch
nachweisen. Die Folgen der Mietzinserhöhung für die
arbeitende Bevölkerung sind: gesteigertes Elend. Mit anderen
Worten: weniger Brot, Kartoffeln und Gemüse. Von anderen
Bedarfs- und Lebensmitteln gar nicht zu reden, da der Arbeiter
infolge eurer Wucherpolitik Fleisch als Luxusartikel betrachten
muß. Durch die Mietzinserhöhung werden viele Arbeiter
gezwungen sein, ihre Wohnungen aufzugeben und mit anderen Leidensgenossen
ein elendes Loch zu teilen, weil sie nicht imstande sind, den
Mietzins zu zahlen. Wie die arbeitende Bevölkerung in elenden
Löchern hausen muß, das will von den Regierungsparteien
niemand wissen, sonst hätte die Regierung längst eine
Statistik angelegt. Die Forderungen der Mieterorganisationen sind
seit Jahren der Regierung bekannt. In vielen Kundgebungen forderten
die Mieter die Regierung auf, eine Statistik anzulegen, um das
Wohnungselend zu kontrollieren.
Einige Zahlen über die Wohnungsverhältnisse
in Bodenbach zeigen, daß es an der Zeit ist, das Wohnungselend
mit radikalen Mitteln zu steuern. Es sind in drei Fällen
zwei Familien in 1 Zimmer, in 51 Fällen 2 Familien in 2 Zimmern,
in 23 Fällen 3 Familien in 3 Zimmern. In 271 Zimmern wohnen
650 Personen. Unter Zimmer werden hier verstanden Kellerlöcher,
die das ganze Jahr feucht und schimmlig sind, Baracken, die morsch
und verfault sind, wo Regen und Schnee durch die Ritzen dringt,
so daß es unmöglich ist, in solchen Löchern zu
wohnen. Und doch müssen die Arbeiter diese Löcher benützen,
weil die Regierung nichts unternimmt, um das Wohnungselend zu
beseitigen.