Unsere kulturellen Forderungen erschöpfen
sich nicht - wie die Hodina und Genossen meinen - in der
Wiedereröffnung der einen oder anderen gesperrten Volksschulklasse.
So bescheiden sind nur geborene Knechte. Wir fordern vielmehr
unser volles Lebensrecht als Volk, ein Recht, das sich kundgibt
in unserem Anspruch auf den deutschen Arbeitsplatz, die deutsche
Scholle, die deutsche Schule und die Gleichberechtigung unserer
Sprache!
Die Erfüllung unserer Hochschulwünsche,
die wir als "organischer Bestandteil des Staates" zu
äußern haben, vermöchte Troppau ein klein wenig
für den Verlust zu entschädigen, der ihm mit dem Inkrafttreten
des Gesetzes in wenigen Monaten droht. Wir haben deutsche Städte,
die sich infolge ihrer Stellung als wirtschaftliche oder Handelsmittelpunkte
vorzüglich zur Aufnahme von Hochschulen mehr technischen
Charakters eignen. Troppau wäre ein geradezu idealer Sitz
der deutschen Universität. Ist es an und für sich widersinnig,
die Hochschulen gerade in der Großstadt mit ihrem Hasten
und Drängen, ihrer Wohnungsnot und ihren teueren Lebensverhältnissen
zu belassen, so ist es geradezu widernatürlich, unsere deutschen
Hochschulen in der fremden Hauptstadt Prag zu lassen. Romantische
Erinnerungen vermögen diese harte Tatsache nicht zu mildern.
Ich fühle mich verpflichtet, dies bei dieser Gelegenheit
vorzubringen.
Im übrigen will ich mich mit Rücksicht
darauf, daß mein Koll. Kurak
noch nach mir zu Worte kommen will, so kurz als möglich fassen
und daher nur noch erklären, daß wir heute genau so
wie im Vorjahre gegen die sogenannte Verwaltungsreform, besser
gesagt, gegen die Vergewaltigungsreform stimmen werden. Unsere
Ansicht über dieses Gesetz geht dahin, daß man sein
Inkrafttreten nicht nur um wenige Monate hinausschieben, sondern
daß man es auf immer in der Versenkung verschwinden lassen
soll. Wir halten fest an der Verfechtung der Lebensnotwendigkeiten
unseres Volkes und sehen ihre Erfüllung in seiner vollen
und uneingeschränkten Selbstverwaltung. (Potlesk
poslancù nìm. strany nár. socialistické.)
Meine Herren! Nachdem das unselige Gesetz über
die Verwaltungsreform vom 14. Juli 1927, Z. 125, einmal angenommen
worden war, wartet seit mehr als einem halben Jahre die gesamte
Öffentlichkeit dieses Staates auf die Wahl in die Bezirks-
und Landesvertretungen. Durch den vorliegenden Gesetzentwurf erfährt
sie, daß sie nun noch weiter einige Monate wird warten müssen.
Es sollen zunächst Schwierigkeiten technischer Art sein,
welche es notwendig machen, den Beginn der Wirksamkeit des Gesetzes
zu verschieben, technische Schwierigkeiten, obwohl wir ganz genau
wissen, daß das, was der Motivenbericht zu diesem Gesetze
enthält und was uns gestern und heute der Herr Berichterstatter
erzählt hat, den Tatsachen keineswegs entspricht, daß
die Regierung seit langem alle Vorbereitungen getroffen hat, um
das Gesetz tatsächlich in Wirksamkeit treten zu lassen. Es
sind allerhand Durchführungsvorschriften bereits ausgearbeitet
und die politischen Behörden erster und zweiter Instanz haben
bereits eine lange Reihe von Monaten vor dem jetzigen Zeitpunkt
nichts anderes zu tun gehabt, als immer und immer wieder ihre
Tätigkeit auf die Möglichkeit ein zustellen, daß
das Gesetz über die Verwaltungsreform jetzt am 1. Juli, tatsächlich
in Kraft tritt. Es müssen infolgedessen ganz andere Dinge
hier sein, welche es nicht zulassen, daß dieses Gesetz in
Kraft tritt, Schwierigkeiten politischer Art, es muß sich
die Regierung und die Mehrheit in einer politischen Verlegenheit
befinden. Somit ist dieses Gesetz nichts anderes als der Versuch,
auf gesetzgeberische Art und Weise aus einer politischen Verlegenheit
herauszukommen.
Vor allem wissen wir, daß auch persönliche
Schwierigkeiten vorhanden sind. (Posl. dr Schollich: Vielleicht
der deutsche Landespräsident von Schlesien?) Auch der
von Mähren, und es pfeifen die Spatzen auf den Dächern
von diesen Schwierigkeiten. Man soll uns aber nicht einreden,
daß sachliche Erwägungen für alle diese Dinge
maßgebend sind. Nur das eine möchten wir gern wissen,
warum ausgerechnet der 1. Dezember als derjenige Tag angesehen
wird, an welchem alle diese Schwierigkeiten nicht mehr vorhanden
sein werden, warum dieser Tag ganz besonders geeignet sein soll
für das Inkrafttreten dieses Gesetzes. Wir haben gestern
den Herrn Berichterstatter und den Vertreter der Regierung gefragt,
wieso man zu diesem 1. Dezember kam, aber auch da war eine Antwort
nicht zu erhalten. (Posl. dr Schollich: Weihnachtsstimmung!)
Ja. Es scheint überhaupt, als ob auch dieser 1. Dezember
gar nicht so ernst gemeint wäre, als ob man willkürlich
dieses Datum genommen hätte in der Voraussicht, daß
man auch dieses Datum nicht werde einhalten können und daß
man es wahrscheinlich wieder und wieder verlängern werde,
bis man schließlich dieses Gesetz genau so nicht in Wirksamkeit
wird treten lassen können wie das alte Gaugesetz. Und es
wäre auch, bei Gott, gar kein Schade darum. Zeigt es sich
also jetzt schon, bevor noch das Gesetz in Wirksamkeit getreten
ist, daß Schwierigkeiten auf Schwierigkeiten bestehen und
daß man nicht durch kann, so wird es sich erst zeigen, bis
das Gesetz wirklich in Wirksamkeit getreten sein sollte, daß
dieses Machwerk des vorigen Jahres überhaupt undurchführbar
ist und daß wir, die Opposition, recht hatten, als wir im
Vorjahre dieses Gesetz überhaupt als undiskutierbar und unannehmbar
erklärten. Wir haben daher im Grunde nichts dagegen, daß
der Beginn der Wirksamkeit der Verwaltungsreform hinausgeschoben
wird, im Gegenteil, wir wünschen dieses Gesetz samt allen
den vielen anderen Gesetzen, welche die jetzige Regierungsmehrheit
im vorigen Frühjahr beschlossen hat, zum Teufel und würden
einem Antrage, der die Verwaltungsreform auf unbestimmte Zeit
hinausschiebt, mit Freuden zustimmen.
Eigentlich müßte der Regierung und
den Parteien, die hinter ihr stehen, das Grauen ankommen, wenn
sie es sich überlegten, was sie da im vorigen Jahre alles
angerichtet haben und es wäre nur zu begreiflich, wenn sie
jetzt in letzter Stunde eine Frist suchen würden, um wenigstens
das Ärgste wieder gutzumachen und nicht nur die Verwaltungsreform,
sondern den ganzen Rattenkönig von Gesetzen aus der vorigen
Frühjahrstagung den tatsächlichen Bedürfnissen
und Verhältnissen entsprechend abändern wollten, eine
Arbeit, die doch einmal wird geleistet werden müssen. (Posl.
dr Schollich: Fangen wir mit dem Rattenschwanz seit dem Umsturz
an!) Rattenkönig! Wir sind auch heute noch der Überzeugung,
daß die Wehrgesetze, die Finanzreform, das Gemeindefinanzgesetz
und die Verwaltungsreform eine politische Einheit darstellen,
weil sie alle systematisch das eine Ziel verfolgen, das deutsche
Volk in diesem Staate zu knebeln, zu zermürben und zu unterdrücken
und gleichzeitig den Krieg gegen das verhaßte benachbarte
Deutsche reich vorzubereiten. Wenn daher von einem dieser Gesetze
hier gesprochen wird, so müssen auch alle übrigen wieder
einmal besprochen werden und dies umso mehr, als sich bereits
die unseligen Auswirkungen und Folgen mancher von ihnen all zu
deutlich zeigen, Folgen so schrecklicher Art, daß sie von
niemandem in diesem Staate mehr übersehen oder abgeleugnet
werden können und die auch - und das ist bezeichnend - alle
Nationen dieses Staates in gleicher Weise betreffen.
Von den Wehrgesetzen will ich vorläufig
nicht einmal reden, weil es noch eine gewisse Zeit brauchen wird,
ehe deren ungeheuerliche Bestimmungen den weiten Kreisen der Bevölkerung
zum vollen Bewußtsein kommen werden. Aber es wird nicht
gar zu lange mehr dauern, so wird das Wirtschaftsleben erkennen,
was es heißt, bei Besetzung freigewordener Beamtenstellen
an die Mitwirkung der Verwaltungsbehörden gebunden zu sein
und unter deren sanftem, aber nicht mißzuverstehenden Drucke
Zertifikatisten anstellen zu müssen, wo geschulte
und tüchtige Arbeitskräfte dringend Not täten.
Auch das Gesetz, welches die Disziplin der èechischen Armee
zu festigen bestimmt ist, scheint sich schon auszuwirken. Wir
hören mehr wie in den letzten Jahren von
schlechter Behandlung der Eingerückten, ja sogar von Soldatenmißhandlungen.
Und diese Klagen kommen nicht etwa nur aus der Slovakei und Karpathorußland,
dem Kolonialland dieses Staates, nein, auch aus den sogenannten
historischen Ländern. Erst vor kurzem wurde mir von ganz
vertrauenswürdiger Seite mitgeteilt, daß in Theresienstadt
die Mannschaft schlecht untergebracht sei und daß die Behandlung
und insbesondere die Kost bei der dortigen Pionierabteilung geradezu
alles zu wünschen übrig lasse. Die Fälle, welche
Koll. Kallina vorige Woche von dieser Stelle aus dem Hause
zur Kenntnis brachte, gehören allenfalls hieher.
Mehr schon als von den Folgen der Wehrgesetze
wissen wir heute von den Folgen der Finanzreform.
Es war uns schon im vorigen Jahre klar, daß
es ein ganz unnützes Bemühen des Finanzministers sein
und bleiben muß, eine Finanzgesetzgebung den wirtschaftlichen
Verhältnissen dieses Staates, die doch nur als schlecht bezeichnet
werden müssen, anzupassen, wenn die Ausgaben, welche der
Staat aus Gründen der Außenpolitik für unerläßlich
hält, nicht oder nur unwesentlich herabgesetzt werden können.
So steht z. B. der Kredit von jährlich 305 Millionen für
die lnvestitionen des Militärs für eine Reihe von Jahren
ein für allemal fest. Dazu kommen die Kosten der beschlossenen
Wehrgesetze, die jedenfalls größer sein werden, als
man sich vorgestellt hat und hiezu noch die Art, wie im Landesverteidigungsministerium
überhaupt mit den Steuergeldern umgesprungen wird. Heißt
es doch, daß das Landesverteidigungsministerium seinen Voranschlag
im heurigen Jahre bedeutend überschritten habe und daß
dies einer der mancherlei Gründe sei, die den Herrn Finanzminister
Dr Engliš bewogen haben, fluchtartig, sozusagen bei
Nacht und Nebel sein Amt im Stiche zu lassen. Unter solchen Verhältnissen
muß jede Finanzreform wie eine Augenauswischerei bleiben
und sie ist es auch geblieben. Sie hat die Einkommensteuer in
den unteren Stufen ermäßigt, aber dafür die Erwerbssteuer
erhöht, die Art ihrer Veranlagung verschlechtert und den
großen Aktienunternehmungen ganz ungeahnte Möglichkeiten
eröffnet, früher verschleierte Gewinne in Sicherheit
zu bringen, so daß das Finanzministerium sich hinterher
gezwungen sah, durch eine Interpretation der betreffenden Gesetzesstelle
für die Zukunft ähnliche Schiebungen zu verhüten,
wobei es noch sehr fraglich ist, ob es ihm auch tatsächlich
gelungen ist. Den Schaden trägt aber der erwerbende Mittelstand,
der kleine Gewerbemann und Handwerker, der Einzelunternehmer,
dessen Wirtschaftsführung dem Bankkapitale unbedenklich geopfert
wird. Der kleine Mann wird durch den Steuerexekutor wirtschaftlich
zum Weißbluten gebracht, das Bankkapital kann unbehelligt
weiterwuchern. Das, was das Gesetz auf der einen Seite an Steuern
nachläßt, bringt die unbarmherzige Steuerschraube auf
der anderen Seite zehnfach wieder herein. Die Einnahmen fließen
reichlicher als vorher, den staatlichen und nichtstaatlichen Blutsaugern
am Wirtschaftsleben geschieht kein Abbruch.
Aber es wird auch in diesem Staate ans Sparen
gedacht - freilich am unrechten Orte. Die staatlichen Altpensionisten
müssen sich mit einem Bettel zufrieden geben, man hofft,
daß sie bald aussterben und so die Regierung einer weiteren
Fürsorge entheben. Ebenso verfährt man hierzulande mit
den Kriegsinvaliden, wie wir erst vorige Woche feststellen konnten.
Das Privatbeamtenversicherungsgesetz schläft irgendwo, weil
es am Ende was kosten könnte, daß aber inzwischen draußen
die alten Privatbeamten, die Witwen und Waisen hungern, kümmert
die Regierenden scheinbar gar nicht, trotzdem in ihren Reihen
eine ganze Menge von Männern sich befinden, welche die christliche
Nächstenliebe auf ihre Fahne geschrieben haben. Und was sollen
die Staatsangestellten aller Kategorien sagen, wenn sie nach und
infolge der famosen Systemisierung sich nach langjähriger
Dienstzeit um eine oder mehrere Gehaltsstufen zurückgeworfen
sehen und vielfach auch die Möglichkeit verloren haben, je
wieder das Eingebüßte einzuholen? Man wende ja nicht
ein, daß der sogenannte Ausgleichsbetrag sie vor jedem Nachteil
schützt. Wohl gilt dies für den Augenblick. Treten sie
aber in den Ruhestand, so werden sie dieses Ausgleichsbetrages
verlustig. Und nicht nur das, in den meisten Fällen ist es
gerade den kleinen Beamten verwehrt, sich durch eigene ehrenhafte
Arbeit, die im späten Alter doppelt schwer fällt, etwas
von dem zu verdienen, was ihnen von Rechts wegen gehört,
von Rechts wegen, da sie doch durch eine lange Reihe von Jahren
die Beiträge für eine weit höhere Pension bezahlt
haben. Und was sollen die Witwen und Waisen sagen, die nur mit
einem Bruchteil der verkürzten Pensionsgrundlage ihres Ernährers
abgespeist werden? Was wird aber geschehen, wenn der Lebensindex
vieler steigt, wenn die indirekten Steuern in Zukunft auf allen
Staats- und Privatangestellten sowie auf den Arbeitern mehr als
bisher lasten werden? Und alles das muß und wird kommen
als unausbleibliche Folge des Gemeindefinanzgesetzes, das eng
mit der Verwaltungsreform verwandt ist und eigentlich deren Ergänzung
darstellt.
Das Gesetz vom 15. Juli 1927, Z. 77, über
die Finanzwirtschaft der Gemeinden und Bezirke ist dasjenige,
dessen Folgen heute schon wohl jedem einleuchtend sind. Es ist
bei Gott kein Meisterstück des als Volkswirtschaftler sonst
gewiß tüchtigen Herrn Prof. Dr Engliš und
ich fürchte, es wird noch allzu bald die Zeit kommen, wo
er gerne dieses sein geistiges Kind überhaupt verleugnen
möchte.
Als dieses Gesetz im Vorjahre in diesem Hause
zur Beratung stand, haben wir alle seine Mängel aufgezeigt.
Es war umsonst. Was wir behauptet haben, ist zum großen
Teile bereits eingetreten. Niemand in diesem Hause kann von sich
behaupten, daß ihm die schädlichen Folgen nicht bekannt
waren. Wir haben voriges Jahr erklärt, das Gesetz bedeute
den finanziellen Zusammenbruch der Gemeinden und Bezirke, es mache
sie unfähig ihre Aufgaben zu erfüllen, es komme in Verbindung
mit der Verwaltungsreform einer Beseitigung der Selbstverwaltung
gleich. Und so ist es auch. Aus der überaus großen
Fülle des mir zu Gebote stehenden Materials will ich nur
einiges her anführen: Die Stadtgemeinde Turn bei Teplitz
hatte infolge der Entziehung einer Reihe von Steuern und Beschränkung
der Umlagen ein Voranschlagsdefizit von 3,438.740 Kronen, um dessen
Bedeckung durch den Dotationsfonds angesucht werden mußte.
Der Landesverwaltungsausschuß wies den Voranschlag einfach
zurück mit dem Auftrag alle Maßnahmen zur Herabsetzung
des Voranschlagsdefizits durchzuführen. In dem betreffenden
Erlasse heißt es unter anderem: "Als solche Maßnahmen
sind vor allem neue Abgaben und Gebühren einzuführen
und die bereits eingeführten Abgaben und Gebühren zu
erhöhen. Als neue Abgaben und Gebühren ist die Abgabe
von elektrischer Energie zu Beleuchtungszwecken, die Abgabe von
Karten-, Billard- und Kegelspiel, die Gebühren für veterinärpolizeiliche
Tier- und Fleischbeschau und die Gebühren für die Benützung
des öffentlichen Gemeindegutes nach der in der Regierungsverordnung
vom Jahre 1928, Nr. 15 Slg. d. G. u. V., enthaltenen Einhebungsvorschriften
einzuführen. Bis zu dem in der oben er wähnten Regierungsverordnung
angeführten höchstzulässigen Sätzen sind die
Kanaleinmündungsgebühren (Art. 2), die Bierabgabe (Art.
4) und die Mietzinsabgabe (Art. 6) zu erhöhen. Es ist ebenfalls
unzulässig, daß die Gemeinde nicht alle bereits bewilligten
Baugebühren sowie die Hundeabgabe nicht in den höchsten
bereits bewilligten Maximalsätzen einhebe."
In der Praxis wirkt sich dieser Erlaß
so aus: die Lichtabgabe (10 Heller für die Kilowattstunde
bei elektrischem Licht und 5 Heller für einen Kubikmeter
Gas) würde aus den Taschen der Bevölkerung nicht weniger
als 40.000 Kronen jährlich herausholen. Die Abgabe für
Kartenspiel, Domino und Billard 25.000 Kronen jährlich,
die Fleischbesehau einen Mehrbetrag von 3000 Kè; die Abgabe
für die Benützung des öffentlichen Gutes
läßt sieh momentan noch gar nicht errechnen, doch ist
sicher, daß die Gewerbetreibenden für ihre Firmentafeln,
Aushängekasten usw. ebenfalls schwer zahlen müssen.
Am schwersten trifft jedoch die Bevölkerung die geplante
Erhöhung der Mietzinsumlage, die 25% des Mietzinses
beträgt. Von einer Mietzinssteuergrundlage von 2.834.352
Kè erhielt die Gemeinde Turn nach der bisherigen Umlagenberechnung
einen Betrag von 291.000 Kè. Dieser Betrag soll nun nach
den neuen Vorschriften auf 724.000 Kè jährlich erhöht
werden. Die Kanalbenützungsgebühr
würde von 83.830 Kè auf 144.825 Kè erhöht.
Die Bierabgabe (2 Heller pro Liter) würde eine Erhöhung
von 24.000 Kè bringen. Der Wein bleibt dafür von der
Erhöhung frei. Die Gebühr für Amtshandlungen dürfte
za. 5000 Kè ausmachen. Die Gemeinde
Turn hat ohnehin den höchstzulässigen Wasserzins. Der
Erlaß fordert aber, daß der Wasserzins sogar über
das höchstzulässige Maß erhöht werden soll.
Da dieser Umlagenersatz noch immer nicht genügt,
um das Defizit zu decken, werden alle präliminierten Auslagen
für angeblich unrentable Investitionen" einfach gestrichen
und verboten. Es müssen daher in Turn unterbleiben: die Pflasterung.
Walzung und Ausbau aller Straßen. Kanalisierungsarbeiten
und zwar auch in neuen Straßenzügen, Lageplanerweiterung.
Anbau der deutschen Bürgerschule, Stadthausneubau usw. Das
bedeutet den Ruin der Straßen. Seuchengefahr, Hemmung der
Entwicklung der Bürgerschule und außerdem Arbeitslosigkeit.
(Posl. inž. Kallina: Das beweist
die Macht der Gewerbepartei im Staate!) Das
sind freilich "Sparerfolge!, mit denen die deutschen Regierungsparteien
wenig Ruhm ernten werden. Im Dezember vorigen Jahres hatte die
Verwaltungskommission des Bezirkes Falkenau einstimmig, also auch
mit den Stimmen der Regierungsparteien den Voranschlag für
1928 beschlossen. Der Landesverwaltungsausschuß hat nun
im ordentlichen Voranschlag rund 2 1/2
Mill., im außerordentlichen aber 3/4
Mill. gestrichen. Nicht weniger als 97% jener Ausgaben, welche
zwecks Fürsorge der Waisen, für Kinderschutz und Jugendfürsorge,
für Wohnungssuchende, für Sieche und alternde Menschen
eingestellt worden sind, wurden gestrichen. Die Begründung
hiefür ist, daß diese Erfordernisse "ihrer Beschaffenheit
nach nicht unumgänglich notwendig sind und schließlich
weder auf einem Rechtstitel noch auf einer gesetzlichen Verpflichtung
beruhen". (Posl. inž. Kallina: Es handelt
sich ja doch nur um deutsche Kinder!) Sehr
richtig. Die Fachschule für Frauenberufe in Oberleutensdorf
ist durch das Gemeindefinanzgesetz in eine äußerst
bedrängte Lage geraten und steht vor der Sperrung.
Am 15. Juni fand beim Bezirksgericht in Oberleutensdorf der exekutive
Verkauf der Kanzleieinrichtung statt, weil die Anstalt nicht in
der Lage war, eine Schuld von 935.86 Kè bei der Landesstelle
der allgemeinen Pensionsanstalt zu bezahlen.
Die Schule ist auch nicht imstande, die Gehälter auszuzahlen,
da auf Grund eines Erlasses des Landesverwaltungsausschusses die
Auszahlung der Gemeindesubventionen verboten wurde. Die Familienschule
in Oberleutensdorf, die sich in der Bevölkerung großer
Achtung erfreut, wird nun ein Opfer des Gemeindefinanzgesetzes.
Aus dem Voranschlage des Bezirkes Bensen hat
die Landesverwaltung alle Subventionen und Ausgaben für soziale
Zwecke im Gesamtbetrage von 200.000 Kè gestrichen.
So den ganzen Betrag für öffentliche Sicherheit 9.455
Kè, für das Samtätswesen 4.100 Kè, für
Landeskultur 18.175 Kè, für die
Jugendfürsorge und humanitären Anstalten, den ganzen
Betrag für das Schulwesen, nämlich für die Blindenschule,
die gewerblichen Fortbildungsschulen, die Taubstummenanstalten
und Bezirksbildungsausschüsse, die Fürsorgeschwestern,
die ärztliche Untersuchung der Schulkinder und das Freibett
im Krippelheim, sämtliche Beträge für die Feuerwehr,
Gauverbände von Bensen und Wernstadt, für die landwirtschaftliche
Fortbildungsschule, für die tierärztliche Beschau. Kreuzottervertilgung
und den Wasenmeister. Schade, daß der Herr Koll. Böhm,
der in Bensen oder in der Nähe von Bensen wohnt, nicht hier
ist. Es würde interessant sein zu erfahren, wie er
sich als Mitglied der Regierungspartei vorstellt, wie seine eigene
Heimatsbevölkerung vor solchen Schäden künftig
bewahrt bleiben soll. Der Stadtgemeinde Dux wurden im März
bloß 7.441 Kè an Umlagen angewiesen. Bei der Stadtgemeinde
Türmitz beträgt der Gesamtausfall,
der durch die Streichungen am Voranschlage erfolgte, 700.000 Kè.
Sie kann daher ihren Verpflichtungen nicht nachkommen. Ihr Inventar
wurde von der Landesstelle II der Allgemeinen Pensionsanstalt
in Prag zur Bezahlung der rückständigen Pensionsbeiträge
im Betrage von 8.000 Kè gepfändet. Sie wurde aber
auch bereits auf Bezahlung der rückständigen Kohlenrechnungen
im Betrage von 14.000 Kè geklagt. Die Gemeindesparkasse
drohte mit der Einklagung der schuldigen Darlehensannuitäten
von 30.000 Kè. Sie kann aber nicht einmal
ihre Beamten bezahlen, denen sie im April bloß 2/3
ihres Gehaltes geben konnte. Die Bezirksverwaltungskommission
in Kalsching hat über Antrag der Landesverwaltung die Subvention
für die dortige Bezirksjugendfürsorge streichen müssen.
Aus einem Berichte der Jugendfürsorge in Neudeck ist zu entnehmen,
daß infolge Versiegens der bisher von den Gemeinden und
den Bezirken gewidmeten Subventionen die Erziehungsbeiträge
für 104 Kinder in Familienpflege und für 19 Kinder in
Anstalten eingestellt werden müssen. Ebenso mußte der
Betrieb des Neudecker Waisenhauses mit 31. Mai aufgelassen werden.
In Teplitz muß mit 30. Juni die seit 14 Jahren bestehende
Stillkrippe, in Turn der seit 12 Jahren bestehende Kleinkinderhort
aufgelassen werden. (Výkøiky
posl. Horpynky.)
Den Vogel schießt aber der böhmische
Landesverwaltungsausschuß mit seinem Erlaß vom 30.
März, Zahl 41.760-III, ab, In ihm stellt er zunächst
die von uns bereits im Vorjahre vorausgesehene Tatsache fest,
daß der Ausgleichfond nicht im Entferntesten langt, um die
an ihn gestellten Ansprüche zu befriedigen, daß er
daher von den Selbstverwaltungskörpern gar nicht erst ins
Kalkül gezogen werden soll. Dann wird erklärt, daß
zunächst nur den auf einem Rechtstitel beruhenden Verbindlichkeiten
nachgekommen werden darf, daß aber die Ausgaben dieser Art
bis dem Fonde in der Regel 30% des tatsächlichen, zu einem
bestimmten Zwecke nach dem Rechnungsabschluß des Jahres
1926 verwendeten Aufwandes nicht überschreiten dürfen.
Da zu diesen Ausgaben doch die Bezüge der Angestellten und
die Annuitäten der aufgenommenen Darlehen gehören, so
heißt das nichts anderes, als daß die Gemeinden und
Bezirke jetzt nur mehr bloß kaum ein Drittel an Gehalt für
die Beamten und nur ebensoviel auf ihren Schuldendienst bezahlen
dürfen. Zahlen sie mehr, so haftet der Gemeindevorsteher
und gegebenenfalls der Gemeinderat für das Zuvielgezahlte
mit dem eigenen Vermögen. Da muß man doch fragen, ob
der Landesverwaltungsausschuß nicht verrückt geworden
ist.
Aber es kommt noch besser. Es heißt dort
weiter. Die Erfüllung der übrigen Aufgaben ist bis zu
jener Zeit völlig aufzuschieben. Dies gilt insbesondere von
gänzlich freiwilligen Leistungen, die aus dem außerordentlichen
Voranschlagserfordernis resultieren. Zur Durchführung neuer
Bauten und Einrichtungen bestimmte Aufwände dürfen überhaupt
nicht in dieser Frist verwirklicht werden. Es wird daher jenen
Bezirken und Gemeinden, welche um Beitragsleistungen aus dem Fonde
ansuchen - und das sind in Wirklichkeit fast alle - auferlegt,
von der Inangriffnahme, Fortsetzung sowie Projektierung jeglicher
Investitionen, als Bau von Straßen, Wasserleitungen, Gebäuden.
Krankenhäusern, Siechenhäusern, Schulen, Straßenwalzungen,
Straßenrekonstruktionen Abstand zu nehmen, u. zw. auch in
dem Falle, daß die Bedeckung des Aufwandes durch ein nach
dem 1. Juli 1927 genehmigtes Darlehen beschafft wird. Jetzt wissen
wir, warum die von mir vorhin angeführten Streichungen erfolgt
sind. Die in Bau befindlichen Krankenhäuser in Aussig und
Rumburg dürfen nicht vollendet, andere, wie das in Tetschen,
darf nicht begonnen werden, die Straßen müssen verfallen,
die aufgerissene Bahnhofstraße in Tetschen z. B. muß
weiter ein Trümmerhaufen bleiben, weder Schulen dürfen
weiter erhalten werden, noch die Einriehtungen der Kindersehutz-
und Jugendfürsorge. Schulden dürfen nicht bezahlt werden,
alles soll zu Bruche gehen. Aus den Trümmern der Selbstverwaltung
steigt die Herrschaft des brutalen, absoluten Bürokratismus.
Dass heißt nicht mehr Landesverwaltung, sondern Sabotage,
Unterbindung, ja Untersagung jeder Verwaltung in Bezirk und Gemeinde.
Daraus folgt aber, daß das Gesetz über die Finanzwirtschaft
der Bezirke und Gemeinden schlechterdings nicht etwa durch irgendeine
Novelle verbessert werden kann, sondern ganz einfach aufgehoben
werden muß, weil es undurchführbar ist. Und ebenso
undurchführbar ist die Verwaltungsreform.
Die Zeit bleibt nicht stille stehen. Immer
zahlreicher und verwickelter werden die Aufgaben der öffentlichen
Verwaltung. Die Arbeitsteilung, die fortschreitende Spezialisierung,
die ein sichtbares Merkmal jeden Fortschrittes ist und die in
der Technik und Wissenschaft sich immer mehr offenbart, muß
auch auf die öffentliche Verwaltung ihre Wirkung ausüben.
Nicht Erstarrung, Zentralisation, engstirniger Bürokratismus
und alberner Polizeigeist tut heute Not, sondern Dezentralisation
der einzelnen räumlichen, nationalen, kulturellen und wirtschaftlichen
Besonderheiten sollte der Leitgedanke der öffentlichen Verwaltung
sein, falls der Staat seine Aufgabe in der Förderung der
Wohlfahrt aller seiner Staatsbürger sieht und nicht bloß
die Interessen einer Clique wahren will. Daher wird sich, wenn
die Verwaltungsreform in Wirksamkeit getreten sein wird, bald
herausstellen, daß das Verwaltungsgebiet Böhmen viel
zu groß ist, um von einer Person, von einem Amt aus verwaltet
werden zu können und daß die Zusammenlegung Schlesiens
mit Mähren ein ebensolcher schwerer Fehler war, der umso
schwerer wiegt, weil sie in erster Linie eine wohlbeabsichtigte
Provokation der Deutschen Schlesiens sein sollte und dort auch
allgemein als eine solche empfunden wird. Viel größere
Schwierigkeiten noch wird die Regierung haben, wenn sie daran
gehen wird, die Grenzen der neuen Bezirke zu bestimmen. Das Gesetz
stellt sich große Bezirke vor. Wäre ihre verwaltungsrechtliche
Beschaffenheit anders, wäre auch ihr Wirkungskreis größer,
wären sie eine Art Verwaltungsbehörde höherer Ordnung
nicht nur in autonomer Beziehung, so könnten wir zu ihnen
vielleicht eine andere Stellung beziehen. So aber müssen
wir auf der Beibehaltung der bestehenden Vertretungsbezirke beharren.
Das alte Österreich hat den verschiedenartigen Verhältnissen
der einzelnen Gegenden, besonders der im Gebirge und an der Grenze
gelegenen, weitgehende Rechnung getragen. Eine Menge kleiner Vertretungs-
und auch politischer Bezirke sind so entstanden und haben sich
im Laufe der Zeit wohl bewährt und eingelebt. Es soll nun
die Regierung versuchen, jetzt mit einem Male das zu ändern
und so etwa nur in Böhmen hundert Vertretungsbezirke auflösen.
Sie wird dadurch einen Sturm der Entrüstung entfesseln, von
dem sie heute wahrscheinlich noch gar keine Ahnung hat. Wie stellt
sich die Regierung z. B. die Unterbringung der Masse von neuen
Beamten vor, die da für die neuen, durch die Verwaltungsreform
übermäßig aufgeblähten Bezirkshauptmannschaften
nötig werden? Die Bezirksstädte sollen nach der Verwaltungsreform
neue Gebäude bauen, die Landesverwaltungskommission aber
verbietet wieder diese Bauten auf Grund des Gesetzes über
die Finanzwirtschaft der Gemeinden.