Úterý 26. èervna 1928

Unsere kulturellen Forderungen erschöpfen sich nicht - wie die Hodina und Genossen meinen - in der Wiedereröffnung der einen oder anderen gesperrten Volksschulklasse. So bescheiden sind nur geborene Knechte. Wir fordern vielmehr unser volles Lebensrecht als Volk, ein Recht, das sich kundgibt in unserem Anspruch auf den deutschen Arbeitsplatz, die deutsche Scholle, die deutsche Schule und die Gleichberechtigung unserer Sprache!

Die Erfüllung unserer Hochschulwünsche, die wir als "organischer Bestandteil des Staates" zu äußern haben, vermöchte Troppau ein klein wenig für den Verlust zu entschädigen, der ihm mit dem Inkrafttreten des Gesetzes in wenigen Monaten droht. Wir haben deutsche Städte, die sich infolge ihrer Stellung als wirtschaftliche oder Handelsmittelpunkte vorzüglich zur Aufnahme von Hochschulen mehr technischen Charakters eignen. Troppau wäre ein geradezu idealer Sitz der deutschen Universität. Ist es an und für sich widersinnig, die Hochschulen gerade in der Großstadt mit ihrem Hasten und Drängen, ihrer Wohnungsnot und ihren teueren Lebensverhältnissen zu belassen, so ist es geradezu widernatürlich, unsere deutschen Hochschulen in der fremden Hauptstadt Prag zu lassen. Romantische Erinnerungen vermögen diese harte Tatsache nicht zu mildern. Ich fühle mich verpflichtet, dies bei dieser Gelegenheit vorzubringen.

Im übrigen will ich mich mit Rücksicht darauf, daß mein Koll. Kurak noch nach mir zu Worte kommen will, so kurz als möglich fassen und daher nur noch erklären, daß wir heute genau so wie im Vorjahre gegen die sogenannte Verwaltungsreform, besser gesagt, gegen die Vergewaltigungsreform stimmen werden. Unsere Ansicht über dieses Gesetz geht dahin, daß man sein Inkrafttreten nicht nur um wenige Monate hinausschieben, sondern daß man es auf immer in der Versenkung verschwinden lassen soll. Wir halten fest an der Verfechtung der Lebensnotwendigkeiten unseres Volkes und sehen ihre Erfüllung in seiner vollen und uneingeschränkten Selbstverwaltung. (Potlesk poslancù nìm. strany nár. socialistické.)

5. Øeè posl. dr Keibla (viz str. 44 tìsnopisecké zprávy):

Meine Herren! Nachdem das unselige Gesetz über die Verwaltungsreform vom 14. Juli 1927, Z. 125, einmal angenommen worden war, wartet seit mehr als einem halben Jahre die gesamte Öffentlichkeit dieses Staates auf die Wahl in die Bezirks- und Landesvertretungen. Durch den vorliegenden Gesetzentwurf erfährt sie, daß sie nun noch weiter einige Monate wird warten müssen. Es sollen zunächst Schwierigkeiten technischer Art sein, welche es notwendig machen, den Beginn der Wirksamkeit des Gesetzes zu verschieben, technische Schwierigkeiten, obwohl wir ganz genau wissen, daß das, was der Motivenbericht zu diesem Gesetze enthält und was uns gestern und heute der Herr Berichterstatter erzählt hat, den Tatsachen keineswegs entspricht, daß die Regierung seit langem alle Vorbereitungen getroffen hat, um das Gesetz tatsächlich in Wirksamkeit treten zu lassen. Es sind allerhand Durchführungsvorschriften bereits ausgearbeitet und die politischen Behörden erster und zweiter Instanz haben bereits eine lange Reihe von Monaten vor dem jetzigen Zeitpunkt nichts anderes zu tun gehabt, als immer und immer wieder ihre Tätigkeit auf die Möglichkeit ein zustellen, daß das Gesetz über die Verwaltungsreform jetzt am 1. Juli, tatsächlich in Kraft tritt. Es müssen infolgedessen ganz andere Dinge hier sein, welche es nicht zulassen, daß dieses Gesetz in Kraft tritt, Schwierigkeiten politischer Art, es muß sich die Regierung und die Mehrheit in einer politischen Verlegenheit befinden. Somit ist dieses Gesetz nichts anderes als der Versuch, auf gesetzgeberische Art und Weise aus einer politischen Verlegenheit herauszukommen.

Vor allem wissen wir, daß auch persönliche Schwierigkeiten vorhanden sind. (Posl. dr Schollich: Vielleicht der deutsche Landespräsident von Schlesien?) Auch der von Mähren, und es pfeifen die Spatzen auf den Dächern von diesen Schwierigkeiten. Man soll uns aber nicht einreden, daß sachliche Erwägungen für alle diese Dinge maßgebend sind. Nur das eine möchten wir gern wissen, warum ausgerechnet der 1. Dezember als derjenige Tag angesehen wird, an welchem alle diese Schwierigkeiten nicht mehr vorhanden sein werden, warum dieser Tag ganz besonders geeignet sein soll für das Inkrafttreten dieses Gesetzes. Wir haben gestern den Herrn Berichterstatter und den Vertreter der Regierung gefragt, wieso man zu diesem 1. Dezember kam, aber auch da war eine Antwort nicht zu erhalten. (Posl. dr Schollich: Weihnachtsstimmung!) Ja. Es scheint überhaupt, als ob auch dieser 1. Dezember gar nicht so ernst gemeint wäre, als ob man willkürlich dieses Datum genommen hätte in der Voraussicht, daß man auch dieses Datum nicht werde einhalten können und daß man es wahrscheinlich wieder und wieder verlängern werde, bis man schließlich dieses Gesetz genau so nicht in Wirksamkeit wird treten lassen können wie das alte Gaugesetz. Und es wäre auch, bei Gott, gar kein Schade darum. Zeigt es sich also jetzt schon, bevor noch das Gesetz in Wirksamkeit getreten ist, daß Schwierigkeiten auf Schwierigkeiten bestehen und daß man nicht durch kann, so wird es sich erst zeigen, bis das Gesetz wirklich in Wirksamkeit getreten sein sollte, daß dieses Machwerk des vorigen Jahres überhaupt undurchführbar ist und daß wir, die Opposition, recht hatten, als wir im Vorjahre dieses Gesetz überhaupt als undiskutierbar und unannehmbar erklärten. Wir haben daher im Grunde nichts dagegen, daß der Beginn der Wirksamkeit der Verwaltungsreform hinausgeschoben wird, im Gegenteil, wir wünschen dieses Gesetz samt allen den vielen anderen Gesetzen, welche die jetzige Regierungsmehrheit im vorigen Frühjahr beschlossen hat, zum Teufel und würden einem Antrage, der die Verwaltungsreform auf unbestimmte Zeit hinausschiebt, mit Freuden zustimmen.

Eigentlich müßte der Regierung und den Parteien, die hinter ihr stehen, das Grauen ankommen, wenn sie es sich überlegten, was sie da im vorigen Jahre alles angerichtet haben und es wäre nur zu begreiflich, wenn sie jetzt in letzter Stunde eine Frist suchen würden, um wenigstens das Ärgste wieder gutzumachen und nicht nur die Verwaltungsreform, sondern den ganzen Rattenkönig von Gesetzen aus der vorigen Frühjahrstagung den tatsächlichen Bedürfnissen und Verhältnissen entsprechend abändern wollten, eine Arbeit, die doch einmal wird geleistet werden müssen. (Posl. dr Schollich: Fangen wir mit dem Rattenschwanz seit dem Umsturz an!) Rattenkönig! Wir sind auch heute noch der Überzeugung, daß die Wehrgesetze, die Finanzreform, das Gemeindefinanzgesetz und die Verwaltungsreform eine politische Einheit darstellen, weil sie alle systematisch das eine Ziel verfolgen, das deutsche Volk in diesem Staate zu knebeln, zu zermürben und zu unterdrücken und gleichzeitig den Krieg gegen das verhaßte benachbarte Deutsche reich vorzubereiten. Wenn daher von einem dieser Gesetze hier gesprochen wird, so müssen auch alle übrigen wieder einmal besprochen werden und dies umso mehr, als sich bereits die unseligen Auswirkungen und Folgen mancher von ihnen all zu deutlich zeigen, Folgen so schrecklicher Art, daß sie von niemandem in diesem Staate mehr übersehen oder abgeleugnet werden können und die auch - und das ist bezeichnend - alle Nationen dieses Staates in gleicher Weise betreffen.

Von den Wehrgesetzen will ich vorläufig nicht einmal reden, weil es noch eine gewisse Zeit brauchen wird, ehe deren ungeheuerliche Bestimmungen den weiten Kreisen der Bevölkerung zum vollen Bewußtsein kommen werden. Aber es wird nicht gar zu lange mehr dauern, so wird das Wirtschaftsleben erkennen, was es heißt, bei Besetzung freigewordener Beamtenstellen an die Mitwirkung der Verwaltungsbehörden gebunden zu sein und unter deren sanftem, aber nicht mißzuverstehenden Drucke Zertifikatisten anstellen zu müssen, wo geschulte und tüchtige Arbeitskräfte dringend Not täten. Auch das Gesetz, welches die Disziplin der èechischen Armee zu festigen bestimmt ist, scheint sich schon auszuwirken. Wir hören mehr wie in den letzten Jahren von schlechter Behandlung der Eingerückten, ja sogar von Soldatenmißhandlungen. Und diese Klagen kommen nicht etwa nur aus der Slovakei und Karpathorußland, dem Kolonialland dieses Staates, nein, auch aus den sogenannten historischen Ländern. Erst vor kurzem wurde mir von ganz vertrauenswürdiger Seite mitgeteilt, daß in Theresienstadt die Mannschaft schlecht untergebracht sei und daß die Behandlung und insbesondere die Kost bei der dortigen Pionierabteilung geradezu alles zu wünschen übrig lasse. Die Fälle, welche Koll. Kallina vorige Woche von dieser Stelle aus dem Hause zur Kenntnis brachte, gehören allenfalls hieher.

Mehr schon als von den Folgen der Wehrgesetze wissen wir heute von den Folgen der Finanzreform.

Es war uns schon im vorigen Jahre klar, daß es ein ganz unnützes Bemühen des Finanzministers sein und bleiben muß, eine Finanzgesetzgebung den wirtschaftlichen Verhältnissen dieses Staates, die doch nur als schlecht bezeichnet werden müssen, anzupassen, wenn die Ausgaben, welche der Staat aus Gründen der Außenpolitik für unerläßlich hält, nicht oder nur unwesentlich herabgesetzt werden können. So steht z. B. der Kredit von jährlich 305 Millionen für die lnvestitionen des Militärs für eine Reihe von Jahren ein für allemal fest. Dazu kommen die Kosten der beschlossenen Wehrgesetze, die jedenfalls größer sein werden, als man sich vorgestellt hat und hiezu noch die Art, wie im Landesverteidigungsministerium überhaupt mit den Steuergeldern umgesprungen wird. Heißt es doch, daß das Landesverteidigungsministerium seinen Voranschlag im heurigen Jahre bedeutend überschritten habe und daß dies einer der mancherlei Gründe sei, die den Herrn Finanzminister Dr Engliš bewogen haben, fluchtartig, sozusagen bei Nacht und Nebel sein Amt im Stiche zu lassen. Unter solchen Verhältnissen muß jede Finanzreform wie eine Augenauswischerei bleiben und sie ist es auch geblieben. Sie hat die Einkommensteuer in den unteren Stufen ermäßigt, aber dafür die Erwerbssteuer erhöht, die Art ihrer Veranlagung verschlechtert und den großen Aktienunternehmungen ganz ungeahnte Möglichkeiten eröffnet, früher verschleierte Gewinne in Sicherheit zu bringen, so daß das Finanzministerium sich hinterher gezwungen sah, durch eine Interpretation der betreffenden Gesetzesstelle für die Zukunft ähnliche Schiebungen zu verhüten, wobei es noch sehr fraglich ist, ob es ihm auch tatsächlich gelungen ist. Den Schaden trägt aber der erwerbende Mittelstand, der kleine Gewerbemann und Handwerker, der Einzelunternehmer, dessen Wirtschaftsführung dem Bankkapitale unbedenklich geopfert wird. Der kleine Mann wird durch den Steuerexekutor wirtschaftlich zum Weißbluten gebracht, das Bankkapital kann unbehelligt weiterwuchern. Das, was das Gesetz auf der einen Seite an Steuern nachläßt, bringt die unbarmherzige Steuerschraube auf der anderen Seite zehnfach wieder herein. Die Einnahmen fließen reichlicher als vorher, den staatlichen und nichtstaatlichen Blutsaugern am Wirtschaftsleben geschieht kein Abbruch.

Aber es wird auch in diesem Staate ans Sparen gedacht - freilich am unrechten Orte. Die staatlichen Altpensionisten müssen sich mit einem Bettel zufrieden geben, man hofft, daß sie bald aussterben und so die Regierung einer weiteren Fürsorge entheben. Ebenso verfährt man hierzulande mit den Kriegsinvaliden, wie wir erst vorige Woche feststellen konnten. Das Privatbeamtenversicherungsgesetz schläft irgendwo, weil es am Ende was kosten könnte, daß aber inzwischen draußen die alten Privatbeamten, die Witwen und Waisen hungern, kümmert die Regierenden scheinbar gar nicht, trotzdem in ihren Reihen eine ganze Menge von Männern sich befinden, welche die christliche Nächstenliebe auf ihre Fahne geschrieben haben. Und was sollen die Staatsangestellten aller Kategorien sagen, wenn sie nach und infolge der famosen Systemisierung sich nach langjähriger Dienstzeit um eine oder mehrere Gehaltsstufen zurückgeworfen sehen und vielfach auch die Möglichkeit verloren haben, je wieder das Eingebüßte einzuholen? Man wende ja nicht ein, daß der sogenannte Ausgleichsbetrag sie vor jedem Nachteil schützt. Wohl gilt dies für den Augenblick. Treten sie aber in den Ruhestand, so werden sie dieses Ausgleichsbetrages verlustig. Und nicht nur das, in den meisten Fällen ist es gerade den kleinen Beamten verwehrt, sich durch eigene ehrenhafte Arbeit, die im späten Alter doppelt schwer fällt, etwas von dem zu verdienen, was ihnen von Rechts wegen gehört, von Rechts wegen, da sie doch durch eine lange Reihe von Jahren die Beiträge für eine weit höhere Pension bezahlt haben. Und was sollen die Witwen und Waisen sagen, die nur mit einem Bruchteil der verkürzten Pensionsgrundlage ihres Ernährers abgespeist werden? Was wird aber geschehen, wenn der Lebensindex vieler steigt, wenn die indirekten Steuern in Zukunft auf allen Staats- und Privatangestellten sowie auf den Arbeitern mehr als bisher lasten werden? Und alles das muß und wird kommen als unausbleibliche Folge des Gemeindefinanzgesetzes, das eng mit der Verwaltungsreform verwandt ist und eigentlich deren Ergänzung darstellt.

Das Gesetz vom 15. Juli 1927, Z. 77, über die Finanzwirtschaft der Gemeinden und Bezirke ist dasjenige, dessen Folgen heute schon wohl jedem einleuchtend sind. Es ist bei Gott kein Meisterstück des als Volkswirtschaftler sonst gewiß tüchtigen Herrn Prof. Dr Engliš und ich fürchte, es wird noch allzu bald die Zeit kommen, wo er gerne dieses sein geistiges Kind überhaupt verleugnen möchte.

Als dieses Gesetz im Vorjahre in diesem Hause zur Beratung stand, haben wir alle seine Mängel aufgezeigt. Es war umsonst. Was wir behauptet haben, ist zum großen Teile bereits eingetreten. Niemand in diesem Hause kann von sich behaupten, daß ihm die schädlichen Folgen nicht bekannt waren. Wir haben voriges Jahr erklärt, das Gesetz bedeute den finanziellen Zusammenbruch der Gemeinden und Bezirke, es mache sie unfähig ihre Aufgaben zu erfüllen, es komme in Verbindung mit der Verwaltungsreform einer Beseitigung der Selbstverwaltung gleich. Und so ist es auch. Aus der überaus großen Fülle des mir zu Gebote stehenden Materials will ich nur einiges her anführen: Die Stadtgemeinde Turn bei Teplitz hatte infolge der Entziehung einer Reihe von Steuern und Beschränkung der Umlagen ein Voranschlagsdefizit von 3,438.740 Kronen, um dessen Bedeckung durch den Dotationsfonds angesucht werden mußte. Der Landesverwaltungsausschuß wies den Voranschlag einfach zurück mit dem Auftrag alle Maßnahmen zur Herabsetzung des Voranschlagsdefizits durchzuführen. In dem betreffenden Erlasse heißt es unter anderem: "Als solche Maßnahmen sind vor allem neue Abgaben und Gebühren einzuführen und die bereits eingeführten Abgaben und Gebühren zu erhöhen. Als neue Abgaben und Gebühren ist die Abgabe von elektrischer Energie zu Beleuchtungszwecken, die Abgabe von Karten-, Billard- und Kegelspiel, die Gebühren für veterinärpolizeiliche Tier- und Fleischbeschau und die Gebühren für die Benützung des öffentlichen Gemeindegutes nach der in der Regierungsverordnung vom Jahre 1928, Nr. 15 Slg. d. G. u. V., enthaltenen Einhebungsvorschriften einzuführen. Bis zu dem in der oben er wähnten Regierungsverordnung angeführten höchstzulässigen Sätzen sind die Kanaleinmündungsgebühren (Art. 2), die Bierabgabe (Art. 4) und die Mietzinsabgabe (Art. 6) zu erhöhen. Es ist ebenfalls unzulässig, daß die Gemeinde nicht alle bereits bewilligten Baugebühren sowie die Hundeabgabe nicht in den höchsten bereits bewilligten Maximalsätzen einhebe."

In der Praxis wirkt sich dieser Erlaß so aus: die Lichtabgabe (10 Heller für die Kilowattstunde bei elektrischem Licht und 5 Heller für einen Kubikmeter Gas) würde aus den Taschen der Bevölkerung nicht weniger als 40.000 Kronen jährlich herausholen. Die Abgabe für Kartenspiel, Domino und Billard 25.000 Kronen jährlich, die Fleischbesehau einen Mehrbetrag von 3000 Kè; die Abgabe für die Benützung des öffentlichen Gutes läßt sieh momentan noch gar nicht errechnen, doch ist sicher, daß die Gewerbetreibenden für ihre Firmentafeln, Aushängekasten usw. ebenfalls schwer zahlen müssen. Am schwersten trifft jedoch die Bevölkerung die geplante Erhöhung der Mietzinsumlage, die 25% des Mietzinses beträgt. Von einer Mietzinssteuergrundlage von 2.834.352 Kè erhielt die Gemeinde Turn nach der bisherigen Umlagenberechnung einen Betrag von 291.000 Kè. Dieser Betrag soll nun nach den neuen Vorschriften auf 724.000 Kè jährlich erhöht werden. Die Kanalbenützungsgebühr würde von 83.830 Kè auf 144.825 Kè erhöht. Die Bierabgabe (2 Heller pro Liter) würde eine Erhöhung von 24.000 Kè bringen. Der Wein bleibt dafür von der Erhöhung frei. Die Gebühr für Amtshandlungen dürfte za. 5000 Kè ausmachen. Die Gemeinde Turn hat ohnehin den höchstzulässigen Wasserzins. Der Erlaß fordert aber, daß der Wasserzins sogar über das höchstzulässige Maß erhöht werden soll.

Da dieser Umlagenersatz noch immer nicht genügt, um das Defizit zu decken, werden alle präliminierten Auslagen für angeblich unrentable Investitionen" einfach gestrichen und verboten. Es müssen daher in Turn unterbleiben: die Pflasterung. Walzung und Ausbau aller Straßen. Kanalisierungsarbeiten und zwar auch in neuen Straßenzügen, Lageplanerweiterung. Anbau der deutschen Bürgerschule, Stadthausneubau usw. Das bedeutet den Ruin der Straßen. Seuchengefahr, Hemmung der Entwicklung der Bürgerschule und außerdem Arbeitslosigkeit. (Posl. inž. Kallina: Das beweist die Macht der Gewerbepartei im Staate!) Das sind freilich "Sparerfolge!, mit denen die deutschen Regierungsparteien wenig Ruhm ernten werden. Im Dezember vorigen Jahres hatte die Verwaltungskommission des Bezirkes Falkenau einstimmig, also auch mit den Stimmen der Regierungsparteien den Voranschlag für 1928 beschlossen. Der Landesverwaltungsausschuß hat nun im ordentlichen Voranschlag rund 2 1/2 Mill., im außerordentlichen aber  3/4 Mill. gestrichen. Nicht weniger als 97% jener Ausgaben, welche zwecks Fürsorge der Waisen, für Kinderschutz und Jugendfürsorge, für Wohnungssuchende, für Sieche und alternde Menschen eingestellt worden sind, wurden gestrichen. Die Begründung hiefür ist, daß diese Erfordernisse "ihrer Beschaffenheit nach nicht unumgänglich notwendig sind und schließlich weder auf einem Rechtstitel noch auf einer gesetzlichen Verpflichtung beruhen". (Posl. inž. Kallina: Es handelt sich ja doch nur um deutsche Kinder!) Sehr richtig. Die Fachschule für Frauenberufe in Oberleutensdorf ist durch das Gemeindefinanzgesetz in eine äußerst bedrängte Lage geraten und steht vor der Sperrung. Am 15. Juni fand beim Bezirksgericht in Oberleutensdorf der exekutive Verkauf der Kanzleieinrichtung statt, weil die Anstalt nicht in der Lage war, eine Schuld von 935.86 Kè bei der Landesstelle der allgemeinen Pensionsanstalt zu bezahlen. Die Schule ist auch nicht imstande, die Gehälter auszuzahlen, da auf Grund eines Erlasses des Landesverwaltungsausschusses die Auszahlung der Gemeindesubventionen verboten wurde. Die Familienschule in Oberleutensdorf, die sich in der Bevölkerung großer Achtung erfreut, wird nun ein Opfer des Gemeindefinanzgesetzes.

Aus dem Voranschlage des Bezirkes Bensen hat die Landesverwaltung alle Subventionen und Ausgaben für soziale Zwecke im Gesamtbetrage von 200.000 Kè gestrichen. So den ganzen Betrag für öffentliche Sicherheit 9.455 Kè, für das Samtätswesen 4.100 Kè, für Landeskultur 18.175 Kè, für die Jugendfürsorge und humanitären Anstalten, den ganzen Betrag für das Schulwesen, nämlich für die Blindenschule, die gewerblichen Fortbildungsschulen, die Taubstummenanstalten und Bezirksbildungsausschüsse, die Fürsorgeschwestern, die ärztliche Untersuchung der Schulkinder und das Freibett im Krippelheim, sämtliche Beträge für die Feuerwehr, Gauverbände von Bensen und Wernstadt, für die landwirtschaftliche Fortbildungsschule, für die tierärztliche Beschau. Kreuzottervertilgung und den Wasenmeister. Schade, daß der Herr Koll. Böhm, der in Bensen oder in der Nähe von Bensen wohnt, nicht hier ist. Es würde interessant sein zu erfahren, wie er sich als Mitglied der Regierungspartei vorstellt, wie seine eigene Heimatsbevölkerung vor solchen Schäden künftig bewahrt bleiben soll. Der Stadtgemeinde Dux wurden im März bloß 7.441 Kè an Umlagen angewiesen. Bei der Stadtgemeinde Türmitz beträgt der Gesamtausfall, der durch die Streichungen am Voranschlage erfolgte, 700.000 Kè. Sie kann daher ihren Verpflichtungen nicht nachkommen. Ihr Inventar wurde von der Landesstelle II der Allgemeinen Pensionsanstalt in Prag zur Bezahlung der rückständigen Pensionsbeiträge im Betrage von 8.000 Kè gepfändet. Sie wurde aber auch bereits auf Bezahlung der rückständigen Kohlenrechnungen im Betrage von 14.000 Kè geklagt. Die Gemeindesparkasse drohte mit der Einklagung der schuldigen Darlehensannuitäten von 30.000 Kè. Sie kann aber nicht einmal ihre Beamten bezahlen, denen sie im April bloß  2/3 ihres Gehaltes geben konnte. Die Bezirksverwaltungskommission in Kalsching hat über Antrag der Landesverwaltung die Subvention für die dortige Bezirksjugendfürsorge streichen müssen. Aus einem Berichte der Jugendfürsorge in Neudeck ist zu entnehmen, daß infolge Versiegens der bisher von den Gemeinden und den Bezirken gewidmeten Subventionen die Erziehungsbeiträge für 104 Kinder in Familienpflege und für 19 Kinder in Anstalten eingestellt werden müssen. Ebenso mußte der Betrieb des Neudecker Waisenhauses mit 31. Mai aufgelassen werden. In Teplitz muß mit 30. Juni die seit 14 Jahren bestehende Stillkrippe, in Turn der seit 12 Jahren bestehende Kleinkinderhort aufgelassen werden. (Výkøiky posl. Horpynky.)

Den Vogel schießt aber der böhmische Landesverwaltungsausschuß mit seinem Erlaß vom 30. März, Zahl 41.760-III, ab, In ihm stellt er zunächst die von uns bereits im Vorjahre vorausgesehene Tatsache fest, daß der Ausgleichfond nicht im Entferntesten langt, um die an ihn gestellten Ansprüche zu befriedigen, daß er daher von den Selbstverwaltungskörpern gar nicht erst ins Kalkül gezogen werden soll. Dann wird erklärt, daß zunächst nur den auf einem Rechtstitel beruhenden Verbindlichkeiten nachgekommen werden darf, daß aber die Ausgaben dieser Art bis dem Fonde in der Regel 30% des tatsächlichen, zu einem bestimmten Zwecke nach dem Rechnungsabschluß des Jahres 1926 verwendeten Aufwandes nicht überschreiten dürfen. Da zu diesen Ausgaben doch die Bezüge der Angestellten und die Annuitäten der aufgenommenen Darlehen gehören, so heißt das nichts anderes, als daß die Gemeinden und Bezirke jetzt nur mehr bloß kaum ein Drittel an Gehalt für die Beamten und nur ebensoviel auf ihren Schuldendienst bezahlen dürfen. Zahlen sie mehr, so haftet der Gemeindevorsteher und gegebenenfalls der Gemeinderat für das Zuvielgezahlte mit dem eigenen Vermögen. Da muß man doch fragen, ob der Landesverwaltungsausschuß nicht verrückt geworden ist.

Aber es kommt noch besser. Es heißt dort weiter. Die Erfüllung der übrigen Aufgaben ist bis zu jener Zeit völlig aufzuschieben. Dies gilt insbesondere von gänzlich freiwilligen Leistungen, die aus dem außerordentlichen Voranschlagserfordernis resultieren. Zur Durchführung neuer Bauten und Einrichtungen bestimmte Aufwände dürfen überhaupt nicht in dieser Frist verwirklicht werden. Es wird daher jenen Bezirken und Gemeinden, welche um Beitragsleistungen aus dem Fonde ansuchen - und das sind in Wirklichkeit fast alle - auferlegt, von der Inangriffnahme, Fortsetzung sowie Projektierung jeglicher Investitionen, als Bau von Straßen, Wasserleitungen, Gebäuden. Krankenhäusern, Siechenhäusern, Schulen, Straßenwalzungen, Straßenrekonstruktionen Abstand zu nehmen, u. zw. auch in dem Falle, daß die Bedeckung des Aufwandes durch ein nach dem 1. Juli 1927 genehmigtes Darlehen beschafft wird. Jetzt wissen wir, warum die von mir vorhin angeführten Streichungen erfolgt sind. Die in Bau befindlichen Krankenhäuser in Aussig und Rumburg dürfen nicht vollendet, andere, wie das in Tetschen, darf nicht begonnen werden, die Straßen müssen verfallen, die aufgerissene Bahnhofstraße in Tetschen z. B. muß weiter ein Trümmerhaufen bleiben, weder Schulen dürfen weiter erhalten werden, noch die Einriehtungen der Kindersehutz- und Jugendfürsorge. Schulden dürfen nicht bezahlt werden, alles soll zu Bruche gehen. Aus den Trümmern der Selbstverwaltung steigt die Herrschaft des brutalen, absoluten Bürokratismus. Dass heißt nicht mehr Landesverwaltung, sondern Sabotage, Unterbindung, ja Untersagung jeder Verwaltung in Bezirk und Gemeinde. Daraus folgt aber, daß das Gesetz über die Finanzwirtschaft der Bezirke und Gemeinden schlechterdings nicht etwa durch irgendeine Novelle verbessert werden kann, sondern ganz einfach aufgehoben werden muß, weil es undurchführbar ist. Und ebenso undurchführbar ist die Verwaltungsreform.

Die Zeit bleibt nicht stille stehen. Immer zahlreicher und verwickelter werden die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung. Die Arbeitsteilung, die fortschreitende Spezialisierung, die ein sichtbares Merkmal jeden Fortschrittes ist und die in der Technik und Wissenschaft sich immer mehr offenbart, muß auch auf die öffentliche Verwaltung ihre Wirkung ausüben. Nicht Erstarrung, Zentralisation, engstirniger Bürokratismus und alberner Polizeigeist tut heute Not, sondern Dezentralisation der einzelnen räumlichen, nationalen, kulturellen und wirtschaftlichen Besonderheiten sollte der Leitgedanke der öffentlichen Verwaltung sein, falls der Staat seine Aufgabe in der Förderung der Wohlfahrt aller seiner Staatsbürger sieht und nicht bloß die Interessen einer Clique wahren will. Daher wird sich, wenn die Verwaltungsreform in Wirksamkeit getreten sein wird, bald herausstellen, daß das Verwaltungsgebiet Böhmen viel zu groß ist, um von einer Person, von einem Amt aus verwaltet werden zu können und daß die Zusammenlegung Schlesiens mit Mähren ein ebensolcher schwerer Fehler war, der umso schwerer wiegt, weil sie in erster Linie eine wohlbeabsichtigte Provokation der Deutschen Schlesiens sein sollte und dort auch allgemein als eine solche empfunden wird. Viel größere Schwierigkeiten noch wird die Regierung haben, wenn sie daran gehen wird, die Grenzen der neuen Bezirke zu bestimmen. Das Gesetz stellt sich große Bezirke vor. Wäre ihre verwaltungsrechtliche Beschaffenheit anders, wäre auch ihr Wirkungskreis größer, wären sie eine Art Verwaltungsbehörde höherer Ordnung nicht nur in autonomer Beziehung, so könnten wir zu ihnen vielleicht eine andere Stellung beziehen. So aber müssen wir auf der Beibehaltung der bestehenden Vertretungsbezirke beharren. Das alte Österreich hat den verschiedenartigen Verhältnissen der einzelnen Gegenden, besonders der im Gebirge und an der Grenze gelegenen, weitgehende Rechnung getragen. Eine Menge kleiner Vertretungs- und auch politischer Bezirke sind so entstanden und haben sich im Laufe der Zeit wohl bewährt und eingelebt. Es soll nun die Regierung versuchen, jetzt mit einem Male das zu ändern und so etwa nur in Böhmen hundert Vertretungsbezirke auflösen. Sie wird dadurch einen Sturm der Entrüstung entfesseln, von dem sie heute wahrscheinlich noch gar keine Ahnung hat. Wie stellt sich die Regierung z. B. die Unterbringung der Masse von neuen Beamten vor, die da für die neuen, durch die Verwaltungsreform übermäßig aufgeblähten Bezirkshauptmannschaften nötig werden? Die Bezirksstädte sollen nach der Verwaltungsreform neue Gebäude bauen, die Landesverwaltungskommission aber verbietet wieder diese Bauten auf Grund des Gesetzes über die Finanzwirtschaft der Gemeinden.

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