Und glaubt die Regierung wirklich, daß
der künftige Landesausschuß überhaupt imstande
sein wird, alle Voranschläge der Bezirke, z. B. in Böhmen
oder in Mähren und Schlesien gewissenhaft, einwandfrei, sachgemäß,
und, was die Hauptsache ist, zeitgerecht zu prüfen und die
nötigen sachlichen Anordnungen zu erteilen? Glaubt die Regierung
wirklich, daß ein Bezirksausschuß, ein Bezirkshauptmann
dieselbe Aufgabe in einem Bezirke bewältigen kann, der z.
B. 30 Gemeinden mit zusammen 100.000 Einwohnern und mit ganz verzweifelt
komplizierten wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen
aufweist? Wir wissen heute schon, daß das menschliche Kräfte
schlechterdings übersteigt und daß im besten Falle
eine ganz unglaubliche Schlamperei herausschauen wird. So wird
sich auch die Verwaltungsreform nicht nur als verbesserungsbedürftig,
sondern bald als undurchführbar erweisen. Das sind die kläglichen
Ergebnisse der frivolen Gesetzgebung des Vorjahres. Den èechischen
Regierungsparteien kann schließlich der schwache Entschuldigungsgrund
zugebilligt werden, daß sie in Befolgung einer grossen nationalen
Idee diese Gesetze beschlossen haben, für die deutschen Regierungsparteien
aber mangelt es an jeder Entschuldigung. Sie hätten diese
Gesetze leicht verhindern können. Da sie es verabsäumten,
fällt alle Schuld, fallen alle Folgen auf sie allein. Wenn
unsere Bezirke und Gemeinden heute am Rande des Abgrundes stehen,
tragen nur die deutschen Regierungsparteien daran die Schuld;
wenn Krankenhäuser, Siechenhäuser, Waisenhäuser.
Blinden- und Taubstummenanstalten, Krüppelheime geschlossen
werden müssen, wenn den Armen und Kranken jede Unterstützung
versagt bleiben muß, sind sie die Ursache davon, sie allein
tragen an all dem künftigen Elend die Schuld, wenn sich Verbrechen,
Diebstahl, auch Mord und Todschlag mehren werden. Und wir werden
den Verlassenen, welche scharenweise werden betteln gehen müssen,
schon den Weg zu ihnen weisen, damit sie in die eigene Tasche
greifen und tropfenweise ihre Schuld abtragen. Sie sind es, welche
die Selbstverwaltung der Gemeinden zerstört haben, die wir
Deutsche zur Behauptung unseres Volkstums benötigen, alle
Folgen davon kommen auf ihre schuldigen Häupter.
Sie können sich von dieser Schuld nicht
befreien, auch wenn ihre Vertreter in der Gemeindestube versuchen,
die Gemeinschaft mit den Parlamentariern zu bestreiten, wie es
z. B. am 29. Mai der deutsche Gewerbeparteiler Nedwied in Saaz
getan hat; die Bevölkerung weiß bereits ganz gut in
all diesen Dingen Bescheid und die letzten Gemeindewahlen haben
bereits gezeigt, daß die Mehrzahl der Wähler nicht
mehr hinter den Regierungsparteien steht, die Erregung wächst
von Tag zu Tag, nicht nur in den Städten, wo die vielen unselbständigen
Existenzen mit Bangen der Zukunft entgegensehen, da sie infolge
der phantastischen Höhe der lumpigen indirekten Gemeindesteuern
mit ihren festen Bezügen nicht mehr das Auslangen werden
finden können, nein, auch am Lande wächst der Widerstand.
Die Wahlen in die Bezirks- und Landesvertretungen werden noch
ein ganz anderes Bild ergeben und sie werden zeigen, daß
die deutschen Regierungsparteien durch ihre Politik, die sie hier
im Parlament, in ihrer Presse und in ihren Versammlungen zu betreiben
belieben, nur die Zutreiber für die Kommunisten sind. Alle
Regierungsparteien haben Angst vor den Wahlen in die Bezirks-
und Landesvertretungen. Diese Angst ist die eigentliche Ursache,
warum die Wirksamkeit der Verwaltungsreform bis in den Spätherbst
verschoben werden soll. Das Jubiläum soll durch die Wahlen
nicht gestört werden, das Ausland soll nicht erfahren, wie
es eigentlich in diesem Staat bestellt ist. Aus dieser Verlegenheit
soll dieser Gesetzesantrag die Regierung befreien. Wir Deutschnationale
haben gar keine Ursache der gegenwärtigen Regierung irgendwie
gefällig zu sein. Wir hoffen, daß sie unter dem Drucke
der künftigen Wahlen eine gründliche Umbildung erfährt,
die es möglich macht, den angehäuften Schutt in der
Gesetzgebung, zu dem insbesondere die Gesetzgebung des vorigen
Frühjahrs gehört, gründlichst zu beseitigen, damit
etwas mehr Luft und Licht in die bereits stark muffig gewordene
symbiotische Atmosphäre der hiesigen Politik komme. Fast
10 Jahre sind es her, seitdem der èechische Staat entstand.
In dem durch den Krieg verursachten allgemeinen Zusammenbruch
hätte er einen Konzentrationspunkt darstellen
können, wenn er seine geschichtliche Sendung verstanden hätte.
Anstatt aber alle vorhandenen wertvollen Kräfte heranzuziehen
und eine Politik der weisen Mäßigung in innerer und
äußerer Beziehung zu beginnen, ließ er sich von
einer überspannten nationalistischen Gedankenfolge hinreissen
und wählte die nackte Gewalt zur Grundlage seines Regierungssystems.
Und so taumelt dann dieser Staat aus einer Krise in die andere.
Die Ruhe, die hier zu bestehen scheint, ist nur eine rein äußerliehe.
Es glimmt unter der Asche. Em Windstoß kann die Glut entfachen.
Ein soleher kann das Weiterbestehen des Gemeindefinanzgesetzes
und die Verwaltungsreform werden, wenn sie in unveränderter
Form in Wirksamkeit tritt, und wenn es der Regierung etwa gelüsten
sollte, die Wahlen in die Bezirks- und Landesvertretungen vorher
nicht vornehmen zu lassen. Wir protestieren ganz entschieden dagegen,
daß jetzt schon etwa die Landespräsidenten und die
Vorstände der neuen Bezirke ernannt werden. Daß jede
Mitwirkung der Bevölkerung in Gesetzgebung und Verwaltung
bei den Regierenden dieses Staates unerwünscht und unbeliebt
ist, wissen wir genau. Selbst die Verfassung ist den Oligarchen,
die diesen Staat in Wirklichkeit beherrschen, unbequem. Sie glauben,
sie nach Willkür biegen und umgehen zu können. Das erweisen
die lange Reihe von Gesetzen und Verordnungen, die wir zur gehörigen
Zeit als verfassungswidrig bewiesen haben, das erweisen auch die
Urteile des Obersten Verwaltungsgerichtes, das sich gezwungen
sieht, mehr als die Hälfte aller Entscheidungen der Ministerien
als ungesetzlich aufzuheben. In jedem anderen Staate hätte
das die Säuberung der Ministerien von den schuldtragenden
Beamten zur Folge, hier aber erwägt man deswegen die Abschaffung
des unbequemen Verwaltungsgerichtes.
Es ist ein Zeichen des hier herrschenden Systems,
daß durch die Gesetze wichtige Einzelheiten, oft das Wesentliche,
der Kern der Sache der Durchführungsverordnung überlassen
wird, daß der Regierung Blankovollmachten erteilt werden,
die weit über das zulässige Maß hinausgehen. Die
bisherigen Parlamentsmehrheiten verzichteten auf diese Weise in
einer langen Reihe von Fällen auf jede entscheidende Mitwirkung
bei der Gesetzgebung. Ist es dann ein Wunder, wenn die Volksvertretung
an Ansehen bei der Bevölkerung immer mehr einbüßt?
Der Staat hat bei seiner Entstehung ein großes Kapital an
allen möglichen geistigen und leiblichen Gütern mitbekommen,
seine Regierungen sind auf dem besten Wege, es bis auf den letzten
Heller zu vergeuden. Das ist sein Geschichtsinhalt, seine Tradition;
statt des Rechtes der Egoismus einzelner Gruppen, gepaart mit
Willkür und Gewalt und höchstens gemildert durch Schlamperei
und Korruption. So stellt sich uns das System dieses Staates dar.
Dieses System zu brechen ist unsere Aufgabe jetzt und in aller
Zukunft! (Potlesk poslancù nìm. strany
národní.)