Støeda 27. èervna 1928

Pøíloha k tìsnopisecké zprávì

o 149. schùzi poslanecké snìmovny Národního shromáždìní

republiky Èeskoslovenské

v Praze ve støedu dne 27. èervna 1928.

1. Øeè posl. dr Czecha (viz str. 3 tìsnopisecké zprávy):

Hohes Haus! Am 20. Juni d. J. gab es in den "Národní Listy" einen ganz charakteristischen Seufzer der Erleichterung. Das Blatt stellte mit großer Befriedigung fest, daß die im Senate überreichte Novelle zur Verwaltungsreform in aller Stille und, wie es dort wörtlich heißt, ohne daß irgend jemand mit der Wimper gezuckt hätte, dem Initiativausschuß zugewiesen wurde. Man hatte sich in Koalitionskreisen allem Anscheine nach auf allerlei Ungemütlichkeiten eingerichtet, man hatte aller Wahrscheinlichkeit nach mit einer recht scharfen Verhandlungsouvertüre gerechnet, und siehe da, es ging alles unheimlich glatt von statten, nichts ist geschehen, gut ist es gegangen. Was sich da in der Seele der "Národní Listy" regte, war, bewußt oder unbewußt, das böse Gewissen der Koalition, die gerade bei der Verwaltungsreform gar so viel schon auf dem Kerbholz hatte und der parlamentarischen Abrechnung mit einigem Unbehagen entgegensah. Es ist aber anders gekommen, als man drüben erwartet hatte. Nicht etwa weil man die Auswirkungen der Novelle auf die Bevölkerung unrichtig eingeschätzt hätte, sondern weil die Bevölkerung unseres Landes bei der Häufung von Rechtswidrigkeiten immer mehr abstumpft (Souhlas na levici.) und in Bezug auf gewisse politische Vorgänge einem für uneingeweihte vollkommen unverständlichen Fatalismus verfallen ist. Aber die Ruhe, die die Bevölkerung und mit ihr die parlamentarische Vertretung in diesem Falle bewahrt hat, ist nur eine Kirchhofsruhe, auf die sich die Machthaber dieses Staates nicht allzuviel zugutetun dürfen. Im Gegenteil, sie haben allen Grund, in sich zu gehen, in den gehäuften schier unerträglichen Zumutungen an die Geduld der Bevölkerung innezuhalten und vor allem aus gewissen betrüblichen Erscheinungen und gewissen Erfahrungen anderer Länder zu lernen. Die Spuren schrecken, mögen sich die Koalitionsfüchse sagen und mögen sie sich nicht allzutief in die Höhle des Löwen hineinwagen.

Die Herren von der Koalition versuchen, die neue Verwaltungsreformnovelle als durchaus harmlos hinzustellen. (Výkøiky.) Monatelang haben sie über die Aktivierung der Verwaltungsreform und vor allem über den Termin des Wahlganges beraten, Woche für Woche, zeitweilig Tag für Tag die Köpfe zusammengesteckt, alles Mögliche und Unmögliche ausgeheckt, morgen wieder eingestampft, übermorgen wieder ausgegraben, sich dabei gegenseitig die Köpfe eingerannt und es beinahe bis zum Zusammenbruch des Koalitionsgefüges gebracht, weil sie sich schließlich, nachdem sie alle samt und sonders und mit ihnen die Bevölkerung und der Staat bei der mehrmonatigen Keilerei tüchtige Beulen geholt hatten, bis sie sich schließlich doch geeinigt haben, mit Ach und Krach eine Einigungsformel zu finden vermochten. Und nun verlangen sie, daß das aus den unmöglichsten Koalitionsmixturen verfertigte Gebräu widerspruchslos von Bevölkerung und Parlament hinuntergeschluckt werde. Aber dazu waren nicht einmal gewisse ausgesprochene Koalitionskreise bereit, die in ganz unzweideutiger Weise dem Unmut über den Verzweiflungsschritt der Koalition Ausdruck gaben und gegen die geplante Verwaltungsmaßnahme die warnende Stimme erhoben.

Der in derlei Dingen gewiß ganz unverdächtige Nationaldemokrat Dr Borský erklärte, daß die Verschiebung der Verwirklichung der Landesverwaltung gegen das Gesetz verstoße, daß sie der politischen Tradition des Landes schade, daß es nicht politisch klug sei, wiederum, ebenso wie es bei dem Gaugesetze geschah, anders in der Slovakei und anders in den übrigen Ländern vorzugehen. Die "Tribuna", ein gut bürgerliches Blatt, schreibt, daß die Gründe, die für die Vertagung der Verwaltungsreform in den historischen Ländern ins Treffen geführt wurden, nachträglich ersonnen wurden und auch nicht einmal der oberflächlichsten Kritik standhalten. Die "Tribuna" schreibt, daß sich die Koalition zu einem der schwersten Fehler rüstet, den sie je begangen hat, daß die Führer der Koalition diese Tat bedauern werden, daß sie nur mit den größten Opfern wird gutgemacht werden können. Und um noch eine dritte Regierungsnuance zu Wort kommen zu lassen, wollen wir feststellen, daß das führende christlichsoziale Organ, die "Deutsche Presse", noch am 31. Mai, also vor ganz kurzem, schrieb, daß man sich über die Nachrichten, daß die Verwaltungsreform nicht zum gesetzlichen Termin in Kraft treten werde, wundern müsse, daß man sich wundern müsse, wie solche Nachrichten überhaupt auffliegen können, und noch mehr wundern müßte, falls sie wirklich auf Wahrheit beruhen würden. Das hindert natürlich das fromme Blatt nicht, wenige Tage darauf über uns, als auch wir uns über all das gewundert hatten, herzufallen, unseren Protest als einen ganz wirkungslosen Schlager hinzustellen und seinen Disput über die moralische Verwerflichkeit der Opposition mit der Betrachtung zu schließen, daß die deutschen Regierungsparteien sich gegenüber den Anwürfen der Opposition darauf beschränken werden, Unmögliches als unmöglich, Behauptung als Behauptung, Mann als Mann, Weib als Weib hinzustellen, kurzum an den politischen Verstand der Bevölkerung zu appellieren. Wir können dem Blatte nur raten, bei dieser Methode zu bleiben, denn der Versuch, den Mann als Weib und das Weib als Mann hinzustellen, würde auf gewisse physiologische Schwierigkeiten stoßen, über die der Schriftleiter des christlichsozialen frommen Blattes aus kanonischen Gründen begreiflicher Weise nicht unterrichtet sein kann. (Veselost na levici.) Übrigens ist bis in die längste Zeit hinein nicht nur die oppositionelle Öffentlichkeit, nicht nur ein Teil der Koalition, sondern auch die Regierung selbst mit aller Beharrlichkeit auf dem Standpunkte gestanden, daß die Verschiebung des Zeitpunktes für den Wirksamkeitsbeginn der Verwaltungsreform ganz unmöglich sei. Umsomehr muß man über die im Ausschußberichte neuaufgetauchten Argumente und Gründe staunen.

Als während der Verhandlungen über die Verwaltungsreform von oppositioneller Seite eine Hinausschiebung des Termins für den Wirksamkeitsbeginn angeregt wurde, der 1. Jänner 1929 in Vorschlag gebracht wurde, stieß diese Anregung auf den heftigsten Widerstand der Koalitionsparteien, welche ursprünglich sogar den 1. Jänner 1928 als Wirksamkeitsbeginn des Reformwerkes in Aussicht genommen hatten. Und nun kommt heute, nach einem vollen Jahr des Studierens, Probierens, Rüstens, Vorbereitens, die Regierung daher und erklärt, daß die Kompliziertheit des neuen Verwaltungsapparates, die Ungelöstheit einer ganzen Reihe administrativer, technischer, personeller, aber auch sachlicher Fragen, die sich aus der Auflassung des Doppelgeleises der Verwaltung, die sich insbesondere aus der neuen Konstellation des mährisch-schlesischen Verwaltungsgebietes ergeben, eine Hinausschiebung des Wirksamkeitsbeginnes gerade in den Sudetenländern notwendig machen, während sich die slovakischen Verwaltungsämter, wie es im Ausschußbericht heißt, ohne alle Schwierigkeiten in die neue Verwaltungsorganisation eingliedern lassen. Von all dem wußte diese Senatsvorlage absolut nichts zu erzählen. Nun tauchen plötzlich zur Unterstützung der von den Senatsparteien ins Treffen geführten Argumente neue Momente auf, die man allem Anscheine nach für schlagkräftiger, für wesentlicher hält und die der Vorlage eine größere Seriosität geben sollen. Wie soll man sich aber erklären, daß man von all dem auch nicht ein einziges Wörtchen im Motivenberichte und in dem von den Koalitionsparteien im Senat überreichten Antrag zu hören bekam? Wie soll man sich erklären, daß dort ausschließlich nationalpatriotische Erwägungen, insbesondere die Jubiläumsfeierlichkeiten ins Treffen geführt wurden, daß aber nicht mit einem einzigen Wörtchen der großen, und plötzlich aufgetauchten organisatorischen Schwierigkeiten gedacht wurde? Hohes Haus, wie immer dem sei, angenommen, daß nicht der Motivenbericht der Senatsvorlage, sondern der Bericht des Abgeordnetenhauses der Wahrheit am nächsten kommt, wie will man damit alle die Erklärungen in Einklang bringen, die Ressortminister Èerný. die der stellvertretende Ministerpräsident Šrámek zur Frage der Aktivierung der Verwaltungsrefom noch vor wenigen Wochen in aller Öffentlichkeit abgegeben haben? Noch am 10. Mai hat der Innenminister Èerný einer aus Vertretern verschiedener Parteien, Regierungs - wie oppositioneller Parteien, zusammengesetzten Abordnung des mährischen Landesausschusses mit aller Dezidiertheit erklärt, daß die Reform der öffentlichen Verwaltung in jedem Falle zu dem im Gesetze vorgezeichneten Termin in Kraft gesetzt werde. Das Gleiche hat aber auch der politische Achterausschuß in seinem Mitte Mai ausgegebenen Kommuniqué ausgesprochen und dabei hinzugefügt, daß der Innenminister Èerný in der betreffenden Sitzung über die Frage der Verwaltungsreform Bericht erstattete und hierbei feststellte, daß er mit den Vorbereitungen für ihre Durchführung und die Ausschreibung der Wahlen fertig sei. Schließlich hat - und das ist das Entscheidende, das wollen wir festhalten und unterstreichen - der stellvertretende Ministerpräsident Šrámek am 11. Mai d. J. bei einem ausschließlich zu diesem Zweck veranstalteten Presseempfang, über welchen ein Kommuniqué ausgegeben wurde, im Namen der Regierung, wie er ausdrücklich hervorhob, festgestellt, daß die Verwaltungsreform zu dem gesetzlich festgelegten Termin in Kraft treten werde.

Hohes Haus, etwas mehr als einen Monat darauf geschieht das gerade Gegenteil. Wer erinnert sich nicht an die so oft zitierte, am 13. November 1924 im Budgetaussehuß zur Frage der Aktivierung des Gaugesetzes abgegebene Erklärung des damaligen Innenministers und heutigen Präsidenten des Hauses Malypetr, wonach die Erfahrungen, die mit der Verwirklichung der Gaureform in der Slovakei gemacht wurden, so günstig seien, daß das Gesetz unbedingt auch in den Sudetenländern und in Karpathorußland durchgeführt werden wird. Hohes Haus! Kurze Zeit darauf ward das Gaugesetz über Bord geworfen und sehr bald ward auch nicht ein einziger Buchstabe, genau wie es jetzt mit den Erklärungen des Ministers Èerný und des stellvertretenden Ministerpräsidenten Šrámek der Fall ist, auch nicht ein einziger Buchstabe der abgegebenen Erklärung übrig geblieben. Nun fragen wir: Was sind nach all dem noch Ministerworte in diesem Lande? Wir fragen: Was gilt nach all dem, was man auch schon früher erlebt hat - ganz kurz will ich es streifen, will Sie erinnern an die Verstaatlichung der Aussig-Teplitzer Eisenbahn, will Sie erinnern an die Episode bei der Durchführungsverordnung zum Sprachengesetz, beim Gaugesetz und schließlich bei der Sozialversicherung was gilt da Treue und Glauben, was gilt ein politisches Wort auf diesem Boden, in diesem Lande? (Výkøiky na levici.)

Hohes Haus! Mit diesem unerquicklichen Gefühle treten wir in die Verhandlung der Verwaltungsreformnovelle ein. Die Verwaltungsreformnovelle ist ein recht kleines, recht winziges, recht zierliches Ding, einfach in die Westentasche zu stecken, leicht in einer Nußschale, leicht in einen Fingerhut unterzubringen, es sind nur wenige gezählte Worte, aus denen die Novelle besteht, eigentlich nur drei: Sudetenland, 1. Juli, 1. Dezember. Nichts einfacher als dieses. Nach Außenhin kein Hintertürchen, keine Auslegungskünste möglich, klar und deutlich steht es hier vor uns geschrieben und für jedermann erkennbar, was die Regierung eigentlich will. Gäbe es keine Vorgeschichte der Novelle, gäbe es keine Motivenberichte der Antragsteller, gäbe es vor allem nicht die mit einer solchen Vergangenheit belasteten Schöpfer und Antragsteller dieses Gesetzes, wir alle müßten uns eigentlich gegenseitig beglückwünschen, daß wir in der deutsch-èechischen Regierung, in der deutsch-èechischen Koalition eine Vorsehung gefunden haben. die uns mit der erdenklichsten Fürsorge und Vorsorge umgibt, die sich nach den katastrophalen Auswirkungen und Erfahrungen, die mit dem Gemeindefinanzgesetz gemacht wurden, nur langsam, nur tastend, nur nach gemachter Erprobung an die schweren und komplizierten Probleme heranwagt, mit der Aktivierung eines so komplizierten Werkes lieber noch zuwartet, nichts überstürzt und uns dadurch vor einem Debacle, vor einem Zusammenbruch bewahrt, wie wir ihn beim Gemeindefinanzgesetz erlebt haben.

Noch ein zweites Moment. Wir müßten uns alle unsäglich darüber freuen, daß wir eine Regierung besitzen, welcher Demokratie und Parlamentarismus kein leerer Schall sind, welcher Demokratie und Parlamentarismus in Fleisch und Blut übergegangen sind und die trotz der im Verwaltungsreformgesetz gegebenen Möglichkeiten eine zeitlang auch ohne Mitwirkung der Bevölkerung die Verwaltungsorganisation durchzuführen, trotz aller gegenteiligen Ratschläge der Verfassungsadvokaten, wie z. B. des Sektionschefs Dr. Joachim, die Entscheidung des Parlaments ohne Not hört, sie anruft und ihrer Verbeugung vor der Demokratie einen geradezu demonstrativen Charakter gibt. Wir alle müßten vor allem ein solches Übersprudeln an demokratischer Gesinnung, wie sie in vier kleine Zeilen der Novelle gegossen wird, wie sie uns in ein paar Worten komprimiert von der Koalition kredenzt wird, direkt geblendet, wir müßten direkt berauscht sein, würden wir nicht die Vorgeschichte der Novelle, würden wir nicht die Gedankengänge ihrer Schöpfer, würden wir nicht die am Werk befindlichen Triebkräfte und würden wir nicht vor allem die wirklichen Absichten der Machthaber kennen. So aber, hohes Haus, wissen wir, daß das, was uns hier verabreicht wird, nicht das Produkt demokratischen und parlamentarischen Gewissens, demokratischer und parlamentarischer Gesinnung, nicht das Ergebnis ehrlichen Ringens um die Heranziehung der Bevölkerung zur Mitarbeit an der Verwaltung des Staates ist, sondern der Ausfluß der schweren Krise der zum Bürgerblock verbundenen, zusammengeschlossenen deutschen und èechischen Parteien, diesich um jeden Preis an der Macht halten wollen und nacb dem letzten Strohhalm greifen, der sich ihnen bietet. Und so präsentiert sich denn die kleine Novelle als das letzte Gestammel der dem Tode geweihten Koalition, deren Zuckungen vielleicht noch die Jubiläumsfeierlichkeiten überdauern werden, vielleicht auch nicht, aber deren Tage gezählt sind und förmlich mathematisch genau an den Fingern berechnet werden können. Und so wird die Novelle, die einer wahren Zangengeburt ihr Leben verdankt und die aus jeder Zeile die schwere Krise atmet, der der Bürgerblock verfallen ist, förmlich zu ihrer Verkörperung. Sie wird trotz ihrer Winzigkeit, trotz ihrer Einsilbigkeit, trotz ihrer Niedlichkeit zum Sinnbild des Verfalls des Bürgerblocks, sie präsentiert sich als Krise des Bürgerblocks in Pastillenform.

Hohes Haus! Sehen wir uns nun einmal diese Vorlage näher an und ziehen wir zur Nachprüfung den Motivenbericht der Antragssteller, aber auch den Kommentar des führenden Koalitionsorgans "Venkov" heran. Danach würde es, da die Bezirks- und Länderwahlen nicht durchgeführt wurden, da sie weiter nach Auffassung der Antragssteller nicht durchgeführt werden können, weder den Wünschen der Öffentlichkeit, noch, wie es wörtlich heißt, den Intentionen des Gesetzgebers entsprechen, wenn die Verwaltungsreform in den Sudetenländern in Wirksamkeit treten würde, bevor die Wahlen durchgeführt und der Bevölkerung die Anteilnahme an der Verwaltung ermöglicht würde. Im Jubiläumsjahr, wird weiter gesagt, empfehle sich die Ausschreibung der Wahlen vor dem November nicht, darum mußte die Rechtswirksamkeit des Gesetzes hinausgeschoben werden. (Rùznì výkøiky.)

Hohes Haus! Wir haben da gleich eine ganze Reihe von Fragen zu stellen. Das Gesetz über die Verwaltungsreform wurde am 14. Juli 1927, das bezügliche Wahlgesetz am 12. August 1927 verlautbart. Die Regierung hatte ein volles Jahr Zeit, die Wahlen vorzubereiten, sie auszuschreiben. Wiederholt wurde vom Innenminister - auch das stellen wir fest - verlautbart, daß er für die Wahlen gerüstet und daß der Wahlapparat vollständig fertig sei. Monatelang wurde die Bevölkerung mit dem Wahltermin genarrt - Sie erinnern sich wohl alle daran - monatelang mit dem Wahlgang in Atem gehalten, die in diesem Lande zur Regel gewordene Wahlüberfalltaktik machte allen Parteien rechtzeitige Bereitschaft zur Pflicht, immer und immer wieder flogen neue Nachrichten über den Wahltermin auf, um am nächsten Tage von der Regierung, von den Koalitionsparteien desavouiert zu werden. Alle Fragen an offizieller Stelle blieben unbeantwortet oder werden mit einem Achselzucken erledigt. Die nervenzerrüttende Spannung wuchs von Woche zu Woche und beschränkte sich nicht etwa bloß auf die politischen, nicht auf die parlamentarischen Kreise, sondern sie ergriff die ganze politische Öffentlichkeit und weite Schichten der Bevölkerung. Es war eine geradezu unerträgliche Atmosphäre, deren Qual die ganze politische Öffentlichkeit zu spüren begann. Man kam, wie Sie alle wissen, was sie alle empfunden und gespürt haben, nicht zur Ruhe und wurde kontinuierlich in entnervender Spannung gehalten. Hohes Haus! Wir raten jedem Besucher der Brünner Jubiläumsausstellung auf dem Spielberge die bis in die heutigen Tage hinein erhaltene Marterkette zu besichtigen, an die die politischen Häftlinge des alten Österreich gelegt wurden und die des nachts Stunde für Stunde in Bewegung gesetzt wurde, damit die Häftlinge nur ja keinen Augenblick zur Ruhe kommen. So ähnlich erging es in den ersten Monaten dieses Jahres allen Menschen, die im politischen Leben, die im Parteigetriebe stehen und die die parteimäßigen Vorsorgen für den Wahlgang vorzukehren hatten und denen insbesondere die Aufgabe zufiel, sich durch die bekannte Überfallstaktik der Koalitionsparteien nicht hineinlegen zu lassen. Und die Regierung sah diesem schnödem Spiele ruhig zu und auch die deutschen Regierungsparteien, die die Erbärmlichkeit dieser Machinationen oft genug am eigenem Leibe zu spüren hatten, machten dieses Falschspiel ohne weiters mit. Und warum das alles? Warum alle diese nervenzerrüttenden Trieks, warum keine Wahlausschreibung? Nun einfach, weil jeder der letzten Wahlsonntage nur Hiobsposten in das Koalitionslager brachte, weil jeder Gemeindewahlgang die schwersten Einbussen der Regierungsparteien und insbesondere der klerikalen Parteien aufzeigte, weil die Regierungsparteien von ihrem gegenüber den Oppositionsparteien im Jahre 1925 erzieltem Plus per 178.267 Stimmen auch ohne jeden Wahlgang schon durch das bloße Ausscheiden der ungarischen Nationalpartei aus der Mehrheit, auf die bekanntlich 109.000 Stimmen entfallen, den weitausgrößten Teil des Plus über die Oppositionsstimmen eingebüßt hatten und durch die schweren Verluste, die ihr die letzten Kommunalwahlgänge brachten, längst schon zu einer Minderheit geworden war, deren Schicksal schon heute endgiltig besiegelt erscheint und die jedem Wahlgang, der ihren Zerfall nunmehr auch ziffernmäßig klar manifestieren könnte, in weitem Bogen aus dem Wege gehen, obwohl sie sehr gut wissen, daß aufgeschoben nicht aufgehoben ist.

Hohes Haus! Hier bei diesem Punkte beginnt das Verbrechen der Koalition, der deutschen und èechischen Koalitionsparteien, die sich nun durch Überreichung der Vorlage ein parlamentarisches, demokratisches Mäntelchen umhängen, in Wirklichkeit aber in diktatorischer Weise den im Gesetz vorgesehenen Wahlgang sabotierten und verhinderten und sich so in autokratischer Weise eine Lebensverlängerung verschafft haben. Nun wollen sie auf parlamentarischem Wege Indemnität erhalten. Aber für einen solchen Parlamentarismus bedanken wir uns schön, denn bei solchen Methoden wird Wesen und Inhalt, wird Sinn und Bedeutung des Parlamentarismus durch die leere Form erschlagen.

Mit demselben Rechte schließlich könnte, rein theoretisch betrachtet, die Regierung die Wahlen auch durch fünf Jahre verschieben und sich nachträglich auf parlamentarischem Wege auch für eine solche Verschiebung die Nachsicht oder Indemnität holen. Nach solchen Methoden regiert auch Mussolini, der sich des Parlaments als Deckmantel für alle seine Atentate auf die staatsbürgerlichen Rechte, auf die Presse, auf die Freiheit des Staates, auf die freie Meinungsäußerung, auf das Koalitionsrecht, auf den Achtstundentag, auf die sozialpolitische Gesetzgebung, auf das Gewerkschaftsrecht der Arbeiterklasse bedient (Rùznì výkøiky na levici.) und sich beispielsweise die Verlängerung des Arbeitstages und den Mandatsraub an der Opposition ganz kunstgerecht durch das Parlament sanktionieren ließ, ohne aber dabei gleichzeitig die Ambition gehabt zu haben, als Demokrat zu gelten oder gar als solcher anläßlich der fünfjährigen Bestandfeier des Fascimus als Demokrat gefeiert zu werden. (Výkøiky na levici.) Ganz anders unsere Regierung und die Koalitionsparteien. Immer und immer wieder weisen sie auf das Jubiläumsjahr hin und erklären einen Wahlgang im Jubiläumsjahr für unmöglich. So steht es im Motivenbericht der Antragsteller zur Verwaltungsreformnovelle zu lesen und dadurch bekommen wir jetzt einen neuen Jubiläums-Knigge. (Veselost na levici.) In seiner Nummer vom 20. Juni liefert der "Venkov" eine Art Interpretation dieser Novelle und führt dann folgendes aus: "Die Mehrheit hat verhindert, daß die Feierlichkeiten des 10jährigen Bestandes der Republik im Wahlgebrülle" volebním ryku - "stattfinden, welches Gebrülle bei uns die regelrechten Formen der wüstesten allgemeinen Rauferei" - všeobecná pranice - "annimmt." Das soll nun im Jubiläumsjahr verhindert werden. Und damit bekommen wir eine neue Bereicherung des bisher schon bestandenen èechoslovakischen Wahlsittenkodex. Bisher genügte es hervorzuheben, daß am Wahltage nicht gesoffen werden darf. Nun wird aber jetzt von Gesetzes wegen angeordnet, daß im Jubiläumsjahr auch nicht gerauft werden darf. Im Jubiläumsjahr wird nicht gerauft werden können. Erst im November, so ist es nachträglich zu lesen, kann, um mit dem "Venkov" zu sprechen, die všeobecná pranice beginnen. Mit Verlaub, eine Frage: wenn der Wahlgang wirklich im November stattfinden könnte, werden die Agrarier, werden die Nationaldemokraten, die Klerikalen es auch so halten, werden sie bis zum 28. Oktober schön brav die Hände auf der Schulbank halten? Werden, fragen wir weiter, die Parteien der Herren Zuleger, Böhr, Hilgenreiner, die die Novelle als Antragsteller unterschrieben haben und um einen idyllischen Verlauf der Jubiläumsfeierlichkeiten gar so sehr besorgt sind, bis zum 28. Oktober die Hände in den Schoß legen und sich ruhig und beschaulich der stillen Jubiläumsandacht hingeben, um erst nach dem großen Feste zum "volební ryk" und der "všeobecná pranice" überzugehen? Ich wage das zu bezweifeln, denn schon einen Tag nach der Einbringung der Novelle hatten die Koalitionskreise schon vergessen, was im Motivenbericht gesagt wurde und man konnte im führenden Koalitionsblatte, den "Venkov" lesen, daß die Oppositionsparteien jetzt fünf Monate Zeit haben zur Wahlagitation. ein Zeitraum, der selten einer anderen Opposition, in einem anderen Lande, eingeräumt wurde, welche Konstatierung die "Deutsche Presse" dahin ergänzt. daß man in fünf Monaten mehr als eine Kiste von Wahlschlagern aller Art ausleeren könne. Also wird man. wie das tapfere christlichsoziale Organ meint, die Wahlkanonaden doch schon vier Monate vor dem Jubiläumstage loslassen können. Aber wenn das gestattet sein soll, wird damit der ganze Mogel des Motivenberichtes, der ganze Mißbrauch der Jubiläumsfeierlichkeiten für parteimäßige Zwecke des Bürgerblockes nach allen Regeln der Kunst entlarvt und damit richtet er sich naturgemäß von selbst. Überhaupt wird mit den Jubiläumsfeierlichkeiten ein unglaublicher Unfug getrieben. Ich begreife schon, daß es den jetzigen Machthabern in den Kram passen würde, die gesamte èechoslovakische Öffentlichkeit auf den sogenannten Gottesfrieden für die Jubiläumsdauer, auf eine Art von Waffenstillstand für die Jubiläumszeit festzulegen und damit die Masse der Bevölkerung über den wahren Charakter des jetzt herrschenden bürgerlichkapitalistischen Regims, über die wahren Absichten seiner Sachwalter hinwegzutäuschen. Aber der Waffenstillstand, den die jetzige Koalition anbahnt, ist nicht etwa so gedacht, daß er auch die Koalitionsparteien bindet, sondern er soll ihnen nach wie vor zur Vollendung ihres volksfreundlichen Wirkens die Hände freilassen, er soll lediglich den Oppositionsparteien die Hände binden, indem er ihnen die stärkste Waffe entwindet, die darin besteht, sich den Regierungsparteien in dem vom Gesetz vorgezeichneten Termin zum Wahlkampf zu stellen und mit ihnen auch eine Wahlschlacht zu schlagen. Man sollte meinen, daß ein Jubiläumswaffenstillstand aufs Ganze gehen, das ganze politische, wirtschaftliche und soziale Leben ergreifen müßte, indem er dem In- und Auslande ein Bild der Festigung und Geschlossenheit des ganzen Staates und des ganzen Volkes vor Augen führen und die innigste Verbundenheit und Zusammenheit aller seiner Glieder aufzeigen würde. Aber von einem solchen Waffenstillstand will man in der Koalitionsmehrheit nichts wissen, vielmehr verlangt man einen Waffenstillstand, der den Regierungsparteien den Raub der fundamentalsten politischen und wirtschaftlichen Rechte und vor allem der Rechte der Arbeiterklasse sowie die systematische Abgrabung der Errungenschaften des Proletariates ermöglicht, andererseits aber gleichzeitig den Koalitionsparteien im Jubiläumsjahre einen Wahlpardon zusichert. Man verlangt einen Waffenstillstand, der den Agrariern die mächtigsten Kundgebungen in grandiosester Aufmachung mitten im Herzen des Landes ermöglicht, die Kundgebungen anderer Parteien im Herzen des Landes aber unter Verbot stellt. Man nimmt im Jubiläumsjahr für sich den Aufmarsch einer nach allen Regeln der Kunst auf Grund weitest verzweigter organisatorischer Gliederung errichteten Jízda in Anspruch, jagt aber die für interne Zwecke eingerichteten roten Ordnerwehren auseinander. Man läßt bei katholischen Prozessionen sowie bei nationalen Aufmärschen die Kinder zu Hunderten und Tausenden in Reih und Glied aufmarschieren, während man die sozialistischen Kinder mitten aus den Festzügen herausgreift und die Eltern obendrein noch unter Strafe setzt.

Daß das alles im Jubiläumsjahr zulässig und mit dem Jubiläumskodex vereinbart sei und daß sich in diesem Zerrbild ein Generalwahlpardon einfügen soll, das will uns absolut nicht in den Sinn. Aber schon gar nicht vermögen wir es zu verstehen, und mit der Jubiläumsfeier und Jubiläumsstimmung in Einklang zu bringen, daß man in Regierungs- und Koalitionskreisen ruhig und kaltblütig zusieht, wie sich mitten im Jubiläumsjahr die ganze autonome Verwaltung des Landes durch das unter werktätiger Mitwirkung der deutschen Regierungsparteien geschaffene Finanzgesetz - in einen veritablen Friedhof verwandelt, die gesamte Jugendfürsorge nahezu vollständig stillgesetzt, der Betrieb der sozialen Fürsorgeinrichtungen, der Waisen- und Siechenhäuser, der Krüppelheime und Blindenanstalten, der Tuberkulose-Heilanstalten nahezu vollständig unterbunden, der Bau von Schulen und Krankenhäusern zum Stillstand gebracht, begonnene Wasserleitungs- und Kanalisationsarbeiten brachgelegt, nahezu alle Einrichtungen zum Schutz des Lebens und der Gesundheit der Bevölkerung in ihrem Bestande gefährdet. Arbeiterentlassungen in unabsehbarer Zahl durchgeführt werden und selbst die Fortzahlung der Gehälter der autonomen Angestellten in Frage gestellt wird. Und schon gar nicht wird es unser Hirn fassen können, daß es aus ästhetischen oder moralischen oder patriotischen Gründen wohl notwendig erscheinen kann, im Jubiläumsjahre einen Wahlgang um jeden Preis zu verhindern, daß es aber gestattet sein soll, das nach so hartem Ringen durch Vereinbarung mit den seinerzeitigen Koalitionsparteien zustande gekommene Sozialversicherungsgesetz mitten im Jubiläumsjahre zur Strecke zu bringen, ganze Kategorien schutzbedürftiger Personen der Wohltat des Gesetzes zu berauben, dadurch eine elementare Bewegung der Arbeiterschaft zu entfesseln, durch Verschlechterung eines Gesetzes, mit dem man im Auslande so viel Parade zu machen verstand, die Leidenschaften bis zur Gluthitze aufzupeitschen. Darum weisen wir für unseren Teil die Zumutung, diesen Doppelspiel und Falschspiel durch parlamentarische Annahme der Novelle unsere Zustimmung zu geben, mit aller Entschiedenheit zurück. Was die Regierung - mit dem Prälaten Šrámek an der Spitze - will, das ist die Herstellung einer Harmonie zwischen den Jubiläumsfeierlichkeiten und dem Massaker der politischen und kulturellen, der wirtschaftlichen und sozialpolitischen Gesetzgebung des Landes. (Sehr richtig!)


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