Ètvrtek 28. èervna 1928

Ich habe mich vor allem deshalb zum Worte gemeldet, weil Dr Luschka in seinen Ausführungen auch auf meine Partei und ihre seinerzeitige Zugehörigkeit zum Deutschen Verbande verwiesen hat. Er hat es unterlassen zu sagen und ich habe ihn in einem Zwischenrufe darauf aufmerksam gemacht - daß die zwei anderen Parteien des Deutschen Verbandes - die deutsche Gewerbepartei nenne ich nicht in diesem Zusammenhange, weil sie nicht selbständig vorgehen darf - also der Bund der Landwirte und die Christlichsozialen, hinter dem Rücken der dritten Verbandspartei also hinter unserem Rücken durch Wochen hindurch verhandelten, und als wir sie zur Verantwortung zogen und sagten, daß damit jede Zusammenarbeit aufhöre, haben sie uns das Anbot gemacht - das war der springende Punkt - da wir dem Verbande noch angehörten, eine Politik mit verteilten Rollen zu machen.

Nun, wie hat diese Politik mit verteilten Rollen ausgesehen? Sie sah so aus, daß die Herren einige wenige Wochen, ja Tage später trotz ihrer Zusage gegen Anträge stimmten, die von ihnen selbst unter Patronanz des Herrn Justizministers unterschrieben worden sind und bei welchen sie die ausdrückliche Zusicherung gaben, nicht nur selbst dafür zu stimmen, sondern auch die èechischen Regierungsparteien zum Mitstimmen zu veranlassen. Ich kann feststellen, daß die Haltung meiner Partei eine reine und verantwortungsvolle war, daß wir uns nur zu einer kurzen Zusammenarbeit bereit erklärten, aus dem Grund und unter der Voraussetzung und ausdrücklichen Zusicherung, daß nun irgend etwas für unser Volkstum herausgeholt würde. (Posl. Krebs: Man mußte ihnen auch dieses Argument wegnehmen!) Sehr richtig! Wir waren alle zusammen selbstverständlich der Anschauung, daß der Eintritt in die Regierung - und die Frage steht heute nicht zur Erörterung, ob die Parteien überhaupt in die Regierung eintreten sollten oder nicht, sondern unter welchen Voraussetzungen sie eintraten und was sie sich damals zum Ziele setzten - auf Grund der von Dr Spina als dem damaligen deutschen Vizepräsidenten des Abgeordnetenhauses abgegebenen staatsrechtlichen Erklärung vom 18. Dezember 1925 erfolge, daß die Parteien, die diese feierliche Erklärung hier abgeben ließen, die Grundsätze dieser Erklärung auch zur Grundlage ihres Eintrittes und ihrer Mitarbeit in dieser Regierung machen werden.

Hier aber gibt es nun die große Enttäuschung. Denn wenn wir überprüfen, ob denn irgendwelche Voraussetzungen und Verhandlungen, bezw. Zusicherungen diesem Eintritt in die Regierung vorangingen, so erklären die heutigen deutschen Regierungsparteien, daß dies nicht der Fall war, daß sie voraussetzungslos in die Regierung hineingegangen sind. Das ist die Ursache, weshalb sie in dieser Regierung das fünfte Rad am Wagen spielen und keine Spur von Einfluß besitzen. Wenn heute ein Zwischenrufer gesagt hat, sie könnten jeden Augenblick austreten, mag dies formell richtig sein. Aber die Frage ist die, was können sie als bisher erzielten Erfolg ihrer Tätigkeit in der Regierung aufweisen? (Posl. Krebs: Das Gemeindefinanzgesetz!) Sehr richtig! Hat sich etwas am System geändert, gebessert, ist beispielsweise in sprachenrechtlicher Hinsicht etwas geschehen? Ganz im Gegenteil! Nicht nur daß weder am Sprachengesetz, noch an der Sprachenverordnung etwas geändert wurde, hat man uns vor kurzem hier eine Regierungsvorlage ins Haus geworfen, durch welche die seinerzeitige Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes in der Sprachenfrage über die Bezeichnung der Gasthöfe glatt umgeworfen wurde und den Behörden eine weit größere Macht bei der Knebelung unserer geringen Sprachenrechte eingeräumt wird. Wenn die vorläufige Zurückziehung dieser Vorlage schon einen Erfolg bedeuten soll, so müssen wir sagen, es gehöre eine ungeheuere Bescheidenheit dazu.

Ich stelle weiter fest, daß sich an dem System auch in anderer Hinsicht nichts änderte. Man zeige uns einen einzigen aus dem Staatsdienste abgebauten Deutschen, der wieder seinen Posten zurückerhalten hätte, auch nur einen einzigen Deutschen, der inzwischen in den Staatsdienst wieder aufgenommen worden wäre. Abgesehen davon, wo sind die wirtschaftlichen und sozialen Verbesserungen? Was bemerken wir denn seit dem Zeitpunkte, da die Deutschen in der Regierung sitzen? Leider Gottes das eine, daß diese deutschen Parteien sich zu Trägern und Verfechtern der sozialen Reaktion hergeben, daß sie damit den nationalen Gedanken vor aller Öffentlichkeit bloßstellen und damit die Kluft in ihrem Volkstum noch vergrößern. (Souhlas na levici.) Und was ist der Dank dafür? Die Anerkennung des Dr Kramáø und des Dr Hodža, daß die Deutschen den Staat wohl gemerkt: den Staat, nicht das eigene Volkstum - vor schweren Krisen und Erschütterungen durch ihre Mitarbeit bewahrt hätten. (Posl. Knirsch: Dr Kramáø hat das öffentlich festgestellt!) Aber auch Minister Dr Hodža sagte, daß die Deutschen in einem Augenblick dem Staate beisprangen, wo er sich in sehr schwierigen außenpolitischen Verhältnissen befand.

Es handelt sich nicht etwa um die Wiederaufrollung der Frage, ob der Aktivismus oder Negativismus das entscheidende sei, sondern darum, ob ein Volk von 3 1/2 Millionen, die stärkste, wenn man es so nennen will, nationale Minderheit, die es in Europa gibt, ob das Sudetendeutschtum, das stärker ist als die Bevölkerung manchen europäischen Staates, ob ein Volk, von dem selbst das Oberhaupt dieses Staates kürzlich in einer teilweisen Überprüfung früherer Aussprüche gesagt hat, es sei ein organischer Bestandteil des Staates, ob ein solches Volk sich mit lumpigen Brosamen zufrieden geben soll, die bisher noch nicht einmal vom Tisch der prassenden Herren gefallen sind, aber vielleicht einmal von diesem Tische fallen können. Die Herren haben doch bisher tatsächlich nur eine Hoffnung und noch keine Sicherheit dafür.

Der Gegenstand, der mich eigentlich zur heutigen Wortmeldung veranlaßt hat, und es wird ja auch das eine Antwort auf gewisse Ausführungen des Koll. Luschka sein, ist auch durch einen Zwischenruf des Koll. Dr. Koberg beleuchtet worden. Es war dies ein Zwischenruf über die Immunität, auf welchen Herr Dr. Luschka eine äußerst kennzeichnende Antwort gab, die bei einem Volksvertreter äußerst merkwürdig berühren muß. Er meinte mämlich, daß seiner Ansicht nach die Einrichtung der Immunität durchaus nicht begrüßenswert sei, woraus dann natürlich hervorgeht, daß diese Herren äußerst merkwürdige Demokraten sind und daß wir uns dann über das System, das sich insbesondere in der Handhabung der Zensur ausdrückt, nicht zu wundern brauchen. Herr Dr. Luschka hätte sich damit einem Regenten, wie etwa dem alten Kaiser Franz, auf das angenehmste empfohlen (Posl. Knirsch: Und seinem Metternich!) und auch der alte Metternich hätte mit ihm äußerst zufrieden sein können. Dieses, vielleicht etwas unbeabsichtigte Eingeständnis, das ihm nur so ausgerutscht ist im Eifer des Gefechtes, das kennzeichnet den Geist dieser heutigen Regierungskoalition auf das allertreffendste. (Posl. dr Schollich: Von Geist ist nicht viel zu spüren!) Auch das kann man sagen.

Ich möchte nur im Zusammenhang mit dieser aufgeworfenen Frage der Immunität einige Beispiele anführen, die mich und meinen Klubkollegen Knirsch betreffen. Die Immunität in diesem merkwürdigen Parlament sieht so aus, daß auch aus unseren hier gehaltenen Reden und aus unsern hier eingebrachten Interpellationen ganze Teile beschlagnahmt werden. (Hluk. - Výkøiky na levici.) Aus meiner Rede am 12. Juni, in welcher ich die am 21. Oktober 1918 abgegebene staatsrechtliche Erklärung wörtlich anführte, also bitte, sicherlich eine historische Tatsache, die doch verzeichnet werden muß und die in Schriften und in Büchern bisher auch stets verzeichnet wurde, aus dieser staatsrechtlichen Erklärung hat mir das Präsidium des Hauses eine ganze Stelle einfach gestrichen. (Výkøiky.)

Weiters bekomme ich heute auf einmal ein Poststück mit 2 Liebesbriefen vom Präsidium des Abgeordnetenhauses, worin mir mitgeteilt wird, daß das Präsidium des Abgeordnetenhauses am 5. Juni gemäß § 9 der Geschäftsordnung beschlossen habe, aus meiner Interpellation, betreffend die Beschlagnahme der Zeitschrift "Der Tag", Nr. 85 vom 1. Mai 1928 in Aussig, als eine die Sicherheit gefährdende Äußerung zwei Sätze nach den Worten "Vereinigten Bundesstaaten" zu entfernen. Das betrifft abermals die staatsrechtliche Erklärung vom 21. Oktober 1928.

Die zweite Zuschrift bezieht sich auf die Zensurierung einer zweiten Interpellation, betreffend Beschlagnahme unseres Organes "Neue Zeit", Nr. 18 vom 3. März 1928, u. zw. auf den Aufsatz "Ein hartes Urteil". Es war nämlich dort das Urteil, welches über einige Gesinnungsgenossen in Böhm. Leipa gefällt worden ist, kritisiert und dagegen Stellung genommen worden. Auch diese Stelle wurde aus der Interpellation gestrichen.

Noch etwas Schöneres ist dem Kollegen Knirsch passiert. Aus seiner letzten hier gehaltenen Rede hat das Präsidium den Ausspruch des einen Verteidigers im Kolmarer Autonomistenprozeß beschlagnahmt, nämlich den Ausspruch, daß sich die Elsässer nicht vor dem Geßlerhut beugen sollen. Ich stelle fest, daß dieser Verteidiger ein Franzose war und ich darf fragen: Was ist denn dieser Staat, der sich Èechoslovakei zu nennen beliebt, ist er denn der Büttel Frankreichs? (Posl. Krebs: In Frankreich hat man das nicht zensuriert, alle französischen Blätter haben es gebracht!) Hier darf man das nicht einmal in einer Parlamentsrede vorbringen.

Und ein geradezu auftauchendes weiteres Beispiel für unsere vielgerühmte Immunität ist die gerade verteilte Einladung zur Sitzung des Immunitätsausschusses am 3. Juli, auf welcher, sage und schreibe 69 Immunitätsfälle verzeichnet sind. Man zeige uns den Staat - und ich glaube, da genügt Europa nicht, es genügt nicht einmal nach Afghanistan und Beludschistan zu gehen - man zeige uns den Staat, in dem derartige Dinge ständig auf der Tagesordnung sind. Und dann verschiebe man die Erdkugel, die Erdachse, und behaupte nicht, daß dieser Staat in Mitteleuropaliege. (Posl. dr Schollich: Im Herzen und am Nabel von Mitteleuropa!) Ja, im Herzen und am Nabel.

Demokratie ist Diskussion, lautet eines von den soviel zitierten Worten des Präsidenten Masaryk. Ich frage, was ist das für eine Diskussion, mit wem sollen wir diskutieren? Wollen wir unmittelbar mit der Regierung diskutieren, so ist sie nicht da und wollen wir unmittelbar mit ihr diskutieren, indem wir eine Rede halten, wird uns die Rede beschlagnahmt. Also jede Diskussion ist unmöglich. Dann sagen wir es aber glatt heraus: Dann möge sich aber auch das Oberhaupt dieses Staates gewisse Aussprüche schenken, weil er dabei Gefahr läuft, von den von ihm ernannten und gebilligten Regierungen bloßgestellt zu werden. (Posl. Krebs: Die Diskussion scheint so zu sein: Der General hält eine Ansprache, die Soldaten haben zu kuschen!) Sehr richtig! Oder man beschränke sich auf die Führung der Diskussion mit den Gummiknüppeln, was ohnehin am meisten dem Wesen dieses Staates entspricht. Man hat das alte Österreich immer einen Polizeistaat genannt, gewiß nicht mit Unrecht, ich frage aber: was ist erst dieser Staat? War es im alten Österreich möglich, daß aus irgendeiner Parlamentsrede oder Interpellation auch nur ein Wort herausgenommen werden durfte? Im nächsten Augenblick hätte es eine Regierungskrise gegeben. (Posl. Knirsch: Als sich Hochenburger einmal versprochen hatte, gab es stundenlang Krawall und Skandal!) Jawohl, Hochenburger hat augenblicklich eine Erklärung abgeben müssen. (Výkøiky èsl. soc. demokratických poslancù.) Ich meine, es steht gerade einem Herrn von der èechischen Sozialdemokratie, als heutige Oppositionspartei, der noch dazu Mitglied des früheren Reichsrates war, sehr wenig an, das heutige System zu verteidigen.

Wenn wir alles über die Verwaltungsreform zusammenfassen, so ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Die Herren haben seinerzeit das von ihnen verbrochene Gemeindefinanzgesetz über den grünen Klee gelobt. Heute aber liegen die Dinge so, daß nicht nur ihre einfachen Parteivertreter, die in den Gemeindestuben sitzen, sondern daß auch Herr Luschka und P. Rýpar, die auch Mitglieder von Gemeindevertretungen sind, selbst zugeben müssen, daß dieses Gesetz ein Fehlschlag war und daß es gründlich novelliert werden muß. (Posl. Simm: In einem Jahr wird Luschka von der Verwaltungsreform ebenso reden!) Jawohl, er wird in einem Jahr bescheidener geworden sein und in einem Jahr wird sich auch herausstellen, was wir von der Verwaltungsreform sagen, daß sie keinen Schritt zur Verbesserung bedeutet, sondern die dauernde Verknebelung unseres Volkstums und aller freiheitlichen Rechte in diesem Staate.

Im übrigen können wir es der Geschichte überlassen, über diese Herren ihr Urteil zu fällen. Wir wissen, wie dieses Urteil ausfallen wird. Und wenn Sie glauben, daß die von Ihnen gepflogene Demokratie ein so ungeheuerer Fortschritt ist, dann sagen wir Ihnen darauf: Diese Demokratie, dieses System, kann uns gestohlen werden. (Potlesk poslancù nìm. strany nár. socialistické.)

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