Ètvrtek 20. záøí 1928

Pøíloha k tìsnopisecké zprávì

o 163. schùzi poslanecké snìmovny Národního shromáždìní

republiky Èeskoslovenské

v Praze ve ètvrtek dne 20. záøí 1928.

1. Øeè posl. Krebse (viz str. 3 tìsnopisecké zprávy):

Hohes Haus! Bevor ich auf das eigentliche Thema des heutigen Tages, die Novelle zum Gesetze vom 9. Oktober 1924, eingehe, muß ich auf einen Gegenstand zurückkommen, der in weiteren Kreisen der Bevölkerung große Erregung hervorruft. Es handelt sich um die Frage der Auszahlung der Zulagen für die Altpensionisten. Wir haben im Feber des heurigen Jahres, also vor nahezu 7 Monaten, ein Gesetz beschlossen, auf Grund dessen nach jahrelangem Kampfe die Altpensionisten und Ruheständler, die in der Nachkriegszeit durch die Entwertung der Valuta am schwersten zu leiden hatten, eine geringfügige Erhöhung ihrer Bezüge zu erwarten hatten. Der Senat hat diesen Beschluß des Abgeordnetenhauses ebenfalls angenommen, so daß die Altpensionisten und die gesamte Öffentlichkeit mit Recht glaubten, nunmehr endlich in den Besitz einer etwas höheren Pension gelangt zu sein. Wer beschreibt aber die Erbitterung der Altpensionisten, die trotz monatelangem Zuwarten auch heute noch nicht in den Besitz der längst beschlossenen Erhöhung ihrer Bezüge gekommen sind! (Posl. Geyer: Beim Zucker gehts schneller!) Jawohl! Will die Regierung mit der Aktivierung dieses Gesetzes noch monatelang warten, wissen die verantwortlichen Regierungskreise nicht, daß Monat für Monat eine große Anzahl Altpensionisten sterben und so der letzten Hoffnung beraubt worden sind. Worauf wartet die Regierung noch immer, indem sie mit der Auszahlung der erhöhten Pensionsbezüge immer noch zuwartet? Wir verwahren uns von dieser Stelle aus gegen diese unverantwortliche Behandlung vieler tausender treuer ehemaliger Staatsbeamten und Bediensteten und fordern von der Regierung, daß sie ihre gesetzliche Verpflichtung den Altpensionisten gegenüber erfüllt, dem Beschlusse des Parlaments nachkommt und die sofortige Auszahlung aller rückständigen Bezüge veranlaßt. Bei diesem Anlasse richten wir an die Regierung die Frage, wann sie endlich die Absicht hat, die Gleichstellung der Alt- und Neupensionisten durchzuführen und ob sie bereit ist, einen diesbezüglichen Antrag dem Abgeordnetenhause zu unterbreiten. Hohes Haus! Als in den Septembertagen des Jahres 1924 das Prager Parlament das Gesetzgebungswerk über die Sozialversicherung verhandelte, hat unser seither verstorbene Abg. Patzel schon darauf hingewiesen, daß das Werk das Ergebnis eines Kompromisses mit allen seinen Schattenseiten sei. Aber es wurde auch damals schon gesagt, daß dieses Kompromiß durchaus nicht auf einer sachlichen Grundlage abgeschlossen wurde, sondern daß sich bei den Verhandlungen der bittere Beigeschmack einstellte, daß bei Fertigstellung des Sozialversicherungsgesetzes nicht Weltanschauungen miteinander gerungen haben, sondern daß ein ganz erbärmlicher Kuhhandel politischer Parteien eingesetzt habe und das Gesetz verzerrt hätte. Insbesondere waren es damals die èechisch-agrarischen Kreise, welche eine Reihe von Bestimmungen in das Gesetz einführten, die dieses Gesetzgebungswerk von vornherein als eine wenig brauchbare Versorgung der Arbeiterschaft gestalteten. Schon damals wurde von der nationalsozialistischen Arbeiterpartei gesagt, daß dieses Gesetzgebungswerk schwere Mängel und Lücken aufweise und sehr bald eine Novellierung notwendig sein würde. Niemand aber konnte glauben, daß dieses mangel- und lückenhafte Gesetz bestimmten Kreisen noch viel zu weitgehend sei, daß sie eine Verschlechterung des Gesetzes anstreben würden. Wir Nationalsozialisten haben es ehrlich und aufrichtig begrüßt, daß für alle alten und siech gewordenen Arbeiter durch das Sozialversicherungsgesetz ein Schutz geschaffen werden sollte. Schon im alten Österreich haben wir ununterbrochen darauf hingewiesen, daß im Deutschen Reiche unter der Führung des Reichskanzlers Bismarck ein mustergültiges Gesetz zur Versicherung der Arbeiter gegen Krankheit, Siechtum, Alter und Unfälle geschaffen worden ist und daß in dem sozial und kulturell ähnlich organisierten Österreich ein gleiches Gesetzgebungswerk geschaffen werden müsse. Es ist an dieser Stelle oft gesagt worden, daß das Sozialversicherungswerk sich an das reichsdeutsche Gesetzeswerk anlehne. Aber weder die ursprüngliche Gesetzesvorlage, noch auch die jetzige Novelle, können in Wirklichkeit den Anspruch erheben, auch nur im entferntesten an jene Leistungen heranzureichen, die die reichsdeutsche Gesetzgebung der Arbeiterschaft gesichert hat. Wir haben verstanden, daß das ursprüngliche Werk Mängel aufwies und aufweisen mußte, aber wir haben immer die Ansicht vertreten, daß dieses Gesetz immer mehr und mehr verbessert und ausgebaut werden müsse, so daß es dann, wenn es in seinem vollen Umfange in Kraft treten und seine Bestimmungen erfüllen wird, einen brauchbaren und wertvollen Schutz für die wirtschaftlich Schwachen darstellen wird. Leider müssen wir heute am Abschluß der langwierigen Verhandlungen über die Novellierung der Sozialversicherung sagen, daß ein Großteil der Hoffnungen der Arbeiterschaft auf Verbesserung der Vorlage nicht erfüllt worden ist. Es soll zugegeben werden, daß manche Fehler und Lücken des alten Gesetzes ausgefüllt und gut gemacht worden sind. Die allgemeine Tendenz aber, unter der die schwarzgrüne Koalition an die Novellierung dieses Gesetzes herangetreten war, ist unverkennbar darauf gerichtet, große Teile der Arbeitnehmer aus der Sozialversicherung auszuschalten und das Gesetz überhaupt zu verschlechtern. Von dieser Stelle aus erhebe ich wie im sozialpolitischen Ausschuß, vor allem Protest gegen die Art der Verhandlungsführung und gegen die vollständige Ausschaltung jedes Einflusses der Deutschen bei den Verhandlungen über die Novellierung. Ich stelle hier ausdrücklich fest, daß bei diesen Verhandlungen weder die deutschen Regierungsparteien, noch die Mitglieder der deutschen Opposition beteiligt waren. Die Verhandlungen wurden ausschließlich von den Mitgliedern der èechischen Regierungsparteien und der èechischen Opposition geführt. Die Verhandlungen sind von den Abg. Èuøík, Petr und Malík einerseits und den Abg. Dr Winter und Tuèný anderseits geführt worden. Es ist die tragische Schuld der deutschen Regierungsparteien, daß sie auch diesmal bei den Verhandlungen das Gewicht der deutschen Stimmen nicht zur Geltung brachten und daß diese Novellierung im wesentlichen auch diesmal von den Mitgliedern der allèechischen Koalition durchgeführt wurde, so daß sich die Konturen einer neuen Koalition wieder am politischen Himmel abheben. So ist es auch verständlich, daß trotz der angeblichen Gegensätzlichkeit der èechischen Regierungsparteien und der èechischen Opposition die Deutschen in Wirklichkeit bei der Novellierung dieses Gesetzes keinerlei Einfluß hatten und daß daher auch die wenigen deutschen Forderungen an das Sozialversicherungsgesetz nicht nur nicht erfüllt, sondern so gut wie gar nicht erörtert worden sind. Wir verweisen darauf, daß die Anträge, die die nationalsozialistische Arbeiterpartei auf die Durchführung der national autonomen Gliederung der Sozialversicherung nicht nur nicht behandelt wurden, sondern auch von den deutschen Regierungsparteien nicht unterstützt worden sind. Das festzustellen ist umso wichtiger, weil auch bei diesen Fällen klar und deutlich gezeigt werden kann, daß die Regierungsparteien ihre einstige programmatische Stellung längst aufgegeben haben und daß daher das sudetendeutsche Volk von ihnen, die ihr eigenes Programm verrieten, in politischer Beziehung nichts zu erwarten hat. Ich verweise darauf, daß anläßlich der Beratungen über das Sozialversicherungsgesetz am 17. September 1924 der Redner der deutschen christlichsozialen Volkspartei Abg. Schälzky in der 287. Sitzung des Abgeordnetenhauses wörtlich sagte: "Die Opfer der Sozialversicherung werden leichter gebracht werden, wenn die interessierten Kreise die Überzeugung haben, daß diese Aufwendungen ihnen selbst zugute kommen, daß diese Bereicherung für sie eine soziale Notwendigkeit ist und durch die eigene Mitwirkung der Versicherten die Gewähr einer sparsamen und zweckentsprechenden Verwaltung gegeben ist. Daher erheben wir auch hier die Forderung nach Aufbau auf autonomer und nationaler Grundlage und verlangen, daß diese Gesetzesvorlage nicht hinter Schloß und Riegel der "Pìtka"-Männer ausgearbeitet werde, sondern in engem Zusammenwirken der Arbeiter, der einzelnen Berufsstände und der Nationen zustandekomme."

Der Abg. Schälzky sagte in seiner Rede ferner wörtlich: "Wenn wir bei den Verhandlungen gesehen haben, wie allen nationalen Forderungen, z. B. dem Verlangen auf Errichtung national getrennter Versicherungsanstalten, dem Verlangen, auch den nationalen Minderheiten eine Vertretung in der Direktion zu sichern, dem Antrag auf Sicherung eines Vizepräsidenten in der Zentralsozialversicherungsanstalt, wenn allen diesen Verlangen von Seiten der Mehrheitsparteien entgegengetreten wurde, wurden wir in der Annahme bestärkt, daß hinter diesen Beschränkungen der Selbstverwaltung nationale Gründe stehen, die auch bei dieser Gesetzesvorlage eine große Rolle spielen, um die Stellung der Staatsnationa zu stärken. Der Herr Berichterstatter hat zu dem Antrag auf Errichtung einer Vizepräsidentenstelle zugestanden, daß ein dritter Vizepräsident aus der Reihe der Fachleute genommen werde und daß man bei der Ernennung auf die Deutschen Rücksicht nehmen würde. Aber gesetzlichen Anspruch zu geben, hat man sich krampfhaft geweigert. Wir können uns daher vorstellen, wie wenig Deutsche in der Zentralsozialversicherungsanstalt sein werden.

Es wurde in der Debatte auf die Haltung der Vertreter des èechischen Volkes bei Behandlung der Pensionsversicherung im alten Österreich hingewiesen, wo damals national getrennte Landesstellen verlangt und durchgesetzt wurden. Bei diesem Gesetz kommt eine ganz andere Zahl von Versicherten in Betracht. Bei 3 1/2 Millionen Deutschen kann man vielleicht mit 600 bis 800 Tausend deutschen Versicherten rechnen, und jetzt will man von einer nationalen Scheidung nichts wissen. Wenn wir bei der hiesigen nationalen Praxis erwägen, daß die Bestimmungen des Sprachengesetzes auch auf die Versicherungsanstalt und auf die Zentrale ausgedehnt werden, obwohl es sich hier nicht um staatliche Ämter handelt, sondern um autonome Institute, wenn wir erwägen, daß dann auch der Verkehr mit den einzelnen Versicherten in der Staatssprache, im besten Falle doppelsprachig erfolgt, kann man sich vorstellen, wie dies den Geschäftsgang erschweren, verlangsamen und verteuern wird." (Posl. Geyer: Wobei in den historischen Ländern mehr als 50% der Versicherten Deutsche sind!) Jawohl, wenigstens in manchen Gegenden, in den historischen Ländern.

"Im Unterausschuß wurde bereits von dem Vertreter der Regierung erklärt, daß die Anwendung des Sprachengesetzes auf die Sozialversicherung keinem Bedenken unterliegen könne, wobei er sich auf die Bestimmungen der Verfassung und des Sprachengesetzes berief. Für uns Deutsche erregt die nationale Seite der Vorlage die ärgsten Besorgnisse. Die Ernennung èechischer Beamter bei den Bezirksversicherungsanstalten, die vollständige Beherrschung der Zentralanstalten, die Verwaltung und die Anlage des freien Vermögens werden die Handhabe bieten, dieses Gesetz gegen uns Deutsche anzuwenden."

Die Bedenken des Abg. Schälzky bestehen heute nach vier Jahren noch genau so, wie sie im Jahre 1924 bestanden haben. Aber auch dann, wenn diese nationalen Bedenken nicht bestehen würden. (Posl. Geyer: Noch ärger, weil inzwischen die Verwaltungsreform gekommen ist!) Überdies aber auch die mögliche Änderung in der Koalition wird eine große Reihe von derartigen Möglichkeiten bieten. Selbst wenn diese nationalen Bedenken nicht bestehen würden, könnte uns dies nicht hindern, die nationale Selbstverwaltung der deutschen Krankenkassen und ihre Gesamtvereinigung innerhalb der Zentralsozialversicherung zu fordern. Es kommt gar nicht darauf an, ob eine èechische Verwaltung in einem toleranten oder einem national gleichmütigem Geiste geleitet wird, sondern es kommt vor allem darauf an, daß das grundsätzliche Recht den Versicherten zugestanden wird, ihre Institutionen selbst zu verwalten und die von ihnen eingezahlten Mittel in einem solchen Sinne anzuwenden, daß es der kulturellen und nationalen Eigenart der Versicherten entspricht. (Souhlas na levici.) Es darf nicht von der Gnade und dem Wohlwollen der herrschenden Staatsnation abhängen, daß in den Versicherungsanstalten deutsche oder èechische Beamte angestellt werden, und von den von ihnen eingezahlten Millionen deutscher Beiträge auch die Deutschen wieder ihre entsprechenden Anteile erhalten. Es muß vielmehr an die Stelle einer etwaigen loyalen oder illoyalen Haltung der Staatsmajorität, an die Stelle von Gnade oder Ungnade, das natürliche Recht auf nationale Selbstverwaltung treten. Dieser Ansicht waren die heutigen Regierungsparteien auch zu jener Zeit, da sie noch nicht in der Regierung saßen. Seither haben die Verhältnisse sich geändert, und es ist meine Pflicht als Angehöriger des deutschen Volkes, ganz klar und deutlich auf den Umfall der deutschen Regierungsparteien aufmerksam zu machen.

Es ist besonders interessant, in den Reden der deutschen Regierungsparteien vor 4 Jahren zu blättern. Damals hat z. B. der Abg. Schubert vom Bund der Landwirte, der auch diesmal wieder im sozialpolitischen Ausschuß bei der Novellierung des Sozialversicherungsgesetzes mitwirkte, am 16. September 1924, wörtlich folgendes gesagt: "Die ganze Vorlage durchweht der Geist des starren Zentralismus. Die Selbstverwaltung wird überall eingeschnürt und eingeengt, der Regierung werden weitreichende Ermächtigungen eingeräumt. Sie sind in dieser Frage Zentralisten vom reinsten Wasser, während wir unter anderem auch darauf bestehen, daß die Herstellung der Fühlung zwischen den Versicherungsverträgen und den Versicherten, sowie die Besorgung der Ortsgeschäfte durch Heranziehung der landwirtschaftlichen, gewerblichen und kaufmännischen freiwilligen Verbände zu bewirken wäre. Nur diese freiwilligen Verbände böten die Gewähr für eine billige, gerechte und sachentsprechende Führung. In früherer Zeit dachten sie über diese Sache wesentlich anders. Bei der Beratung dieser Frage im österreichischen Parlament war es der Abgeordnete Sláma, der den Antrag stellte, mit Rücksicht auf die Verschiedenheit der nationalen, sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse im Staate - es handelte sich damals um Zisleithanien - mehrere Versicherungszentralen zu bilden. Das war Ihr Standpunkt im alten Österreich. Sie haben diesen Standpunkt verlassen und uns erklärt, daß die Verhältnisse im Staate diesbezüglich jetzt anders sind als damals. Wir bezweifeln dies entschieden, und es genügt der bloße Hinweis auf Karpathorußland, um die Hinfälligkeit dieser Behauptung zu erweisen. Aber als nackte Zentralisten wollen Sie von getrennten Selbstverwaltungen, trotzdem Zweckmäßigkeitsgründe dafür sprechen, nichts wissen. Es sind überdies hauptsächlich auch nationale Gründe, die Sie zurückhalten, den autonomen Bestrebungen ein Recht zukommen zu lassen."

Aber derselbe Abg. Schubert, der vor 4 Jahren die Haltung der èechischen Agrarier im alten Österreich nicht genug unterstreichen und verstehen konnte, der es damals als eine wichtige Frage erklärte, daß an Stelle eines starren Zentralismus aus Gründen der Zweckmäßigkeit, aus Gründen der Billigkeit und aus Gründen der nationalen Interessen die nationale Selbstverwaltung eingeführt werde, derselbe Abg. Schubert hat gar nichts dazu beigetragen, den von der nationalsozialistischen Arbeiterpartei aufgestellten Forderungen nach der nationalen Selbstverwaltung in der Sozialversicherung zum Durchbruche zu verhelfen.

Es muß aber auch gesagt werden, daß die deutschen Sozialdemokraten in diesem Belange vollständig versagten und die Interessen der deutschen Arbeiter nicht vertraten. In ihren Initiativanträgen fordern sie zu § 39, daß neben der Errichtung der èechisehen Anstalt eine Anstalt für alle übrigen Nationalitäten der Èechoslovakischen Republik eingerichtet werde. Es war nicht nur von vornherein klar, daß auf ein so künstliches Gebilde die èechische Majorität und auch die èechischen Sozialdemokraten nicht eingegangen sind, sondern daß gerade durch diese Antragstellung die Forderung nach der nationalen Selbstverwaltung in der Sozialversicherung nur erschüttert wurde. Gerade diesmal hätten die deutschen Sozialdemokraten zeigen können, daß ihre Behauptung, die èechischen Sozialdemokraten würden die berechtigten Forderungen der deutschen Arbeiter anerkennen und ihnen zum Siege verhelfen, richtig sei. Es handelt sich bei diesem Grundsatze doch keineswegs um eine nebensächliche Frage. Der sozialpolitische Ausschuß hat sich oft mit kleinen Details stundenlang beschäftigt. Wäre es möglich gewesen, den èechischen Sozialdemokraten die Notwendigkeit, ja die Selbstverständlichkeit der Durchsetzung der nationalen Selbstverwaltung in der Sozialversicherung begreiflich zu machen und wären diese für diese Forderung der deutschen Arbeiter miteingetreten, dann wäre es zweifellos auch gelungen, die deutschen Regierungsparteien auf ihre seinerzeitige Haltung zu verpflichten und so eine Majorität für die nationale Selbstverwaltung zu gewinnen. Aber gerade diesmal zeigte es sich, daß das Rezept der deutschen Sozialdemokraten nicht stimmt, daß die èechischen Sozialdemokraten gar nicht daran denken, die deutschen Arbeiter in ihren nationalen und kulturellen Interessen zu unterstützen. Aber auch sonst ist die Haltung der deutschen Regierungsparteien von ihrem einstigen Standpunkt stark abgewichen. Im § 180 des ursprünglichen Gesetzes wurde festgelegt, daß die Zentralsozialversicherungsanstalt für die Vermögensanlage Richtlinien ausarbeiten werde, welche vom Ministerium für soziale Fürsorge im Einvernehmen mit dem Finanzministerium zu genehmigen sind. Der Abg. Schubert sagte in seiner oben angeführten Rede zur Sozialversicherung: "In Kapitalsanlage und in Sachen von Staatspapieren ist das Finanzministerium nicht immer der allerbeste Ratgeber. Ein demokratischer Staat darf nie und nimmer dem Finanzministerium eine solche Machtfülle, ein solches Monopol einräumen. Die Sozialversicherung wird sonst damit eine Art Staatsbank werden, mit der das Finanzministerium nach Gutdünken verfährt."

Wenn man sich heute die Novelle zur Sozialversicherung vor Augen hält und gerade jene Abänderungen betrachtet, die die Verwaltung und die Anlage des Vermögens betreffen, dann muß man feststellen, daß der Abg. Schubert, der früher einmal in besseren Tagen, als er und seine Partei noch in der Opposition standen, gegen ein Übermaß von staatlichem Einfluß auftrat, gerade diesmal für alle jene geradezu ungeheuerlichen Aufsichtsbestimmungen der Staatsorgane und Einräumung weiter bedeutender Einflüsse der Nationalbank und des Finanzministeriums stimmte. Und nun hören Sie, daß nicht nur in einer ganzen Reihe von Paragraphen, die ich später noch anführen werde, die Rechte des Finanzministers wesentlich erweitert worden sind, sondern daß im § 259 a) der neuen Fassung eine Bestimmung eingeführt worden ist, die folgenden Wortlaut hat: "Wo in diesem Gesetze die Entscheidung dem Minister für soziale Fürsorge vorbehalten ist, entscheidet dieser Minister; handelt es sich um Fragen von größerer finanzieller Bedeutung und ist dies im Gesetze auch nicht ausdrücklich festgelegt, im Einvernehmen mit dem Finanzminister. Einigen sich der Minister für soziale Fürsorge und der Finanzminister nicht, so entscheidet die Regierung." Es ist also gesagt, daß auch dort, wo nicht im Gesetze die Rechte des Finanzministers ausdrücklich erweitert worden sind, für alle übrigen finanziellen Maßnahmen die Zustimmung des Finanzministers notwendig ist. Derselbe Herr Schubert, dieselben Regierungsparteien, die damals den Herrn Finanzminister oder das Finanzministerium als Abstractum, als einen schlechten Ratgeber in finanziellen Dingen bezeichnet haben, ermächtigen nun den Finanzminister in allen Stücken und bei jeder Transaktion der Sozialversicherungsanstalt einzugreifen und mit seinem Veto eine Transaktion unmöglich zu machen. (Posl. Geyer: Die Durchführungen werden jahrelang dauern!) Auch diese Erwägung ist außerordentlich wichtig, weil die Entscheidungen monatelang durch die Ministerien hingezogen werden können.

Aber es ist nicht nur bezeichnend, daß die deutschen Regierungsparteien, Bund der Landwirte, Christlichsoziale und Gewerbepartei sich nicht für die nationale Selbstverwaltung in der Sozialversicherung einsetzten, die ja zwar auch ihr Programm war und von der sie ihren Wählern soviel zu versprechen gewöhnt waren, sondern es müßte den Unwillen, ja die Empörung der arbeitenden Schichten des deutschen Volkes hervorrufen, wenn wir genau so wie bei der Verwaltungsreform sehen, daß diese Parteien den lezten Rest der nationalen Selbstverwaltung, der in den deutschen Kassenverbänden bestanden hat, beseitigen. Wenn auch die letzte Fassung der diesbezüglichen Bestimmungen scheinbar die Möglichkeit bietet, daß die Verbände noch eine Zeitlang leben bleiben, so ist es doch eine Ungeheuerlichkeit, eine solche grundsätzliche Frage, wie die der Einrichtung der Kassenverbände, einfach einer Verordnung des Herrn Ministers für soziale Fürsorge zu überlassen und über diese Institutionen dauernd das Damoklesschwert einer Verordnung zu hängen, die der Herr Šrámek vielleicht am letzten Tage seiner Regierungstätigkeit noch erlassen kann. Die jetzige Vorlage räumt auch mit dieser wichtigen Einrichtung auf und die Zentralsozialversicherungsanstalt wird nunmehr eine vollständig auf zentralistischer Grundlage eingerichtete Anstalt sein, die in Zukunft nicht einmal das Korrektiv der Kassenverbände aufzuweisen haben wird, sondern ein nationalèechisches Institut sein wird, obzwar mehr als 35% aller Versicherten, im Jahre 1927 nahezu 800.000, genau 779.319 Versicherte deutscher Nationalität, deutsche Arbeiter sind, die ein Recht darauf haben, ihre Kassen- und Versicherungsinstitutionen selbst zu verwalten. In den Bezirkskrankenkassen gibt es 621.240 deutsche Versicherte, in den landwirtschaftlichen Krankenkassen 53.782, in den genossenschaftlichen Gremialkassen 80.858, in den Betriebskrankenkassen 23.439, insgesamt im Jahre 1927 779.319 deutsche Versicherte, denen man in diesem Staate nicht das Recht zubilligt, ihre nationalen Interessen in der Krankenkassa zu organisieren und zu verwalten. Wenn Sie daran denken, daß nicht einmal ganz 100.000 èechische Angestellten in der Pensionsversicherung im Jahre 1909 oder 1910 die èechischen Landesstellen in Böhmen und Mähren zugebilligt erhielten, dann werden Sie erkennen, um wieviel chauvinistischer, um wieviel zentralistischer, um wieviel die nationalen Interessen weniger berücksichtigend dieser Staat heute organisiert ist als der alte österreichische Staat überhaupt war.

Aber auch die Widersprüche, die sich innerhalb der christlichsozialen Anschauungen aufgetan haben, müssen eingehend besprochen werden. Die christlichen Gewerkschaften haben offen zu der Sozialversicherungsnovelle Stellung genommen und ihre schweren Bedenken gegen dieselbe geäußert. Im 4. Heft der "Sudetendeutschen Arbeit" 1927 schreibt der Gewerkschaftssekretär Hans Schütz: " Also doch Novellierung, trotzdem wir warnten. Wem nicht zu raten ist, dem ist auch nicht zu helfen. Vielleicht bereut man es einmal in den beteiligten Kreisen, daß man in dieser Sache so wenig auf uns gehört hat. Wir können es nicht ändern. Was man sich eingebrockt hat, das wird man auslöffeln müssen. Hoffentlich ersticken die Herren nicht daran." Und in demselben Aufsatz heißt es: "Tatsächlich bestehen die Hauptschwächen der Novelle in folgenden Punkten: 1. Es scheiden aus der Versicherung aus alle unter 16 Jahre alten Versicherten, die Heimarbeiter und die Saisonarbeiter. 2. Die Zwangsverbände für die Krankenkassen werden aufgelöst. 3. In den Bezirkskassen wird für den Vorstand und Aufsichtsrat die Parität eingeführt. 4. Die Verwaltung wird auf ein Doppelgeleise geschoben, dadurch daß nicht mehr bloß die Zentralsozialversicherungsanstalt über die Bezirkskrankenkassen das Aufsichtsrecht ausübt, sondern daß auch die politischen Behörden erster und zweiter Instanz mit dieser Führermacht ausgestattet werden. Überhaupt wird in der Novelle der Gedanke der Selbstverwaltung stark beschnitten und dem staatlichen Bürokratismus in allen Linien Vorschub geleistet." Ich werde mich mit diesen einzelnen Punkten, inwiefern sie durch die Beratungen im sozialpolitischen Ausschuß eine Änderung erfahren haben, noch eingehend beschäftigen.

Die èechischen Parteien und Abgeordneten, die heute den Zentralismus in der Sozialversicherung vertreten und die der nationalen Selbstverwaltung unter gar keinen Umständen Zugeständnisse mach en wollen, haben diese Frage in früheren Zeiten anders behandelt. Anläßlich der Beratungen des sozialpolitischen Ausschusses im österreichischen Abgeordnetenhause 1906 hat der damalige Abg. Šrámek, der gegenwärtig nicht nur stellvertretender Ministerpräsident, sondern auch Minister für soziale Fürsorge ist, also an dem Zustandekommen dieses Gesetzes ein ganz besonderes Interesse haben muß, eine Rede gehalten, in der er sich ganz besonders gegen die zentralistische Organisation des Pensionsversicherungsgesetzes der Angestellten wendet und ausdrücklich eine weitgehende Autonomie in der Sozialgesetzgebung fordert. Der èechische Abgeordnete Reichstätter sagt unter anderem: "In einem mehr zentralistischen Aufbau der Versicherungsanstalt erblicke ich Nachteile für unser politisches und nationales Leben. Wer unser nationales Ringen des letzten Jahrhundertes betrachtet, muß zugeben, daß es ein schweres Opfer ist und er wird es zu würdigen wissen, daß es nicht nur im Interesse der èechischen oder slovakischen Nation, sondern der Privatangestellten gebracht wurde. Das Pensionsgesetz wird gewiß bald einer Reform bedürftig sein. Bis zu jener Zeit, glauben wir, wird sich die Unzweckmäßigkeit der zentralistischen Verwaltung selbst ergeben haben." Diese Reden sind außerordentlich belehrend. Die Gründe, die die èechischen Redner vor 20 Jahren für eine den autonomen und nationalen Verhältnissen Rechnung tragende Organisation dieser Sozialversicherungsanstalt angeführt haben, sind vollkommen zutreffend. Die seinerzeit von den èechischen Abgeordneten im Wiener Parlament geltend gemachten nationalpolitischen Gründe müßten aber heute noch mehr als damals gerade von den èechischen Parteien verstanden werden. Sie stehen auf dem Standpunkte, daß wir in einer Demokratie, also in einer Verfassung leben, in der das Volk sich selbst beherrscht. Tatsächlich spricht auch die Staatsverfassung davon, daß der Wille des Volkes die Quelle aller Macht sei. Es wird allerdings nicht gesagt, welches Volk die Quelle dieser Macht sei. Wenn sich also die Èechen zu diesem Prinzip bekennen, dann dürfen sie nicht einfach die Majorität der Zahl zur Geltung bringen, u. zw. so, daß eine geringe Mehrheit eine so bedeutende Zahl anderer Volksstämme einfach beherrschen kann, wie es in diesem Lande der Fall ist. Diese Fragen sind außerordentlich wichtig, weil wir schon in der allernächsten Zeit zur Beratung der Novelle zur Versicherung der Angestellten kommen und weil dort eine schon bestehende nationale Sektionierung vor der Gefahr ihrer Beseitigung steht. Die Selbstverwaltung der Sozialversicherung durch die Arbeiter jeder Nation ist eine begründete Forderung, die die èechischen Parteien früher einmal selbst vertreten haben. Wir werden von ihr nicht ablassen, bis wir diesem Grundsatze zum Siege verholfen haben.

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