Ètvrtek 20. záøí 1928

Die Vertreter des Bundes der Landwirte und der èechischen Agrarier haben mit besonderem Nachdruck auf die Ausscheidung weiter landwirtschaftlicher Arbeiterkreise aus der Sozialversicherung gedrungen. Sie werden aller Wahrscheinlichkeit nach gerade mit diesem Siegeserfolg, der in Wirklichkeit nichts anderes ist als die Benachteiligung dieser landwirtschaftlichen Arbeiter um die Wohltat der Sozialversicherung und daher eines Teiles des landwirtschaftlichen Volkes - die Herren sprechen ja immer von der Interessengemeinsamkeit der Landgemeinden und des Landvolkes - vor ihre Wählerkreise hintreten und ihnen dies tatsächlich als eine besondere Leistung einreden. Sie bedenken nicht, daß sie einem Teile der am Lande wohnenden Arbeiterschaft einen schweren Schaden zugefügt haben und daß dies tatsächlich auch weitere Konsequenzen nach sich ziehen muß. Die landwirtschaftlichen Kreise beklagen sich häufig darüber, daß sie nicht genügend und oft auch nur vollständig ungeeignete Arbeitskräfte für die landwirtschaftlichen Arbeiten bekommen. Das Schlagwort von der Landflucht ist in Wirklichkeit kein Schlagwort mehr, sondern eine ernste Frage des Bauernstandes geworden. Wer in die Organe der Landwirte aller Parteien blickt, und nicht nur in diesem Lande, auch im Deutschen Reiche und anderswo, wird immer die Klagen über den Mangel an geeigneten landwirtschaftlichen Arbeitskräften finden. Auch im persönlichen Verkehr werden sie immer wieder auf die Frage des Mangels der Arbeitskräfte in der Landwirtschaft stoßen. Was ist wohl die Ursache, daß die Arbeiterschaft vom Lande in die Städte drängt? In einem Aufsatze, den die "Deutsche Landpost" am 16. Dezember 1927 über die Landarbeiterfrage veröffentlicht, schreibt der Verfasser Hugo Schulz: "Weder ein Verbot der Aufnahme Jugendlicher in die Fabriken, noch eine Zwangsbestimmung kann die Dienstbotennot auf dem Lande beseitigen. Das Übel muß an der Wurzel gefaßt werden. Wenn wir uns deshalb nach der Darlegung der Ursachen die Frage vorlegen: Wie wird sich der Landflucht Einhalt tun lassen?, so gibt es hiefür nur eine Antwort, die lautet: Die Rentabilität der Landwirtschaft muß gehoben, die Lebensverhältnisse müssen verbessert, die Arbeitszeit verkürzt, der Lohn erhöht werden. Mit einem Wort: Nur die Gleichstellung der Landwirtschaft mit der Industrie löst die Arbeiterfrage auf dem Lande."

Diese Ausführungen, die das Organ des Bundes der Landwirte selbst veröffentlichte, mit deren Inhalt es sich also identifiziert, treffen das Problem richtig. Ich verkenne nicht, wie schwierig es ist, die völlige soziale Gleichstellung der Landwirtschaft und der Industrie durchzuführen. Wir wissen aber, daß dies keinesfalls damit geschehen kann, daß man weite Kreise der landwirtschaftlichen Arbeiter um soziale Vorteile bringt, die ihnen bisher gesichert waren und die die Industriearbeiterschaft auch weiterhin gesichert haben wird. Die Herren vom Bunde der Landwirte sollten sich doch die Wirkung ihrer Forderung nach Beseitigung der Sozialversicherung für weite Kreise der landwirtschaftlichen Arbeiter einmal vor Augen halten. Wenn altgewordene Industriearbeiter in kürzerer oder längerer Frist, in 10, 12 oder 15 Jahren, die als Nachbarn neben den landwirtschaftlichen Saisonarbeitern auf dem Lande leben, ihre Altersrente im Betrage von einigen hundert Kronen allmonatlich erhalten werden und wenn der daneben wohnende, ebenfalls altgewordene landwirtschaftliche Saisonarbeiter ohne die geringste Unterstützung bis in das höchste Lebensalter arbeiten und mit der kärglichsten Entlohnung oder überhaupt ohne Entlohnung für den bloßen Lebensunterhalt wird arbeiten müssen oder vielleicht als Bettler auf die Straße geworfen wird, wenn daneben der Industriearbeiter nach 65 Lebensjahren seine Rente erhalten wird, wenn die Frauen und Witwen wirklich eine Versorgung erhalten, und wenn daneben der Saisonarbeiter schutzlos sein wird, dann richte ich an Sie die Frage: Was wird dieser Zustand auf dem Lande für die heranwachsende Generation für Wirkung aufzuweisen haben? Es wird für die neue heranwachsende Generation ganz bestimmt kein Anlaß sein, am Lande zu bleiben und demselben traurigen Lose zu verfallen wie die landwirtschaftlichen Saisonarbeiter. Die Landflucht, über die die Agrarierkreise schon heute klagen, wird noch größeren Umfang annehmen, als es bis heute der Fall war. Wird damit der Landwirtschaft in Wirklichkeit gedient, ist das der Weg, auf dem man der Landwirtschaft zum Erfolge verhelfen kann? Glauben die Herren wirklich, daß die künftige Generation ihnen für diese rückschrittliche Haltung dankbar sein wird? Die Herren vom Bund der Landwirte stimmen für alle, ja selbst für die schwersten Belastungen, ja, sie dienen als Trabanten und stützen dieses System und sprechen nicht mehr von den hohen Steuern, sondern nur von den hohen sozialen Lasten, die in der Sozialversicherung aufgebürdet werden. Wir wissen es anders, wir wissen, daß die Wirkung auf die landwirtschaftliche Arbeiterschaft die bösesten Folgen für die gesamte Landwirtschaft nach sich ziehen wird, gerade bei diesem Anlaß, denn die Ausscheidung der Saisonarbeiter aus der Sozialversicherung ist nur aus den Gründen der sogenannten Ersparnis bei den landwirtschaftlichen Kreisen, in Wirklichkeit bei den großagrarischen Kreisen vorgenommen worden. Es muß bei diesem Anlasse einmal ganz klar und deutlich aufgezeigt werden, mit welchen Mitteln diese Kreise gegen die Sozialversicherung Stimmung gemacht haben, um sie in den Augen der landwirtschaftlichen Kreise herabsetzen und als untragbar bezeichnen zu können.

Der Koll. Weiser hat am 30. November 1927 bei der Debatte zum Staatsvoranschlag von dieser Stelle aus zur Lage der Landwirtschaft Stellung genommen und auch über die Sozialversicherung einiges gesagt. In der Ausgabe vom 3. Dezember 1927 bringt die "Scholle" (Braunau) einen Auszug aus dieser Rede, in der es unter anderem heißt: "Die Landwirtschaft in diesem Staate ist mit weit über 5 Milliarden verschuldet. Die verlorene Kriegsanleihe, die Vermögensabgabe, die hohen Steuerlasten und die Sozialversicherung tragen ihren Teil bei. Besonders das letzte Kapitel, die Sozialversicherung. Hier will ich auf ein Beispiel verweisen, daß eine Landwirtschaft mit 5 Arbeitskräften in 50 Jahren mit Zinsen und Zinseszinsen nahezu eine halbe Million auf den Altar der Sozialfürsorge niederlegt. Das ist ein Betrag, den man heute gar nicht mehr braucht, um eine solche Wirtschaft zu kaufen." Ganz abgesehen davon, daß die Bezifferung der Verschuldung der Landwirtschaft mit 5 Milliarden nicht bewiesen ist und daß sie auf die einzelne Wirtschaft berechnet einen verhältnismäßig niedrigen Betrag von 5 bis 6000 Kè ergeben würde, wird hier in einer ganz unverantwortlichen Art und Weise gegen die Sozialversicherung Stellung genommen. Der Jahresbeitrag für einen versicherten landwirtschaftlichen Arbeiter beträgt zur Sozialversicherung rund 250 Kè. Ein Landwirtschaftsbesitzer mit 5 Arbeitskräften hätte also jährlich 1250 Kè Beitragsleistung zur Sozialversicherung zu bezahlen, was in 50 Jahren etwa 60.000 Kè ausmacht. Der Abg. Weiser aber spricht davon, daß der Beitrag zur Sozialversicherung 500.000 Kè, also nahezu das Zehnfache, was in Wirklichkeit gezahlt werden müßte, ausmacht. (Výkøiky na levici.) Man kann sich vorstellen, daß ein mittlerer Landwirt mit 5 Arbeitskräften, wenn er hört, daß er in 50 Jahren eine halbe Million allein für die Sozialversicherung auf bringen müßte, ein Feind dieser Versicherung sein muß, weil er sich einfach errechnen muß, daß er diesen Betrag aufzubringen niemals in der Lage sein wird. Es ist hier also in der empörendsten Art und Weise geradezu eine falsche Berechnung zur Abschreckung der kleinen Landwirte veröffentlicht und verbreitet worden. Es erübrigt sich dabei, darauf hinzuweisen, daß außerdem die Annahme von 50 Jahren hier nicht am Platze ist. Der Abg. Weiser hätte ebensogut auch sagen können, daß man in 100 Jahren eine Mill. Kè auf den Tisch der Sozialversicherung bei 5 Arbeitskräften zu zahlen hat. Die Tendenz solcher Ausführungen ist offensichtlich und klar. Man will den breiten Massen der Beiträge leistenden Landwirte einen solchen Schrecken einjagen, daß sie mit allen nur erdenklichen Mitteln gegen die Sozialversicherung auftreten.

Genau dieselbe Tendenz ist ja auch bei der Ausscheidung der jugendlichen Arbeiter und Lehrlinge unter 16 Jahren aus der Sozialversicherung zu verzeichnen. Die Industrie hat niemals gegen die Beibehaltung der jugendlichen Arbeiter und Lehrlinge Einspruch erhoben und erst in den letzten Tagen vor Abschluß der Verhandlungen im sozialpolitischen Ausschuß wurden diesbezügliche Wünsche laut. Die Gewerbepartei hat allerdings seit längerer Zeit für die Ausscheidung der jugendlichen Arbeiter und Lehrlinge unter 16 Jahren aus der Sozialversicherung Propaganda gemacht. Mit welchen Mitteln, ist bekannt. Sie ähneln denjenigen, die ich vom Abg. Weiser heute mitteilen konnte. Daß die Ausscheidung der jugendlichen Arbeiter und Lehrlinge für diese eine große Gefahr bedeutet, ist jedem Eingeweihten offenbar. Alle Jugendorganisationen, sowohl die nationalsozialistischen als auch die bürgerlichen, und die marxistischen Jugendverbände haben gegen die Ausscheidung der Jugendlichen aus der Sozialversicherung Einspruch erhoben. Sie haben in einer Denkschrift darauf hingewiesen, daß in vielen gewerblichen Betrieben der Maschinenbetrieb längst eingeführt ist und daß die Unfallsgefahr auch durch das Krankheitsrisiko für die jugendlichen Arbeiter und Lehrlinge ein außerordentlich großes sei, ja, daß es größer sei, als das der erwachsenen Arbeiter. Die Lehrlinge und jugendlichen Arbeiter würden daher auch einen größeren Anspruch auf Schutz haben. Statt dessen werden sie aus der Sozialversicherung vollständig ausgeschieden und gehen damit der Heilfürsorge, die manchen jugendlichen Arbeiter und Lehrling vor einem vorzeitigen Siechtum und den Folgen von Betriebsunfällen und Berufskrankheiten schützen konnte, verlustig. Auch auf diesem Gebiete bedeutet also die Novellierung eine schwere Verschlechterung des bisherigen Zustandes und muß auf die Abwehr aller sozial einsichtigen Kreisen stoßen.

Einer der wichtigsten Teile der Sozialversicherung ist der finanzielle Teil. Zunächst handelte es sieh hier um die grundsätzliche Einstellung zum sogenannten Kapitalsdeckungssystem. Wir haben von allem Anfang an schwere Bedenken gegen die ungeheuere Ansammlung gewaltiger Geldbeträge erhoben, die nach dem heutigen Beitragssystem bei der Zentralsozialversicherungsanstalt aufgehäuft werden sollen. Nach den ursprünglichen Berechnungen soll die Zentralsozialversicherungsanstalt nach 20 Jahren ein Vermögen von mehr als 10 Milliarden angesammelt haben. Diese Gesamtsumme wird auch nach der Novellierung keine Änderung erfahren. Neben diesen gewaltigen Beträgen werden vielleicht ebenso große Mittel in der Angestellten- und Unfallversicherung und in anderen sozialen Anstalten angesammelt werden. Man kann annehmen, daß der gesamte Vermögensstand der sozialen Versicherungsanstalten nach 20 Jahren auf mindestens 20 Milliarden, also das Doppelte eines gegenwärtigen Staatshaushaltes, eingeschätzt werden muß. Damit wird diese Anstalt zum größten Geldinstitut der Republik und es ist natürlich von der allergrößten Bedeutung, wie die Rückführung dieser gewaltigen Beträge in die Wirtschaft erfolgt und unter welchen Bedingungen und zu welcher Verzinsung diese Beträge angelegt werden. Die Regierungsparteien haben geglaubt, durch eine möglichst hohe Verzinsung die Lasten der Versicherten mindern zu können. Sie haben in ihrem Gesetzestext eine dauernde 4 1/2%ige Verzinsung festgelegt. Es ist für die Geldwirtschaft einerseits und für die Sozialversicherung andererseits keineswegs gleichgültig, welcher Verzinsungssatz in Anrechnung kommt. Bei der starren Beibehaltung eines 4 1/2%igen Zinsfußes wird gewiß eine höhere Rentabilität gewährleistet, aber es ist die Frage, welchen Preis die gesamte Wirtschaft für die höhere Verzinsung bezahlen wird und ob sich dieser Zinsfuß auch dauernd aufrecht erhalten läßt. Die gewaltigen Mittel der Sozialversicherungsanstalt werden in der nächsten Zukunft, aber noch mehr in späteren Jahren einen immer größeren Einfluß auf den Zinsfuß in der gesamten Wirtschaft dieses Landes ausüben. Ist von der Majorität genügend erwogen worden, was es für die anleiheversorgten Gemeinden, Bezirke und andere Institutionen bedeuten würde, wenn sie eine höhere Verzinsung leisten müßten, als dies möglicherweise in einigen Jahren beim Privatkredit der Fall ist? (Posl. Geyer: Der Herr Finanzminister hat im vorigen Jahr gesagt, daß der Zinsfuß der Angelpunkt der ganzen Wirtschaft sei!) Jawohl.

Ist andererseits auch Bedacht darauf genommen worden, welch hemmende Wirkung auf die Senkung des Zinsfußes das starre Festhalten eines der größten Geldinstitute an dem festen Zinsfuß für die Preisbildung und für die Wirtschaft überhaupt bedeutet? Bedenken Sie, daß gerade diese Tatsache für die Konkurrenz dieses Staates im Auslande, für die Weltwirtschaft von größter Bedeutung ist. In der Vorkriegszeit hatte die Bank von England einen 2%igen Zinsfuß und wir wissen doch gut, daß sich in ganz kurzer Zeit diese Verhältnisse wieder einstellen werden. Wenn wir in unserem größten Institut 4 1/2% Zinsfuß haben, so muß das die Konkurrenzunfähigkeit unserer Wirtschaft auf dem Weltmarkte zur Folgen haben. Ist endlich darauf Bedacht genommen worden, daß für den Fall, als dieser feste Zinsfuß von 4 1/2% sich doch nicht auf die Dauer aufrecht erhalten läßt, ein gewaltiger Abgang der Rentenauszahlung entstehen muß? Der Herr Minister Šrámek hat allerdings im sozialpolitischen Ausschuß erklärt, daß solche Abgänge eben aus den Staatskassen gedeckt werden müssen. Wir bezweifeln, daß dies überhaupt bei der schweren Steuerbelastung der Bevölkerung möglich sein wird. Aber auch dann, wenn es möglich wäre, wäre es ein Spiel mit dem Feuer. (Posl. Geyer: Siehe die Altpensionisten!) Ganz richtig. Die Grundlagen der Sozialversicherung werden auf diese Weise gefährdet.

Wir haben von allem Anfang an gegen das Kapitaldeckungssystem, wie es in dieser Vorlage vorgesehen ist, Stellung genommen, weil wir in der Ansammlung so ungeheuerer Vermögensbestände eine wirtschaftliche und politische Gefahr für die Allgemeinheit erkennen. Wir erklären aber auch ganz offen, daß in der Überführung dieser Kapitalsmacht in die Hände eines Instituts, in dem die Deutschen nicht die geringsten Rechte auf Selbstverwaltung besitzen, eine schwere nationalpolitische Gefahr erblickt werden muß. Wir haben daher gefordert, daß diese gewaltigen Geldansammlungen erheblich herabgesetzt werden und daß daher auch das sehr schwierige Problem einer richtigen Vermögensanlage der Gelder der Sozialversicherung wenigstens teilweise an Bedeutung verliert. Es wird nicht immer leicht sein, solche gewaltige Gelder in geeigneter produktiver Art in Verwendung zu bringen und dabei mit dem 4 1/2%igen Zinsfuß stets zu rechnen. Vielleicht gelingt es noch in den nächsten zwei bis drei Jahren, je länger aber diese Kapitalsanhäufung dauern wird, desto schwieriger wird die Unterbringung dieser gewaltigen Mittel zu dem unveränderlich festgesetzten Zinsfuß sein. Schon aus diesen Gründen haben wir das Umlagedeckungsverfahren, das als das weitaus billigere und geringere Mittel anhäufende System in Frage kommt, in Vorschlag gebracht. Wir haben von diesem System auch wesentlich höhere Leistungen erwarten können als dies bei der teueren Kapitalsdeckung der Fall ist. Das ist nicht nur deshalb wichtig, weil die Rentner dann auch in der Tat höhere Leistungen zu erwarten hätten, sondern auch deshalb, weil es wirtschaftlich wichtiger ist, daß die in den nächsten 15 bis 20 Jahren invalid werdenden Personen einen um 50 bis 60% höheren Rentensatz genießen, als daß man sich schon heute ängstlich an bestimmte Höchstbeträge klammert, die erst nach mehr als 40 Jahren voll in Erscheinung treten und also von der lebenden Generation gar nicht erreicht werden.

Bei der Frage der Kapitalsdeckung hat man auch eine andere überaus wichtige Frage, nämlich die der Wertbeständigkeit unbeachtet gelassen. Nirgends im ganzen Gesetzestext hat man auch nur eine einzige Sicherung gegen die Entwertung des Geldes festgestellt. Während sich die Aktionäre der Nationalbank ihre Dividenden in Goldrenten durch das Gesetz über die Notenbank sichern ließen, ist die Rente der alten invalid gewordenen Arbeiter in keiner Weise gesichert. Es ist nirgends im ganzen Gesetzestext auch nur der geringste Versuch unternommen worden, eine Entwertung, wie sie der Währungsverfall in einer Reihe von Staaten in der Nachkriegszeit heraufgeführt hat, zu verhindern. Es ist in der Debatte um die Sozialversicherung viel darüber gesprochen worden, ob diese oder jene Lohnklasse erhöht oder erniedrigt werden soll, mehr oder weniger Leistungen aufzuweisen hat. Das ist sicher wichtig und von großer Bedeutung für die Rentner. Viel bedeutender aber ist es, daß der Kaufwert der Rente ein dauernd gesicherter ist, damit die Geldbeträge nicht eines schönen Tages ebenso entwertet werden wie die Pensionen und die Altersversicherung der Staatsangestellten eines Tages in der Nachkriegszeit finanziell verschlechtert worden sind. Auch auf diesem Gebiete ist leider keinerlei Schutz für die Massen der Sozialversicherten vorgesehen worden und unsere Warnungen sind vergeblich geblieben. Statt dessen hat man in einer Reihe von Gesetzesbestimmungen, in den §§ 80, 81, 180, 181, 259 a) den Einfluß des Finanzministeriums auf die Zentralsozialversicherungsanstalt erweitert und damit dieses Geldinstitut unter die Kuratel der jeweiligen Regierungskoalition gestellt.

Wir protestieren dagegen, daß ein Institut, das zur Sicherung der Versorgung der Arbeiterschaft gegen Krankheit, Alter und Invalidität geschaffen worden ist, zur bequemen Finanzierung der unterschiedlichen Staatsgeschäfte verwendet wird. Die Sozialversicherung ist für die Arbeiter und nicht für den Finanzminister und seine Pläne geschaffen worden. (Sehr richtig!)

Einer der umstrittensten Punkte ist auch die verhältnismäßige Vertretung der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer in den Krankenkassen gewesen. Wir haben seit jeher den Standpunkt vertreten, daß die Krankenkassen Institute der Arbeiter sind und daß sie auch von diesen im Sinne der Selbstverwaltung verwaltet werden sollen. Bis zur Novellierung dieses Gesetzes bestand das Verhältnis, daß im Verwaltungsausschuß 8 Arbeitnehmer und 2 Arbeitgeber Sitz und Stimme hatten, während dies im Aufsichtsrat im umgekehrten Verhältnis der Fall war. Die Regierungsparteien forderten ursprünglich die Parität, das heißt ein Verhältnis von 5 Arbeitnehmern zu 5 Arbeitgebern in beiden Ausschüssen. Dieser Antrag ist im Laufe der Verhandlungen gefallen und an seine Stelle ein Kompromiß getreten, demzufolge im Verwaltungsausschuß 9 Arbeitnehmer- und 3 Arbeitgeber Vertreter und im Aufsichtsrat im umgekehrten Verhältnis einander gegenüberstehen. Dadurch aber, daß man insbesondere das Recht, über die Ernennungen und Entlassungen von Beamten zu entscheiden, der gemeinsamen Sitzung des Vorstandes und des Überwachungsausschusses vorbehalten hat, wurde in der Tat die Parität hergestellt. In den gemeinsamen Sitzungen stehen in Zukunft 12 Arbeitnehmer 12 Arbeitgebern gegenüber. Wir sind Gegner dieser Parität, weil wir auf dem Standpunkt stehen, daß die Arbeitervertreter das Recht besitzen, ihre Institute selbst zu verwalten. Was würden die Regierungsparteien sagen, wenn in einer neuen politischen Konstellation, die doch über kurz oder lang kommen wird, die sozialistischen Parteien verlangen würden, daß auch in den Gewerbekammern neben den Vertretern des Handels und Gewerbes auch die Arbeiter die Hälfte der Verwaltungsratposten fordern, was würden sie sagen, wenn sie in den Geldinstituten, soweit sie irgendwie öffentlichen Charakter tragen, wie Sparkassen, Landeshypothekenbanken und andere Geldinstitute, ebenfalls die Hälfte aller Verwaltungsposten fordern würden? Was würden insbesondere die Herren vom Bund der Landwirte dazu sagen, wenn die landwirtschaftlichen Arbeiter nicht nur die Forderung nach einer paritätischen Vertretung in den Landeskulturräten aufstellen, sondern auch durchsetzen würden? Es würde sicherlich in allen diesen Fällen mit Empörung die Anmaßung der Arbeiter zurückgewiesen werden. Und doch könnte man mit ruhigem Gewissen behaupten, daß diese Forderungen mindestens ebenso große, wenn nicht größere Berechtigung hätten, als die paritätische Vertretung in den Krankenkassen. Wenn die Regierungsparteien die Forderung nach einer größeren Vertretung der Unternehmerkreise in den Krankenversicherungsanstalten damit begründet haben, daß die sogenannte Mißwirtschaft in den Krankenkassen endgültig durch den Einfluß der Unternehmervertreter beseitigt werden müsse, so verweisen wir darauf, daß in der ausführlichen Wechselrede im sozialpolitischen Ausschuß ausdrücklich nachgewiesen wurde, daß in der Tat eine Mißwirtschaft nirgends besteht und die Krankenversicherungsanstalten im allgemeinen gut verwaltete Körperschaften sind. Längst wäre aber auch der Schein gewisser Mißstände und parteipolitischer Ausnützung der Krankenkassen verschwunden, wenn sich die Regierung schon früher dazu entschlossen hätte, die Wahlen in die Krankenkassen auszuschreiben. Wir Nationalsozialisten haben wiederholt die Ausschreibung der Wahlen in die Krankenkassen gefordert, schon in der Legislaturperiode 1920 bis 1925, aber auch in der darauf folgenden Zeit ist diese Forderung von uns immer wieder erhoben worden. In den Jahren 1924 und 1926, also knapp vor und nach der Beschlußfassung über das Sozialversicherungsgesetz haben wir eine diesbezügliche Interpellation eingebracht und Minister Schießl hat im Jahre 1924 auf die Interpellation geantwortet, daß sofort nach Beschlußfassung des Abgeordnetenhauses über das Sozialversicherungsgesetz die Wahlen in die Krankenkassen ausgeschrieben würden. Im Herbst 1924, also wenige Monate nach der Antwort, wurde das Gesetz beschlossen, aber trotz neuerlicher Interpellation und neuerlichen Drängens konnte die Ausschreibung der Wahlen in die Krankenkassen nicht durchgesetzt werden. Wir haben tatsächlich seit 15 Jahren in den Krankenkassen keine Wahlen gehabt, ein Zustand, der nicht nur unbegreiflich, undemokratisch, sondern geradezu unerhört ist in einem Staate der sogenannten Demokratie. Es ist kein Wunder, wenn die Arbeiter, die keine Gelegenheit haben, ihre Ansicht über die Verwaltung der Kassen mit dem Stimmzettel in der Hand zum Ausdruck zu bringen, mißtrauisch und allem Einfluß sozialreaktionärer Kreise zugänglich geworden sind. Wir hoffen, daß die Regierung jetzt, nachdem auch die letzte Ausrede in dieser Hinsicht gefallen ist, endgültig mit den Wahlen in die Krankenkassen vorgehen wird und damit die Sicherheit für eine saubere und den Wünschen der Arbeiterschaft entsprechende Verwaltung erfolgt. (Pøedsednictví pøevzal místopøedseda Horák.)

Wenn wir heute abschließend das Ergebnis des Kampfes um die Sozialversicherung zusammenfassen wollen, dann muß festgestellt werden: In einigen Teilen ist zweifellos eine Verbesserung des Gesetzes erreicht worden. Daß die Opposition das Verdienst dafür für sich in Anspruch nimmt, ist selbstverständlich. Die Witwenrenten konnten, wenn auch nur unbedeutend, erhöht werden, die Beiträge der Versicherten sind um ein Geringfügiges erniedrigt worden, was wir nicht gerade als den größten Erfolg betrachten. Die Herabsetzung der Karenz von 3 auf 2 Tage konnte durchgesetzt werden, die Wartezeit im Falle der Invalidität wurde von 150 auf 100 Wochen herabgesetzt. Was steht aber diesen geringfügigen Verbesserungen, die kaum nennenswert sind, an Verschlechterungen gegenüber? Der Kreis der Versicherten wurde verringert, tausende landwirtschaftliche und Saisonarbeiter, Kinder der Arbeitgeber und jugendliche Arbeiter werden dauernd der Wohltat der Versicherung beraubt. Die Selbstverwaltung der Sozialversicherungsinstitute ist arg beschnitten und die Aufsichtsrechte der staatlichen Behörden und Ministerien, besonders des Finanzministeriums neuerdings erweitert. Die Krankenkassenverbände sind unter das Damoklesschwert der dauernden Drohung der Auflösung gestellt und so ist auch der letzte Rest eines Ansatzes einer nationalen Selbstverwaltung der sozialen Gesetzgebung vernichtet. Die Rechte der Arbeiter in der Verwaltung der Krankenkasse sind bedeutend eingeschränkt. Gewiß, wären die Absichten der Koalition ohne Widerstand durchgesetzt worden, so wäre es der Opposition nicht gelungen, doch einige Verbesserungen zu erreichen. Die Vorlage wäre viel schlimmer für die Arbeiter und für die Idee der Versicherung überhaupt ausgefallen. Wir deutschen Nationalsozialisten haben unter Parlamentsdruck 1418 einen eigenen Initiativantrag auf Novellierung der Sozialversicherung eingebracht. Wir bekennen uns zu diesem Initiativantrag und halten ihn voll aufrecht, als Programm für die nächste Zeit und als Weg, auf dem wir weitergehen wollen. Es ist nicht gelungen, den dort niedergelegten Grundsätzen Geltung zu verschaffen, die Mehrheit hat vielmehr eine Novelle beschlossen, die in wesentlichen Punkten eine Verschlechterung des Gesetzes bedeutet.

Aus diesen Gründen sind wir nicht in der Lage, für den vorliegenden Gesetzesantrag zu stimmen. Wir werden aber weiterkämpfen und arbeiten, daß aus der Sozialversicherung, die heute eine unzulängliche und für die Arbeiterschaft durchaus nicht brauchbare Form der Sorge für die Zukunft ist, endlich auch ein Werk wird, bei dem die Arbeiter nicht nur wenigstens einigermaßen in der Sorge für die wirtschaftliche Zukunft erleichtert werden, sondern in dem sie sich auch fühlen können nicht als Objekt, sondern als Subjekt der Gesetzgebung, als eine sich selbst verwaltende Institution. Das wollen wir in Zukunft tun und darauf soll unsere zukünftige Arbeit gerichtet sein! (Potlesk poslancù nìm. strany nár. socialistické.)

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