Pátek 21. záøí 1928

Pøíloha k tìsnopisecké zprávì

o 164. schùzi poslanecké snìmovny Národního shromáždìní

republiky Èeskoslovenské

v Praze v pátek dne 21. záøí 1928 a v sobotu dne 22. záøí 1928.

1. Øeè posl. Schäfera (viz str. 3 tìsnopisecké zprávy):

Hohes Haus! Im sozialpolitischen Ausschuß, der sich Monate lang mit der Novelle zur Sozialversicherung beschäftigt hat, waren die Mitglieder der deutschen Regierungsparteien still. Selbst an den Tagen, wo eingehend und erregt über die wichtigsten Teile der Novelle beraten wurde, konnte man kein Wort von den deutschen Landbündlern und von den Christlichsozialen hören. Sie schwiegen zu allen sachlichen Erläuterungen der Novelle, sie blieben still, als ihnen vorgehalten wurde, daß der Gesetzesantrag zur Sozialversicherung ein feindseliger und gehässiger Vorstoß gegen die Arbeiterklasse sei, sie wehrten sich nicht dagegen, wenn ihnen auseinandergesetzt wurde, daß sie alle Erfahrungen auf dem Gebiete der Sozialpolitik mißachten und sich bei Behandlung der Frage der Sozialversicherung nur von ihrer antisozialen Einstellung, von ihrer feindseligen Gesinnung gegen jede gesunde, weit ausgreifende Sozialpolitik leiten lassen.

Das Bild hat sich jetzt etwas gewandelt. Hier im Plenum des Abgeordnetenhauses haben die Mitglieder der deutschen Regierungsparteien ihre Stimme wieder gefunden. Jetzt sehen wir, wie der Landbündler aus dem sozialpolitischen Ausschuß auftritt und sich als ein Mitbeteiligter an den Verbesserungen aufspielt, die an der ursprünglichen Novelle vorgenommen wurden. Da kommt der Abg. Tichý für die deutsche Gewerbepartei und sagt uns, er habe manches im sozialpolitischen Unterausschuß und in den Beratungen dieses Ausschusses gelernt und er sei von manchem Irrtum abgekommen, seitdem er diese Verhandlungen mitgemacht habe.

Auch er nimmt für sich den Anteil an den Verbesserungen, an den neuen Bestimmungen der Vorlage in Anspruch, über die das Parlament nun entscheiden soll. Und erst recht der dritte Vertreter der deutschbürgerlichen Regierungsparteien, der christlichsoziale Abgeordnete Zajièek will jetzt auf einmal der Öffentlichkeit weismachen, daß die deutschen Christlichsozialen vom Anfang an gegen die Pläne des Ministers Šrámek aufgetreten seien und er meint, daß nicht die Opposition, nicht die sozialistischen Arbeiter, nicht die Arbeiter in den Gewerkschaften und politischen Organisationen die Verbesserungen herbeigeführt hätten, sondern das sei das Verdienst vor allem der deutschen Christlichsozialen. Es nimmt sich etwas eigenartig aus, daß das ganze Jahr über länger als ein Jahr steht ja die Frage der Sozialversicherung auf der Tagesordnung weder in der christlichsozialen Presse, noch in den christlichsozialen Versammlungen solche Töne zu hören waren. Mit Ausnahme der gewerkschaftlichen Pressestimmen der christlichsozialen Arbeiter konnte man in der Presse der deutschen Christlichsozialen niemals eine so feierliche und bestimmte Betonung des Standpunktes hören, von dem gestern Abg. Zajièek dem Hause erzählte, daß er vom Anfang an das Denken - der christlichsozialen Politiker beherrscht hätte. Aber der Herr Abg. Zajièek ist bei der Betrachtung dieses Teiles der Rede meines Kollegen Taub sehr vorsichtig gewesen. Er hat vollständig übersehen, daß nach den ersten feindseligen und gehässigen Presseäußerungen der Christlichsozialen gegen die Forderungen der Arbeiterklasse auf dem Gebiete der Sozialversicherung die christlichsozialen Arbeiter und insbesondere deren Organ die "Christlichsoziale Textilarbeiterzeitung" in Zwittau scharf gegen den Plan der Parität in den Krankenkassen Stellung genommen haben, sowie dagegen, die Leistungen zu verkürzen, die Verbände zu beseitigen und daß es erst, als die christlichsozialen Arbeiter sich gegen die Pläne des Ministers Šrámek wehrten, etwas ruhiger wurde in der Betonung der gehässigen Gesinnung gegen die Arbeiter.

Ich werde ja noch darauf zu sprechen kommen, wie die Ausführungen des Abg. Zajièek vom gestrigen Tage zu bewerten sind. Lassen Sie mich zunächst einmal einiges über die Geschichte dieser Gesetzesvorlage sagen.

Es ist im Oktober des vorigen Jahres dem Abgeordnetenhaus plötzlich eines Tages die Vorlage, im letzten Augenblick, unterbreitet worden. Wenn man sich die damalige Vorlage zur Hand nimmt und deren Bestimmungen überprüft, so kann man nichts anderes, als das Urteil zu bestätigen, das damals allgemein in der Arbeiterklasse ausgesprochen wurde: Die Vorlage zur Sozialversicherung bildet einen herausfordernden Angriff gegen die Arbeiterklasse. Sie sprach allen Erfahrungen, die man in der Kranken-, Alters- und Invaliditätsversicherung in anderen Ländern gemacht hat. Hohn, sie setzte sich über alle bekannten Urteile über das Wesen der Sozialversicherung, ihrer Aufgaben und ihrer Organisation hinweg und war einseitig diktiert von dem Machtwillen der neuen bürgerlichen Koalition, die in dem Augenblick zustande kam, als die deutschen Agrarier ihre Zölle haben wollten und die Christlichsozialen die Erhöhung der Kongrua für eine unbedingte Staatsnotwendigkeit hielten. Es war ein einseitiges, brutales und rücksichtsloses Diktat, das hier vorbereitet wurde, und man möge uns heute nicht damit kommen, daß vom Anfang an bei einzelnen Koalitionsparteien, so bei den deutschen Christlichsozialen, die Überzeugung bestanden hätte, die Vorlage müsse einer gründlichen Umgestaltung unterzogen werden. Die Vorgänge im sozialpolitischen Ausschuß beweisen das Gegenteil. Es hat in wochenlangen Beratungen im sozialpolitischen Unterausschuß nicht ein einziges Merkmal gegeben, aus dem man hätte schließen können, es sei der Koalition und auch den deutschen Mehrheitsparteien wirklich daran gelegen, eine gute, brauchbare Novellierung der Sozialversicherung vorzunehmen. Im Ausschuß selbst war erst recht nichts davon zu spüren. Im März 1928 trat Minister Šrámek im sozialpolitischen Ausschuß mit einer Rede auf, in der er die Sozialversicherungsvorlage, u. zw. die ursprüngliche Vorlage, verteidigte. Er sagte in dieser Rede: Die Regierung steht ganz hinter dieser Vorlage, es ist eine Ehrensache für sie, die Vorlage muß Gesetz werden und die Regierung besteht darauf, daß bis zum 1. Juli 1928 dieses Gesetz im Abgeordnetenhaus erledigt ist. Er hatte damals die Anmaßung, zu sagen: Die Vorlage, die die Regierung zur Sozialversicherung eingebracht hat, bedeutet die Rettung der Idee der Sozialversicherung, und er spielte sich auf den Regierungsmann auf, dem es darum zu tun sei, der Sozialversicherung wirklich erst jene Form zu geben, die sie haben müsse, wenn nicht die ganze Einrichtung in Mißkredit gebracht werden solle. Monsignore Šrámek sprach damals im sozialpolitischen Ausschuß so bestimmt, so entschieden und so herausfordernd gegen die oppositionellen Parteien, daß er das nur in der Überzeugung tun konnte, daß hinter ihm die Regierungskoalition steht. Wenn es anders gewesen wäre, wenn damals schon dem Minister Šrámek bekannt gewesen wäre, daß eine Koalitionspartei, die deutschen Christlichsozialen, unter gar keinen Umständen für eine solche Verschlechterung der Sozialversicherung zu haben sein werde, dann hätte er nicht in dieser herausfordernden Weise sprechen können. Wenn schon damals Minister Šrámek nicht mehr so ganz den Willen und die Überzeugung der Koalition wiedergegeben hätte, dann wäre es notwendig gewesen, das festzustellen, aber die Rede des Ministers Šrámek wurde damals von den deutschen christlichsozialen Mitgliedern des Ausschusses mit Jubel aufgenommen, man stimmte den festen und bestimmten Erklärungen des Ministers Šrámek zu und wir wissen, daß in den darauf folgenden Sitzungen wiederholt vom Referenten, dem èechischen Agrarier Malík, und vom Vorsitzenden des Ausschusses gesagt wurde: Die Vorlage muß rasch zu Ende beraten werden, es sei dem Ausschuß unmöglich zu warten, bis die Fachkommission der Zentralsozialversicherungsanstalt mit ihrem Gutachten fertig sei, mann könne nur dann die Vorschläge der Zentralsozialversicherungsanstalt berücksichtigen, wenn sie rechtzeitig kommen, damit noch vor dem 1. Juli 1928 das Gesetz im Hause erledigt werden kann. Das lautete nicht so, als ob man gewillt gewesen wäre, sachlich an eine solche große Arbeit zu gehen, sondern aus solchen Erklärungen mußte man den Schluß ziehen, es sei der feste Wille der Koalition - und er war es auch - die ursprüngliche Novelle durchzusetzen, ihre gegenwärtige Macht im Parlamente, die allerdings nur auf wenigen Stimmen beruht, brutal auszunützen, um ein Werk zu verschandeln, das ihnen vom Anfang an in der Seele zuwider gewesen ist. Ich habe schon früher einmal darauf verwiesen, daß, als das Sozialversicherungsgesetz im Parlamente beschlossen wurde, von den èechisch-bürgerlichen Politikern einzelne erklärten, sie seien stolz darauf, ein so großes sozialpolitisches Werk geschaffen zu haben. Mit dem Stolz muß es nicht weit her gewesen sein, sonst ist es ganz unmöglich, daß gleich nach dem Inkrafttreten des Sozialversicherungsgesetzes auch in der Presse der èechischen bürgerlichen Parteien, der ehemaligen Teilnehmer an der allnationalen Koalition, eine wüste Hetze gegen die Sozialversicherung entstand. Die deutsch-bürgerlichen Parteien, die Agrarier, die Gewerbetreibenden und auch die Christlichsozialen haben ja nie eine besondere Liebe zur Sozialpolitik in diesem Parlamente zutage treten lassen und es überraschte durchaus nicht, als nach dem 1. Juli 1926 in der Presse der Deutschbürgerlichen die Hetze gegen die Sozialversicherung in noch viel schlimmerem Maße geführt wurde, als es in der èechischbürgerlichen Presse geschah. Die Tat, die dann im Verlaufe dieser Hetze gesetzt werden sollte, bildete die Novelle zur Sozialversicherung, die Tat sollte gesetzt werden durch eine ausgiebige Verschandelung und Verhunzung der Sozialversicherung.

Nun lassen Sie mich darauf zu sprechen kommen, wie die wesentlichen Vorstöße aussahen, die man gegen die Arbeiter in dieser Frage unternahm. Es ist von den beiden Rednern der deutschen Koalitionsparteien gestern und vorgestern wiederholt gesagt worden und zwar mit Recht, daß das im Jahre 1926 inkraftgetretene Sozialversicherungsgesetz, das 1924 beschlossen wurde, auch nicht fehlerfrei gewesen ist, es habe starke Mängel aufgewiesen und es gebe selbst unter den sozialistischen Parteien niemanden, der das bestreiten könnte. Gewiß, das Sozialversicherungsgesetz vom Jahre 1924 ist schon zu einer Zeit zustandegekommen, als die bürgerlichen Klassen in der Èechoslovakei an politischer Macht viel gewonnen hatten. Hätten wir vielleicht in den Jahren 1920 und 1921 an die Lösung der Sozialversicherung herangehen können, so wäre manches anders ausgefallen. Aber seit dem Jahre 1920/21 haben sich für die Arbeiterschaft einige nachteilige Ereignisse abgespielt. Die politische Macht der bürgerlichen Klassen hat zugenommen. Die Arbeiterklasse stand im Jahre 1924 nicht mehr so geschlossen hinter den sozialpolitischen Forderungen, die zur Sozialversicherung gestellt wurden, als das einige Jahre früher der Fall gewesen wäre. Die bedauerliche Zerreißung der sozialistischen Arbeiterbewegung, die Schwächung der Kraft der gewerkschaftlichen und politischen Organisationen bildete für das Auftreten der bürgerlichen Partei en schon in der allnationalen Koalition eine Aktivpost. Sie konnten jeder vernünftigen Anregung in der allnationalen Koalition ganz andere Schwierigkeiten machen als das vorher noch möglich gewesen ist. In dem Augenblicke, wo dann im Jahre 1925 sowohl das èechische als auch das deutsche Bürgertum an Einfluß im Parlament gewannen, eine ausgesprochen bürgerliche Mehrheit aus den Wahlen hervorgegangen war, setzte man sich ohne Zagen und Bedenken bei den èechischen bürgerlichen Parteien darüber hinweg, was hinsichtlich der Sozialversicherung mit den èechischen sozialistischen Parteien vereinbart war. Es ist nicht meine Sache, darüber viel zu reden, ich habe nur darauf hingewiesen, weil auch einer der drei deutschen bürgerlichen Redner zur Sozialversicherung diese Angelegenheit gestreift und gemeint hat, warum denn die sozialistischen Parteien in der allnationalen Regierung nicht gleich ein nach allen Richtungen fehlerfreies Gesetz zustandegebracht haben, warum im alten Gesetz Bestimmungen enthalten sind, die sich nachher als nicht einwandfrei erwiesen haben?

Demgegenüber muß darauf hingewiesen werden, daß es sich dabei ausschließlich um Bestimmungen handelt, die unter dem Druck der Unternehmerverbände und der èechischen bürgerlichen Parteien hier in diesem Hause zustande gekommen sind. Jetzt allerdings wird in der Regierungskoalition nicht mehr darum gekämpft, inwieweit den Arbeitern weiter entgegenzukommen, die sozialpolitischen Forderungen der Arbeiterklasse in Gesetzen zu verankern seien, heute spielen sich die Kämpfe innerhalb der Koalition um andere Dinge ab. Die Politik der jetzigen Regierungskoalition geht darauf hinaus, die besitzenden Klassen in der Steuerfrage zu entlasten und den Besitzlosen, den breiten Massen der Arbeiter immer mehr Lasten aufzuerlegen. Wenn sie in der Koalition untereinander uneinig sind und streiten, dann geht gewöhnlich der Streit darum, wie groß der Teil sein soll, den jede einzelne der bürgerlichen Gruppen aus der Bedrückungspolitik gegenüber den arbeitenden Klassen herausholen will. Wenn die Agrarier mit Hochschutzzollforderungen gekommen sind, als man sich gegenseitig gefunden hatte, dann meldeten sich die Christlichsozialen und forderten die Erhöhung der Kongrua. Wenn bei der Steuerreform für die eine Gruppe der besitzenden Klassen ein Nachlaß in Aussicht genommen war, der für sie eine Erleichterung bedeutete, meldeten sich die anderen, die natürlich auch ihren Anteil an diesen Begünstigungen gegenüber der Arbeiterklasse haben wollten. Das ist heute der Kampf, wie er sich in der Koalition abspielt. Sonst ist man einig. Alle jetzigen Koalitionsparteien stehen, was die Stellung zur Arbeiterklasse und zum gesamten Wirtschaftsleben betrifft, auf dem gleichen Standpunkt. Sie sind ohne Unterschied privatkapitalistisch eingestellt und ihr politisches Denken und Handeln richtet sich ausschließlich gegen die Arbeiterklasse. Darin sind sie einig.

Man will jetzt erzählen, daß in der Koalition die Christlichsozialen gleich in den ersten Tagen, als die ursprüngliche Novelle bekannt geworden war, aufmarschiert wären, um gegen diesen verbrecherischen Versuch, die Sozialversicherung zu verschlechtern, vorzugehen. Daran glauben wir nicht. Alles, was man seither beobachten konnte, was wir seit Oktober 192 7 gesehen haben, beweist das Gegenteil und erst als der Aufschrei der Massen der Arbeiter zu hören war, erst als die Arbeiterklasse ohne Unterschied der Nation dieses Attentat auf alte Rechte brandmarkte, als in gewaltigen Kundgebungen die Arbeiter erklärten, sie ließen sich nie und nimmer eine solche Behandlung gefallen, erst dann sah man sich gezwungen, sich mit den Einwänden gegen die ursprüngliche Novelle zu beschäftigen und sie zu überprüfen. Und wenn bei langen Beratungen Verbesserungen herausgekommen sind, wenn das vor uns liegende Gesetz, die Vorlage, die wir heute erledigen sollen, anders ausschaut, sozialpolitisch besser aussieht als die erste Vorlage, dann ist das ausschließlich das Verdienst des Kampfes der Arbeiterklasse gegen das ruchlose Beginnen, im zehnten Jahre des Bestandes der Èechoslovakischen Republik und im vierzigsten Jahre des Bestandes der Krankenversicherung, eine Krankenversicherung zurecht zu bauen, an der die Arbeiter kein Interesse mehr hätten haben können und die nichts anderes bedeutet hätte als eine neue Domäne für die Industriellen und für die Unternehmer, ihre Macht den Arbeiter fühlen zu lassen, eine Krankenversicherung, die nichts anderes bedeutet hätte, als daß die Agrarier ihren sehnlichsten Wunsch, den sie geäußert haben, erfüllt gesehen hätten, die Arbeiter auch in der Krankenversicherung vollständig unter ihren Einfluß zu bringen. Es hat der Herr Abg. Schubert gesagt, die Forderung nach landwirtschaftlichen Krankenkassen sei eine berechtigte und es sei für die Landwirtschaft eine Zurücksetzung, daß bisher nur so wenige landwirtschaftliche Krankenkassen errichtet wurden; er meinte, das müsse noch gut gemacht werden, er erblicke in der Vorlage überhaupt nur eine Abschlagszahlung auf die Forderungen der Landwirtschaft hinsichtlich der Sozialversicherung und der Krankenversicherung. Wir sehen darin auch nichts anderes. Aber wenn der Herr Abg. Schubert meint, daß es in späteren Tagen möglich sein werde, die Sozialversicherung so zu verschlechtern, wie es ihnen diesmal nicht gelungen ist, dann wird er sich irren. Im übrigen ist das für alle eine Frage, die zu denken gibt. Herr Abg. Schubert sagt uns hier, wie die Landwirte, die er vertritt, wie die Großbauern über die Sozialversicherung denken. Für ihn ist es ganz gleichgültig, wie die Arbeiter darüber urteilen. Wollen denn die landwirtschaftlichen Arbeiter eine eigene landwirtschaftliche Krankenkasse? Seit 1917 sind sie in der Èechoslovakei gegen Krankheit pflichtversichert. In den Jahren von 1919 angefangen bis zur Schaffung des Sozialversicherungsgesetzes waren die landwirtschatflichen Arbeiter in den Bezirkskrankenversicherungsanstalten. Nun, wir kommen doch einigermaßen mit den Arbeitern in Berührung, auch mit den landwirtschaftlichen. Aber es ist uns nicht bekannt, daß jemals unter der landwirtschaftlichen Arbeiterschaft eine Rebellion dagegen ausgebrochen wäre, daß sie mit den industriellen und gewerblichen Arbeitern zusammen in der gleichen Organisation der Krankenversicherung stehen. Im Gegenteil, wo die landwirtschaftlichen Arbeiter befragt worden sind und unbeeinflußt sprechen konnten, was sie in der Frage der Krankenversicherung wünschen, haben sie sich überall dafür ausgesprochen, daß die landwirtschaftlich en Arbeiter keine besonderen Krankenkassen brauchen, die aus mancherlei Gründen nichts anderes sein könnten als Positionen der Landbündler und der agrarischen Partei. Es ist gewiß kein Beweis für die Notwendigkeit der Errichtung landwirtschaftlicher Krankenkassen, daß immer nur die landwirtschaftlichen Arbeitgeber danach rufen und nie die Arbeiter. Wir stehen heute noch wie immer auf dem Standpunkte, daß die Krankenversicherung einheitlich organisiert werden soll, daß die Arbeiter ohne Unterschied in eine Krankenversicherung zusammengefaßt werden sollen, ob sie nun landwirtschaftliche oder industrielle Arbeiter sind. Und es hat nicht, wie der Abg. Schubert meinte, auf der Genfer internationalen Arbeiterkonferenz Anhänger der selbständigen landwirtschaftlichen Kassen gegeben, im Gegenteil, unter dem Widerspruch der landwirtschaftlichen Unternehmer mußte das internationale Arbeitsamt zwei Konventionen zur Krankenversicherung vorlegen. Der Herr Abg. Schubert soll sich die beiden Konventionen anschauen und er wird finden, daß die Konvention für die Krankenversicherung der landwirtschaftlichen Arbeiter wörtlich übereinstimmt mit der Konvention für die Krankenversicherung der industriellen und gewerblichen Arbeiter. Und er wird weiter finden, daß in den grundlegenden Fragen der Krankenversicherung die internationale Arbeitskonferenz einen ganz anderen Standpunkt eingenommen hat, als er hier vertreten wurde.

Wenn die Koalition hätten kommen wollen, um die Mängel des bisherigen Gesetzes zu beseitigen, dann hätte sie einen anderen Weg einschlagen müssen. Um ein solches Werk zu schaffen, darf man vor allem nicht über jene hinweggehen, die daran arbeiten. Daß wir dann im Verlauf der Beratungen über die Novellierung der Sozialversicherung ernste Gegenvorschläge tiefdurchdachter Art bekamen, daß wir schließlich ein in allen Teilen durchgearbeitetes Elaborat erhalten haben, das war nicht verursacht durch das Bestreben der Koalition, die Fachleute kennen zu lernen, nein, der Ausschuß der Zentralsozialversicherungsanstalt hat sich dagegen verwahren müssen, daß die wichtigste Einrichtung der Sozialversicherung, nämlich das Zentralinstitut, bei der Ausarbeitung einer derartigen Gesetzesvorlage übergangen werde und die Fachkommission der Zentralsozialversicherungsanstalt hat unaufgefordert, aus Sorge um die Zukunft der Sozialversicherung, sich daran gemacht, diese schwere, wirklich hochstehende Arbeit zu leisten. Und wie ist sie anfänglich behandelt worden? Haben wir nicht wiederholt hören müssen: Wir können nicht auf das warten, was die Fachleute sagen, wir sind daran gebunden, daß das Gesetz mit 1. Juli 1928 fertig ist, wir können uns nicht darauf einlassen, die Beratungen und sachlichen Erwägungen abzuwarten, die im Fachausschuß der Zentralsozialversicherungsanstalt vor sich gehen. Ja, die jetzige Regierungskoalition macht es sich bei derartigen Fragen nicht so schwer, sie ist bald fertig, beherrscht von ihrer Gehässigkeit gegen die Arbeiter. Immer wieder muß betont werden. So schleuderhaft, so leichtfertig und so frivol und ist noch in keinem Parlament der Welt eine derartige Vorlage von der Regierung und von den Regierungsparteien ausgearbeitet worden. In jedem anderen Parlament würde man sich schämen, so vorzugehen, würde man es als eine Beleidigung des gesunden Menschenverstandes betrachten, wenn man einer Abgeordnetenversammlung zumuten wollte, sie solle, weil die Koalition es so für gut findet, einem derartigen Gesetzentwurf die Zustimmung geben. Ja, sie wollten nicht einmal einen Buchstaben ändern lassen, für sie war des alles wohl durchdacht und die deutschen Gewerbetreibenden, Christlichsozialen und Landbündler waren einig darin, daß ohne Gesetzwerdung der Novelle, wie sie damals vorlag, der Gewerbestand nicht bestehen kann, die Landwirtschaft nicht bestehen kann, wozu noch die Unternehmer erklärten, auch sie müßten Wert darauf legen, daß die Novelle ohne weitgehende Änderung angenommen werde.

Heute kommt die Mehrheit und sagt: Was wollt Ihr? Wir haben euch ja ein ganz anderes Gesetz vorgelegt, die heutige Vorlage enthält eine Reihe von Verbesserungen. Das hat der Abg. Schubert getan, der Abg. Tichý, damit hat geprungt der Abg. Zajièek. In Wahrheit aber ist es nicht ihr Verdienst, man kann ruhig sagen, es ist das Ergebnis eines harten, leidenschaftlichen Kampfes der Arbeiterklasse für die Erhaltung der Sozialversicherung, gegen die Bedrohung der Sozialversicherung, und es ist auch mit das Werk jener Männer im Vorstande der Zentralsozialversicherungsanstalt, die in stundenlangen Beratungen bei Tag und bei Nacht durch eine neue Vorlage die bürgerlichen Parteien, soweit sie ernst zu denken vermochten, von ihrer Absicht abgeschreckt haben, so daß einzelnen von ihnen erst bewußt wurde, daß das, was sie zu tun sich anschickten, eigentlich ein Schandwerk sei, mit dem sie keinen Ruhm einheimsen werden.

Hohes Haus! Die Einstellung der Bürgerkoalition zur Sozialpolitik ist überhaupt eine gehässige. Seit dem Umsturz spielt die Sozialpolitik, die soziale Verwaltung in allen Staaten eine gewaltige Rolle. Es gibt keinen Staat, mit Ausnahme der Negerländer, in dem nicht auch die bürgerlichen Parteien mitarbeiten würden, die soziale Gesetzgebung fortzuentwickeln. In den großen Gesellschaften für die Förderung der Sozialpolitik sitzen nicht nur Sozialdemokraten, sondern auch Bürgerliche, überall merken wir, daß von Jahr zu Jahr an der Verbesserung der sozialpolitischen Einrichtungen gearbeitet wird. Es ist also durchaus keine Schande, wenn die Èechoslovakei ein Gesetz aus dem Jahre 1924 verbessert, welches an einigen Stellen verbesserungsbedürftig ist. In Deutschland ist die Reichsversicherungsordnung seit ihrem Bestehen schon sehr oft verbessert worden, seit 1918 ist eine ganze Reihe von Verbesserungen vorgenommen worden und jetzt arbeitet man in Deutschland abermals an einer Prüfung der Reichsversicherungsordnung und wird sie weitgehend umändern. Aber wenn Sie die sozialpolitische Arbeit der anderen Parlamente und anderen Regierungen betrachten, merken Sie eines: überall schöpft man aus den Erfahrungen, überall berücksichtigt man das, was man bei Anwendung eines Gesetzes wahrgenommen hat, überall berücksichtigt man die Arbeiterklasse in der Sozialpolitik. Mit einer solchen Schroffheit aber wie bei uns geht kein Staat, ausgenommen vielleicht am Balkan, gegen sozialpolitische Maßnahmen vor. Greifen wir einen Punkt dieser Vorlage heraus: Wer ist berechtigt, in der Krankenversicherung entscheidend zu bestimmen? Die Gewerbeparteiler sagen: Wir zahlen 100% der Prämien, deshalb ertragen wir die Versicherung der Lehrlinge gegen Alter und Invalidität nicht, die Bauern, die Landbündler kommen damit, daß die Landwirtschaft so belastet ist, daß sie die Kosten der Alters- und Invaliditätsversicherung niederdrücken, ihre Eintwicklung behindern. Ja, im Herbst des Jahres 1927 ist sogar ein agrarisches Blatt, die "Scholle" in Braunau, damit gekommen, daß sie erklärt, die Versicherungspflicht braucht in der Landwirtschaft erst vom 30. Lebensjahre zu beginnen. (Hört! Hört!) Solche verrückte Ideen und Gedanken sind wahrhaftig in der agrarischen Presse erörtert worden. Dann kommen sie bei der Forderung der Parität damit: Ja, wir zahlen doch die Hälfte der Beiträge in der Krankenversicherung, infolgedessen müssen wir einen entsprechenden Einfluß haben, infolgedessen muß die Parität geschaffen werden. Das ist eine Auffassung, der nicht nur wir nicht beitreten können, sondern der selbst bürgerliche Sozialpolitiker und Nationalökonomen nicht beitreten und nicht beigetreten sind. Es ist nicht richtig, den Teil, den der Unternehmer für die Alters-, Invaliditäts- und Krankenversicherung zahlt, als eine Leistung des Unternehmers zu betrachten. Nach der Auffassung von Nationalökonomen und bürgerlichen Sozialpolitikern älteren Datums hat der Lohn des Arbeiters zu umfassen nicht nur die Erhaltungskosten der Gesundheit, nicht nur die Lebenshaltungskosten, sondern vielmehr, es soll ein Lebenslohn sein, der den Arbeitern zu geben ist. So schreibt in einigen seiner Briefe Riccardo an einen anderen Nationalökonomen vom Jahre 1811 bis 1823 an einer Stelle: "Die Arbeitslöhne müßten und würden unter einem wirklich guten System so hoch sein, daß sie nicht nur für den Arbeiter und seine Familie ausreichten, wenn er volle Beschäftigung hat, sondern sie müßten es ihm auch ermöglichen, Rücklagen für außergewöhnliche Fälle zu machen! " Und in derselben Zeit sagte der bürgerliche Nationalökonom und Mitschöpfer der bürgerlichen Sozialpolitik Sismondi: "Der Arbeitslohn ist nicht nur eine Entschädigung für die Arbeit und deren Dauer nach Stunden berechnet, er ist das Einkommen des Armen. Infolgedessen soll er nicht allein für seinen Unterhalt während der Aktivität, sondern auch während der Zeit, in der keine Arbeit geleistet wird, ausreichen. Er soll für die Krankheit und das Alter ebenso vorsorgen, wie für die Mannesjahre, für die Krankheit ebenso wie für die Gesundheit, für die zur Erhaltung der Kräfte notwendigen Ruhetage wie für die Arbeitstage." Was steckt in dieser Erklärung des Arbeitslohnes? Der Lohn soll es dem Arbeiter ermöglichen, nicht nur von der Hand in den Mund zu leben, sondern er soll ihm sein Leben überhaupt möglich machen. Der Lohn soll für die Erhaltung der Familie ausreichen. Nun sehen wir uns doch einmal heute die Arbeitslöhne an. Ist das, was Bürgerliche und Nationalökonomen vor mehr als 100 Jahren bei der Bezahlung der Arbeitskräfte als notwendig bezeichnet haben, irgendwo in der kapitalistischen Welt der Fall? Familienmitglieder müssen mit in die Arbeit gehen, weil es dem männlichen Arbeiter nicht möglich ist, seine Kinder und seine Frau von seinem Verdienste zu erhalten. Sie werden aber sagen: "Das sind alte Erkenntnisse, heute denken die bürgerlichen Nationalökonomen ganz anders." Aber auch das stimmt nicht. Dem christlichsozialen Abg. Zajièek sei gleich gesagt, daß der Führer der christlichsozialen gewerkschaftlich organisierten Arbeiter der gleichen Auffassung ist, daß der Versicherungsbeitrag ein Teil des Arbeitslohnes ist und daß die Unternehmer infolgedessen gar kein Recht haben, zu verlangen, über die Verwendung der Versicherungsbeiträge ausschließlich entscheiden zu können. Denn um das geht es ihnen bei der Einführung der Parität. (Posl. Pohl: Der Unternehmerbeitrag ist auch von den Arbeitern verdient!) Gewiß, der Unternehmer zahlt keine Beiträge, wenn nicht vorher der Arbeiter den dazu notwendigen Wert erarbeitet hat, der Versicherungsbeitrag ist also ein Teil des Arbeitslohnes. Aber da sagt Friedrich List, ein bürgerlicher Volkswirtschaftler und Sozialpolitiker Deutschlands, daß die Sozialpolitik als eine Produktion von produktiv en Kräften betrachtet werden muß, also nicht so beurteilt werden darf, wie es die Unternehmerssekretäre so gern tun. "Der Mensch ist ein gesellschaftliches Gut," erklärt er, "jeder Verbraucher menschlicher Arbeitskraft haftet der Gesellschaft für ihre Existenz, Erhaltung und Ersatz." Was sagt das? Das sagt, daß der Unternehmer, der menschliche Arbeitskraft verwendet, der Gesellschaft schuldig ist dafür zu sorgen, daß diese Arbeitskräfte nicht zerstört werden, dafür zu sorgen, daß sie erhalten werden, daß sie ein Gut der Gesellschaft sind, und es ist durchaus die Pflicht des Unternehmers, dafür einzutreten und dafür mitzusorgen, daß, wenn die Löhne nicht ausreichen, alle diese Sicherstellungen durch Gesetze ermöglicht werden, daß vorgesorgt wird, daß die Arbeitskraft, wenn sie von Krankheit bedroht ist, bald wieder hergestellt wird.

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