Wir Deutschnationalen verwahren uns aber von
vornherein gegen den ganz unberechtigten Vorwurf, als ob wir durch
unsere etwas nüchterne Darstellung der ganzen Angelegenheit
und durch Darlegung ihrer unangenehmen Seite dem Ziele, das wir
doch hoffentlich genau so wie Minister Beneš anstreben,
nämlich alle Steine aus dem Wege zu räumen, die auf
dem Wege zu einem wirklich freundschaftlichen Verhältnisse
zu Deutschland liegen, etwa schaden könnten. Das genaue Gegenteil
ist natürlich der Fall. Wir stellen uns auf den Standpunkt,
daß wir den guten Glauben oder den guten Willen des Herrn
Außenministers nicht zu bezweifeln brauchen. Aber was nützt
dieser gute Wille, wenn er in an deren Ressorts nicht vorhanden
ist und wenn der Herr Minister nicht imstande ist, diese Ressorts
zur Einsicht der außenpolitischen Notwendigkeiten zu bekehren.
Minister Beneš hat ja selbst die Meinungsverschiedenheiten
und Differenzen, die zwischen seiner Auffassung und jener anderer
Ressorts liegen, offen genug angedeutet, indem er darauf hinwies,
daß alle maßgebenden Faktoren dieser Republik sich
endlich einmal werden definitiv einigen und die gesamtstaatliche
Linie der Handelspolitik bestimmen müssen. Er hat sich darüber
beklagt, daß diese Frage hierzulande nur gelegentlich
gelöst wurde, und er hat weiter erklärt, daß die
Entwicklung Europas in nächster Zeit die Èechoslovakei
zur Lösung dieser Frage nötigen werde, weil die Èechoslovakei
ihre Handelspolitik für die nächstfolgenden Jahre selbst
rechtzeitig werde vorbereiten müssen.
Und Beneš selbst hat eine sehr ernste Warnung
ausgesprochen, der wir durchaus zustimmen können, daß
nämlich, wenn die Schwierigkeiten in der Èechoslovakei
nicht gelöst werden könnten, sie zu schweren innerpolitischen
Krisen führen müßten. Wenn wir hinzufügen:
"Auch zu außenpolitischen Krisen", so beziehen
wir uns ebenfalls wieder auf den Herrn Außenminister selbst,
der ganz richtig sagte: "Die Èechoslovakei hat starke
wirtschaftliche Beziehungen zu Deutschland und daher auch auf
dieser Seite große politische Interessen".
Der rosenrote Optimismus hat nun Minister Beneš verführt,
zwar einerseits zuzugeben, daß bei den Handelsvertragsverhandlungen
mit Deutschland die Èechoslovakei große Schwierigkeiten
in Industrie und Landwirtschaft habe, andererseits
aber zu hoffen, daß die konkreten Verhandlungen bald beginnen
können oder daß diese Verhandlungen auch nicht länger
als mit manchen anderen Staaten dauern werden. Wir verraten wohl
dem Herrn Minister Beneš nichts Neues, wenn wir ihn
darauf aufmerksam machen, daß diese von allen Teilen der
hiesigen Industrie als notwendig empfundenen Verhandlungen, die
ja nach dem Herrn Beneš selbst einer wirtschaftlichen
Notwendigkeit Zentraleuropas entsprechen, solange nicht beginnen
werden, solange die Èechoslovakei die
zwischen ihr und dem Deutschen Reiche anhängigen Angelegenheiten
nicht bereinigt und dadurch nicht ihren guten Willen und ihre
Verläßlichkeit als Vertragspartner bewiesen hat. So
wie bisher geht es nicht. Da ist vor allem die Frage der Markprioritäten.
Hier handelt es sich auch bei einer Einlösung 1 Goldmark
1 Kè, was gewiß keine ideale, aber immerhin eine
mögliche Lösung wäre, um einen Betrag von wenigen
Millionen, die alljährlich zur Verzinsung und Amortisation
ins Budget eingestellt werden müßten.
Aber der Herr Finanzminister Dr Engliš erklärte
auf eine Anfrage meines Fraktionskollegen Dr Keibl,
in dieser Frage könne die Èechoslovakei nicht entgegenkommen,
denn es handle sich um eine Frage des Prinzips. Der Herr Finanzminister
ist uns freilich die Erklärung schuldig geblieben, um welches
Prinzip es sich da handelt. Handelt es sich um das Prinzip, daß
ein bestehendes Gesetz nicht geändert werden dürfe?
Aber ein solches Prinzip besteht doch wahrhaftig in der Èechoslovakei
nicht, denn es sind doch sicher genug
bestehende Gesetze novelliert worden und noch mehr werden in Zukunft
novelliert werden müssen. Oder handelt es sich um das angeblich
in der Èechoslovakei gültige Prinzip, daß nichts
aufgewertet werden darf? Andere Kategorien von Papieren sind doch
auch aufgewertet worden!
Es kann sich also nur um das schöne Prinzip handeln, daß
in der Èechoslovakei grundsätzlich nichts bezahlt
wird, wozu sie nicht absolut gezwungen ist, auch wenn die rechtliche
Forderung noch so sehr feststeht. Ist das vielleicht ein Prinzip
der westlichen Finanzkultur, von dem der Herr Finanzminister so
schwärmt? Wir empfehlen dem Herrn Außenminister dringend,
einmal mit dem Herrn Finanzminister die Frage dieses Prinzips
zu klären, damit die Markprioritätenangelegenheit wirklich
einmal anständig revidiert werden kann. Er wird sich wundern,
wie rasch dann die Handelsvertragsverhandlungen mit dem Deutschen
Reiche vorwärtsgehen. Vielleicht übergibt auch der Herr
Außenminister dem Herrn Finanzminister die Nummer der "Prager
Presse" vom 18. Oktober d. J., in der ein Artikel "Schuldenzahler"
enthalten ist. In diesem Artikel wird der sehr vernünftige
Standpunkt vertreten, daß eine intransigente Haltung in
der Frage der Schuldenzahlung nachteilige Folgen für den
betreffenden Staat haben kann und daß in der Frage der Goldrenten
allein das Festhalten an dem Buchstaben des Friedensvertrages
mehr kosten könne, als an Ablösung für die Papierschulden
verlangt werde.
Das Blatt sagt wörtlich:
"Aber auch sonst haben die ausländischen
Gläubiger noch sehr starke Zwangsmittel in der Hand, um ihre
Macht fühlen zu lassen. Man kann nach zehn Jahren nicht einige
Milliarden in Gold eingezahlte Titres im Auslande schwimmen lassen,
ohne daß sich das einmal in kreditpolitischer Richtung auswirkt......
Die Frage dieser Renten würde eine offene Wunde am europäischen
Rentenmarkt bleiben...... Dabei dürfte es den betreffenden
Staaten nicht entgangen sein, daß sie mit ihren Kreditansprüchen
angesichts der amerikanischen Kreditsperre auf die europäischen
Märkte angewiesen sein werden."
Soviel Worte, soviel Wahrheiten! Freilich handelt es sich in diesem
Artikel nicht um Schulden, die die Èechoslovakei zu zahlen
hat, sondern um Schulden, von denen das Blatt hofft, daß
sie der Èechoslovakei bezahlt werden sollen.
Vielleicht fragt der Herr Außenminister, ob dies der Standpunkt
des Prinzipes ist, den der Herr Finanzminister in der Aufwertungsfrage
einzunehmen gedenkt. Es ist aber wirklich heiter, daß die
Èechoslovakei in ihrem offiziösesten
Blatt die Zahlung von anderen verlangt! Natürlich wird übrigens
bei dieser Gelegenheit von einem "kleinen Streit um die Markprioritäten"
gesprochen.
Ja, es ist ein kleiner Streit, weil die Èechoslovakei nicht
viel bezahlen braucht, wenn sie das, was sie von anderen verlangt,
selbst tun wollte. Aber es ist ein großer Streit, weil es
sich eben um ein Prinzip handelt, allerdings um das Prinzip, daß
man Gläubiger nicht um ihr Geld bringen darf. Wir möchten
übrigens wissen, wo die Èechoslovakei
in der Frage der Markprioritäten 15% in Gold geboten hat
und wo sie den Gläubigern mehr bringt, als die Èechoslovakei
zu geben braucht. Diese Behauptung der "Prager Presse"
bezüglich der Prager Markprioritäten ist nämlich
vollständig unrichtig.
Nehmen wir aber auch die Frage des Gesetzes
zum Schutze des heimischen Arbeitsmarktes. Auch hier täuscht
sich der Herr Minister sehr, wenn er meint, dieses Gesetz sei
kein Hindernis, weil man sich auf administrativem Wege über
die Durchführung geeinigt habe.
Es ist wirklich sehr schade, daß der
Herr Außenminister uns nicht gesagt hat, wer dieses "man"
ist und wie diese "Einigung" ausschaut.
Mit Deutschland gibt es nämlich eine solche Einigung nicht
und hier liegt der Hauptsitz der Gefahr für die èechoslovakische
Wirtschaft.
Es ist ganz selbstverständlich, daß
Deutschland es sich nicht gefallen lassen kann, daß 35.000
seiner Angehörigen infolge der wirklich sehr sonderbaren
Bestimmungen der Durchführungsverordnung zum Arbeitsmarktschutzgesetz
mit ihrer Existenz in der Luft hängen oder von der Gnade
eines beliebigen kleinen Bezirkshauptmannes abhängen Dieser
Zustand dauert aber trotz der gegenteiligen Versicherungen und
Versprechungen an, so unhaltbar er auch ist.
Unhaltbar ist es natürlich auch, daß
während der Handelsvertragsverhandlungen, beziehungsweise
während sie ruhen, einfach auf dem Wege einer Zollverhandlung,
der Gewichtszoll auch auf die Emballage ausgedehnt wird, eine
plötzliche faktische Zollerhöhung im großen Maßstab
eintritt, sodaß alle inzwischen getroffenen Vereinbarungen
illusorisch werden und sich für die Èechoslovakei
einseitig ein um vieles höherer Ausgangspunkt bei den einzelnen
Zollpositionen ergibt.
Auch ein solches Vorgehen entspricht weder
der Billigkeit noch irgend einer Wirtschaftskultur und
kann den guten Glauben an die Èechoslovakei als Vertragspartner,
welcher gute Glaube doch die Voraussetzung jedes Handelsvertrages
ist, nicht erhöhen. Glaubt der Herr Außenminister,
daß sich das Deutsche Reich ein solches Spiel wird lange
gefallen lassen? Dr Beneš hat gesagt,
in den verflossenen zehn Jahren habe es keinen Konflikt mit Deutschland
gegeben. Das ist formal richtig, aber nur deshalb, weil das Deutsche
Reich bisher gefesselt am Boden lag und sich nicht wehren konnte.
Doch kann der Herr Außenminister
versichert sein, daß das Deutsche Reich die Haltung der
Èechoslovakei in der oberschlesischen Frage, wo Dr Hodaè
entgegen dem klaren Willen der Bevölkerungsmehrheit für
die Abtretung eines großen Teiles deutschen Landes entscheidend
mitwirkte, nicht vergessen wird. Ebenso
kann das Deutsche Reich nicht vergessen, daß zur Zeit der
Ruhrbesetzung die Èechoslovakei mehr oder weniger verhüllt
mit dem Gedanken einer Anteilnahme an den famosen Sanktionen gegen
das Deutsche Reich spielte.
Doch die Verhältnisse haben sich geändert,
wovon sich der Herr Außenminister ja durch persönlichen
Augenschein in Berlin überzeugen konnte und das Deutsche
Reich steht heute wieder als Großmacht da, mit der man nicht
mehr umspringen kann, wie man will.
Der Herr Außenminister möge raschest
alles vorkehren um diese Dinge tatsächlich und auch gefühlsmäßig
zu ändern, denn sonst wird er eines Tages an Stelle des von
ihm behaupteten freundschaftlichen Verhältnisses ein gespanntes
Verhältnis zum Deutschen Reich vorfinden.
Wir sind sicherlich die Letzten, die an einer solchen Änderung
ein Interesse hätten, denn sie würde zwar der gesamten
èechoslovakischen Wirtschaft, aber vor allem der sudetendeutschen
schwere Wunden schlagen.
Hier ist auch der Punkt, wo wir das Verhalten
der deutschen Regierungsparteien als ganz unbegreiflich feststellen
müssen. Ihnen sind genau so wie unserer Partei z. B. die
gerechten Ansprüche der Markprioritäten mitgeteilt worden.
Von unserer Seite ist hier im Hause in ernster Weise auf die
Bedeutung dieser Frage für die Èechoslovakei und für
das Deutsche Reich hingewiesen worden. Den Herren von den deutschen
Regierungsparteien ist es aber weder in diesem Falle noch im Falle
des Arbeitsmarktschutzgesetzes eingefallen, auch nur das Geringste
zu tun, obzwar sie die Annahme dieser Gesetze hätten verhindern
können, und obzwar sie auch wußten, welche verderblichen
Folgen diese Gesetze für das Verhältnis zum Deutschen
Reich haben müssen. Es gab wirklich in der Wilhelmstraße
Leute, welche meinten, die deutschen Regierungsparteien
würden durch ihre sogenannte "Anteilnahme an der Macht"
die Èechoslovakei sozusagen neutralisieren. Die deutschen
Regierungsparteien haben in dieser Richtung auch dort schwer enttäuscht,
denn heute sieht man klar, daß sie gar
nichts vermögen, ja, daß sie sogar an Gesetzen mitwirken,
die eine offene Feindseligkeit gegen das Deutsche Reich bedeuten.
Wenn nun das Deutsche Reich zu Retorsionsmaßnahmen schreitet,
wenn auf die Registrierung der èechoslovakischen Staatsangehörigen
im Deutschen Reiche noch schärfere Maßnahmen folgen
sollten, wenn davon in erster Linie Sudetendeutsche betroffen
werden, wenn insbesondere die sudetendeutsche Industrie unter
der Nichtaufnahme der Handelsvertragsverhandlungen mit dem Deutschen
Reiche schwer leidet, so mögen sich alle Geschädigten
bei den deutschen Regierungsparteien dafür bedanken, deren
geringe politische Einsicht, deren Ohnmacht und Untätigkeit
zum Himmel schreit.
Und diese Herren haben heute noch den Mut,
sich als Aktivisten zu bezeichnen. Aktivismus ist doch das Gegenteil
von dem, was sie tun.
Und noch ein kurzes Wort zum Schlusse: Der
Herr Koll. Oehlinger von der deutschen christlichsozialen
Volkspartei war es, der den Ausspruch des Herrn Außenministers
zitierte, der "Anschluß" bedeute den Krieg, und
der hinzufügte, eine solche Politik könnten die deutschen
Regierungsparteien nicht mitmachen.
Sie machen sie aber mit, denn sonst könnten
sie ja nicht für das Budget des Außenministeriums stimmen.
Der Herr Außenminister hat es nicht gewagt, die Tatsache
zu dementieren, daß er diesen Ausspruch getan hat. Darauf,
daß er ihn französisch und nicht deutsch machte, "¾anschluß,
c´est la guerre", wird er sich doch nicht ausreden wollen.
Glaubt Herr Dr Beneš, daß
das der Weg ist, um ein freundschaftliches Verhältnis zum
Deutschen Reiche herzustellen? Bedeutet eine solche Phrase nicht
an sich schon einen Konflikt?
Es ist ein sehr einfaches Mittel, zu erklären,
man dürfe über die österreichische Anschlußfrage
nicht reden, dann würde man sich auch nicht gegen den Anschluß
aussprechen müssen, geradeso wie es sehr einfach ist, den
bedrückten Minderheiten den Rat zu geben, ihre Angelegenheiten
als innerpolitische zu Hause auszutragen, und sie auf den aussichtslosen
politischen Kampf im Innern des betreffenden Staates zu verweisen.
Diesen Rat hätte jemand dem Herrn Dr Beneš oder
dem Herrn Dr Masaryk im alten Österreich geben sollen!
Wir sind natürlich überzeugt, daß sie darauf sofort
in ihre Heimat zurückgeeilt wären.
Aber die Bedrückung, unter der die Sudetendeutschen
hier leiden, ist zehnmal ärger, als was den Èechen
im alten Österreich widerfahren ist, wenn dort überhaupt
von einer Bedrückung nichtdeutscher Nationalitäten die
Rede sein konnte.
Auf einmal sollen die unterdrückten Völker
schweigen, noch dazu in Fragen, die wie zum Beisp. der Anschluß
Österreichs an Deutschland ausdrücklich der Lösung
durch den Völkerbundsrat vorbehalten sind, welche Lösung
natürlich nur durch eine entsprechende Agitation herbeigeführt
werden kann. Wir können nichts anderes tun, als den Herrn
Außenminister warnen, auf dem Wege fortzuschreiten, den
er bisher gegangen ist.
Weil wir diesen Weg nicht gutheißen können,
wird die Deutsche Nationalpartei gegen das Budget des Außenministeriums
stimmen. (Souhlas a potlesk poslancù nìm.
strany národní.)