Úterý 26. února 1929

Pøíloha k tìsnopisecké zprávì

o 184. schùzi poslanecké snìmovny Národního shromáždìní

republiky Èeskoslovenské

v Praze v úterý dne 26. února 1929.

1. Øeè posl. Sehweichharta (viz str. 10 tìsnopisecké zprávy):

Hohes Haus! In Verhandlung stehen unter anderem zwei Zusatzprotokolle zum polnischen Handelsvertrag. Das eine Zusatzprotokoll betrifft die von Polen zugestandene Erhöhung der Seidenzölle, die von der heimischen Industrie verlangt wurde. Der Vertrag ist bereits im Feber 1928 geschlossen und provisorisch schon längst in Kraft gesetzt worden. Das zweite, weit wichtigere Zusatzprotokoll bedeutet die ungefähre Wiederherstellung des status quo, der durch die von Polen vorgenommene Zollaufwertung um 30 bis 72% empfindlich gestört wurde. Die Vorlage gibt zu, daß bei einigen wichtigen Artikeln, wie z. B. bei Häuten und Maschinen, ein entsprechender Erfolg allerdings nicht erzielt worden ist. Das bedeutet, daß unsere handelspolitische Situation nicht besonders kräftig erscheint. Dieses zweite Zusatzprotokoll wurde am 13. Juni 1928 in Warschau unterschrieben und am 13. Juli 1928 provisorisch in Kraft gesetzt. Es ist sicher sehr kennzeichnend, daß das Parlament erst nach einem vollen Jahre, bezw. nach mehr als einem halben Jahre in die Lage kommt, sich nachträglich mit diesen Zusatzprotokollen beschäftigen zu können. Nachdem wir jetzt natürlich nichts daran ändern können, besteht wohl kein besonderer Anlaß, sich mit erledigten Dingen näher zu befassen.

Viel dringender und bedeutungsvoller sind heute andere Fragen, die die Volkswirtschaft der Èechoslovakei aufs tiefste berühren, vor allem die Frage der Schweineeinfuhr. Gegen das polnische Schwein, aber auch gegen das ungarische und serbische laufen die Agrarier heute ebenso Sturm, wie seinerzeit gegen die Einfuhr der serbischen Schweine nach Österreich. Die Agrarier, deutsche sowohl wie èechische, möchten am liebsten die vollständige Sperrung der Grenzen gegen die Einfuhr der Sehweine aus dem Auslande verlangen, respektive sie trachten durch eine sehr starke Erhöhung der Zölle denselben Zweck zu erreichen. Das Landwirtschaftsministerium kommt den Wünschen der Agrarier wie gewöhnlich entgegen und sperrt z. B. für viele polnische Bezirke gänzlich die Einfuhr angeblich wegen Seuchengefahr. Man kennt diese Methoden vom Schweinekrieg zwischen Serbien und Österreich her leider allzu gut. Die aggressive Zollpolitik der Agrarier erschwert selbstverständlich die handelspolitische Situation der Èechoslovakei ungemein. Mit dem politisch befreundeten Jugoslavien ist deshalb noch immer kein Vertrag zustandegekommen. Ich verweise bei dieser Gelegenheit auf die Äußerungen der "Pravda" in Belgrad, die erklärt, daß eine solche Politik den Zollkrieg und die Einführung von Maximalzöllen gegen die Èechoslovakei bedeuten würde. Ob die jetzigen Verhandlungen der Kleinen Entente in Bukarest für uns einen entsprechenden Erfolg haben werden, muß natürlich dahingestellt bleiben.

Wie steht nun die Situation auf dem Gebiete der Schweineeinfuhr? Kann man sie wirklich vereiteln oder zum größten Teil drosseln? Ich möchte vorerst einige Fachleute sprechen lassen, die nicht unserem Lager entstammen. In sein em im Jahre 1926 erschienene Buche "Praktische Vorschläge für die Wahrung der land- und forstwirtschaftlichen Interessen bei der definitiven Neuregelung des èechoslovakischen Zollwesens" vertritt Herr Dr. Schilling von der deutschen Sektion des böhmischen Landeskulturrates in Prag die agrarische Schutzkpolitik. Er gibt aber in seinem Buche offen zu, daß bei dem gegenwärtigen Stande der Viehproduktion auf die Einfuhr aus dem Auslande wohl nicht ganz verzichtet werden kann. Noch viel deutlicher spricht sich Herr Landesökonomierat Teiner in Brünn aus, und zwar in der Festnummer der "Verlautbarungen der deutschen Sektion des mährischen Landeskulturrates" anläßlich der vorjährigen Landwirtschaftlichen Ausstellung in Mähr.-Schönberg. Er schreibt unter anderem: "Es ist nicht zu vergessen, daß die Èechoslovakei immer auf die Einfuhr von Schweinen und Schweinefleisch angewiesen, ja dazu gezwungen sein wird. Das liegt auf ein em anderen Gebiete, hervorgerufen durch die geographische Lage der Republik, ihre Verpflichtungen und ihre Rücksichtnahme auf handelspolitischem Gebiete gegenüber den Nachbarstaaten". Herr Teiner stellt ausdrücklich die Rückständigkeit der heimischen Schweineproduktion fest. In Deutschland kommen nach seinen Darlegungen auf je 100 Einwohner rund 31.3 Stück Schweine, in der Èechoslovakei nur 16.19 Stück. In Deutschland ist infolgedessen die bei uns herrschende Schweinenot im Augenblick vorüber. In den ersten neun Monaten des Vorjahres sind in Deutschland um 1,620.000 Stück Schweine, d. i. um 19.5% mehr geschlachtet worden. Dabei stieg der Preis um 10 bezw. 12 Mark. Sicherlich ein günstiges Zeichen für Deutschland. In Dänemark, das landwirtschaftlich sehr hoch entwickelt ist, dessen Struktur aus kleinen Landwirtschaften besteht, dessen Bauern genossenschaftlich glänzend organisiert sind, geistig hevorragend geschult erscheinen, kommen auf 100 Einwohner mehr als 121 Schweine. Daher konnte auch Dänemark im Jahre 1926 rund 18.000 lebende Schweine und 1,900.000 q Schweinefleisch ausführen, während die Èechoslovakei im gleichen Jahr 433.870 Lebendschweine und ca 406.000 q Schweinefleisch einführte, was über 800 Millionen Kè ausmachte. Im Jahre 1927 wurden 670.794 Stück Schweine in die Èechoslovakei eingeführt, im Jahre 1928 sogar 850.000 Stück. Das ist natürlich ein sehr bedenkliches Zeichen für die heimische Schweineproduktion und ein Beweis dafür, daß sie leistungsunfähig ist gegenüber dem großem Bedarf, der immer besteht, was hier ausdrücklich festzustellen ist; und das trotz der Erhöhung des Schweinezolls von 12 auf 72 Kè für Schweine im Gewichte von 50 bis 80 kg. Warum diese eigenartige, bedauerliche, die Volkswirtschaft schädigende Erscheinung? Herr Landesökonomierat Teiner in Brünn weist mit Recht darauf hin, daß in der Schweineproduktion ein wahres Tohuwabohu herrscht, ziel- und planlos darauf losgewirtschaftet wird. Im Gegensatz dazu herrscht in Dänemark planmäßige Arbeit, gibt es dort nur zwei Schweinerassen: das dänische veredelte Landschwein und das Yorkshire-Edelschwein. Insgesamt bestehen in Dänemark 208 Hochzuchten, dort arbeiten Züchter und Mäster zusammen, dort ist die Fütterungstechnik und Leistungskontrolle aufs beste durchgeführt. Und wie stehts damit bei uns? Neben der Lösung der Rassenfrage und was damit zusammenhängt, wird bei uns die Errichtung von Genossenschaftsmästereien, vielleicht im Anschluß an Genossenschaftsmolkereien, empfohlen, zwecks Produktion von Fleisch- und Schinkenschweinen, während der Einzelmäster Fettschweine heranziehen soll. Planmäßige rationelle Produktion unter Mithilfe der Genossenschaften wird von allen einsichtigen Fachleuten auch der Landwirtschaft immer dringender empfohlen. Der schon genannte Herr Landesökonomierat Teiner in Brünn schreibt diesbezüglich: "Es muß die Erkenntnis durchdringen, daß nur durch geregelte planmäßige Zucht, durch naturgemäße Haltung und Fütterung, ferner durch Verwendung von Zuchtmaterial sowie durch Zusammenschluß der Züchter und Hälter in absehbahrer Zeit eine Besserung erzielt werden kann."

Auf der heuer stattgefundenen Festversammlung der deutsch-mährischen Landwirteorganisation, die 27.000 Landwirte wirtschaftlich betreut, hat Herr Verbandsdirektor Hilmer in Brünn betont: Einführung einer gewissen Planwirtschaft in der Erzeugung, um Krisen zu verhindern, Schutz der heimischen Produktion, Herbeiführung gleichmäßiger, die Produktionskosten deckender und von den Konsumenten erschwinglicher Preise seien die Ziele der Landwirtschaft. Diese Worte sind im Wesen das, was wir Sozialdemokraten seit jeher als richtunggebend bezeichnen, wenn man auch über einzelne Punkte in der Praxis verschiedener Meinung sein kann. Das freie Spiel der Kräfte im kapitalistischen Sinne hat die Landwirtschaft zum Spielball der Spekulation gemacht, wechselnde Preise mit all ihren Folgen - Unrentabilität und unsichere Existenz - herbeigeführt.

Die großen Preisschwankungen auf dem Gebiete der Schweineproduktion hängen in Deutschland häufig ab von der Preisgestaltung der Kartoffeln. In Jahren guter Kartoffelernte vergrößern die Bauern die Schweinehaltung, um die Kartoffeln zu verfüttern. Ungefähr 1 1/2 Jahre später tritt infolgedessen ein Überangebot auf dem Schweinemarkt ein und damit ein für die Bauern katastrophaler Preissturz. Wenn niedrige Schweinepreise mit hohen Kartoffelpreisen zusammenfallen, wird die Schweinehaltung eingeschränkt; einige Monate später wird das Schweinefleisch teuer. Diese periodischen Krisen berauben die Bauern des Lohnes ihrer Arbeit. Um die Stabilisierung der Preise zu erreichen und um Verluste zu vermeiden, ist die Beistellung entsprechend billiger und genügender Futtermittel notwendig. Bei der Kartoffel ist das durch das Trocknungsverfahren erreichbar. Es ist Aufgabe der Gemeinwirtschaft, planmäßig Vorratspolitik zu betreiben und die "Sozialisierung der Kartoffeln" in die Hand zu nehmen. wie sich Dr Baade ausdrückt.

Damit kommen wir zu einer Kernfrage: der Beschaffung billiger und genügender Futtermittel. Der schon genannte Herr Dr Schilling von der deutschen Sektion des Landeskulturrates in Prag schreibt in seinem ebenfalls erwähnten Buche: "Für eine günstige und stabile Enwicklung der Viehhaltung ist die leichte und billige Beschaffung der Futtermittel von der allergrößten Bedeutung." Das ist sehr richtig. Er selbst bezeichnet den Einfuhrzoll für Melasse als Prohibitivzoll. Der Preis der Ware war 1926 45 Kè per Meterzentner. Der Einfuhrzoll betrug aber 105 Kè. Herr Dr Schilling plädiert für die weitere Zollfreiheit von Stroh und Heu, ist aber merkwürdigerweise für einen Zollsatz auf Futtermehl, u. zw. im Interesse der Mühlenindustrie. Bekanntlich mußte der Maiszoll von 6 Kè auf 50 Heller infolge des Futtermangels im Vorjahre herabgesetzt werden, die Umsatzsteuer blieb aber. Frachtermäßigungen auf den Bahnen für den Transport von Futtermitteln gibt es leider nicht.

Wie kommen wir aber zu billigen Futtermitteln? Eine maßgebende Rolle spielen die überaus hohen èechoslovakischen Zollsätze für Getreide und Getreideprodukte. Sie betragen 21.6 und 29.7% vom Einfuhrwert. Die erdrükkende Anzahl der Landwirte sind Viehzüchter, sind Kleinlandwirte. Die deutschen Randgebiete sind gebirgig und kommen daher vorwiegend für die Futter- und Viehproduktion in Betracht. Wie wirken sich nun bei dieser deutschen Landwirtschaft die im Jahre 1926 erhöhten Getreidezölle aus? Gestatten Sie mir einige Feststellungen. Ein Kleinlandwirt aus Hirschbergen bei Salnau in Südböhmen mit 7 ha Grundbesitz, einem größeren Familienstand und 8 Stück Vieh rechnet aus, daß er bei einem Jahresbedarf von 350 kg Weizenmehl, 600 kg Brotmehl, 700 kg Futtermehl und 250 Kukuruz durch die Agrarzölle mindestens 1500 Kè jährlich Mehrauslagen hat. Dieser Schaden könne ihm nicht ersetzt werden, auch wenn auf die zwei Stück Rindvieh, die er im Jahre auf den Markt bringt, ein 100%iger Zollgewinn käme. In Nordböhmen ist es nicht anders. Der Musterlandwirt P. in Biela bei Bodenbach, mit 4 ha Boden durchschnittlicher Bonität, stellt seine nach amtlichen Vorschriften geführten buchmäßigen Aufzeichnungen zur Verfügung, aus denen hervorgeht, daß sich seit Einführung der erhöhten Zölle auf Futtermittel, Mehl und Getreide die Ausgaben in seiner Wirtschaft bedeutend gestiegen sind. Der Getreideverkauf betrug im Jahre 1925 747 Kè, der Futtermitteleinkauf dagegen 2.372 Kè, im Jahre 1926 betrug der Getreideverkauf 939 Kè, der Futtermitteleinkauf 2.251 Kè und im Jahre 1927 der Getreideverkauf 630 Kè, der Futtermittelankauf 3.381 Kè. Er kann diese erhöhten Ausgaben also nicht durch erhöhten Verkauf an Getreide wettmachen. Hier zeigt sich deutlich, daß die Getreidepreissteigerungen für den kleinbäuerlichen Betrieb schon wegen der geringfügigen und schwankenden Überschüsse gar nicht in die Wagschale fallen, dafür aber die Futtermittelkosten eine ansehnliche und stetig wachsende Ausgabenpost bilden. Getreide- und Futtermittelpreise stehen im gegenseitigen Einklang und Konnex. Niedrige Getreidepreise bewirken niedrige Futtermittelpreise; und damit - das gibt auch Herr Ing. Ott zu, der ein preisgekröntes Buch über landwirtschaftliche Gestehungskosten verfaßte - erniedrigen sich die Gestehungskosten der tierischen Erzeugnisse. Die Herabsetzung der Getreide- und Mehlzölle, die auch von den èechischen Metallarbeitern gefordert wird, kann bestimmt zur Verbilligung der Viehproduktion und damit zur Ermäßigung der Fleischpreise führen. Der bekannte reichsdeutsche Agrarwissenschaftler Prof. Dr Aeroboe ist gegen Getreidezölle, weil Viehwirtschaft und Hackfruchtbau ertragreicher seien, als Getreidebau. Das gilt gerade für die deutschen Gebiete in ganz hervorragendem Maße. Noch einen Agrarfachmann möchte ich zum Beweise dafür anführen, daß die Zollpolitik als solche wirkungslos ist, Herrn Karl Haas in Prag. Dieser stellte in einer 1927 erschienenen Broschüre über die Entwicklung der Rindviehzucht in Böhmen im Zeitraum von 1920 bis 1925 fest, daß die Großviehproduktion im ganzen Staate im allgemeinen um 7.2% zugenommen hat, in Böhmen um 14.4%, während der Zuwachs im deutschen Gebiet durchschnittlich nur 9.1% betragen hat. Es war also im deutschen Gebiete die Zunahme der Viehproduktion weit geringer, als im Durchschnitt des ganzen Landes; dies ist sicherlich bedenklich.

Als Maßnahme zur Hebung der tierischen Erzeugnisse schlägt der Genannte die Einstellung der Rindvieheinfuhr vor. Die heimische Produktion sei auf der Höhe und brauche die Rindvieheinfuhr nicht mehr. Dem widersprechen die Händler und die Praxis scheint ihnen teilweise recht zu geben. Großvieh mag sicherlich genug vorhanden sein. Wie steht es aber mit der Qualität? Ich möchte hier ein Beispiel anführen: In 38 Gemeinden des Tetschener Bezirkes standen Ende August 1928 in der Zeit der Futtermittelnot bei den dortigen Landwirten seit Wochen viele hunderte Stück Großvieh zum Verkauf, aber niemand kam, weder ein Fleischer, noch ein Händler. Diese erklärten, daß sie Qualitätsware brauchen. Diese sei draußen am Lande gewöhnlich nicht zu finden. Tatsache ist, daß im Bodenbacher Schlachtviehhof nur ein Drittel minderwertiges Vieh geschlachtet wird und daß an Qualitätsvieh dort vor allem ausländisches Vieh in Frage kommt. Selbst Herr Haas gesteht, daß infolge der Bodenreform die Mästung sehr zurückgegangen sei. Er plädiert für eine Steigerung der Fleisch- und Fettproduktion. Ausdrücklich spricht er von ein em Mangel an Fleisch und Fett. Vorgeschlagen wird vom Genannten die Eroberung des Inlandmarktes durch geregelten Viehabsatz, Verdrängung des Zwischenhandels, Ausbau des Zucht- und Nutzviehverkehrs und der Verkehrswege. Das Absatzproblem gehört zu den wichtigsten Fragen für die Landwirtschaft. Gelöst kann es nicht werden durch Erhöhung der Zölle, wie uns da Herr Abg. Böhm im Jahre 1926 einreden wollte, wohl aber durch den direkten Verkehr mit den Konsumenten. Erfreulicherweise ringt sich dieser von uns stets vertretene Gedanke auch in der Landwirtschaft immer mehr durch. Entweder kommt bei der Lösung dieser Frage die Belieferung der Konsumvereine durch landwirtschaftliche Genossenschaften in Betracht oder die Viehverwertung seitens der organisierten Landwirte selbst. Die Genfer Weltwirtschaftskonferenz vom Jahre 1927 empfahl die Verbindung der Erzeuger- und Verbrauchergenossenschaften dringend, aber die deutschen landwirtschaftlichen Genossenschaften Böhmens machten 1928 unter Führung ihres Anwalts Dr Weden in Prag dagegen politische Bedenken geltend. Die landwirtschaftlichen Genossenschaften seien konservativ, die Konsumentenorganisationen aber marxistisch eingestellt. Wie kurzsichtig! Mit dem legitimen Handel will aber Herr Dr Weden ein möglichst gutes Einvernehmen pflegen. Bei der Lösung der ganzen Frage spielt auch ein Umstand eine große Rolle: die Steuerleistung. Die vielgepriesene Steuerreform hat dem kleinen Landwirt keine Entlastung gebracht, der Druck der indirekten Steuern ist gestiegen und die direkten sind für ihn nicht geringer geworden. Das Umsatzsteuerpauschale steigt, die Hausklassensteuer ist für den kleinen Landwirt ganz enorm erhöht worden, dank der Steuerpolitik seiner guten Freunde vom Bund der Landwirte und der deutschen Christlichsozialen. Die Bemessung der Hektarreinerträge war bisher ein ungeheurer Skandal. Dem Druck der organisierten Kleinlandwirte ist es endlich gelungen, hier eine Änderung zu erzielen, sehr zum Leidwesen der im Bund der Landwirte organisierten Großbauern. Es heißt nun, daß die Berechnung der Hektarerträge einheitlich erfolgen soll. Wie sich dir gleichmäßige Berechnung der Erträge in der Praxis auswirkt, ob die Herren Großbauern durch eine erhöhte Regieberechnung für sich besondere Begünstigungen erreichen wollen und erreichen wer den, bleibt abzuwarten. Wir werden natürlich dagegen Stellung nehmen, daß auf diese Art und Weise hinterrücks wieder eine ungleichmäßige Berechnung zu ungunsten der Kleinlandwirte eintreten soll. Die Grundsteuer ist ungerecht aufgeteilt und würden die 460.000 Kleinlandwirte von 2 bis 5 Hektar Grundbesitz, die bisher 21 Millionen Kè Grundsteuer zahlen, bei der Einführung der Erwerbsteuer nur 5 Millionen bezahlen. Noch etwas möchte ich hiebei ausdrücklich hervorheben: Bei manchen agrarisch eingestellten Landwirten und deren Zeitungen dämmert es langsam auf, daß sie ebenso wie die Arbeiter, Angestellten und Gewerbetreibenden unter der modernen Sklaverei des internationalen Großkapitals leiden und den Ertrag ihrer Arbeit in Form von hohen Preisen und Zinsen den Banken und Aktiengesellschaften abliefern müssen. Sie erkennen, daß der Feind, der sie ausnützt und ausbeutet, nicht links steht, sondern rechts; das ist das Großkapital, das auch sie unterdrückt. Aber diese Erkenntnis dauert nicht lange. So schreibt z. B. der Budweiser "Dorfbote" mitunter in diesem Sinne ganz nett, aber es hindert ihn nicht, nach wie vor die bösen Sozialdemokrokraten als die größten Feinde der Landwirtschaft hinzustellen. Folgendes schreibt er am 17. Feber 1929: "Nach der Auffassung der Sozialdemokraten und anderer sozialistischen Parteien ist die Landwirtschaft nur dazu da, billige Lebensmittel und für die Industriearbeiter herbeizuschaffen. Daß die Landwirte darauf Anspruch hätten, für ihre Arbeit einen angemessenen Lohn zu erhalten, fällt diesen Menschenfreunden nicht ein."

Soviel Worte, soviel Ungereimtheiten und Unwahrheiten. Wer das sozialdemokratische Agrarprogramm kennt, wer unser praktisches Wirken genau verfolgt, weiß, wie sehr sich die Sozialdemokraten zugunsten der Landwirtschaft einsetzen und ihre Produktion heben und wie sie auch die Lage der Landwirte verbessert haben wollen. Unsere eigenen Anträge in diesem Hause beweisen dies ganz klar für jedermann, der es wissen will. Ich möchte ausdrücklich hervorheben, daß sich unter unseren Anträgen auch ein Antrag befand, der verlangt, daß eine Herabsetzung jener Industriezölle erfolgt, welche die Landwirtschaft überflüssigerweise belasten. Ich sage das als Beweis dafür, daß wir keine einseitige Zollpolitik betreiben, sondern ehrlich und rechtschaffen das wollen, was der Landwirtschaft frommt und nützt. Ich verweise weiter in dieser Richtung auf den Antrag Druck Nr. 1940, den Koll. Leibl und ich eingebracht haben, wegen Behebung der Futtermittelnot und Erhöhung des Absatzes von heimischem Vieh. In neun konkreten Vorschlägen drücken wir unsere ehrliche Absicht aus, den bedrängten Viehproduzenten wirksame Hilfe zu bringen. Der Antrag stammt vom 7. November 1928, bis heute ist er noch nicht im landwirtschaftlichen Ausschuß verhandelt worden, wie denn überhaupt unsere Anträge in diesem Parlament skandalöserweise direkt sabotiert werden. Wenn wir die Zollpolitik als em untaugliches Mittel zur Hebung der Landwirtschaft bezeichnen und deshalb von unseren politischen Gegnern verlogenerweise als Feinde der Landwirtschaft bezeichnet werden, so trösten wir uns leicht, weil wir uns da in sehr guter Gesellschaft befinden. Wir können uns wirklich sehen lassen. Ganz hervorragende Agrarpolitiker, Wissenschaftler, Praktiker, wie z. B. die Professoren Dr Sehring, Aereboe, Beckmann, von Dietze in Deutschland und Prof. Hainisch in Österreich und viele andere sind, weil sie Feinde einer solchen Zollpolitik sind, nach der kurzsichtigen Auffassung der Landbündler ebenfalls "geschworene Feinde" der Landwirtschaft, wie man das uns andichtet. Von dem eben genannten Prof. Aereboe wird die Zollpolitik ganz richtig als nichtproduktionsfördernd bezeichnet, wohl aber als ein großes Übel, als eine starke Gefahr, ja er sagt ganz ausdrücklich: "Die Zollpolitik ist der größte Friedensstörer. Die Zollasten sind schwer und für die gesamte arbeitende Bevölkerung ist eine Erhöhung der Preise von Fleisch durch die Anträge der Agrarier, wie sie bereits vorliegen, ausgeschlossen." In Deutschland zahlt eine fünfköpfige Familie jährlich einen Zolltribut von 1440 Kè, das ist natürlich dort höher als bei uns, aber auch bei uns sind die Zolllasten ganz außergewöhnlich hoch. Dabei kommt in Betracht, daß die Ausgaben für Lebensmittel perzentuell sehr hoch sind. In Deutschland betragen diese Ausgaben 45% und ich weiß nicht, ob sie bei uns geringer sind. Nun stellen Sie sich vor, daß die Arbeiter, welche oft nur einen Wochenlohn von 100, 120 und bestenfalls 150 Kè oder die Arbeiterinnen 60, 70 oder 80 Kè wöchentlich heimbringen, nun prozentmäßig noch mehr Ausgaben für Fleisch machen sollen, das doch für sie heute schon ein Leckerbissen geworden ist. Ein solches Opfer von den Arbeitern zu verlangen, ist direkt ein Verbrechen. Dagegen wehren wir uns. Es zeugt aber auch von der ungeheuren Kurzsichtigkeit der Agrarier, die den durchaus richtigen Gedanken des Herrn Schimana, den er in der "Bohemia" erörtert hat, daß der Viehproduktion im Wege der Hebung des Fleischkonsums geholfen werden könne, direkt verspotten. Die amerikanischen und reichsdeutschen Industriellen, die ersten der Welt, verstehen es sehr wohl, da ein erhöhter Absatz nur möglich ist, wenn der Konsument kaufkräftig ist und entsprechend preiswerte Waren geliefert bekommt. Aber bei den Agrariern ist das ganz anders. Bei ihnen sind niedrige Löhne, lange Arbeitszeit, keine soziale Fürsorge das Ideal. Es ist kein Wunder, daß die heimische Landwirtschaft bei einer solch erzreaktionären Einstellung und Führung, bei dem Mangel an zeitgenössischen Maßnahmen, wie genossenschaftlicher Produktion, Absatzregelung, Ausschaltung des Zwischenhandels, auf keinen grünen Zweig kommen kann. Der Bankerott der agrarischen Zollpolitik liegt für jedermann klar zutage. Er ist unbestritten. Und wenn die Zölle auf Vieh und Fleisch noch so hoch angesetzt würden, kann die Produktion ohne innere. Organisation, ohne Rücksicht auf die Absatzmöglichkeit, ohne erhöhte Konsummöglichkeit nicht gedeihen. Was der Landwirt braucht und was auch schon früher festgestellt wurde, sind feste, die Produktion ermöglichende Preise. Auch in agrarischen Kreisen spricht man von dieser Notwendigkeit öfters. Der "Dorfbote", der eine gewisse Rolle in der Landwirtschaft spielt, hat am 13. Jänner d. J. davon gesprochen. Es steht fest, daß ohne umfassende Organisation und ohne Eingriff des Staates eine Gesundung der Landwirtschaft einfach nicht zu erreichen ist. Ich möchte lobend hervorheben, daß die Großeinkaufsgesellschaft der reichsdeutschen Konsumvereine, eine sehr starke und mächtige wirtschaftliche Organisation, es so weit gebracht hat, daß sie heute mit Landwirten Lieferungsverträge auf längere Dauer zu festen Preisen abgeschlossen und damit eine Stabilisierung der Vieh- und Getreidepreise erreicht hat. Was hier theoretisch gefordert wird, wird durch sozialdemokratische Praktiker und Genossenschaftler anderswo bereits praktisch verwirklicht. Wir wollen das auch hier erreichen. Aber hier fehlt uns der Partner, wir finden oft kein Verständnis auf der anderen Seite, die es angeht. Unsere Ideen finden trotzdem immer größere Anhang in der Landwirtschaft und werden mehr als früher beachtet. So z. B. die Forderung nach Stabilisierung der Getreidepreise durch ein Außenhandelsmonopol für Getreide. Die österreichische Sozialdemokratie hat es vor 3 Jahren in ihr Programm aufgenommen. Wir haben in diesem Hause auch im Jahre 1926 wiederholt davon gesprochen, daß die Getreidepreise durch die Errichtung eines staatlichen Außenhandelsmonopols stabilisiert werden könnten, das ausgleichend wirken würde. Damals ist aber der Gedanke von den deutschen und èechischen Agrariern abgelehnt worden. Jetzt erleben wir aber, daß dieser Gedanke vom Landbund in Deutschland aufgenommen wurde und von ihm eifrig vertreten wird. Was wir 1926 in diesem Staate vergeblich gefordert haben, wird also jetzt von den reichsdeutschen Agrariern ebenfalls vertreten. Werden daraus unsere heimischen Agrarier die Konsequenzen ziehen?

Ich möchte auch daran erinnern, daß die österreichischen Sozialdemokraten im Nationalrat vor wenigen Wochen die Errichtung eines Großhandelsmonopols für Zucker verlangt haben. Was hat darauf der Landwirtschaftsminister Dr. Buresch geantwortet? Er hat erklärt, man werde sich im Interesse der Rübenbauern schließlich dazu entschließen müssen, ein solches Großhandelsmonopol für Zucker in Österreich zu errichten, um dem Druck der Agrarkrise in der Landwirtschaft durch den Schleuderexport seitens der èechischen Zuckerindustriellen zu paralysieren. Also rein bürgerliche Politiker nehmen unsere Vorschläge auf.

Ich möchte dadurch beweisen, daß der Gedanke der gemeinwirtschaftlichen Kontrolle der Märkte, die Sozialisierung des Vertriebes der Agrarprodukte, immer mehr Gestalt und Formen annimmt. Nur durch den Kampf gegen die Kartelle und ihre Preispolitik und das Handelskapital kann der Landwirt im Zusammengehen mit den organisierten Konsumenten vorwärts und aufwärts kommen. Er darf nicht reaktionär und konservativ, sondern er muß sozial und fortschrittlich sein. Ich möchte darauf hinweisen, daß das Österreichische agrarische Handbuch, das 1911 erschienen ist, folgendes geschrieben hat: "Der Agrarismus will die Beseitigung der kapitalistischen Organisation unserer Volkswirtschaft durch eine wesentlich idealere Organisation, die von einer wahrhaft sozialen Auffassung in Rechten und Pflichten getragen wird und nach möglichst harmonischer Entfaltung aller Glieder des Volkes strebt." Das ist sehr eindeutig und verständig. Dies möchten sich die Agrarier von 1929 zu Gemüte führen, weil sie das Gegenteil von dem wollen und heute tun, was 1911 im Agrarprogramm festgesetzt wurde. Sie machen es sich jetzt sehr bequem, einfach und leicht. Die deutsche Sektion des Prager Landeskulturrates schreibt in ihrem 31. Bericht pro 1926 bezüglich der Schweinezucht folgendes: "Die Hauptursache des Preisdruckes ist die sehr große Einfuhr von Schlachtschweinen aus dem Auslande, vorwiegend Polen. Ungarn und Jugoslavien. Solange diese Importe nicht eingeschränkt oder teilweise ganz eingestellt werden, werden sich unsere früher stark betriebene Schweinezucht und Schweinemast nicht erholen können." Sieht man aber in diesem Berichte nach, was zur Lösung der übrigen Fragen getan wurde, die mit der planmäßigen Produktion und Absatzorganisation zusammenhängen, so erhält man leider nur sehr unbefriedigende Aufschlüsse.

Da ist gegenüber den von den Agrariern geforderten Agrarzöllen der Erhöhung der Zölle auf die Einfuhr ausländischer Schweine, Schweinefleisches usw., die "Prager Presse," das Organ des Außenministeriums, denn doch weit kritischer eingestellt. Gestatten Sie, daß ich folgendes sage. In der Nummer vom 29. Jänner 1929 sind im Leitartikel des genannten Blattes "Die Borstenviehfrage" folgende kennzeichnende Stellen zu lesen: "Das nächstliegende - nach der jetzigen Mentalität unserer industriellen und landwirtschaftlichen Produktion - ist ein Antrag auf Erhöhung der Borstenviehzölle. Hier aber lehren uns die Tatsachen, daß es wirklich prohibitive Zölle sein müssen, die den Schweinefleischpreis auf eine fantastische Höhe treiben würden. Denn wenn die polnische Regierung noch imstande ist, einen sehr erheblichen Ausfuhrzoll zu erheben, dann ist wohl die Schweineproduktion in Polen so billig, daß sie einfach alle noch diskutablen Zölle überspringen kann. Eine sehr einschneidende Erhöhung der Zollsätze bei uns hätte also nur das Resultat, daß alles in Bezug auf die Schweineproduktion beim alten bleibt - denn wir können die polnische Billigkeit mit unseren jetzigen Produktionsbedingungen nicht einholen - nur daß der Fiskus eine Mehreinnahme aus den Schweinezöllen haben würde, und vor allem, daß das Schweinefleisch für den Konsumenten verteuert würde." Diese Feststellung eines Regierungsorgans ist sicherlich beachtenswert. Die "Prager Presse" fährt dann fort: "Infolgedessen ist als Ergänzung die Idee propagiert worden, das Kontingent, das infolge des heimischen Bedarfes nicht praktiziert wird, strenge einzuhalten oder noch zu verkleinern. Aber auch dies ist natürlich kein Ausweg, denn bei einer strengen Handhabung des Kontingentes müßte bei uns unbedingt bei erhöhten Preisen eine Not an Schweinefleisch entstehen, wobei also noch größere Gewinne in den Händen des Zwischenhandels bleiben würden, ohne daß eine Anregung für die Schweineproduktion bei uns entstehen könnte. Wir sehen ganz davon ab, daß die Kontingentierung wohl bald nicht mehr möglich wird, weil sie dem Geiste der internationalen Handelsbeziehungen widerspricht."

Wir sprechen heute wieder über Handelsverträge, über Zusatzprotokolle. Ich möchte mir die Situation anschauen, wenn das Haus die Anträge der Agrarier auf Erhöhung der Schweineeinfuhrzölle annehmen würde, ich möchte sehen, wie wir dann bei den internationalen Handelsvertragsverhandlungen dastehen würden. Deshalb schwärmt die "Prager Presse" für eine mäßige Erhöhung der Zölle, für die Schaffung eines Fondes zur Förderung der Produktion und für die staatliche Erfassung der Zwischengewinne, vielleicht also für ein staatliches Einfuhrmonopol. "Hiedurch würden wir" meint die "Prager Presse" "den unangenehmen handelspolitischen Konsequenzen, einer starken Belastung der Konsumenten mit eventuellem Konsumrückgang, wie er in der Zuckerindustrie so prompt eingetreten ist, und noch anderen unangenehmen Nebenerscheinungen entgehen und dabei doch unsere landwirtschaftliche Produktion um einen wichtigen Zweig bereichern, der insbesondere das Betätigungsfeld der kleinen und Mittelbauern bilden könnte."

Ich komme zum Schlusse. Möge die Mehrheit tun, was sie nicht unterlassen kann. Gegen eine neue agrarische Zollpolitik, wie sie geplant ist, die mit den allerschlimmsten Folgen für die Allgemeinheit enden muß, wenden wir uns mit aller Schärfe. Wir warnen in zwölfter Stunde das Parlament und die Regierung vor Experimenten, die nichts anderes im Gefolge haben könnten als eine schwere Schädigung der Volkswirtschaft, der Lebenshaltung breiter Massen, darunter auch der Kleinlandwirte und der Häusler, sowie eine Gefährdung der internationalen Verständigung der Völker. Wir wollen der Landwirtschaft helfen, sie soll auf die Höhe kommen, sie soll uns geben, was wir brauchen, aber mit den Mitteln des Zolles kann das unmöglich und nie erreicht werden. Ganz andere Mittel müssen angewendet werden, wie ich gezeigt habe, u. zw. im Verein mit den organisierten Konsumenten. Wir propagieren die Zusammenarbeit der Arbeiterschaft mit der Landwirtschaft in vernünftigem, sozialem, fortschrittlichem Sinne. Halten wir zusammen auf diesem wirtschaftlichem Gebiete, dann wird vieles in diesem Staate anders und besser werden. (Potlesk poslancù nìm. soc. dem. strany dìlnické.)


Související odkazy



Pøihlásit/registrovat se do ISP