Ètvrtek 25. dubna 1929

Im übrigen will ich auf den Gegenstand selbst nicht näher eingehen, da ich auf dem Standpunkte stehe, daß es sich hier um eine kulturelle Angelegenheit des èechischen Volkes handelt, in die einzumischen keinem Deutschen das Recht zusteht. Denn nach unserer Auffassung hat jedes Volk das natürliche Recht, sich seine kulturellen Fragen und Angelegenheiten selbst und ohne jede Beeinflussung durch ein anderes Volk zu ordnen und zu regeln. Jedes Volk hat auch das Recht, seine kulturellen Anstalten, seine Schul- und Erziehungstätten nach seinen Anschauungen zu verwalten, auszubauen und zu verbessern, damit sie die hehre Aufgabe erfüllen, seiner Jugend die bestmögliche körperliche und geistige Ausbildung und Erziehung zu geben. Dieses Recht auf kulturelle Selbstverwaltung gehört zu den Fundamentalrechten jedes Volkes, wie ich schon in meiner ersten Budgetrede am 1. Dezember 1920 erklärt habe. Seither sind allerdings viele Jahre dahingegangen, mein Standpunkt und der Standpunkt der Deutschen Nationalpartei dazu hat sich nicht geändert. Wir verlangen und fordern auch heute mit aller Entschiedenheit, daß dem deutschen Volke in der Èechoslovakischen Republik endlich dieses natürliche und selbstverständliche Recht auf Kulturautonomie gegeben werde. Wir werden die deutschen Regierungsparteien rücksichtlos vor der deutschen Bevölkerung dafür verantwortlich machen, wenn dieser berechtigten deutschen Forderung, für die auch sie immer eintraten und nach ihren Äußerungen auch heute noch kämpfen, nicht in der kürzesten Zeit Rechnung getragen wird.

Seit Oktober 1919 bereits besitzt das èechische Staats- und Herrenvolk eine èechische Handelshochschule, während die Bemühungen des deutschen Volkes, eine deutsche Handels- und Wirtschaftsschule zu erhalten, bisher vergeblich waren. Nur blinder èechischer Chauvinismus kann sich so brüsk über eine durchaus berechtigte Forderung des gesamten deutschen Volkes ohne Unterschied der Partei hinwegsetzen, kann den unzähligen Eingaben wirtschaftlicher deutscher Körperschaften gegenüber so taub sein. Ich habe schon im Mai 1921 dem Abgeordnetenhause im Auftrage des deutschparlamentarischen Schulausschusses einen Antrag (Druck 2747) auf Errichtung einer staatlichen deutschen Handels- und Wirtschaftshochschule in Aussig, als Abteilung der deutschen technischen Hochschule in Prag eingebracht und diesen Antrag damit begründet, daß die deutsche Bevölkerung der Republik wegen ihrer zahlenmäßigen und kulturellen Bedeutung Anspruch auf eine solche Hochschule besitzt. Das deutsche Volk hat einen weit über seinen Hundertsatz hinausgehenden Anteil am Wirtschaftsleben, am Export- und Importhandel dieses Staates. Im deutschen Siedlungsgebiete liegen zahlreiche blühende Handelszentren, wie Aussig, Tetschen, Bodenbach, Lobositz, Leitmeritz u. a., Namen, die europäischen Klang und Bedeutung haben. Aus dieser hohen und wichtigen Stellung der Deutschen im Wirtschaftsleben dieses Staates ergibt sich die zwingende Notwendigkeit, die Anwärter auf führende Posten des Wirtschaftslebens, den Nachwuchs, entsprechend auszubilden, diese Hilfskräfte für Handel, Industrie und Verkehr bestmöglich zu schulen.

Dazu gehört vor allem der Besuch von Fachschulen, von Handelslehranstalten, einer Handels- und Wirtschaftshochschule. Der Besuch solcher Schulen befähigt den Absolventen, die Weltwirtschaftsgebiete, die Vorgänge auf dem Inlandsmarkte wie auch auf dem Weltmarkte zu überblicken, zu verstehen, richtig zu beurteilen und demgemäß auch richtig zu disponieren. Der Besuch solcher Schulen vermittelt die notwendigen volkswirtschaftlichen, warentechnischen und juridischen Kenntnisse und schafft sprachenkundige Vertreter, welche im scharfen wirtschaftlichen Konkurrenzkampfe mit den anderen Völkern bestehen. Auch für den Konsulardienst geben diese Schulen die Grundlage, ebenso für die Betätigung in den einzelnen Ministerien, besonders im Ministerium für Handel- und Industrie, des Äußeren, für Banken, Sparkassen, Versicherungs- und Zollwesen und nicht zuletzt für die Journalistik. So werden die Absolventen der Handelshochschulen gesuchte Mitarbeiter in allen großen Industrien und Handelsunternehmungen, auch darüber hinaus in den verschiedenen staatlichen und privatwirtschaftlichen Betrieben. Die wissenschaftliche Ausbildung, die der Einzelne hier erhält, befähigt ihn, wie in jeder Schule, zu höheren Leistungen in seinem Berufe. Nicht unerwähnt darf bleiben, daß die Lehrkräfte für die übrigen Handelsschulen hier ihre Ausbildung erhalten und daß dieses wieder für das Niveau dieser Schulen von der größten Bedeutung ist. Mit Recht sagt daher Professor Bücher: "Es handelt sich aber nicht darum, dem ganzen Handelsstande die Wohltat akademischer Ausbildung zuteil werden zu lassen, sondern darum, der führenden Schichte, einer "Elite" des Handelspersonals, höhere Geistesbildung zu vermitteln, die sie in den Stand setzt, leitende Stellen, verantwortungsvolle Posten in einer den Zeitanforderungen entsprechenden Weise zu bekleiden".

Nach dem Gesagten ist es ohne weiters verständlich und begreiflich, daß die Deutschen in der èechoslovakischen Republik, nicht zuletzt aus Gründen der Konkurrenzfähigkeit, eine Handelshochschule dringend benötigen, nach ihrer Bedeutung gerade auf dem Gebiete der Industrie, des Handels und Verkehres geradezu ein Anrecht darauf haben. Der heutige Zustand muß also als ganz unhaltbar bezeichnet werden. Mit Ministerialerlaß vom 18. Dezember 1919 wurde die fakultative Maturitätsprüfung an Handelsakademien eingeführt. Seit dem Jahre 1919 haben hunderte Absolventen der Handelslehranstalten in der Republik die Maturitätsprüfung abgelegt und damit ein Recht zum Besuche der Handelshochschule erworben. Sie können aber dieses Recht nicht ausüben, weil keine solche Schule besteht. Nur ein kleiner Teil ist in der Lage, nach Wien oder in das Reich zu gehen, wenn sie diesen Studien obliegen wollen, von den Schwierigkeiten nicht zu reden, die ihnen hiebei gemacht werden. Die im Auslande erworbenen Zeugnisse werden nicht anerkannt, nicht nostrifiziert, ja den Staatsbeamten wird sogar der ohnehin kärgliche Erziehungsbeitrag in Abzug gebracht. Und dies alles, obwohl es eine deutsche Handelshochschule in der Republik nicht gibt und unsere Studenten doch nicht gezwungen werden können, die èechische Schule zu besuchen.

Der "Verein zur Gründung und Erhaltung der deutschen Handels- und Wirtschaftshochschule in der Èechoslovakischen Republik" in Aussig hat seit dem Umsturze unermüdlich an der Beseitigung aller Schwierigkeiten gearbeitet, er hat sogar bereits eine umfangreiche Fachbücherei für das kommerzielle Hochschulstudium selbst geschaffen, die schon jetzt zur Verfügung steht, so daß selbst die sofortige Errichtung möglich wäre. Auch die budgetäre Belastung im Rahmen unseres Milliardenstaatsvoranschlages ist eine ganz bedeutungslose und minimale, einige wenige Hunderttausende Kronen würden vollständig genügen. Es gehört demnach nur etwas guter Wille seitens der Regierung dazu und der kann doch in einer gemischtnationalen Regierung, in der auch 2 deutsche Minister und Hochschulprofessoren sitzen, in einer Regierung, welche das Wort von den Gleichen unter Gleichen geprägt hat, nicht fehlen oder viel leicht schwer aufzubringen sein. Schöne Worte genügen heute allerdings nicht mehr.

Präsident Masaryk hat schon vor Jahren einer Abordnung gegenüber, welche ihm diesen deutschen Wunsch vortrug, erklärt, daß er der Errichtung einer deutschen Handels- und Wirtschaftshochschule sympathisch gegenüberstehe. Im gleichen Sinne hat sich der damalige Ministerpräsident Èerný geäußert. Der Worte sind also genug gewechselt, laßt endlich einmal die Taten sehen. Die Errichtung dieser notwendigen deutschen Hochschule wäre nur ein kleiner Schritt auf dem Wege der Gleichberechtigung, von der so viel und so oft in den letzten Jahren die Rede ist. Solche Taten würden am besten zeigen, ob es den Èechen ernst mit dieser Gleichberechtigung ist. Im übrigen handelt es sich mit dieser Forderung um ein Recht der Deutschen, um das zu bitten und betteln wir gar nicht nötig haben. Es handelt sich um eine selbstverständliche Pflicht der Regierung deutschen Kulturwünschen gegenüber. Wenn hierzulande nicht blinder nationaler Chauvinismus für die Entschließungen der Regierung maßgebend wäre, müßte die Regierung erkennen, daß die Errichtung einer solchen Schule auch ein Vorteil für den Staat ist, sie könnte nicht gleichgültig hiefür sein, wie einzelne Zweige der Volkswirtschaft, wie Handel, Verkehr und Industrie verdorren und darniederliegen und das nur deshalb, weil es Deutsche betrifft. Damit verschüttet sich die Regierung zugleich auch die Steuerquellen und damit die Grundlagen ihres eigenen Reichtums und Wohlstandes.

Ich will in diesem Zusammenhange die Frage des Standortes der deutsch en Handelshochschule nicht berühren, weil es meiner Ansicht nach keinen Zweck hat, sich darüber schon den Kopf zu zerbrechen, solange wir nicht die feste Zusage der Regierung auf Errichtung besitzen. In dem im Jahre 1921 überreichten Antrage sprechen wir uns für Aussig als Standort und als Abteilung der deutschen technischen Hochschule in Prag aus. Die Begründung sagte damals:

"Die Angliederung an die deutsche technische Hochschule in Prag empfiehlt sich, weil Produktion und Handel in inniger Wechselbeziehung stehen. Die technische Hochschule hat die Aufgabe, die wissenschaftlichen Grundlagen für die Kenntnisse und Erforschung der Rohstoffe und für ihre Verarbeitung zu Wirtschaftsgütern höherer Ordnung zu schaffen. Die Handels- und Wirtschaftsabteilung muß lehren, wie diese Güter dem In- und Auslandsverkehr in zweckdienlicher Weise zuzuführen sind. Schon vor 70 Jahren wurde das ehemalige "Polytechnische Institut" in Wien bestimmt, in seinem Lehrplane alle Zweige technischer und kommerzieller Studien zu erfassen. Die Verbindung beider Studienrichtungen würde Anlaß geben zu einer gegenseitigen Befruchtung und zu einer wertvollen Erweiterung des Wissens nach technischer und kaufmännischer Richtung.

Die Wahl Aussigs als Sitz der deutschen Handels- und Wirtschaftshochschule empfiehlt sich, weil diese im Aufstiege begriffene Mittelstadt den Studierenden nicht nur reiche Anregungen auf allgemein kulturellem Gebiete durch ihre vornehme Volksbücherei ihr gut geleitetes Theater und ihr bedeutendes Stadtmuseum bieten könne, sondern auch weil Aussig als hervorragende Handels- und Industriestadt mit seinen großen Hafen- und Bahnhofsanlagen und als Verkehrsknotenpunkt Anschauungsmittel besitzt, die geeignet sind, das durch die Lehre Gebotene durch praktische Beobachtung zu ergänzen und zu festigen.

In Erkenntnis dieser Tatsachen haben sich auch in einer am 30. Juli 1920 durch die Handels- und Gewerbekammer in Reichenberg einberufenen Versammlung zahlreiche industrielle Verbände und Fachvereinigungen für die Schaffung der geplanten Handels- und Wirtschaftsabteilung in Aussig ausgesprochen. Auch die Handels- und Gewerbekammern in Eger und Troppau haben sich dieser Äußerung angeschlossen."

Wir traten auch deshalb für Aussig ein, weil wir auf dem Standpunkte stehen, daß die deutschen Hochschulen ins deutsche Sprachgebiet gehören. Unser deutsches Hochschulwesen kann sich nach meiner Ansicht nur in inniger und unmittelbarer Fühlungnahme mit dem deutschen Siedlungsgebiete entwickeln. Die vielfachen geistigen und wirtschaftlichen Kräfte, welche in unseren Hochschulen lebendig sind, müssen wieder dem Heimatboden nutzbar gemacht und mit dem deutschen Volksleben in Berührung gebracht werden. Die Hochschulen dürfen nicht bloß Forschungsstätten und oberste Unterrichtsanstalten sein, sie müssen zugleich auch Mittelpunkt und Ausganspunkt aller Bestrebungen zur geistigen Befruchtung des gesamten deutschen Volks- und Kulturlebens, zur Hebung der Volksbildung sein. Zur Erfüllung dieser wichtigen nationalen Aufgabe muß die geistige, wie nationale und kulturelle Wechselwirkung zwischen Hochschule und Volk vorhanden sein. Die deutschen Hochschulen können heute inmitten der èechischen Flut, im ungastlichen Prag, vom pulsierenden deutschen Volksleben abgeschnitten, diesen hohen Aufgaben nicht gerecht werden. Daher erhebt meine Partei nach wie vor die Forderung nach Verlegung der deutschen Hochschulen in das deutsche Sprachgebiet, wie dies am 11. Mai 1919 in einer Versammlung aller Vertreter in Teplitz-Schönau einmütig verlangt wurde. Aus diesem Grunde forderten wir die alte deutsche Handelsstadt Aussig als Sitz der deutschen Handelshochschule. Im Übrigen wird es Sache der deutschen Vertreter sein, wenn erst einmal die Zustimmung der Regierung vorliegen wird, über alle damit im Zusammenhange stehenden Fragen ein Einvernehmen und eine Klärung herbeizuführen.

Es wäre verlockend, bei dieser Gelegenheit auch die übrigen deutschen Hochschulwünsche vorzubringen und die Errichtung der fehlenden deutschen Hochschulen, wie der montanistischen Hochschule, der Forsthochschule, der Tierarztneihochschule, der Hochschule für Leibesübungen, der Musik- und Kunstakademie zu betreiben. Ich will es mir versagen, weil ich fürchte, damit heute ebensowenig Gehör zu finden, wie in den früheren Jahren. Diese Schwerhörigkeit und die Abneigung der Regierung gegenüber deutschen Kulturforderungen trotz Anteilnahme deutscher Parteien angeblich an der Macht, besser aber an dem Scheine der Macht, werden uns aber nicht hindern, diese Forderungen immer und immer wieder zu erheben und das Recht des deutschen Volkes auf seine kulturelle Selbstverwaltung zu betonen, bis der einmütige Wille unseres gesamten deutschen Volkes über alle Stände und Parteien hinweg den èechischen Widerstand bricht und uns Erfüllung und kulturelle Freiheit bringt, ohne die ein aufrechtes Volk nicht bestehen kann. (Potlesk poslancù nìm. strany národní.)

3. Øeè posl. Wünsche (viz str. 35 tìsnopisecké zprávy):

Die heute zu behandelnden Schulgesetze geben Anlaß zur Untersuchung des ganzen jetzigen Kurses in der Schulpolitik. Wir stellen ausdrücklich fest, daß unserer Auffassung nach ein wesentlicher Unterschied zwischen der Schulpolitik des neuen Unterrichtsministers Dr. Štefánek und der Schulpolitik, wie sie von dem zurückgetretenen Unterrichtsminister Dr. Hodža getrieben worden ist, nicht festgestellt werden kann. Es wurde zwar unter der neuen Ministerschaft eine Schulenquete einberufen, deren Zweck darin bestand, vor allem die Fachleute zur Beurteilung der schwebenden Schulprobleme heranzuziehen. Aber wenn wir die Ergebnisse dieser Schulenquete überblicken, so zeigt es sich, daß sie nur zu dem ausschließlichen Zweck veranstaltet worden ist, um dem Schulministerium ein fortschrittliches Mäntelchen umzuhängen und um zu verbergen, daß im Schulwesen genau so wie früher auch heute ein durchaus reaktionärer Kurs getrieben werden soll.

Präsident Masaryk hat seinerzeit ganz offen und rückhaltlos festgestellt, daß das Schulwesen in diesem Staate durchaus rückständig sei. Aber wir können sagen, daß die Schulenquete keinen Schritt nach vorwärts bedeutet. Denn bei dieser Enquete ist man um die wichtigsten und hauptsächlichsten Probleme des Schulwesens wie um den heißen Brei herumgegangen, man hat die Arbeitsschule abgelehnt, man hat sich mit dem Problem der Einheitsschule nicht ernstlich beschäftigt, aber man hat sich mit der ungeheuer wichtigen Frage beschäftigt, ob in den Mittelschulen die griechische Sprache oder die modernen Sprachen in den Vordergrund des Interesses gezogen werden sollen. Man hat nicht ein ernstes Wort über die Frage der Einführung der Schulautonomie gesprochen und man hat vor allem die wirtschaftliche Seite des Schulwesens vollkommen übersehen, wissentlich ignoriert. Man hat nicht die Frage untersucht, inwieweit das Ergebnis des Unterrichts in den einzelnen Schulklassen damit zusammenhängt, wieviel Schüler in den betreffenden Klassen unterrichtet werden, und so zeigt es sich denn, daß durch diese Schulenquete, die sich mit der Frage der Schulreform zu beschäftigen hatte, nicht das geringste geändert worden ist, daß in diesem Staate die ausgesprochene Klassenschule weiter bestehen bleiben wird. Man hat sich nicht mit der Frage der Lehrerbildung beschäftigt, die nach wie vor schlecht und ungenügend bleibt. Unter diesen Umständen verstehen wir es vollkommen, daß der größte Teil der bürgerlichen Zeitungen mit dem Ergebnis der Enquete vollkommen zufrieden gewesen ist und daß sie alle in dem Sinne geschrieben haben: Gott sei Dank, daß diese Enquete nicht umstürzlerische Neuerungen auf dem Gebiete des Schulwesens gefordert hat! Die Klerikalen wittern Morgenluft, sie wollen und darin werden sie heute von allen bürgerlichen Parteien ohne Unterschied der Nation unterstützt - ihre Macht über das ganze Schulwesen ausdehnen und in ihrem Eifer in dem Kampf um die Schule werden sie noch dadurch bestärkt, daß in letzter Zeit auch der Papst in diese Frage eingegriffen hat. Die Klerikalen haben Frieden mit Mussolini geschlossen, sie werden die allerletzten sein, die der jetzt betriebenen Faschisierung des Schulwesens hinderlich im Wege stehen. Das Kriegsministerium hat schon seit längerer Zeit die Absicht geäußert, die sogenannte vormilitärische Erziehung in den einzelnen Schulklassen, besonders in den höheren, einzuführen, Schießübungen abzuhalten, und der Zweck dieser ganzen Übungen wird darin bestehen, einen Großteil der Schuljugend für den zukünftigen Krieg gegen die Arbeiterklasse vorzubereiten. Das bedeutet nicht mehr und nicht weniger, als daß in den allgemeinen Faschisierungsprozeß, welcher in diesem Staat seit einiger Zeit mit aller Kraft eingesetzt hat, auch das gesamte Schulwesen einbezogen werden soll.

Wir Kommunisten sind der festen Überzeugung, daß Präsident Masaryk auch diese Dinge mitmachen wird, daß er auch alle kommenden reaktionären Gesetze auf dem Gebiete des Schulwesens unterfertigen wird, genau so wie er bisher alle jene Gesetze unterzeichnet hat, deren ausschließlicher Zweck im rücksichtslosen Kampf gegen die proletarischen Massen ohne Unterschied der Nation in diesem Staate besteht. Vor einigen Wochen hat mein Parteigenosse Abg. Juran von dieser Stelle aus eine Rede gehalten, in welcher er den lückenlosen Beweis dafür erbrachte, daß heute nicht mehr der abgetakelte ehemalige General Gajda der Konzentrationspunkt der faschistischen Bewegung in diesem Staate ist, sondern in Wirklichkeit Präsident Masaryk derjenige ist, um welchen sich die Kräfte des legalen Faschismus in diesem Staate konzentrieren. Die Rede meines Parteigenossen Juran hat in der èechisch-bürgerlichen Presse ein außerordentlich lebhaftes Echo gefunden. Wir erklären von dieser Stelle aus, daß wir uns durchaus hinter den Genossen Juran stellen und daß wir ganz genau derselben Überzeugung und Auffassung sind, wie sie vom Gen. Juran vor einigen Wochen zum Ausdruck gebracht worden ist. Die èechisch-bürgerlichen Zeitungen haben in der Kritik der Rede des Gen. Juran so getan, als ob es unzulässig wäre, ein Wort der Kritik über die politische Tätigkeit des Präsidenten in diesem Staate zu sagen. Ich möchte daran erinnern, daß Fürst Bismarck, der doch sicherlich in der Politik Deutschlands keine geringere Rolle gespielt hat, als sie heute Präsident Masaryk in der Èechoslovakischen Republik spielt, sich gefallen lassen mußte, in der rücksichtslosesten Weise durch den alten Windhorst, durch den alten Eugen Richter und nicht zuletzt durch August Bebel kritisiert zu werden. Die politische Entwicklung, die wir bei Präsident Masaryk beobachten können, ist durchaus nichts Verwunderliches, und man könnte eine ganze Menge von Beispielen anführen, wie Leute, die einstmals auf dem ganz linken Flügel gestanden sind, nach verhältnismäßig ganz kurzer Zeit auf den rechtesten Flügel der reaktionären Politik hinüber gewandert sind. Wer war Briand? Ein Sozialdemokrat. Wer ist er heute? Er ist der Exponent der französischen Bourgeoisie. Wer war Pilsudski? Ein Sozialdemokrat. Er ist heute der Exponent des blutigsten Faschismus in Polen. Wer war schließlich Mussolini? Er war ein Führer des italienischen Sozialismus und ist heute zum Führer des italienischen Faschismus und so zum vielbewunderten Vorbild aller reaktionären bürgerlichen Kreise ganz Europas, ja der ganzen Welt geworden.

Damit bin ich zum Hauptthema gekommen. Wir können feststellen, daß alle Einrichtungen des Staates, der Länder und der Gemeinden im gegenartigen Stadium der politischen Entwicklung der Faschisierung dienen. Die Behörden, die Polizei, die Armee, die Gendarmerie und die Schule, wie ich vorhin bereits nachwies, alle diese Einrichtungen sind heute zu ausgesprochenen Instrumenten der Faschisierung, der faschistischen Unterdrückung jeder freiheitlichen Bewegung der Volksmassen geworden. Ich will einige Beispiele herausgreifen. Wir können die Tatsache einer forcierten, äußerst schnellen faschistischen Entwicklung insbesondere in den Betrieben feststellen. Das Ziel der Faschisierung der Betriebe besteht für die Unternehmer in der Erhaltung der Konkurrenzfähigkeit und in der Steigerung des Profites. Die Unternehmer erklären, daß sie mit Rücksicht auf den scharfen Konkurrenzkampf auf dem Weltmarkte nicht in der Lage seien, höhere Löhne zu bezahlen. Ganz besonders brutal wurde diese Auffassung bekanntlich in der letzten Rede des Sekretärs des Industriellenverbandes Dr. Hodaè zum Ausdruck gebracht. Die Mittel, die dazu angewendet werden, um dieses Ziel zu erreichen, bestehen vor allem in der Rationalisierung der gesamten Produktion. Das Ziel der Rationalisierung besteht darin, zunächst einmal eine Steigerung des Arbeitstempos zu erreichen. Wenn wir z. B. mit Textilarbeitern und Textilarbeiterinnen reden, so erzählen sie einem die allerinteressantesten Dinge darüber, wie es die Unternehmer anstellen, um bei gleichbleibendem Lohn durch die Erhöhung des Tempos der Maschinen einen bedeutend größeren Profit aus den Knochen dieser Arbeiterschichten herauszuziehen. Ein zweites Mittel besteht in der tatsächlichen Verlängerung der Arbeitszeit. Es ist eine alte Tatsache, daß der Achtstundentag in diesem Staate wohl Gesetz ist, daß aber dieses Gesetz nicht respektiert wird und lediglich auf dem Papier steht. Gerade in den Staatsbetrieben, auf der Eisenbahn, Post usw. wird der Achtstundentag nicht eingehalten; auch dann, wenn im Auftrag des Staates von privaten Unternehmern öffentliche Bauten errichtet werden, wie z. B. der große Schleußenbau bei Schreckenstein im Bezirk Aussig, kehren sich die Privatunternehmer in keiner Richtung an den gesetzlich vorgeschriebenen achtstündigen Arbeitstag.

Ein weiteres Mittel zum Zweck der Rationalisierung der Betriebe besteht darin, daß man die Arbeitsleistung des Arbeiters durch Gewährung von sogenannten Prämien zu erhöhen bestrebt ist. Wie sich das in der Praxis auswirkt, das konnten wir besonders in den letzten Wochen in der großen Neudeker Woll- und Kammgarnspinnerei beobachten. Dort hat man vor ungefähr einem Jahre den Arbeitern Prämien versprochen, sie auch tatsächlich gegeben, man hat sie mit Hilfe dieser Prämien gefangen und erreicht, daß die Arbeitsleistung in ganz kurzer Zeit gesteigert wurde, und als dann die Arbeiter zu diesen Höchstleistungen angespannt waren, wurden diese Prämien in den meisten Abteilungen des Betriebes wieder vollkommen abgebaut. Das bedeutendste Hindernis der Rationalisierung der Betriebe und der Faschisierung der ganzen Produktion ist die Aktivität der proletarischen Massen und infolgedessen haben die Unternehmer und die bürgerlichen Klassen dieses Staates in der gegenwärtigen Situation vor allem das Interesse, die roten Gewerkschaften zu zerschlagen und so die Aktivität der proletarischen Massen herabzumindern. Wir können feststellen, daß in den Betrieben im letzten Jahre der Betriebsterror ungeheuer gesteigert wurde. In der großen chemischen Fabrik in Aussig, die für Kriegsbedarf arbeitet, werden die Arbeiter von allen. Seiten beobachtet und ihnen eine regelrechte gewerkschaftliche Tätigkeit einfach unmöglich gemacht. Bei der großen berühmten Firma Schicht in Schreckenstein bei Aussig wird jeder Arbeiter entlassen, der auch nur den leisesten Versuch unternimmt, in diesem Betrieb eine gewerkschaftliche Organisation aufzubauen. Bei Klinger in Neustadt, einer der berüchtigsten Ausbeuterfirmen dieses Staates, werden die Arbeiter nach allen Regeln der Kunst bespitzelt und beaufsichtigt. In der Neudeker Woll- und Kammgarnspinnerei, die ich bereits in anderem Zusammenhange erwähnte, sind seit kurzem Betriebsgendarmen eingeführt, die Waffen tragen, mit Hunden ausgerüstet sind, und die die Arbeiter nach jeder Richtung zu überwachen und zu sekkieren haben. Es ist ein außerordentlich erfreuliches Zeichen, daß die Arbeiterklasse dieses Staates nun endlich mit der Gegenoffensive gegen diese unerhörten Zustände in den Betrieben einsetzt. Der Streik der Textilarbeiter in Nordböhmen war ein Anfang dieser Gegenoffensive. Wir beobachten gerade in den letzten Wochen das Ausbrechen einer großen Menge wirtschaftlicher Kämpfe und Streiks, so z. B. den Streik der Porzellanarbeiter in Tellnitz im Bezirk Aussig, in der Waffenfabrik Janeèek in Prag, den großen Streik der schamlos ausgebeuteten Steinarbeiter im schlesischen Gebiet usw.

Einer der lehrreichsten wirtschaftlichen Kämpfe der letzten Wochen dürfte der Kaolinarbeiterstreik in den Bezirken Karlsbad und Elbogen in Westböhmen sein. Vor ungefähr 12 Wochen traten die Kaolinarbeiter dieser Betriebe in den Streik. Ich schicke voraus, daß die Unternehmer gerade in diesem Industriezweige in den letzten Jahren ganz ungeheuere und unverschämte Riesenprofite eingesteckt haben und daß wir es hier mit einem der größten Industriekonzerne Westböhmens zu tun haben. Der Anlaß zum Ausbruch dieses Streikes war eine ausgesprochen faschistische Tatsache. Die Arbeiter eines Schachtes weigerten sich, unter dem Aufseher Gössl zu arbeiten, der den Ausspruch getan hat, er werde noch einmal einige solche Hunde - und damit hat er die Arbeiter dieses Betriebes gemeint - mit Revolvern niederschießen. Es ist daher begreiflich, daß sich der gewerkschaftlich organisierten Arbeiter eine ungeheuere Erregung bemächtigte und daß sie sofort in den Streik getreten sind. Die nächste Folge bestand darin, daß die Arbeiter der Osmose in Posetschau in den Solidaritätsstreik traten, weil sie einsahen, daß man die Versuche der Einführung faschistischer Methoden in diesem Konzerne vom allen Anfange an im Keime ersticken müsse. Die Behörden aber schickten sofort eine ganze Menge von Gendarmen in das Streikgebiet. Die Gendarmen haben sich in den letzten Wochen in sehr rücksichtsloser und brutaler Weise gegen die streikende Arbeiterschaft aufgeführt. [Další vìta byla usnesením pøedsednictva posl. snìmovny ze dne 25. dubna 1929 podle §u 9, lit. m) jedn. øádu vylouèena z tìsnopisecké zprávy. Viz str. 48 této tìsnopisecké zprávy.] Und wenn dann die Arbeiter sich gegen diese Provokation behördlicher Organe zur Wehr gesetzt haben, wurden sie einfach verhaftet und eingesperrt. Es sitzen jetzt noch streikende Arbeiter im Bezirksgerichte in Karlsbad, die aus Protest gegen diese ungerechtfertigte Verhaftung und dagegen, daß sie nicht rechtzeitig vom Bezirksrichter einvernommen wurden, in den Hungerstreik getreten sind. Nach ganz kurzer Zeit hat sich der Bezirkshauptmann von Elbogen Dr. Benesch veranlaßt gesehen, in nicht weniger als 10 Gemeinden des Elbogener Gebietes den Ausnahmszustand zu verhängen, der in der Weise praktiziert wird, daß mehr als drei Personen nicht zusammenstehen dürfen. So sehen wir, daß wir heute in Westböhmen bereits slovakische und karpathorussische Zustände haben. Die Verhängung des Ausnahmszustandes über den Bezirk Elbogen ist nichts anderes, als die Verhängung des Belagerungszustandes in Huszt, von dem wir vor einigen Tagen lesen konnten. Die Proteste der Gemeindevertretung gegen diese vollständig überflüssige und provokative Maßnahme sind bis heute erfolglos geblieben. Wir haben beim Bezirkshauptmann Benesch in Elbogen interveniert, ich habe ihn aufmerksam gemacht, daß die Arbeiterschaft die Meinung gewinnen müsse, daß die Behörde auf Seite der Unternehmer und gegen die Arbeiter stehe, und er hat mir geantwortet: "Das ist mir ganz egal, meine Aufgabe besteht darin, die Arbeitswilligen zu schützen".

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