Im übrigen will ich auf den Gegenstand
selbst nicht näher eingehen, da ich auf dem Standpunkte stehe,
daß es sich hier um eine kulturelle Angelegenheit des èechischen
Volkes handelt, in die einzumischen keinem Deutschen das Recht
zusteht. Denn nach unserer Auffassung hat jedes Volk das natürliche
Recht, sich seine kulturellen Fragen und Angelegenheiten selbst
und ohne jede Beeinflussung durch ein anderes Volk zu ordnen und
zu regeln. Jedes Volk hat auch das Recht, seine kulturellen Anstalten,
seine Schul- und Erziehungstätten nach seinen Anschauungen
zu verwalten, auszubauen und zu verbessern, damit sie die hehre
Aufgabe erfüllen, seiner Jugend die bestmögliche körperliche
und geistige Ausbildung und Erziehung zu geben. Dieses Recht auf
kulturelle Selbstverwaltung gehört zu den Fundamentalrechten
jedes Volkes, wie ich schon in meiner ersten Budgetrede am 1.
Dezember 1920 erklärt habe. Seither sind allerdings viele
Jahre dahingegangen, mein Standpunkt und der Standpunkt der Deutschen
Nationalpartei dazu hat sich nicht geändert. Wir verlangen
und fordern auch heute mit aller Entschiedenheit, daß
dem deutschen Volke in der Èechoslovakischen Republik endlich
dieses natürliche und selbstverständliche
Recht auf Kulturautonomie gegeben werde. Wir werden die deutschen
Regierungsparteien rücksichtlos vor der deutschen Bevölkerung
dafür verantwortlich machen, wenn dieser berechtigten deutschen
Forderung, für die auch sie immer eintraten und nach ihren
Äußerungen auch heute noch kämpfen, nicht in der
kürzesten Zeit Rechnung getragen wird.
Seit Oktober 1919 bereits besitzt das
èechische Staats- und Herrenvolk eine èechische
Handelshochschule, während die Bemühungen des deutschen
Volkes, eine deutsche Handels- und Wirtschaftsschule
zu erhalten, bisher vergeblich waren. Nur blinder èechischer
Chauvinismus kann sich so brüsk über eine durchaus berechtigte
Forderung des gesamten deutschen Volkes ohne Unterschied der Partei
hinwegsetzen, kann den unzähligen Eingaben
wirtschaftlicher deutscher Körperschaften gegenüber
so taub sein. Ich habe schon im Mai 1921 dem Abgeordnetenhause
im Auftrage des deutschparlamentarischen Schulausschusses einen
Antrag (Druck 2747) auf Errichtung einer staatlichen deutschen
Handels- und Wirtschaftshochschule in Aussig, als Abteilung der
deutschen technischen Hochschule in Prag eingebracht und diesen
Antrag damit begründet, daß die deutsche Bevölkerung
der Republik wegen ihrer zahlenmäßigen und kulturellen
Bedeutung Anspruch auf eine solche Hochschule besitzt. Das deutsche
Volk hat einen weit über seinen Hundertsatz hinausgehenden
Anteil am Wirtschaftsleben, am Export- und Importhandel dieses
Staates. Im deutschen Siedlungsgebiete liegen zahlreiche blühende
Handelszentren, wie Aussig, Tetschen, Bodenbach, Lobositz, Leitmeritz
u. a., Namen, die europäischen Klang und Bedeutung haben.
Aus dieser hohen und wichtigen Stellung der Deutschen im Wirtschaftsleben
dieses Staates ergibt sich die zwingende Notwendigkeit, die Anwärter
auf führende Posten des Wirtschaftslebens, den Nachwuchs,
entsprechend auszubilden, diese Hilfskräfte für Handel,
Industrie und Verkehr bestmöglich zu schulen.
Dazu gehört vor allem der Besuch von Fachschulen,
von Handelslehranstalten, einer Handels- und Wirtschaftshochschule.
Der Besuch solcher Schulen befähigt den Absolventen, die
Weltwirtschaftsgebiete, die Vorgänge auf dem Inlandsmarkte
wie auch auf dem Weltmarkte zu überblicken, zu verstehen,
richtig zu beurteilen und demgemäß auch richtig zu
disponieren. Der Besuch solcher Schulen vermittelt die notwendigen
volkswirtschaftlichen, warentechnischen und juridischen Kenntnisse
und schafft sprachenkundige Vertreter, welche im scharfen wirtschaftlichen
Konkurrenzkampfe mit den anderen Völkern bestehen. Auch für
den Konsulardienst geben diese Schulen die Grundlage, ebenso für
die Betätigung in den einzelnen Ministerien, besonders im
Ministerium für Handel- und Industrie, des Äußeren,
für Banken, Sparkassen, Versicherungs- und Zollwesen und
nicht zuletzt für die Journalistik. So werden die Absolventen
der Handelshochschulen gesuchte Mitarbeiter in allen großen
Industrien und Handelsunternehmungen, auch darüber hinaus
in den verschiedenen staatlichen und privatwirtschaftlichen Betrieben.
Die wissenschaftliche Ausbildung, die der Einzelne hier erhält,
befähigt ihn, wie in jeder Schule, zu höheren Leistungen
in seinem Berufe. Nicht unerwähnt darf bleiben, daß
die Lehrkräfte für die übrigen Handelsschulen hier
ihre Ausbildung erhalten und daß dieses wieder für
das Niveau dieser Schulen von der größten Bedeutung
ist. Mit Recht sagt daher Professor Bücher: "Es handelt
sich aber nicht darum, dem ganzen Handelsstande die Wohltat akademischer
Ausbildung zuteil werden zu lassen, sondern darum, der führenden
Schichte, einer "Elite" des Handelspersonals, höhere
Geistesbildung zu vermitteln, die sie in den Stand setzt, leitende
Stellen, verantwortungsvolle Posten in einer den Zeitanforderungen
entsprechenden Weise zu bekleiden".
Nach dem Gesagten ist es ohne weiters
verständlich und begreiflich, daß die Deutschen in
der èechoslovakischen Republik, nicht zuletzt aus Gründen
der Konkurrenzfähigkeit, eine Handelshochschule dringend
benötigen, nach ihrer Bedeutung gerade auf dem Gebiete der
Industrie, des Handels und Verkehres geradezu
ein Anrecht darauf haben. Der heutige Zustand muß also als
ganz unhaltbar bezeichnet werden. Mit Ministerialerlaß vom
18. Dezember 1919 wurde die fakultative Maturitätsprüfung
an Handelsakademien eingeführt. Seit dem Jahre 1919 haben
hunderte Absolventen der Handelslehranstalten in der Republik
die Maturitätsprüfung abgelegt und damit ein Recht zum
Besuche der Handelshochschule erworben. Sie können aber dieses
Recht nicht ausüben, weil keine solche Schule besteht. Nur
ein kleiner Teil ist in der Lage, nach Wien oder in das Reich
zu gehen, wenn sie diesen Studien obliegen wollen, von den Schwierigkeiten
nicht zu reden, die ihnen hiebei gemacht werden. Die im Auslande
erworbenen Zeugnisse werden nicht anerkannt, nicht nostrifiziert,
ja den Staatsbeamten wird sogar der ohnehin kärgliche
Erziehungsbeitrag in Abzug gebracht. Und dies alles, obwohl es
eine deutsche Handelshochschule in der Republik nicht gibt und
unsere Studenten doch nicht gezwungen werden können, die
èechische Schule zu besuchen.
Der "Verein zur Gründung und Erhaltung
der deutschen Handels- und Wirtschaftshochschule in der
Èechoslovakischen Republik" in Aussig hat seit dem
Umsturze unermüdlich an der Beseitigung aller Schwierigkeiten
gearbeitet, er hat sogar bereits eine umfangreiche
Fachbücherei für das kommerzielle Hochschulstudium selbst
geschaffen, die schon jetzt zur Verfügung steht, so daß
selbst die sofortige Errichtung möglich wäre. Auch die
budgetäre Belastung im Rahmen unseres Milliardenstaatsvoranschlages
ist eine ganz bedeutungslose und minimale, einige wenige Hunderttausende
Kronen würden vollständig genügen. Es gehört
demnach nur etwas guter Wille seitens der Regierung dazu und der
kann doch in einer gemischtnationalen Regierung, in der auch 2
deutsche Minister und Hochschulprofessoren sitzen, in einer Regierung,
welche das Wort von den Gleichen unter Gleichen geprägt hat,
nicht fehlen oder viel leicht schwer aufzubringen sein. Schöne
Worte genügen heute allerdings nicht mehr.
Präsident Masaryk hat schon vor
Jahren einer Abordnung gegenüber, welche ihm diesen deutschen
Wunsch vortrug, erklärt, daß er der Errichtung einer
deutschen Handels- und Wirtschaftshochschule sympathisch gegenüberstehe.
Im gleichen Sinne hat sich der damalige Ministerpräsident
Èerný
geäußert. Der Worte sind also genug gewechselt, laßt
endlich einmal die Taten sehen. Die Errichtung dieser notwendigen
deutschen Hochschule wäre nur ein kleiner Schritt auf dem
Wege der Gleichberechtigung, von der so viel und so oft in den
letzten Jahren die Rede ist. Solche Taten würden am
besten zeigen, ob es den Èechen ernst mit dieser Gleichberechtigung
ist. Im übrigen handelt es sich mit dieser Forderung um ein
Recht der Deutschen, um das zu bitten und betteln wir gar nicht
nötig haben. Es handelt sich um eine selbstverständliche
Pflicht der Regierung deutschen Kulturwünschen gegenüber.
Wenn hierzulande nicht blinder nationaler Chauvinismus für
die Entschließungen der Regierung maßgebend wäre,
müßte die Regierung erkennen, daß die Errichtung
einer solchen Schule auch ein Vorteil für den Staat ist,
sie könnte nicht gleichgültig hiefür sein, wie
einzelne Zweige der Volkswirtschaft, wie Handel, Verkehr und Industrie
verdorren und darniederliegen und das nur deshalb, weil es Deutsche
betrifft. Damit verschüttet sich die Regierung zugleich auch
die Steuerquellen und damit die Grundlagen ihres eigenen Reichtums
und Wohlstandes.
Ich will in diesem Zusammenhange die Frage
des Standortes der deutsch en Handelshochschule nicht berühren,
weil es meiner Ansicht nach keinen Zweck hat, sich darüber
schon den Kopf zu zerbrechen, solange wir nicht die feste Zusage
der Regierung auf Errichtung besitzen. In dem im Jahre 1921 überreichten
Antrage sprechen wir uns für Aussig als Standort und als
Abteilung der deutschen technischen Hochschule in Prag aus. Die
Begründung sagte damals:
"Die Angliederung an die deutsche technische
Hochschule in Prag empfiehlt sich, weil Produktion und Handel
in inniger Wechselbeziehung stehen. Die technische Hochschule
hat die Aufgabe, die wissenschaftlichen Grundlagen für die
Kenntnisse und Erforschung der Rohstoffe und für ihre Verarbeitung
zu Wirtschaftsgütern höherer Ordnung zu schaffen. Die
Handels- und Wirtschaftsabteilung muß lehren, wie diese
Güter dem In- und Auslandsverkehr in zweckdienlicher Weise
zuzuführen sind. Schon vor 70 Jahren wurde das ehemalige
"Polytechnische Institut" in Wien bestimmt, in seinem
Lehrplane alle Zweige technischer und kommerzieller Studien zu
erfassen. Die Verbindung beider Studienrichtungen würde Anlaß
geben zu einer gegenseitigen Befruchtung und zu einer wertvollen
Erweiterung des Wissens nach technischer und kaufmännischer
Richtung.
Die Wahl Aussigs als Sitz der deutschen Handels-
und Wirtschaftshochschule empfiehlt sich, weil diese im Aufstiege
begriffene Mittelstadt den Studierenden nicht nur reiche Anregungen
auf allgemein kulturellem Gebiete durch ihre vornehme Volksbücherei
ihr gut geleitetes Theater und ihr bedeutendes Stadtmuseum bieten
könne, sondern auch weil Aussig als hervorragende Handels-
und Industriestadt mit seinen großen Hafen- und Bahnhofsanlagen
und als Verkehrsknotenpunkt Anschauungsmittel besitzt, die geeignet
sind, das durch die Lehre Gebotene durch praktische Beobachtung
zu ergänzen und zu festigen.
In Erkenntnis dieser Tatsachen haben sich auch
in einer am 30. Juli 1920 durch die Handels- und Gewerbekammer
in Reichenberg einberufenen Versammlung zahlreiche industrielle
Verbände und Fachvereinigungen für die Schaffung der
geplanten Handels- und Wirtschaftsabteilung in Aussig ausgesprochen.
Auch die Handels- und Gewerbekammern in Eger und Troppau haben
sich dieser Äußerung angeschlossen."
Wir traten auch deshalb für Aussig ein,
weil wir auf dem Standpunkte stehen, daß die deutschen Hochschulen
ins deutsche Sprachgebiet gehören. Unser deutsches Hochschulwesen
kann sich nach meiner Ansicht nur in inniger und unmittelbarer
Fühlungnahme mit dem deutschen Siedlungsgebiete entwickeln.
Die vielfachen geistigen und wirtschaftlichen Kräfte, welche
in unseren Hochschulen lebendig sind, müssen wieder dem Heimatboden
nutzbar gemacht und mit dem deutschen Volksleben in Berührung
gebracht werden. Die Hochschulen dürfen nicht bloß
Forschungsstätten und oberste Unterrichtsanstalten sein,
sie müssen zugleich auch Mittelpunkt und Ausganspunkt aller
Bestrebungen zur geistigen Befruchtung des gesamten deutschen
Volks- und Kulturlebens, zur Hebung der Volksbildung sein. Zur
Erfüllung dieser wichtigen nationalen Aufgabe muß die
geistige, wie nationale und kulturelle Wechselwirkung zwischen
Hochschule und Volk vorhanden sein. Die deutschen Hochschulen
können heute inmitten der èechischen Flut, im ungastlichen
Prag, vom pulsierenden deutschen Volksleben abgeschnitten, diesen
hohen Aufgaben nicht gerecht werden. Daher
erhebt meine Partei nach wie vor die Forderung nach Verlegung
der deutschen Hochschulen in das deutsche Sprachgebiet, wie dies
am 11. Mai 1919 in einer Versammlung aller Vertreter in Teplitz-Schönau
einmütig verlangt wurde. Aus diesem Grunde forderten wir
die alte deutsche Handelsstadt Aussig als Sitz der deutschen Handelshochschule.
Im Übrigen wird es Sache der deutschen Vertreter sein, wenn
erst einmal die Zustimmung der Regierung vorliegen wird, über
alle damit im Zusammenhange stehenden Fragen ein Einvernehmen
und eine Klärung herbeizuführen.
Es wäre verlockend, bei dieser Gelegenheit
auch die übrigen deutschen Hochschulwünsche vorzubringen
und die Errichtung der fehlenden deutschen Hochschulen, wie der
montanistischen Hochschule, der Forsthochschule, der Tierarztneihochschule,
der Hochschule für Leibesübungen, der Musik- und Kunstakademie
zu betreiben. Ich will es mir versagen, weil ich fürchte,
damit heute ebensowenig Gehör zu finden, wie in den früheren
Jahren. Diese Schwerhörigkeit und die Abneigung der Regierung
gegenüber deutschen Kulturforderungen trotz Anteilnahme deutscher
Parteien angeblich an der Macht, besser aber an dem Scheine der
Macht, werden uns aber nicht hindern, diese Forderungen immer
und immer wieder zu erheben und das Recht des deutschen Volkes
auf seine kulturelle Selbstverwaltung zu betonen, bis der einmütige
Wille unseres gesamten deutschen Volkes über alle
Stände und Parteien hinweg den èechischen Widerstand
bricht und uns Erfüllung und kulturelle Freiheit bringt,
ohne die ein aufrechtes Volk nicht bestehen kann. (Potlesk
poslancù nìm. strany národní.)
Die heute zu behandelnden Schulgesetze geben
Anlaß zur Untersuchung des ganzen jetzigen Kurses in der
Schulpolitik. Wir stellen ausdrücklich fest, daß unserer
Auffassung nach ein wesentlicher Unterschied zwischen der Schulpolitik
des neuen Unterrichtsministers Dr. Štefánek
und der Schulpolitik, wie sie von dem zurückgetretenen Unterrichtsminister
Dr. Hodža
getrieben worden ist, nicht festgestellt werden kann. Es wurde
zwar unter der neuen Ministerschaft eine Schulenquete einberufen,
deren Zweck darin bestand, vor allem die Fachleute zur Beurteilung
der schwebenden Schulprobleme heranzuziehen. Aber wenn wir die
Ergebnisse dieser Schulenquete überblicken, so zeigt es sich,
daß sie nur zu dem ausschließlichen Zweck veranstaltet
worden ist, um dem Schulministerium ein fortschrittliches Mäntelchen
umzuhängen und um zu verbergen, daß im Schulwesen genau
so wie früher auch heute ein durchaus reaktionärer Kurs
getrieben werden soll.
Präsident Masaryk hat seinerzeit
ganz offen und rückhaltlos festgestellt, daß das Schulwesen
in diesem Staate durchaus rückständig sei. Aber wir
können sagen, daß die Schulenquete keinen Schritt nach
vorwärts bedeutet. Denn bei dieser Enquete ist man um die
wichtigsten und hauptsächlichsten Probleme des Schulwesens
wie um den heißen Brei herumgegangen, man hat die Arbeitsschule
abgelehnt, man hat sich mit dem Problem der Einheitsschule nicht
ernstlich beschäftigt, aber man hat sich mit der ungeheuer
wichtigen Frage beschäftigt, ob in den Mittelschulen die
griechische Sprache oder die modernen Sprachen in den Vordergrund
des Interesses gezogen werden sollen. Man hat nicht ein ernstes
Wort über die Frage der Einführung der Schulautonomie
gesprochen und man hat vor allem die wirtschaftliche Seite des
Schulwesens vollkommen übersehen, wissentlich ignoriert.
Man hat nicht die Frage untersucht, inwieweit das Ergebnis des
Unterrichts in den einzelnen Schulklassen damit zusammenhängt,
wieviel Schüler in den betreffenden Klassen unterrichtet
werden, und so zeigt es sich denn, daß durch diese Schulenquete,
die sich mit der Frage der Schulreform zu beschäftigen hatte,
nicht das geringste geändert worden ist, daß in diesem
Staate die ausgesprochene Klassenschule weiter bestehen bleiben
wird. Man hat sich nicht mit der Frage der Lehrerbildung beschäftigt,
die nach wie vor schlecht und ungenügend bleibt. Unter diesen
Umständen verstehen wir es vollkommen, daß der größte
Teil der bürgerlichen Zeitungen mit dem Ergebnis der Enquete
vollkommen zufrieden gewesen ist und daß sie alle in dem
Sinne geschrieben haben: Gott sei Dank, daß diese Enquete
nicht umstürzlerische Neuerungen auf dem Gebiete des Schulwesens
gefordert hat! Die Klerikalen wittern Morgenluft, sie wollen und
darin werden sie heute von allen bürgerlichen Parteien ohne
Unterschied der Nation unterstützt - ihre Macht über
das ganze Schulwesen ausdehnen und in ihrem Eifer in dem Kampf
um die Schule werden sie noch dadurch bestärkt, daß
in letzter Zeit auch der Papst in diese Frage eingegriffen hat.
Die Klerikalen haben Frieden mit Mussolini geschlossen, sie werden
die allerletzten sein, die der jetzt betriebenen Faschisierung
des Schulwesens hinderlich im Wege stehen. Das Kriegsministerium
hat schon seit längerer Zeit die Absicht geäußert,
die sogenannte vormilitärische Erziehung in den einzelnen
Schulklassen, besonders in den höheren, einzuführen,
Schießübungen abzuhalten, und der Zweck dieser ganzen
Übungen wird darin bestehen, einen Großteil der Schuljugend
für den zukünftigen Krieg gegen die Arbeiterklasse vorzubereiten.
Das bedeutet nicht mehr und nicht weniger, als daß in den
allgemeinen Faschisierungsprozeß, welcher in diesem Staat
seit einiger Zeit mit aller Kraft eingesetzt hat, auch das gesamte
Schulwesen einbezogen werden soll.
Wir Kommunisten sind der festen Überzeugung,
daß Präsident Masaryk auch diese Dinge mitmachen
wird, daß er auch alle kommenden reaktionären Gesetze
auf dem Gebiete des Schulwesens unterfertigen wird, genau so wie
er bisher alle jene Gesetze unterzeichnet hat, deren ausschließlicher
Zweck im rücksichtslosen Kampf gegen die proletarischen Massen
ohne Unterschied der Nation in diesem Staate besteht. Vor einigen
Wochen hat mein Parteigenosse Abg. Juran von dieser Stelle
aus eine Rede gehalten, in welcher er den lückenlosen Beweis
dafür erbrachte, daß heute nicht mehr der abgetakelte
ehemalige General Gajda der Konzentrationspunkt der faschistischen
Bewegung in diesem Staate ist, sondern in Wirklichkeit Präsident
Masaryk derjenige ist, um welchen sich die Kräfte
des legalen Faschismus in diesem Staate konzentrieren. Die Rede
meines Parteigenossen Juran hat in der èechisch-bürgerlichen
Presse ein außerordentlich lebhaftes Echo gefunden. Wir
erklären von dieser Stelle aus, daß wir uns durchaus
hinter den Genossen Juran stellen und daß wir ganz
genau derselben Überzeugung und Auffassung sind, wie sie
vom Gen. Juran vor einigen Wochen zum Ausdruck gebracht
worden ist. Die èechisch-bürgerlichen Zeitungen haben
in der Kritik der Rede des Gen. Juran
so getan, als ob es unzulässig wäre, ein Wort der Kritik
über die politische Tätigkeit des Präsidenten in
diesem Staate zu sagen. Ich möchte daran erinnern, daß
Fürst Bismarck, der doch sicherlich in der Politik Deutschlands
keine geringere Rolle gespielt hat, als sie heute Präsident
Masaryk in der Èechoslovakischen Republik
spielt, sich gefallen lassen mußte, in der rücksichtslosesten
Weise durch den alten Windhorst, durch den alten Eugen Richter
und nicht zuletzt durch August Bebel kritisiert zu werden. Die
politische Entwicklung, die wir bei Präsident Masaryk
beobachten können, ist durchaus nichts Verwunderliches, und
man könnte eine ganze Menge von Beispielen anführen,
wie Leute, die einstmals auf dem ganz linken Flügel gestanden
sind, nach verhältnismäßig ganz kurzer Zeit auf
den rechtesten Flügel der reaktionären Politik hinüber
gewandert sind. Wer war Briand? Ein Sozialdemokrat. Wer ist er
heute? Er ist der Exponent der französischen Bourgeoisie.
Wer war Pilsudski? Ein Sozialdemokrat. Er ist heute der Exponent
des blutigsten Faschismus in Polen. Wer war schließlich
Mussolini? Er war ein Führer des italienischen Sozialismus
und ist heute zum Führer des italienischen Faschismus und
so zum vielbewunderten Vorbild aller reaktionären bürgerlichen
Kreise ganz Europas, ja der ganzen Welt geworden.
Damit bin ich zum Hauptthema gekommen. Wir
können feststellen, daß alle Einrichtungen des Staates,
der Länder und der Gemeinden im gegenartigen Stadium der
politischen Entwicklung der Faschisierung dienen. Die Behörden,
die Polizei, die Armee, die Gendarmerie und die Schule, wie ich
vorhin bereits nachwies, alle diese Einrichtungen sind heute zu
ausgesprochenen Instrumenten der Faschisierung, der faschistischen
Unterdrückung jeder freiheitlichen Bewegung der Volksmassen
geworden. Ich will einige Beispiele herausgreifen. Wir können
die Tatsache einer forcierten, äußerst schnellen faschistischen
Entwicklung insbesondere in den Betrieben feststellen. Das Ziel
der Faschisierung der Betriebe besteht für die Unternehmer
in der Erhaltung der Konkurrenzfähigkeit und in der Steigerung
des Profites. Die Unternehmer erklären, daß sie
mit Rücksicht auf den scharfen Konkurrenzkampf auf dem Weltmarkte
nicht in der Lage seien, höhere Löhne zu bezahlen. Ganz
besonders brutal wurde diese Auffassung bekanntlich in der letzten
Rede des Sekretärs des Industriellenverbandes Dr. Hodaè
zum Ausdruck gebracht. Die Mittel, die dazu
angewendet werden, um dieses Ziel zu erreichen, bestehen vor allem
in der Rationalisierung der gesamten Produktion. Das Ziel der
Rationalisierung besteht darin, zunächst einmal eine Steigerung
des Arbeitstempos zu erreichen. Wenn wir z. B. mit Textilarbeitern
und Textilarbeiterinnen reden, so erzählen sie einem die
allerinteressantesten Dinge darüber, wie es die Unternehmer
anstellen, um bei gleichbleibendem Lohn durch die Erhöhung
des Tempos der Maschinen einen bedeutend größeren Profit
aus den Knochen dieser Arbeiterschichten herauszuziehen. Ein zweites
Mittel besteht in der tatsächlichen Verlängerung der
Arbeitszeit. Es ist eine alte Tatsache, daß der Achtstundentag
in diesem Staate wohl Gesetz ist, daß aber dieses Gesetz
nicht respektiert wird und lediglich auf dem Papier steht. Gerade
in den Staatsbetrieben, auf der Eisenbahn, Post usw. wird der
Achtstundentag nicht eingehalten; auch dann, wenn im Auftrag des
Staates von privaten Unternehmern öffentliche Bauten errichtet
werden, wie z. B. der große Schleußenbau bei Schreckenstein
im Bezirk Aussig, kehren sich die Privatunternehmer in keiner
Richtung an den gesetzlich vorgeschriebenen achtstündigen
Arbeitstag.
Ein weiteres Mittel zum Zweck der Rationalisierung
der Betriebe besteht darin, daß man die Arbeitsleistung
des Arbeiters durch Gewährung von sogenannten Prämien
zu erhöhen bestrebt ist. Wie sich das in der Praxis auswirkt,
das konnten wir besonders in den letzten Wochen in der großen
Neudeker Woll- und Kammgarnspinnerei beobachten. Dort hat man
vor ungefähr einem Jahre den Arbeitern Prämien versprochen,
sie auch tatsächlich gegeben, man hat sie mit Hilfe dieser
Prämien gefangen und erreicht, daß die Arbeitsleistung
in ganz kurzer Zeit gesteigert wurde, und als dann die Arbeiter
zu diesen Höchstleistungen angespannt waren, wurden diese
Prämien in den meisten Abteilungen des Betriebes wieder vollkommen
abgebaut. Das bedeutendste Hindernis der Rationalisierung der
Betriebe und der Faschisierung der ganzen Produktion ist die Aktivität
der proletarischen Massen und infolgedessen haben die Unternehmer
und die bürgerlichen Klassen dieses Staates in der gegenwärtigen
Situation vor allem das Interesse, die roten Gewerkschaften zu
zerschlagen und so die Aktivität der proletarischen Massen
herabzumindern. Wir können feststellen, daß in den
Betrieben im letzten Jahre der Betriebsterror ungeheuer gesteigert
wurde. In der großen chemischen Fabrik in Aussig, die für
Kriegsbedarf arbeitet, werden die Arbeiter von allen. Seiten beobachtet
und ihnen eine regelrechte gewerkschaftliche Tätigkeit einfach
unmöglich gemacht. Bei der großen berühmten Firma
Schicht in Schreckenstein bei Aussig wird jeder Arbeiter entlassen,
der auch nur den leisesten Versuch unternimmt, in diesem Betrieb
eine gewerkschaftliche Organisation aufzubauen. Bei Klinger in
Neustadt, einer der berüchtigsten Ausbeuterfirmen dieses
Staates, werden die Arbeiter nach allen Regeln der Kunst bespitzelt
und beaufsichtigt. In der Neudeker Woll- und Kammgarnspinnerei,
die ich bereits in anderem Zusammenhange erwähnte, sind seit
kurzem Betriebsgendarmen eingeführt, die Waffen tragen, mit
Hunden ausgerüstet sind, und die die Arbeiter nach jeder
Richtung zu überwachen und zu sekkieren haben. Es ist ein
außerordentlich erfreuliches Zeichen, daß die Arbeiterklasse
dieses Staates nun endlich mit der Gegenoffensive gegen diese
unerhörten Zustände in den Betrieben einsetzt. Der Streik
der Textilarbeiter in Nordböhmen war ein Anfang dieser Gegenoffensive.
Wir beobachten gerade in den letzten Wochen das Ausbrechen
einer großen Menge wirtschaftlicher Kämpfe und Streiks,
so z. B. den Streik der Porzellanarbeiter in Tellnitz im Bezirk
Aussig, in der Waffenfabrik Janeèek in Prag, den großen
Streik der schamlos ausgebeuteten Steinarbeiter im schlesischen
Gebiet usw.
Einer der lehrreichsten wirtschaftlichen Kämpfe
der letzten Wochen dürfte der Kaolinarbeiterstreik in den
Bezirken Karlsbad und Elbogen in Westböhmen sein. Vor ungefähr
12 Wochen traten die Kaolinarbeiter dieser Betriebe in den Streik.
Ich schicke voraus, daß die Unternehmer gerade in diesem
Industriezweige in den letzten Jahren ganz ungeheuere und unverschämte
Riesenprofite eingesteckt haben und daß wir es hier mit
einem der größten Industriekonzerne Westböhmens
zu tun haben. Der Anlaß zum Ausbruch dieses Streikes war
eine ausgesprochen faschistische Tatsache. Die Arbeiter eines
Schachtes weigerten sich, unter dem Aufseher Gössl zu arbeiten,
der den Ausspruch getan hat, er werde noch einmal einige solche
Hunde - und damit hat er die Arbeiter dieses Betriebes gemeint
- mit Revolvern niederschießen. Es ist daher begreiflich,
daß sich der gewerkschaftlich organisierten Arbeiter eine
ungeheuere Erregung bemächtigte und daß sie sofort
in den Streik getreten sind. Die nächste Folge bestand darin,
daß die Arbeiter der Osmose in Posetschau in den Solidaritätsstreik
traten, weil sie einsahen, daß man die Versuche der Einführung
faschistischer Methoden in diesem Konzerne vom allen Anfange an
im Keime ersticken müsse. Die Behörden aber schickten
sofort eine ganze Menge von Gendarmen in das Streikgebiet. Die
Gendarmen haben sich in den letzten Wochen in sehr rücksichtsloser
und brutaler Weise gegen die streikende Arbeiterschaft aufgeführt.
[Další vìta byla usnesením
pøedsednictva posl. snìmovny ze dne 25. dubna 1929
podle §u 9, lit. m) jedn. øádu vylouèena
z tìsnopisecké zprávy. Viz str. 48 této
tìsnopisecké zprávy.]
Und wenn dann die Arbeiter sich
gegen diese Provokation behördlicher Organe zur Wehr gesetzt
haben, wurden sie einfach verhaftet und eingesperrt. Es sitzen
jetzt noch streikende Arbeiter im Bezirksgerichte in Karlsbad,
die aus Protest gegen diese ungerechtfertigte Verhaftung und dagegen,
daß sie nicht rechtzeitig vom Bezirksrichter einvernommen
wurden, in den Hungerstreik getreten sind. Nach ganz kurzer Zeit
hat sich der Bezirkshauptmann von Elbogen Dr. Benesch veranlaßt
gesehen, in nicht weniger als 10 Gemeinden des Elbogener Gebietes
den Ausnahmszustand zu verhängen, der in der Weise praktiziert
wird, daß mehr als drei Personen nicht zusammenstehen dürfen.
So sehen wir, daß wir heute in Westböhmen bereits slovakische
und karpathorussische Zustände haben. Die Verhängung
des Ausnahmszustandes über den Bezirk Elbogen ist nichts
anderes, als die Verhängung des Belagerungszustandes in Huszt,
von dem wir vor einigen Tagen lesen konnten. Die Proteste der
Gemeindevertretung gegen diese vollständig überflüssige
und provokative Maßnahme sind bis heute erfolglos geblieben.
Wir haben beim Bezirkshauptmann Benesch in Elbogen interveniert,
ich habe ihn aufmerksam gemacht, daß die Arbeiterschaft
die Meinung gewinnen müsse, daß die Behörde auf
Seite der Unternehmer und gegen die Arbeiter stehe, und er hat
mir geantwortet: "Das ist mir ganz egal, meine Aufgabe besteht
darin, die Arbeitswilligen zu schützen".