Meine Damen und Herren! Die Regierung legt
den Gesetzesantrag Druck 1865, betreffend die Gendarmerie-Zucht-
und Disziplinarordnung vor. Wochenlange Beratungen im sozialpolitischen
und verfassungsrechtlichen Ausschusse waren notwendig, um die
41 Paragraphen dieses Gesetzes derart vorzubereiten, daß
sie dem Plenum des Abgeordnetenhauses zur Beschlußfassung
vorgelegt werden können. Die Regierung wünschte sogar,
daß sich auch der Wehrausschuß mit dieser Gesetzesvorlage
befasse, was aber der Wehrausschuß mit Begründung und
vollem Rechte abgelehnt hat. Nach dieser gründlichen Vorbereitung
des Gesetzes erübrigt es sich, über die einzelnen Paragraphen
noch Näheres zu sagen. Aus der hier geübten Praxis wissen
wir, daß das Gesetz in der Form, wie es im Ausschußberichte
Druck 2189 enthalten ist, unter Ablehnung aller Verbesserungsanträge
angenommen werden wird. Und doch sind einzelne Bestimmungen in
diesem Gesetze, die nicht nur für das Personal der Gendarmerie,
sondern für alle Staats- und öffentlichen Angestellten
von größter Bedeutung sind. Gerade diese Bestimmungen
müssen abgelehnt werden. Deshalb will ich meine Ausführungen
nur auf diese Bestimmungen beschränken.
Auch in dieser Gesetzesvoroage wird die Disziplinargewalt
des Staates auf Personen des dauernden Ruhestandes ausgedehnt.
Als 1912 und 1913 im gewesenen Kaiserstaat Österreich die
Staatsbeamtendienstpragmatik vorbereitet wurde, haben sich alle
Staatsangestelltenorganisationen auf das heftigste dagegen gewehrt,
daß Personen des zeitlichen oder dauernden Ruhestandes einer
Disziplinargewalt des Staates untergeordnet werden. Dieser Kampf
blieb ergebnislos. Als 1914 die allgemeine Staatsbeamtendienstpragmatik,
als 1917 die Dienstpragmatik für die Staatslehrpersonen erschien,
mußten wir erleben, daß die Disziplinargewalt auch
auf die Ruheständler ausgedehnt wurde. Es blieb damals nichts
anderes übrig, als dies hinzunehmen und mit Schrecken zu
sehen, wie sich der gewesene Kaiserstaat Österreich
zu einem Polizeistaat katexochen entwickelte. Die èechoslovakische
Gesetzgebung stand seit 1918 unter der Devise des Entösterreicherns.
Das blieb aber eine Devise ohne Inhalt und Leben. Mit Staunen
mußten wir sehen, daß gerade
die èechoslovakische Gesetzgebung daran ging, alles zu
unternehmen, was dazu beiträgt, auch die Èechoslovakei
zu einem Polizeistaat auszubauen, daß alle diese österreichischen
Bestimmungen übernommen, ja sogar erweitert wurden. So stehen
auch in der Èechoslovakei die im Ruhestande befindlichen
Staatsangestellten unter der Disziplinargewalt. Im Jahre 1927
hat eine Regierungsverordnung, die zum Lehrergehaltsgesetz Nr.
104 aus dem Jahre 1926 herausgegeben wurde, diese Disziplinargewalt
auf pensionierte Lehrer der Volks- und Bürger
schulen ausgedehnt, und im vorliegenden Gesetz werden auch die
Ruheständler der Gendarmerie der Disziplinargewalt unterworfen.
Bald wird es in diesem Staate keinen Staats- oder öffentlichen
Angestellten mehr geben, der beim Übertritt in den Ruhestand
nicht das Bewußtsein mitnimmt, daß stündlich
das Damoklesschwert der Disziplinaruntersuchung und der damit
verbundenen Strafen über ihn hängt.
Doch scheint mir, daß hier zwei Begriffe
zusammengeworfen werden, die im Verhältnis zu einander vollständig
wesensfremd sind. So will ich an der Analyse der beiden Begriffe
Disziplinargewalt und Pension zeigen, wie ungerecht es ist, die
Disziplinargewalt auf die Ruheständler auszudehnen.
Die Disziplinargewalt ist die Zwangs- und Strafgewalt
des Staates oder anderer öffentlichen Verbände gegenüber
den Beamten. Die Beamteb unterstehen einerseits den allgemeinen
staatlichen Strafgesetzen als Staatsbürger, andererseits
aber einer besonderen Strafgewalt, die auf dem Verhältnis
des Angestellten zu seinem Dienstgeber beruht und die Erfüllung
der Dienstpflichten sichert. Beide Verfahren, Strafgerichtsverfahren
und Disziplinarverfahren, können gegen einen und denselben
Beamten gleichzeitig nebeneinander, voneinander unabhängig,
geführt werden. Die Auswahl der Disziplinarstrafe richtet
sich nach der Erheblichkeit des Dienstvergehens und sie wird mit
Rücksicht auf die Gesamtführung des Beamten verhängt.
So unterscheiden wir Ordnungsstrafen, das sind Verwarnung, Verweisung,
dann Geldstrafen, das ist Kürzung der Gebühren, Verweigerung
der Vorrückung und ähnliches, und die Strafe der Entfernung
aus dem Amte, die verhängt wird entweder als strafweise Versetzung
oder als Pensionierung mit gekürzten Gebühren oder als
Kassation bei Aberkennung jeglicher Versorgungsgebühr.
Wenden wir uns dem Begriff der Pension zu,
können wir feststellen, daß der Beamte während
seiner aktiven Dienstzeit seine ganze Arbeitskraft dem öffentlichen
Dienst zur Verfügung zu stellen verpflichtet ist und auch
stellt. Er hat keine Möglichkeit, auch keine Gelegenheit
zu einem Nebenerwerb, um für sein Alter zu sorgen. Der geringe
Gehalt, den der Beamte während der aktiven Dienst zeit bezieht,
gestattet es ihm nicht, Rücklagen zu machen, welche ihm dann
die Lebensführung im Alter, wo er nicht mehr arbeitsfähig
ist, erleichtern sollten. Und so ist es Pflicht des Staates als
Dienstgeber, für die Altersversorgung seiner Beamten und
ihrer Familien zu sorgen. Die Pension stellt sich also als eine
Gehaltsversorgung ohne unmittelbare Gegenleistung dar, sie ist
eine lebenslängliche Jahresrente zur standesgemäßen
Versorgung des Beamten, sie bildet einen Teil seines Arbeitsertrages.
Denn gerade mit Rücksicht darauf, daß der Beamte Anspruch
auf Versorgungsgebühren während des Ruhestandes hat,
begnügt er sich während der aktiven Dienstzeit mit einem
gerini geren Gehalt und so stellt die Pension tatsächlich
einen Teil seines Arbeitsertrages dar. Die Pension ist ein wohlerworbenes
Recht und wenn der Anspruch des Beamten auf Pensionierung beseitigt
werden soll, ist dazu eine Änderung der Verfassung notwendig.
Dem Beamten steht der Rechtsweg offen, um seinen Anspruch auf
Pensionierung geltend zu machen, die Pfändung seiner Pension
ist nur in beschränktem Ausmaß möglich und nur
zu Gunsten der Versorgung von Ehegatten und Kindern oder Verwandten
und dann noch zu Gunsten von öffentlichen Abgaben.
Aus dieser Begriffsanalyse sowohl der Disziplinargewalt
als auch der Pension ergibt sich, daß der Pensionist überhaupt
kein Dienstverhältnis mehr zu seinem früheren Dienstgeber
hat, er hat ihm gegenüber keine Dienstpflichten und er kann
daher auch nicht wegen eines Dienstvergehens, das gar nicht möglich
ist, in Disziplinaruntersuchung gezogen werden. Auf der andern
Seite hat der frühere Dienstgeber gar nicht die Möglichkeit,
die Dienstpflicht irgend eines Ruheständlers durch ein Disziplinarverfahreu
sicherzustellen. Verfehlungen, Vergehen und Verbrechen, die sich
der Ruheständler zuschulden kommen ließ, können
nur strafgerichtlich verfolgt werden. Wir können unbedingt
die Disziplinargewalt des Staates über Ruheständler
nicht anerkennen. Für mich ist es schon strittig, ob man
über einen aktiven Staatsbeamten im Disziplinarwege die Strafversetzung
in den dauernden Ruhestand mit gekürzten Gebühren verhängen
kann. Die Pension ist keine Gnade, sie ist ein wohlerworbenes
Recht und darf daher auch in einem Disziplinarverfahren nicht
angetastet werden. Ich behaupte, daß der Staat nur das Recht
hat, im Disziplinarwege einen aktiven Beamten vorzeitig in den
Ruhestand zu schicken und ihm dadurch die Möglichkeit zu
nehmen, jene höchste Pension zu erreichen, die ihm gebührte,
wenn er seine Dienstzeit im gesetzlichen Ausmaß vollendete.
Ganz bestimmt aber hat der Staat kein Recht, einer Person des
Ruhestandes ein Disziplinarverfahren auf den Hals zu hetzen und
jemandem seine wohlerworbene Pension zu kürzen oder ganz
abzuerkennen; so etwas kann nur auf Grund eines strafgerichtlichen
Verfahrens geschehen. Dieses unberechtigte Wesen der Disziplinaruntersuchung
gegen Staatsbeamte des Ruhestandes hat auch zur Folge, daß
das Gesetz überall dort, wo es davon spricht, Lücken
aufweist, denn nirgends steht im Gesetz, in welchen Fällen
und unter welchen Umständen ein Ruheständler in Disziplinaruntersuchung
gezogen werden kann. Bestimmungen des Gesetzes fehlen entweder
ganz oder sind nicht klar und nicht präzise.
Meine Herren, ob eine Disziplinaruntersuchung
über einen Ruheständler verhängt wird, das hängt
ganz von der sog, autonomen Disziplinarkommission ab, mit anderen
Worten, der Ruheständler ist der Willkür des Amtes,
dem er einmal gedient hat, vollkommen ausgeliefert. Das muß
selbstverständlich in der Praxis zu Auswüchse führen.
An den Fällen, wo eine Disziplinaruntersuchung gegen Ruheständler
geführt wurde, erkennt man auch ganz genau den Zweck, warum
sich der Staat eine Disziplinargewalt über die Ruheständler
anmaßt. Ich will nur ein Beispiel erwähnen: In einer
Stadt in Deutschböhmen ist ein pensionierter Oberlehrer erster
Vizebürgermeister. Im September 1928 wurde in der Stadtverordnetensitzung
die Debatte über den Stadtvoranschlag für 1929 abgeführt.
Der Vizebürgermei ster hat als Fachmann - er ist Oberlehrer
im Ruhestande - in der Debatte über das Schulkapitel das
Wort ergriffen und sich für die Annahme dieses Schulbudgets
ausgesprochen, hat aber dabei ganz allgemein in seiner
Rede den èechischen Geist bemängelt, der in unsere
deutschen Schulen hineingetragen wird, hat von Entnationalisierungsbestrebungen
an den deutschen Schulen gesprochen [Další vìta
byla usnesením pøedsednictva posl. snìmovny
ze dne 13. èervna 1929 podle §u 9, lit. m) jedn. øádu
vylouèena z tìsnopisecké zprávy. Viz
str. 46 této tìsnopisecké zprávy.]
und hat gewünscht, daß
die deutsche Schule das deutsche Kind zu einem deutschen Menschen
erziehe. Meine Herren, dies sind Forderungen, die von hunderten
Rednern in diesem Staate unbeanständet ausgesprochen wurden,
in hunderten deutschen Artikeln geschrieben wurden. Diese Rede
des Vizebürgermeisters war in der Lokalpresse wörtlich
veröffentlicht und blieb vom Zensor unbeanständet. Der
Landesschulrat in Prag führt aber gegenwärtig gegen
diesen pensionierten Oberlehrer und Vizebürgermeister die
Disziplinaruntersuchung. Meine Herren, es ist unerhört, daß
man einen freigewählten Volksvertreter auf diese Art und
Weise mundtot macht, indem man ihn der Disziplinargewalt seitens
des Amtes unterwirft. Aber der Zweck, der mit solchen Bestimmungen
über die Disziplinargewalt der Ruheständler verfolgt
wird, ist klar. Die Pensionisten sollen derart eingeschüchtert
werden, daß sie sich überhaupt nicht mehr trauen, den
Mund aufzumachen, sie sollen das Bewußtsein bekommen, daß
jeder Schritt von ihnen überwacht wird, man will ihnen den
letzten Rest staatsbürgerlicher Freiheit rauben; die Auslandsreisen
verbietet man ihnen schon und so soll die Èechoslovakei
als Staat für die Ruheständler zu einem unerhörten
und unerträglichen Kerker werden. Ich habe in diesem Beispiel
den Namen der Stadt und des Vizebürgermeisters nicht genannt,
weil das Disziplinarverfahren beim Landesschulrat anhängig
ist und ich nicht in ein schwebendes Verfahren
eingreifen will, aber ich behalte mir vor, diesen Fall noch weiterhin
parlamentarisch zu erörtern und bin gerne bereit, den Behörden,
wenn es sie interessiert, die Namen der Stadt und des Vizebürgermeisters
zu nennen.
Wir erheben gegen solche Bestimmungen, die
zu derartigen Auswüchsen Gelegenheit geben, auf das nachdrücklichste
Protest, und meine Partei wird einem Gesetzantrag, der solche
Bestimmungen über die Disziplinargewalt der Ruheständler
enthält, ihre Stimme unter keinen Umständen geben.
Seit Jahren führen die Ruheständler
einen zähen und verzweifelten Kampf um ihre materielle Besserstellung.
Sie verlangen ein Gesetz, das alle Ruheständler in ihren
Ruhegenüssen pekuniär gleichstellt mit den nach den
neuen Gesetzen Nr. 103 und 104 aus dem Jahre 1926 Pensionierten.
Sie kämpfen mit verzweifelten Mitteln gegen das furchtbare
Elend der Altpensionisten. Es gibt in diesem Parlamente wohl keine
politische Partei, die die berechtigten Forderungen der Altpensionisten
nicht anerkennen würde. In den letzten Tagen habe ich eine
dringliche Interpellation eingebracht und den Finanzminister gefragt,
wann er endlich die Gleichstellung aller Ruheständler vornehmen
will und als Antwort haben die Ruheständler zu hören
bekommen, der Finanzminister denke nicht daran, die pekuniäre
Lage der Altpensionisten zu verbessern, sondern er beabsichtige
ein Gesetz einzubringen, welches die verschiedenen Pensionsnormen
unifiziert. Mit der gehaltlichen Besserstellung der Altruheständler
ist es Essig. Aber dafür präsentiert man dem Parlamente
wiederum ein Gesetz, das den Ruheständlern die Peitsche der
Disziplinaruntersuchung bringt. Das ist eine Verhöhnung der
Ärmsten der Armen, die ihr ganzes Leben lang ihre Pflicht
getan haben. Wenn ich an die Not der Altpensionisten denke, wenn
ich Sie an ein Gesetz erinnere, daß wir vor wenigen Wochen
angenommen haben, die sogenannte Versorgung der Überalteten,
dann erinnere ich mich an ein Wort, das auch schon hier gefallen
ist: Ein Staat, der das Alter nicht ehrt, der ist selbst des Altwerdens
nicht wert.
Wenn ich schon einmal beim Worte bin und da
meine Redezeit noch nicht erschöpft ist, will ich die wenigen
Minuten noch benützen, um eine Beschwerde über die Konfiskationspraxis
in diesem Staate kundzutun, weil sie einen Kollegen meiner Partei
betrifft. Der Abg. Ing. Kallina hat in den letzten Tagen
einen Artikel unter dem Titel "Der Kampf um die deutsche
Schule in Albrechtsried" veröffentlicht, der durch eine
große Anzahl sudetendeutscher Zeitungen gegangen ist. Dieser
Artikel erschien in der "Sudetendeutschen Tageszeitung"
vom 6. Juni, die also am 5. Juni bei der Bezirksbehörde in
Tetschen zensuriert wurde, vollkommen unbeanständet. Der
Artikel erschien aber auch am Samstag, den 8. Juni, in der "Brüxer
Volkszeitung" und in der "Deutschen Volkszeitung"
in Brüx, die also zwei Tage später zur Zensur vorlagen,
als das Exemplar der "Sudetendeutschen Tageszeitung".
Hier wurden vom Brüxer Zensor zwei Stellen beschlagnahmt.
Es ist interessant und ich will Ihnen diese zwei kurzen
Stellen zur Kenntnis bringen. Die erste lautet: "Die Behandlung
des Falles Albrechtsried durch èechische Behörden
bietet ein Musterbeispiel für die trotz deutscher Regierungsbeteiligung
in diesem Staate herrschenden Methoden und es ist bezeichnend,
daß die übergeordneten Behörden niemals um Ausreden
verlegen sind, um dieses Vorgehen der "untergeordneten"
Behörden als den gesetzlichen Bestimmungen entsprechend aufklären
zu können." Die zweite Stelle lautet: "Für
jeden Kulturmenschen ist es gewiß unbegreiflich,
daß im Jahre 1929 solche Zustände im gesitteten Mitteleuropa
überhaupt geduldet werden können. Während es die
èechische Regierung für drei bis fünf èechische
Kinder, die durch die Versetzung èechischer Beamte ins
deutsche Sprachgebiet kommen, für notwendig
erachtet, aus Staatsmitteln Schulpaläste zu erbauen, wird
es dem deutschen Kulturverband unmöglich gemacht, für
50 deutsche Kinder, die unverantwortlicher Weise durch die Sperrung
der deutschen öffentlichen Schule des deutschen Unterrichtes
beraubt wurden, aus Privatmitteln eine deutsche Volksschule zu
erbauen." (Výkøiky na levici.) Diese
beiden Stellen hat der Zensor beschlagnahmt. Und ich frage Sie:
enthalten diese beiden Stellen nicht eine berechtigte Kritik der
bestehenden Verhältnisse in diesem Staate, eine berechtigte
Kritik des Vorgehens der staatlichen Behörden? Die Form der
Kritik, so wie ich sie vorgelesen habe, ist sicherlich maßvoll,
weder scharf, noch verletzend, noch irgendwie herabsetzend oder
schmähend. Ich habe im Prinzip nichts dagegen, daß
ein meschugge gewordener Zensor, dem die Verwaltungsreform den
Floh des Cäsaren-Wahnsinns ins Gehirn gesetzt hat, durch
die Konfiskation meines Parteiblattes für dasselbe nur Propaganda
mht. Denn der Leser, der die weißen Flecke sieht, weiß
ganz genau, hier hat wiederum ein Mann die Courage aufgebracht,
die Wahrheit zu sagen, die den Herren unbequem ist, und deshalb
mußte die Wahrheit unterdrückt werden. Aber ich erhebe
die Beschwerde hier vor dem ganzen Parlamente, daß solche
Zustände in diesem Staate möglich sind. Sie zeigen uns
den Geist, in welchem die Zensur unter der Führung des Ministers
Èerný und des deutschen
Ministers Mayr-Harting gehandhabt wird. Wir legen Wert
darauf, solche Dinge historisch festzuhalten, damit, wenn sich
die Verhältnisse in diesem Staate geändert haben und
wir Gelegenheit zur Abrechnung haben, wir uns darauf berufen können,
weil es im stenographischen Protokoll des Parlamentes verewigt
ist. (Potlesk poslancù nìm. strany národní.)
Meine Damen und Herren! Zum sachlichen Inhalt
der Vorlage selbst ist schon von einer Anzahl von Rednern gesprochen
worden, so daß ich mich in dieser Hinsicht kurz fassen kann.
Es ist begreiflich, daß wir Nationalsozialisten für
die Gendarmen nicht allzuviel übrig haben. Denn es gibt wohl
keine zweite Partei oder Bewegung, die unter dem durch Polizei
und Gendarmerie verkörperten System derart zu leiden hat,
wie gerade wir. Jede Woche, ja nahezu jeder Tag liefert dafür
Beispiele. Ich will mich hier bloß auf zwei Beispiele beschränken,
die diesen Ausspruch mehr als vollkommen rechtfertigen. Gerade
heute bringen Koll. Geyer und ich eine Interpellation an
den Herrn Minister des Innern ein, betreffend die widerrechtliche
Bestrafung Jugendlicher durch die Bezirksbehörde in Asch,
also durch eine der vorgesetzten Behörden der Gendarmen,
die ja nicht aus eigenem Antrieb handeln, und die so recht kennzeichnend
ist für das ganze System von Polizeiwillkür und Druck.
Es sind da im Bezirk Asch - es ist ja nicht der einzige Fall einige
junge Leute, Angehörige der nationalsozialistischen Jugend,
in braun Wanderhemden oder zum Teil auch in einer Windjacke gegangen.
Darin sieht die Bezirksbehörde Asch bereits eine verbotene
Kleidung und verurteilt mit Straferkenntnis vom 16. Mai dieses
Jahres, Zahl 12.472, sechs junge Leute wegen Tragens einer nicht
genehmigten Vereinskleidung zu 50 Kè Geldstrafe.
(Posl. Geyer: Das Kennzeichnende ist aber,
daß diese Leute durch sechs andere politische Bezirke gegangen
sind, ohne beanständet zu werden!) Ich
werde ja einen ähnlichen Fall von der entgegengesetzten Gegend
Böhmens dann gleich zur Sprache bringen. Die Betreffenden
haben sich bei ihrer Rechtfertigung berufen auf die Entscheidung
des Obersten Verwaltungsgerichtes, die in den Zeitungen mitgeteilt
wurde, wonach die Ministerialverordnung vom 26. Feber 1927, Z.
79, die zur Grundlage des Straferkenntnisses der Bezirksbehörde
Asch genommen wurde, ungültig sei, worauf aber die Bezirksbehörde
erklärte, daß ihr diese Entscheidung nicht bekannt
sei und sie daher nicht als Entschuldigung angezogen werden könne.
Das ist wieder ein Beispiel für die Praxis, die hierzulande
herrscht, im Gegensatz zum alten Österreich, und in dieser
Sache hat man sich wahrlich sehr entösterreichert. Während
im alten Österreich ein Erkenntnis des Reichsgerichtes oder
des Verwaltungsgerichtshofes allgemein allen Behörden und
Gerichten zur Danachachtung mitgeteilt wurde, muß man hier
in jedem einzelnen Falle die Beschwerde an das Verwaltungsgericht
selbst einbringen. Ich verweise auf den "hostinec-Erlaß",
der trotz der entsprechenden Entscheidung des Verwaltungsgerichtes
noch immer besteht, ferner auf die Praxis des Arbeitsministeriums
hinsichtlich der Sprachprüfungen der Zivilingenieure und
Zivilgeometer, wo es sich ebenfalls um eine vom Verwaltungsgericht
als ungültig erklärte Verordnung handelt und trotz alledem
die Prüfungsordnung bisher nicht abgeändert wurde, eine
Angelegenheit, in der ich kürzlich ebenfalls eine Interpellation
an den Minister für öffentliche Arbeiten eingebracht
habe. Ein zweites Beispiel für das Vorgehen der Bezirksbehörden
und der ihnen unterstehenden Gendarmerie, ein äußerst
kennzeichnendes Beispiel liegt aus dem kleinen Städtchen
Hirschberg vor. Am Todestag unseres Koll. Patzel hat eine
größere Abordnung Jugendlicher unter Führung des
Koll. Wenzel Hirschberg und das Grab Patzels besucht,
um dort, wie auch schon im Vorjahre dem Toten ihre Huldigung darzubringen.
Während sie im Bezirke Böhm. Leipa unbeanständet
in ihrer Kleidung, die ja keine Uniform ist, sondern nichts anders
als eine Wanderkleidung, und mit ihren Fahnen marschieren konnten,
wurden sie beanständet, als sie die Grenze der Bezirksbehörde
Dauba betraten. (Posl. Krebs: Aber nein, überfallen wurden
sie!) Jawohl. Es gibt also nicht eine Èechoslovakische
Republik, sondern man könnte sagen, das ist ein Bund verschiedenartiger
Republiken, zusammenhängend größtenteils durch
die Inferiorität der Bezirkshauptleute und durch das ganze
System. Koll. Wenzel hat sich dagegen verwahrt, daß
dem Aufmarsch der Jugendlichen durch 20 Gendarmen das Mitnehmen
der Fahnen verwehrt worden ist, daß ein Verbot erlassen
wurde, irgendein Lied zu singen und dergl. mehr. Das Ende vom
Lied war, daß die Fahnen eingerollt werden mußten,
sie durften auf den Friedhof auch nicht eingerollt mitgenommen
werden, sie mußten draußen bleiben weil das Prestige
des Herrn Bezirkshaupt man von Dauba, der in geistiger Hinsicht
anscheinend noch tief unter den anderen Bezirkshauptleuten steht,
darunter gelitten hätte, wenn dieses von ihm erlassene Verbot
etwa auf Einschreiten des Koll. Wenzel aufgehoben worden
wäre.
Trotzdem die Dinge so liegen, wenden wir uns
gegen einige Bestimmungen dieser Vorlage und vor allem gegen eine
Bestimmung, die schon vom Koll. Horpynka heute gekennzeichnet
und gegeißelt wurde. In der zur Verhandlung stehenden Regierungsvorlage
heißt es, daß der Zuchtgewalt, also der Disziplinargewalt,
auch die Gendarmen im Ruhestand unterliegen und Herr Koll. Horpynka
hat uns ja dafür, zu welchen Weiterungen das führt,
auch ein sehr kennzeichnendes Beispiel vorgebracht, sicherlich
nicht das einzige Beispiel, weil das Schule machen wird, aber
ein Beispiel, das uns dazu an eifern muß, von vornherein
gegen eine derartige rückschrittliche Bestimmung auf das
schärfste Stellung zu nehmen. Es heißt nun zwar weiter
im § 5, daß es verboten ist, auf den Beschuldigten
oder eine andere Person einen Druck auszuüben, um ein Geständnis
oder eine andere Aussage zu erzwingen. Aber wir wissen ja, wie
es in diesen Dingen nun einmal üblich ist und daß man
bei derartigen Gelegenheiten unter Anwendung aller möglichen
Mittel einen Zwang ausübt und Geständnisse zu erzielen
sucht. Es ist das ein ähnlicher Gewissenszwang, wie er auch
auf deutsche Staatsangestellte ausgeübt wird, damit sie
ihre Kinder in die èechische Schule schicken und dergl.
(Posl. Geyer: Wie es in Warta der Fall ist,
der Bahnrat Doschner!) Gewiß,
derartige Fälle könnte ich auch aus Oderberg anführen.
Es heißt zwar: "die Strafe ist nach reichlicher Erwägung
zu verhängen und darf nicht der Ausdruck persönlicher
Feindschaft oder ein er augenblicklichen Stimmung sein",
aber schließlich und endlich sind das Bestimmungen, die
sich auf dem Papier sehr gut ausnehmen, in der Praxis aber wesentlich
anders liegen, denn auf was soll man in diesem Staate überhaupt
noch Gewicht legen und bauen? Nachdem wir auf eine ganze Menge
von nicht eingelösten Versprechungen von Staatsmännern
und gebrochenen Ministerworten hinweisen können, ist es selbstverständlich,
daß man auf derartige Bestimmungen hier nichts gibt.
Wenn ich hier von gebrochenen Versprechungen
rede, so will ich, um nicht etwa der Behauptung falscher Tatsachen
geziehen zu werden, an das berühmte offizielle feierliche
Versprechen des ehemaligen Schulministers Hodža
hinsichtlich des Inkrafttretens der Schulautonomie erinnern, bitte
aber auch an das bekannte Wort aus der Regierungserklärung
Švehlas von den Gleichem, die mit Gleichen über
die Probleme der Gegenwart verhandeln sollen. (Výkøiky
posl. Geyera a Krebse.) Was den Polizeigeist
anbelangt, auf den ich hinwies, so kann ich mich selbst dafür
als Beispiel anführen; es sei mir gestattet, mich hier als
Fachman zu bezeichnen. Ein Parlament und ein Staat, in welchem
ein Parlamentarier einfach glatt gemaßregelt werden kann,
müssen sich doch darüber klar sein, daß man auf
ihre Beschlüsse und Versprechungen kein Gewicht mehr legt.
Wir werden aus diesen Erwägungen gegen die Gesetzesvorlage
stimmen.
Weil ich aber hier von uneingelösten Versprechungen
geredet habe, so sei es mir gestattet, in dieser Hinsicht ein
sehr kennzeichnendes Beispiel für meine Behauptung anzudühren.
Wir haben gestern mit der Post eine gedruckte Denkschrift erhalten,
ich glaube, es haben sie alle Kollegen in die Hand bekommen, eine
Denkschrift des Vereins der durch die Plebiszitvorbereitungen
in Ostschlesien Geschädigten, eines Vereins, der seinen
Sitz in Èechisch-Teschen hat. Der Inhalt dieser Denkschrift
ist wert, im stenographischen Protokoll des Abgeordnetenhauses
festgehalten zu werden, damit diejenigen Herren sich an der Nase
nehmen, die damals in der Plebiszitzeit
nach allen Seiten Versprechungen gemacht haben, nur damit bei
der zu erwartenden Abstimmung, die ja schließlich nicht
stattfand, ganz Ostschlesien an die Èechoslovakei fällt.
(Posl. Geyer: Besser wäre es, das neben
den Assenteinberufungen zu plakatieren!) Das wäre
sehr schön, würde aber jedenfalls nicht gestattet werden.
Ich werde diese Denkschrift wörtlich vorlesen, sie hat folgenden
Wortlaut: "In Èechisch-Teschen hat sich vor 2 Jahren
ein Verein Verein der durch die Plebiszitvorbereitungen
Geschädigten gegründet, der zum Zwecke hat, den
Ersatz für die bei den Plebiszitvorbereitungen erlittenen
Schäden seiner Mitglieder endlich zu erwirken, nachdem die
individuellen Bemühungen der einzelnen Beschädigten
erfolglos blieben und die èechoslovakische Regierung
zur Erledigung dieser Angelegenheiten durch mehr als 8 Jahre bis
jetzt nicht gekommen ist.
Es gibt Personen, die infolge der Wahrung der Interessen der Èechoslovakischen
Republik in einer so kritischen Zeit um ihr Hab und Gut gekommen
und Bettler geworden sind und infolge der erlittenen
Aufregungen, Angst und Furcht sogar ihr Leben verloren haben,
z. B. Herma, Szczygiel, Dr. Kobierski u. a. Andere haben infolge
der Verhaftunggen und körperlichen Mißhandlungen von
der anderen Seite ihre Gesundheit verloren und leiden diese bis
heute an Zuckerkrankheit, hochgradiger Nervosität u. s. w.
Zu jener Zeit, als uns die Regierung für
die Plebiszitarbeiten brauchte, hat sie durch die Minister, hochgestellte
und berufene Personen alles Mögliche versprochen und von
uns Reverse ausstellen lassen, in denen wir uns verpflichten mußten,
in diesen Arbeiten nicht nachzulassen und mit aller Entschiedenheit
und Unerschrockenheit bis zum Schlusse der Plebiszit-Aktion zu
arbeiten, wobei der Ersatz jeglichen hieraus erwachsenen Schadens
zugesichert wurde, einem jeden, der infolge dieser Tätigkeit
an seinem Vermögen oder seiner Gesundheit einen Schaden erleiden
sollte. Auch der Ministerrat hat in seiner Sitzung vom 4. Juni
1920 beschlossen, das Ministerium des Innern zu bevollmächtigen,
den für ihre Plebiszittätigkeit zu Gunsten der Èechoslovakischen
Republik nachweisbar geschädigten Personen eine entsprechende
Entschädigung zu gewähren.
Dieser Beschluß wurde dem Ministerium
des Innern laut Zuschrift des Ministerpräsidiums vom
5. Juni 1920, è. j. 16.593/20, mit der Unterschrift: Für
den Ministerpräsidenten, Dr. Vorel m. p. intimiert.
Diese Schäden wurden durch die einzelnen
Geschädigten angemeldet, durch die Gendarmerie auf Grund
gepflogener Erhebungen festgestellt und liegen jahrelang irgendwo
im Staube.