Meine Damen und Herren! Ich hatte Gelegenheit,
zu dem vorliegenden Gesetzentwurf der Regierung, der heute von
zwei Fachausschüssen dem Hause zur Annahme empfohlen wird,
eben in diesen Fachausschüssen meiner und meiner Partei Stellungnahme
darzulegen. Wenn wir die Wirkung einer Rede im Abgeordnetenhause
zu einem Regierungsantrag etwa an der Aussicht messen wollten,
wie sie imstande ist, ein Elaborat der Regierung, dem die Mehrheit
zweier Ausschüsse ihre Zustimmung gegeben hat, zu ändern,
dann erübrigte es sieh, heute zu sprechen, umsomehr als es
manchmal auch zwecklos ist, in den Ausschüssen selbst positiv
als Opposition an der Gestaltung eines Gesetzes mitzuarbeiten.
Wir haben das oft und oft versucht, die Geschichte unserer Arbeit
und Mitarbeit an den von der Regierung eingebrachten Gesetzen
beweist das ja. Aber es ist immer und immer wieder vorgekommen,
daß jedes, und auch das beste und positivste Argument, das
wir etwa zu einer Meinung der Regierung und der Koalition vorzubringen
hatten, einer unübersteigbaren Mauer begegnete. Es erübrigte
sich also auch heute, zu der Vorlage Stellung zu nehmen, die von
der Regierung auf den Tisch des Hauses gelegt wird und welche
wie in den zurückliegenden Jahren eine Einkommensgrenze festgelegt,
mit deren Übersteigung für die Kriegsbeschädigten
der Verlust der Rente eintritt. Aber, meine Herren, es gibt Pflichten,
sich zu einer Frage zu äußern, von der wir annehmen,
daß sie eine bedeutende Sozialfrage des Staates ist, auch
wenn diese Stellungnahme die verantwortlichen Faktoren nicht sonderlich
berührt. Diese Pflicht, auch unter diesen Umständen
und bei dieser uns bekannten Behandlung unserer Argumente zu sprechen,
haben wir gegen uns selbst. Wir wollen durch unsere Stellungnahme
zu dem heutigen Gesetz, die nicht andere sein wird, als jene,
die ich bereits namens meiner Partei im soziallpolitischen Ausschuß
vertreten habe, darlegen, daß wir uns keineswegs identifizieren
mit der Form, in der diese Frage heute die Sanktion der Mehrheit
erhalten soll. Deshalb haben wir unsere besondere Meinung auszudrücken.
Ich sage vorweg, daß ich bei meiner Stellungnahme mich mit
gar keinen Details beschweren werde, sondern, daß ich nur
die grundsätzliche Seite der ganzen Angelegenheit angehen
werde. Es scheint uns das genügend. Denn wenn es uns gelingt,
die grundsätzliche Seite der ganzen Gesetzgebung, soweit
sie die Kriegsbeschädigten betrifft, zu ändern, dann
ändern wir mit dieser grundsätzlichen Änderung
ja auch die einzelnen Details.
Ich möchte meiner Stellungnahme die Kritik
an der Bagatellisierung vorausschicken, die die Kriegsbeschädigtenangelegenheit,
deren wichtige staatssoziale Seite ich bereits erwähnte,
während der ganzen Zeit der Beratung des vorliegenden Gesetzes
im sozialpolitischen Ausschuß vonseiten der Regierung entgegengebracht
wurde. Während der ganzen Beratungen haben wir kein Mitglied
der Regierung und insbesondere nicht die zuständigen und
spezialiter verantwortlichen Herren Minister gesehen, ich meine
den Herrn Finanzminister und den Herrn Minister für soziale
Fürsorge. Daß diese beiden Herren Minister den Weg
in den Ausschuß nicht gefunden haben, ist umso bedauerlicher,
als ja gerade im Ausschuß gegen sie schwere Vor würfe
erhoben wurden, gegen die sie hätten Stellung nehmen müssen.
Es war uns nicht möglich, einem der Herren Minister im Ausschuß
zu begegnen. Bei der Beratung im Hause selbst konnten wir zwar
sowohl die Anwesenheit des Herrn Finanzministers, wie dieses Ministers
für soziale Fürsorge feststellen. Aber die Teilnahme
des Fürsorgeministers als Mitglied der Regierung an der heutigen
Beratung ist doch mit dem Mangel behaftet, daß er gegenüber
den schweren Anklagen, die im besonderen gegen ihn wieder vorgebracht
worden sind, sich nicht ein einzigesmal veranlaßt gesehen
hat, auch nur mit einem Wort Stellung zu nehmen. Das ist ein schwerer
Mangel, den wir wohl mit Recht einer Kritik unterziehen dürfen.
(Pøedsednictví pøevzal místopøedseda
Zierhut.)
Aber die Sache ist eben so, daß weder
der Herr Finanzminister, noch der Herr Minister für soziale
Fürsorge sich hier vor aller Öffentlichkeit, vor Zeugen,
die am Meritum der Regierungsvorlagen interessiert sind, belasten
will. So beschließt man in camera caritatis und überläßt
es bestenfalls einem willigen Berichterstatter, einem willigen
Beamten, Aufklärung zu geben und dem Trommelfeuer der berechtigten
Kritik standzuhalten. Dabei wird ihnen allerdings eine tiefe Depression
nicht erspart. Ich wiederhole hier meine Worte im Ausschuß:
Die Stimmung, die heute auf der rechten Seite, also auf der Regierungsseite,
herrscht, ist gewiß nicht hochtragend. Das gilt besonders
von jenen Mitgliedern der Koalition, die zugegebenermaßen
sich bemühten, im letzten Augenblick wenigstens eine Teilregelung
des schweren Kiegsbeschädigtenproblems zu Wege zu bringen.
Freilich, wenn wir das zugeben, stellen wir unbeschadet des Weiteren
fest, daß auch diese besseren Elemente in der Koalition
belastet sind mit dem Regierungsentwurf, der heute Gesetz werden
soll, mit dem Meritum der Vorlage; denn sie votieren ja schließlich
und endlich doch für diesen Antrag, sie belasten sich also
mit der Auswirkung dieses Antrages und müßten einsehen
und es möglich haben, ihre aufrichtige Gesinnung, die sie
vorgeben, gegenüber dem schweren Los der Kriegsbeschädigten
zu haben, auch einmal mit einem etwas andern Nachdruck zu betonen,
als einem solchen, wie das regelmäßig geschieht, mit
einem gewiß ehrlichen, aufrichtigen Betonen, das aber nicht
begleitet ist von dem Mut äußerster Konsequenz gegenüber
der Regierung.
Die ganze Schwere des Kriegsbeschädigtenproblems,
so wie es als schwerwiegendes, soziales Problem den Staat erfüllt,
kann man meiner Meinung und der Meinung meiner Partei gemäß
erst erfassen, wenn man in die ganze Historie der Kriegsbeschädigtengesetzgebung
etwas hineinleuchtet, wie sie sich in der Èechoslovakischen
Republik seit 1920 entwickelt hat. Unser geltendes Kriegsbeschädigtengesetz
basiert auf dem Gesetze vom 20. Feber 1920,
Zahl 142. Schon damals, als die Revolutionsnationalversammlung
an die Regelung der Kriegsbeschädigtenfrage heranging, mußte
man einsehen, daß die in dem zur Vorlage gebrachten Gesetz
normierten Renten für die Kriegsbeschädigten durchaus
nicht den geltenden wirtschaftlichen Verhältnissen Genüge
leisten. Aber, meine sehr Verehrten, man beschloß dieses
Gesetz dennoch, trotzdem man allenthalben diese Unzulänglichkeit
der normierten Sätze und Renten einsah, weil man annahm,
daß die wirtschaftlichen Verhältnisse irgendwie nach
der schweren Kriegszeit ins Gleichgewicht kommen, daß sie
sich konsolidieren würden und daß dann, für diesen
Fall der Konsolidierung der wirtschaftlichen Verhältnisse,
das spärliche Maß an materiellen Zugeständnissen
für die Kriegsbeschädigten immer mehr und mehr genügen
würde. Man machte also im Jahre 1920 ein Experiment auf eine
ganz vage Hoffnung hin, ähnlich dem Experiment, das später
im Jahre 1926 gegenüber den Staatsbeamten wiederholt wurde,
denen man in den Gehaltsgesetzen auch nur Ansätze bewilligte,
die für den Fall des Eintrittes besserer wirtschaftlicher
Verhältnisse genügen sollten. Man gab also den Kriegsverletzten
im Jahre 1920 durch das Gesetz vom 20. Feber zu wenig. Hiefür
- das muß unterstrichen werden - dürfen die verantwortlichen
Faktoren des Gesetzes von 1920 nicht von Schuld freigesprochen
werden. Man gab damals nicht gerne und nicht willig. Wir erinnern
uns als oppositionelle Abgeordnete an die Motivierung, die gegenüber
dem Gesetz vom 20. Feber 1920 gepflogen wurde, eine Motivierung,
die insbesondere die deutschen interessierten Elemente des Staates,
die deutschen Kriegsverletzten, außerordentlich schmerzte.
Man sprach davon, daß nicht gerade die Verpflichtung bestände,
den Kriegsverletzten zu helfen, im besonderen nicht den deutschen
Kriegsverletzten. Ich nehme diese Exkursion in die Begebnisse
vom Jahre 1920 vor, um hier festzustellen, daß auch Kreise
mit einer Schuld an der Form der Kriegsbeschädigtengesetzgebung
belastet sind, die heute wohl - das spreche ich hier nicht etwa
zur Verteidigung der Regierungskoalition die jetzige Regierungskoalition
ob des vorliegenden Gesetzentwurfes scharf kritisieren, aber die
zumindest die gleiche schwere Schuld aus der Vergangenheit an
der gegenwärtigen Form der geltenden Kriegsbeschädigtenversorgung
auf sich lasten haben.
Ich habe gesagt, daß das Gesetz vom 20.
Feber 1920 den Verhältnissen durchaus nicht entsprach, daß
die durch dieses Gesetz bestimmten Rentenbezüge für
die einzelnen Kriegsbeschädigten, deren Witwen, Waisen und
Vorfahren ja erst wertvoll werden sollten für den Fall einer
wirtschaftlichen Konsolidierung. Diese trat nicht ein. So sah
man sich - wenn ich die Historie der Kriegsbeschädigtengesetzgebung
hier etwas pflegen will, muß ich das anführen - genötigt,
im Jahre 1922 doch endlich an eine Novellierung des Gesetzes vom
20. Feber 1920 zu schreiten. Aber wer erhofft hätte, daß
diese Novellierung alle schweren Mängel und Schäden
des Gesetzes vom Jahre 1920 zu beheben versuchen würde, der
war von ihr wieder enttäuscht. Denn das neue Gesetz brachte
leider nur für einen Teil der Interessenten eine tatsächliche
Besserung, für einen anderen Teil jedoch sogar Verschlechterungen
gegenüber den alten Bestimmungen. So schieden z. B. jetzt
alle Witwen aus der Rentenversorgung aus, die keine Kinder besaßen
und nicht mindestens 30% erwerbsunfähig waren. Das war ein
großer Teil von Leuten, die selbst nach dem ersten Kriegsbeschadigtengesetz
Anspruch auf Rente besaßen. Ein Angleich an die wirtschaftlichen
Verhältnisse - und man hätte aus diesem Grunde in der
Hauptsache die Novellierung mit Inhalt versehen müssen -
ein Angleich an die wirtschaftlichen Verhältnisse fand auch
durch die Novelle vom Jahre 1922 durchaus nicht statt. Dann, nach
dem Jahre 1922, blieb die Kriegsbeschädigtengesetzgebung
bis zum heutigen Tage ein Gegenstand, dem die Regierung nicht
mit dem gebotenen Interesse begegnete, nicht positiv im Sinne
einer tatsächlich ehrlich gewünschten und aufrichtig
gewollten Lösung. Ein achtjähriges Vakuum liegt hinter
uns. Vom Jahre 1922 bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt haben
wir nicht, wie ich schon betont habe, ein aufrichtiges Bestreben
der Regierung nach einer Regelung der Kriegsbeschädigtengesetzgebung
im Sinne der Wünsche und Forderungen der Kriegsbeschädigten
und ihrer Organisationen zu verzeichnen, obwohl das notwendig
wäre, nicht ausschließlich aus staatssozialen Gründen
heraus, sondern aus staatsmoralischen Gründen. Die soziale
Seite der Kriegsbeschädigtengesetzgebung habe ich mit wenigen
Worten gestreift und brauche sie nicht weiter darzulegen, weil
sie auch eine Menge Redner in Zahlen zum Ausdruck gebracht haben.
Die staatssoziale Seite der heutigen Kriegsbeschädigtengesetzgebung
ist allen klar. Aber es muß auch die staatsmoralische Seite
der geltenden Gesetzgebung klar liegen und klar sein. Es
ist doch Tatsache, daß die Gesetzgebung dieser Art, wie
sie in der Èechoslovakischen Republik besteht, zu einem
schon internationalen Skandal geworden ist. So viele internationale
Tagungen der Kriegsbeschädigten
in den letzten Jahren stattgefunden haben, so oftmals ist auf
ihnen von den Teilnehmern die Kriegsbeschädigtengesetzgebung
der Èechoslovakischen Republik einer Kritik unterzogen
worden. Es ist so oft von ihnen festgestellt worden, daß
es keinen Kulturstaat gibt, der eine
solche Kriegsbeschädigtengesetzgebung sein eigen nennen muß
wie die Èechoslovakische Republik, daß in keinem
Staate Europas - wenn ich nur den europäischen Staatenkomplex
in Betracht ziehe - weder in den sogenannten Siegerstaaten,
noch in den besiegten Staaten die Kriegsopfer unter einem solchen
Mangel an sozialer Einsicht leiden wie bei uns.
Ich habe vorhin gesagt, daß ich mich
nicht mit Details beschweren will, weil Details in der Debatte
schon gebracht worden sind. Aber zum Beweis, daß unsere
Kriegsbeschädigtengesetzgebung in der Tat unter den Kriegsbeschädigtengesetzgebungen
aller Staaten die schlechtesten, die letztrangigste ist, bin ich
doch veranlaßt, nur wenige Zahlen zu nennen.
Nach den geltenden Gesetzen beziehen die Invaliden
Renten, welche z. B. bei einem 20 bis 24%igen Invaliden 98 Heller,
bei einem 25 bis 34%igen Invaliden 1.47 Kè, bei einem 35
bis 44%igen 1.97 Kè, bei einem 45 bis 54%igen 2.46 Kè,
bei einem 55 bis 64%igen 3.94 Kè, bei einem 65 bis 74%igen
4.60 Kè, bei einem 75 bis 84%igen
5.26 Kè, schließlich bei einem 85 bis 100%igen Invaliden
6.57 Kè täglich ausmachen. Es soll einmal einer derjenigen,
der für eine solche Gesetzgebung verantwortlich ist, die
den Kriegsverletzten diese minimalen Bezüge bietet, versuchen,
auch nur einen Monat mit diesem Einkommen das Auskommen zu finden.
Diese Zeit müßte übrigens nicht auf einen Monat
ausgedehnt sein, sie könnte auf ein weit geringeres Zeit
maß begrenzt sein. Vielleicht hätte ein solcher Versuch
eine heilsame Wirkung für die Verantwortlichen, würde
vielleicht einen besseren Willen auslösen als er sich heute
wieder bei diesem Gesetze zeigt.
Witwen ohne Kinder, die nicht mindestens zu
30% erwerbsunfähig sind, beziehen keine Rente. Für ein
Kind oder Witwen mit wenigstens 30% Erwerbsunfähigkeit
werden 1.46 Kè an Versorgungsgebühren ausgeworfen,
für 2 Kinder unter 16 Jahren oder eine Witwe mit mindestens
50% Erwerbsunfähigkeit bezahlt der Staat 2.46 Kè,
für eine Witwe, die ganz erwerbsunfähig oder mindestens
55 Jahre als ist, wirft der Staat einen
Betrag von 3 Kè aus, für eine Halbwaise 1.69, für
Vollwaise 1.46, für Vorfahren 1.09 Kè. Zu diesen Beträgen
kommt nur eine 50%ige Teuerungszulage, die allerdings keine feststehende
Grenze hat, von der wir wissen, daß sie auch ein Dorn
im Auge der Finanzgewaltigen des Staates ist und Gefahr läuft,
eines schönen Tages eingestellt zu werden.
Ist der Rentensatz, den ich jetzt durch einige
Zahlen illustriert habe, gänzlich ungenügend, so verschlimmert
sich die Sache noch durch die Bestimmung des § 2 des Versorgungsgesetzes
über die Einkommensgrenze, nach deren Erreichung der Bezug
der Rente sich ausschließt, eine Bestimmung, die wir heute
wieder einer besonders kritischen Betrachtung unterziehen, weil
eben das Gesetz über die Einkommensgrenze nach dem Antrag
der Regierung eine Verlängerung erfahren soll.
Die Höchstgrenze, unter welcher den Kriegsbeschädigten
die volle Rente gewährt wird, beträgt nach dem Gesetze,
das wir heute wieder beraten, bei wirtschaftlich Selbständigen
5.000, bei wirtschaftlich Unselbständigen 10.000 Kè,
oder anders gesagt: Es schließt sich der Bezug einer Rente
bei den Kriegsbeschädigten schon für den Fall aus, wenn
das tägliche Einkommen eines Kriegsbeschädigten 13.69,
bzw. 27.38 Kè beträgt. Das sind Grenzen des Einkommens,
die da festgesetzt werden, um nach ihrer Erreichung den Kriegsbeschädigten
rentenverlustig zu erklären, die aber durchaus nicht der
wirtschaftlichen Lage entsprechen. Kein anderer Staat - es wurde
das schon in der Wechselrede angeführt - darf sich
so traurigen Ruhmes rühmen wie die Èechoslovakische
Republik, in keinem anderen Staate sind bei der Kriegsbeschädigtengesetzgebung
derartige Bestimmungen zu finden wie bei uns. Ein reichsdeutscher
Kriegsbeschädigter kann 5.000 Mark jährlich verdienen,
bevor bei ihm eine Rentenverkürzung eintritt.
Aber selbst bei Erreichung dieser Einkommensgrenze von 5.000 Mark
wird er nicht ganz rentenverlustig. Es wird dann nur eine Verringerung
der Rente verfügt; insbesondere wird ihm selbst bei einem
solchen Einkommen die Schwerbeschädigtenzulage und die Ortszulage
belassen.
Diese Methode Deutschlands erscheint uns vernünftiger
als unsere Methode, den Kriegsbeschädigten schon bei dem
Einkommen von 5.000, bzw. 10.000 Kè aus der Rentenversorgung
herauszuwerfen. Es erschiene uns am vernünftigsten, wenn
man die Bestimmung über die Einkommensgrenze, an die der
Bezug der Kriegsbeschädigtenrente gebunden ist, überhaupt
nicht mehr im Gesetze verankern würde.
Ich habe namens meiner Partei die letzten Jahre oftmals unserem
Standpunkt gerade gegenüber einer solchen Bestimmung Ausdruck
gegeben. Ich stand namens meiner Partei bei den Beratungen immer
mit der Meinung, daß der Kriegsbeschädigte für
das der Gesellschaft, dem Staate, geleistete Opfer die Rente unter
allen Umständen zu beanspruchen hat und daß kein wie
immer gearteter Grund vorhanden sein darf, dem Kriegsbeschädigten
diese Rente zu verkürzen oder sie ihm ganz zu nehmen. Sie
ist unserer Auffassung nach der Beweis für die absolute Größe
der Anerkennung, welche der Staat, die Gesellschaft, einem Menschen,
der in schwerster Zeit für diese Institution eingestanden
ist, zu geben hat. Und wehe dem Staate, der sich nicht zu dieser
Auffassung emporschwingt, daß das Äquivalent, das wir
den Kriegsbeschädigten etwa in geldlichen Zuweisungen, in
Form einer Rente gewähren, unter gar keinen Umständen
ein richtiges und genügendes Äquivalent für das
Opfer sein kann. Wehe dem Staat, der sich nicht zu dieser hohen
sittlichen Auffassung emporrafft, zu mindest das Mögliche
in dieser Beziehung zu tun: meine Herren, die Geschichte bleibt
nicht stehen, die Geschichte entwickelt sich weiter und es kann
bei diesem Fortgang und der Weiterentwicklung der Geschichte für
einen Staat, der in der Gegenwart seine Pflicht versäumt,
einmal eine sehr unangenehme Tatsache entstehen. Ich brauche hier
gar nicht deutlicher zu werden, es ist das nicht notwendig, weil
jeder verstehen wird, was ich hier nur angedeutet habe, und erkennen
wird, was ich damit meine.
Die geltende Kriegsbeschädigtengesetzgebung
ist nicht einmal so übel als sie gestaltet wird durch die
noch üblere Art der Praktizierung. Die Administrative feiert
geradezu Orgien, um dieser schlechten Kriegsbeschädigungsgesetzgebung
in ihrer wirklichen Auswirkung noch das Allerschlechteste anzuhängen.
Dagegen wandte ich mich schon in meiner Rede im Vorjahr, wandte
mich darin besonders gegen die Methoden der Administrative in
der Form der Gesundassentierungen von Kriegsbeschädigten,
gegen die Methoden der rigorosesten Überprüfung der
Einkommenverhältnisse der Kriegsbeschädigten zum Zwecke,
sie eben unter allen Umständen der Rente verlustig zu machen.
Ich kritisierte im Vorjahre den Auftrag der Regierung an Krankenkassen,
Steuerämter, Gendarmerie, Arbeitgeber und sonstige Hilfsorgane
einer unsinnigen Verwaltung, Material zu schaffen, welches unter
allen Umständen geeignet sein soll für eine Vereitlung
von Versuchen vielleicht des einen oder anderen Kriegsverletzten,
seine Rente doch weiter zu behalten. Die Administrative ergeht
sich, wie gesagt geradezu in Orgien gegenüber den Kriegsbeschädigten,
so daß selbst das spärlich über alle diese Entwicklung
hinweg errungene Maß an Rentenversorgung den Kriegsbesehädigten
schließlich noch zur Qual wird. Den Triumph der Administrative
in der dieser Beziehung aber können wir wahrnehmen bei den
gegen die Kriegsbeschädigten gepflogenen Revisionen. Sucht
ein Kriegsverletzter um Unterstützung infolge einer über
ihn gekommenen Notlage oder um Gewährung eines Darlehens
zur Existenzgründung an, so tritt die Revisionsuntersuchung
in ihr triumphalstes Stadium; die ärztliche Untersuchung
wird dann gewiß in 99 von 100 Fällen in einer solchen
Art und Weise geführt, daß eine Herabsetzung der Erwerbsunfähigkeitsprozente
eintritt, um nur ja die Höhe des angeforderten Anlehens oder
der angeforderten Unterstützung engstens begrenzen zu können.
Auf das Darlehen hat der Kriegsbeschädigte aber auch nach
einem solchen peinlichen Verfahren, das vorausgegangen war, nicht
im Augenblick der Beendigung desselben Anspruch. Er muß
Monate, oftmals Jahrelang warten, bis das Ergebnis eines solchen
hochnotpeinlichen Verfahrens eine praktische Form findet etwa
in einer Entscheidung. Wir haben Fälle zu verzeichnen, in
denen solche Darlehenswerber erst nach zwei Jahren zu einem Ziel
gelangten.
Einer Information des Bundes der Kriegsverletzten
entnehme ich Folgendes: "Ein 60%tig Kriegsbeschädigter
suchte um eine Notstandsunterstützung an. Es folgte auf Grund
des Ansuchens die übliche Revisionsuntersuchung, bei welcher
die Erwerbsunfähigkeit des Werbers auf 45% herabgesetzt wurde.
Dagegen erfolgt wie in allen Fällen die Berufung an die Landeskommission,
allerdings ohne allen Erfolg, denn diese Kommission stellt sich
in ihrem Erkenntnis meist auf die Seite der erstentscheidenden
Behörde. Nach längerer Frist bekam der Kriegsbeschädigte
auf sein Ansuchen eine Entscheidung, aus der zu ersehen war, daß
auf Grund des Gesetzes vom 4. Dezember 1925 ihm die Notstandsunterstützung
nicht gewährt werden könne, weil er nicht mindestens
50% erwerbsunfähig ist". Meine Herren, aus diesem einem
Fall, der nicht ein Einzelfall ist, sondern generalisiert werden
kann, der in so und so viel anderen Fällen Gegenbeispiele
hat, sehen sie die Methode der Administrative, sehen sie die Methode
der geradezu grausam wirkenden Verwaltung, die sich aller Organe
bedient, um den Effekt des Ansuchens eines Kriegsbeschädigten
unter allen Umständen irgendwie Null und nichtig zu machen.
Weil der betreffende Kriegsbeschädigte, der ansonsten gewiß
mit über 50% erwerbsunfähig geblieben wäre, um
eine Unterstützung ansuchte, mußte er durch die Revisionsuntersuchung
unter 50% herabgedrückt werden, um nach dem angezogenen Ministerialerlaß
vom 4. Dezember 1925 unter allen Umständen seines Anspruches
auf eine derartige Unterstützung oder auf ein derartiges
Darlehen verlustig zu werden. Meine Herren, so wird es gemacht,
und ich wiederholte: es ist nicht ein Einzelfall, den wir hier
kritisieren, mit diesem Einzelfall kritisieren wir eine Menge
gleicher Fälle, in denen sieh die Administrative in derselben
Weise an den Kriegsbeschädigten und deren Angehörigen
ausgewirkt hat.
Die ständigen Revisionsuntersuchungen
und rigorosen Überprüfungen des Einkommens der Kriegsbeschädigten
führen zu den bekannten Fällen der Vorschreibung der
Rückzahlung zu viel bezogener Rente. Diese Praxis, von den
Kriegsbeschädigten Übergenüsse zurückzufordern,
hat heute geradezu katastrofale Formen angenommen. Wir, die wir
im praktischen Leben draußen stehen und denen tagtäglich
die Klagen der Kriegsbeschädigten über die Praxis der
Behörden in dieser Richtung vorgetragen werden, wir haben
es hier in der Tat notwendig, die verantwortlichen Faktoren aufmerksam
zu machen auf eine Regelung zumindest dieses einem Details. Es
bestand schon vor Jahr und Tag auf Regierungsseite die Einsicht,
diese Frage der sogenannten Übergenüsse zu regeln. Ich
erwähne da nur die vom Abgeordnetenhaus und Senat bei Behandlung
des Staatsvoranschlages 1927 angenommene Resolution des Herrn
Abg. Windirsch. Dieser Antrag trug dem Ministerium für
soziale Fürsorge klar und deutlich auf, wie es sich in der
Frage der sogenannten Übergenüsse zu verhalten hätte.
Der Antrag des Abg. Windirsch lautete: "Das Ministerium
für soziale Fürsorge wird aufgefordert, die Rückzahlung
der ausgezahlten Unterstützungen von Kriegsbeschädigten
nicht zu fordern, wenn bis Ende 1925 das rechtsgültig versteuerte
Einkommen des betreffenden Perzipienten nicht den Betrag von 13.000
Kè jährlich übersteigt". Gestützt auf
diese Resolution vom Jahre 1927 glaubten nun
die Kriegsbeschädigten in der Tat der Verpflichtung ledig
zu sein, die empfangenen Übergenüsse zurückzuzahlen.
Sie waren auch gar nicht dazu imstande, denn wenn ein Kriegsbeschädigter
tatsächlich einen Betrag an Rente zu vielbezogen hatte, war
er sicherlich aufgebraucht und aufgezehrt worden. Der Kriegsbeschädigte
kann unter gar keinen Umständen, ohne seine Existenz zu beschweren,
an eine tatsächliche Rückzahlung denken. Die Kriegsbeschädigten,
die also einen Übergenuß bekommen hatten, nicht etwa
deshalb, weil sie ihn beansprucht hatten, sondern weil vielleicht
aus Mängeln des Verwaltungsverfahrens ihnen solche Übergenüsse
zuteil geworden waren, hatten mit dieser Resolution Hoffnung auf
Regelung ihrer Angelegenheit. Aber die Resolution des Herrn Abg.
Windirsch bedeutete für das Ministerium für soziale
Fürsorge ebenso wenig wie etwa - für dieses Ministerium
oder die Gesamtheit der Regierung - die Anträge der Abgeordneten
nicht von oppositionellen Parteien, sondern von Regierungsparteien
- bedeuten. Ich erinnere da nur an den Antrag Druck Nr. 557 des
Koll. Zajièek, an den
Antrag Druck Nr. 549 des Koll. Schubert und an den Antrag
Druck Nr. 698 des Abg. Èuøík,
alle aus dem Jahre 1926. Sie behandeln die Novellierung des Versorgungsgesetzes,
die Frage der Pflichtbeschäftigung, die Frage der Schenkung
der Übergenüsse, von der ich schon gesprochen habe,
die Frage der Verlängerung der Anmeldefrist für Kriegsbeschädigte
bzw. der Witwen zu einem Rentenanspruch. Auch bei diesen Anträgen
der Abg. Zajièek, Schubert
und Èuøík
ist, obwohl diese Anträge sich zum Problem der Kriegsbeschädigtengesetzgebung
unzweideutig äußern, die Regierung ruhig geblieben,
ist nicht das Geringste geschehen, was im Sinne dieser Anträge
gedeutet werden könnte.
Ich erinnere in diesem Zusammenhang auch an
die etwa bei Behandlung des vorliegenden Gesetzentwurfes im sozialpolitischen
und im Finanzausschuß erwähnte Resolution des Koll.
Zajièek vom 30. November
1926, die da lautet: "Die Regierung wird aufgefordert, das
Kriegsbeschädigtengesetz ehestens zu novellieren und hiebei
vor allem die in den Initiativanträgen Druck Nr. 549, Schubert,
Druck Nr. 557, Antrag Zajièek
und Druck Nr. 698, Antrag Èuøík
dargelegten Forderungen weitestgehend zu berücksichtigen."
Die Regierung ignoriert auch diese Initiativanträge von Regierungsabgeordneten
kontinuierlich, je konsequent.
Man könnte jetzt mit der Betrachtung über
den Wert oder Unwert des Parlamentarismus beginnen, man könnte
im Zusammenhang mit diesen Feststellungen Betrachtungen anstellen
über den Wert oder Unwert der Arbeit von Abgeordneten in
den Ausschüssen im Parlamente, zu dieser oder jener Frage.
Aber es herrscht ja eine derartige Ignoranz der Arbeit eines willigen
und fähigen Abgeordneten und einsichtigen Menschen gegenüber,
sie ist derart zur Gepflogenheit hier im èechoslovakischen
Parlamente geworden, daß sich eine Kritik dieser Ignoranz
erübrigt, zumal diese Kritik ja hunderte- und tausendmale
in diesem Hause gepflogen worden ist und stets ergebnislos verlief.
Aber wir müssen auf den Inhalt dieser
Initiativanträge der Koll. Zajièek, Schubert
und Èuøík doch
zu sprechen kommen, weil sie das enthalten, was wir seit Jahr
und Tag vor Einbringung dieser Initiativanträge noch gemeinschaftlich
mit diesen Abgeordneten als Oppositionsabgeordneten von der Regierung
gefordert haben: die Regelung des Problems der Kriegsbeschädigten
in dem von den Organisationen der Kriegsbeschädigten geforderten
Sinne. Im besonderen ist es da - und davon sprach ich ja auch
schon - die Erledigung einiger Details, die notwendig ist, so
z. B. die schon erwähnte Frage der Übergenüsse.
Wir müssen zur Regelung dieser Frage etwa im Sinne der Resolution
Windirsch kommen, wenn wir nicht durch Fortbelassung des
augenblicklichen Zustandes hunderte und tausende Kriegsbeschädigte
geradezu zur Verzweiflung treiben wollen. Es ist so weit, daß,
wenn es zu Methoden kommt, wie uns solche aus Mähren, aus
Brünn, von der Tätigkeit des Landesamtes dortselbst
berichtet werden, Kriegsbeschädigte in ihrer Verzweiflung
zum Strick oder Revolver greifen, wenn ihnen das Geld langt, einen
Revolver zu kaufen, um bei einer solchen Praktizierung der Kriegsbeschädigtengesetze
dem verzweifelt gestalteten unwerten Leben schließlich ein
Ende zu machen. Die Frage der Übergenüsse der Kriegsbeschädigten
ist also, ich möchte das von der Regierung gefordert haben,
zumindest im Sinne der Resolution Windirsch zu lösen.