Über die Verlängerung der Anmeldefrist
ist bei der heutigen Debatte schon des längeren geredet worden.
Auch ich bin ebenso wie meine Partei der Meinung, daß es
unbedingt notwendig ist, die Anmeldefrist, die im Jahre 1923 abgelaufen
war, zu verlängern. Es ist tatsächlich so, daß
die anständigsten Elemente unter den Kriegsbeschädigten
oft nur deshalb die Renten nicht bekommen, weil sie seinerzeit
die Anmeldefrist verpaßten, aus Gründen die für
sie sehr ehrend sind; denn die Betreffenden wurden erst nach Ablauf
dieser Frist notleidend und rentenbedürftig. Die Verlängerung
der Anmeldefrist verlangen wir also auch und wir erhoffen, daß
in diesem Sinne doch irgendeine positive Regelung möglich
ist, zudem die Möglichkeiten in finanzieller Beziehung auch
gegeben sind.
Eines der traurigsten Kapitel ist das Kapitel
der Kriegsbeschädigten-Trafikanten. Außerordentlich
bemerkenswert sind die Methoden, mit denen diesen Kriegsbeschädigten-
Trafikanten begegnet wird. Wir stellten bei eine Reihe von Kriegsblinden
und vollkommen erwerbsunfähigen Kriegsbeschädigten fest,
daß sie, weil sie sich im Besitze einer Tabaktrafik befanden,
keinen Heller an Rente bezogen. Nach § 4 des Versorgungsgesetzes
fällt unter allen Umständen dieselbe weg, wenn das Einkommen
aus einer Tabaktrafik das Renteneinkommen um 100% übersteigt.
Hiezu kommt das üble Kapitel der Gesellschafterzuweisungen,
eine Methode, die man draußen anwendet, um die empfangene
Wohltat der Zuweisung einer Trafik an Kriegsbeschädigte diesen
Kriegsbeschädigten geradezu zum Eckel zu machen.
Für dieses Vorgehen gegenüber den
Kriegsbeschädigten beruft man sich auf den staatsfinanziellen
kategorischen Imperativ des Finanzministers. Ich habe es schon
im Ausschuß gesagt, wie unmoralisch die Bezugnahme auf diesen
Imperativ seitens des Finanzministers ist, solange er sich bei
anderen Angelegenheiten nicht auch von diesem Imperativ beeinflussen
läßt. Wir geben für einen Kriegshund -
und dazu gibt auch der Herr Finanzminister, der der Sparsamkeit
so sehr das Wort redet, seine Zustimmung 70 Kè aus für
die gleiche Zeit der Versorgung, für welche einem Kriegsbeschädigten
ein Betrag von 20 Kè zugeführt wird. (Výkøiky
posl. L. Wenzela.) Solange
wir derartige Fälle festzustellen vermögen, gilt ein
Einwand wie der des Finanzministers nicht. Die Kriegsbeschädigtenfürsorge
hat schätzungsweise - davon wußten die Berichterstatter
im besonderen ein Lied zu singen - den Staat seit dem Jahre
1920 bis heute den Betrag von etwa 5 Milliarden Kè gekostet.
So sprachen beide Herren Berichterstatter, sowohl Herr Ing. Hrdina
im sozialpolitischen Ausschuß wie Herr Pater Rýpar
im Finanzausschuß des Abgeordnetenhauses. Wenn von diesen
großen Zahlen gesprochen wird, so berührt uns das immer
so eigens. Wir sind nicht der Meinung, daß diese Zahlen
unter allen Umständen den Anspruch auf Richtigkeit erheben
dürfen. Wir haben aus der Praxis der letzten Jahre auch schon
Fälle dargelegt, die für unsere Ungläubigkeit
gegenüber diesen Zahlenexperimenten Beweis geliefert haben.
So waren schon im Jahre 1920 945 Mill. Kè im Staatsvoranschlag
für die Kriegsbeschädigtenfürsorge eingestellt,
obwohl das Entschädigungsgesetz erst in diesem Jahre beschlossen
wurde und erst im Jahre 1921 durchgeführt
wurde, obwohl weiter erst in den Jahren 1921, 1922 und 1923 die
Auszahlung und Nachzahlung von Renten sich sozusagen laufend vollzog.
Man ersparte schon im ersten Jahre 1920 vom Betrage, der für
die Kriegsbeschädigten im Staatsvoranschlag zur Verfügung
stand, jedenfalls Millionen von Kronen, man ersparte dann die
weiteren Jahre fortlaufend und ersparte selbst bei der Drosselung
der Ausgaben für die Kriegsbeschädigten, die schon in
den letzten Staatsvoranschlägen vorgenommen wurde,
besonders auch für das Jahr 1928, man ersparte also wie gesagt
auch noch da. Es ist kein Geheimnis, daß die Ersparungen
des Vorjahres an den Kriegsbeschädigten gegenüber dem
präliminierten Betrag 35 Millionen Kè betragen. Wenn
man wenigstens bereit wäre, diese Ersparnisse
den Kriegsbeschädigten in irgend einer neuen Form zuzuwenden,
könnte man nicht von einem konsequent bestehenden bösen
Willen der Regierung gegenüber dem Kriegsbeschädigtenstand
sprechen. Daß man aber nicht einmal diese Ersparnisse dazu
verwendet, Ersparnisse, die sich im besonderen daraus resultieren,
daß die Zahl der Rentenbezüge jedes Jahr verringert
wird, die Rentenbezieher durch Tod abgehen, so und so viel Waisen
aus dem Rentenbezug ausscheiden, daß man also diese Ersparnisse
zur Aufbesserung der Bezüge der überlebenden Rentenbezieher
nicht verwendet, bezeugt den konsequenten bösen Willen der
heutigen Regierung gegenüber diesen Problemen. Die Aktion
des Koll. Zajièek, der
im sozialpolitischen Ausschuß meiner Kritik schon begegnete
und der - ich muß das feststellen - meiner heutigen Kritik
der Gesetzgebung wieder zuhört, war darauf gerichtet, zumindest
diese Ersparnisse den Kriegsbeschädigten zuzuwenden. Aber
ich kann nicht anders als dem Koll. Zajièek
das zu wiederholen, was ich schon im Ausschusse gesagt habe: Es
darf, wenn man sich mit seinem guten Willen nicht durchzusetzen
vermag einer bösgesinnten Gruppe von Menschen gegenüber
nicht ausbleiben, daß man denn doch zur äußersten
Schlußfolgerung schreitet. Wir haben heute bei der Besprechung
dieses Gesetzes der Regierung gegenüber die Forderung zu
wiederholen, den Kriegsbeschädigten Recht und Gerechtigkeit
widerfahren zu lassen. Wir warnen die Regierung, die grausame
Spekulation auf das Absterben der Kriegsbeschädigten zu machen;
diese grausame Spekulation operiert gegenüber den Kriegsbeschädigten
ebenso wie gegenüber den Pensionisten. Man glaubt, daß
dieses Problem in Jahren leichter zu lösen sein wird. Wenn
es so weiter geht, wie es in den letzten Jahren gegangen ist,
daß jedes Jahr Tausende von Kriegsbeschädigten mit
dem Tod abgehen, dann mag es wirklich sein, daß die Kalkulation
einer Regierung wie der heutigen Koalitionsregierung richtig ist,
daß in Jahren eine Regelung der Kriegsbeschädigtengesetzgebung
im Sinne der Wünsche und Forderungen der organisierten Verbände
leichter sein würden auch in Bezug auf die staatsfinanzielle
Seite. Ich habe schon im Vorjahr auf das ungeheuere Sterben der
Kriegsbeschädigten hingewiesen. Ich habe im Vorjahr darauf
verwiesen, daß in dem ganz kurzen Zeitabschnitt von 1924
bis 1927 der Abgang an Mitgliedern einer einzigen Organisation
der Kriegsbeschädigten, des Bundes der Kriegsverletzten,
ungeheuer war. Wenn wir das, was sich alljährlich vollzieht,
weiter beobachten, können wir auch der Meinung sein, daß
die Dinge in den nächsten Jahren nicht besser werden, wir
warnen aber die Regierung, diese grausame Methode zu pflegen,
zu spekulieren auf die Erledigung des Kriegsbeschädigtenprobleme
durch den Tod derselben. Wir rufen der Regierung vielmehr zu,
diesem Stand gegenüber Recht und Gerechtigkeit zu üben.
Vor allem muß es auch zur Erlassung eines Schwerbeschädigten-Einstellungsgesetzes
kommen. Seit Jahr und Tag rufen die Organisationen der Kriegsbeschädigten
nach einem solchen Gesetz. Der Regierung ist es aber bisher
noch nicht eingefallen, ein solches Gesetz auch nur vorzubereiten.
Ein solches Gesetz besteht in andern Staaten, besteht besonders
in Deutschland, und dort ist dieses Gesetz auch schon den èechoslovakischen
Kriegsbeschädigten, die drüben in Deutschland
wohnen, zur Wohltat geworden. Es ist notwendig, daß die
Èechoslovakische Republik sich ein solches Pflichteinstellungsgesetz
zumindest für schwere Kriegsbeschädigte zurecht legt
und damit in ein Gegenseitigkeitsverhältnis zu Deutschland
tritt.
Wenn wir bei der Kritik des ganzen Verfahrens
sind, das gegen die Kriegsbeschädigten angewendet wird, können
wir auch nicht unterlassen zu wiederholen, daß die Erledigung
der von den Kriegsbeschädigten an die einzelnen Ämter,
die ihre Interessen wahrzunehmen haben, gerichteten Akten etwas
schneller und bündiger zu geschehen hat. Es laufen immer
und immer wieder Klagen und Beschwerden ein, daß die Ämter
nicht sehr zeitgerecht funktionieren, daß die Ämter
mit den Renten im Rückstande bleiben, mit den Akten, die
häufig alles für die Kriegsbeschädigten bedeuten.
Die charitative Fürsorge wird in Zukunft mehr auszugestalten
sein. Es tut nicht gut, wenn man bei der Gestaltung der charitativen
Fürsorge wieder den staatsfinanziellen kategorischen Imperativ
anwendet. Wir sind der Ansieht, daß für diese Fürsorge
genügende Mittel im Staatsvoranschlag bereitzustellen sind,
daß bei der charitativen Fürsorge nicht gespart werden
darf. Als dringlich wäre auch die Heilbehandlung der Hinterbliebenen
der Kriegsbeschädigten zu fordern. Diese Heilbehandlung der
Hinterbliebenen der Kriegsbeschädigten ist noch nicht gewährleistet
und wir wissen, welche schwere Fälle sich gerade aus diesem
Umstand ergeben. Daß wir ein besonderes Wort für die
Regelung der Kriegsblindenfürsorge sprechen, ist eine selbstverständliche
Sache. Diese unglücklichen Opfer des Weltkrieges, die das
verloren haben, was des Menschen allergrößter Schatz
ist, diesen Menschen gegenüber sollte man wenigstens nicht
sozial einsichtslos und rücksichtslos vorgehen. Ihnen gegenüber
sollte man vor allem ein Herz haben und sollte sozial rege sein
selbst über das Maß des absolut Notwendigen hinaus,
selbst über das Maß dessen hinaus, wozu man moralisch
verpflichtet ist.
Was wir fordern, ist, daß durch eine
grundsätzliche Regelung des Invalidengesetzes eine Erhöhung
der Renten für alle Kriegsbeschädigten eintritt und
daß durch eine grundsätzliche Regelung der heute bestehenden
Kriegsbeschädigtengesetzgebung vor allem auch wieder jene
Witwen in die Rentenversorgung einbezogen werden, die nach dem
Gesetz vom Jahre 1922 aus der Rentenversorgung hinausgeworfen
wurden. Bezüglich des Meritums der heutigen Regierungsvorlage
fordern wir die Streichung des § 2 des Versorgungsgesetzes.
Wir fordern die Schaffung eines Einstellungsgesetzes für
Kriegsbeschädigte und eines Gegenseitigkeitsvertrages mit
Deutschland in dieser Hinsicht. Wir fordern weiter die Verlängerung
der Anmeldefrist, die Erhöhung der Beiträge für
charitative Fürsorge, die Einstellung der leidigen grausamen
Revisionsuntersuchungen, sofern sie von den Kriegsbeschädigten
nicht selbst gefordert werden. Wir fordern die Heilbehandlung
für die Hinterbliebenen der Kriegsbeschädigten und die
rasche Erledigung der Fälle der einzelnen Kriegsbeschädigten
auch aktenmäßig. Der Regierung gegenüber haben
wir noch einmal zu wiederholen, daß für sie eine absolute
Notwendigkeit der Regelung der Kriegsbeschädigtenfrage im
Sinne der Wünsche und Forderungen der Organisation besteht,
da sie ja so vielfache Versprechungen gemacht hat. Vom Ministerpräsidenten
bis zum letzten Regierungsabgeordneten ist alles mit Versprechungen
gegenüber den Kriegsbeschädigten belastet. Für
jeden Teil der heutigen Koalition besteht sonach die moralische
Verpflichtung, durch eine anständige Versorgung der Kriegsbeschädigten
sich von dieser Last zu befreien.
Zu unserer heutigen Stellungnahme kann ich
meinerseits und im Namen meiner Partei nur erklären, daß
uns hiezu nicht die geringste demagogische Anwandlung veranlaßt
hat, sondern nur die Erkenntnis der Notlage der Kriegsbeschädigten
und die daraus resultierende selbstverständliche Pflicht,
hier ihr Dolmetsch zu sein und für diese Menschen Recht und
Gerechtigkeit zu erlangen. In diesem Sinne fordern wir die von
mir dargelegte grundsätzliche Regelung, und in diesem Sinne
sind wir nicht in der Lage, für den heutigen Regierungsantrag
zu votieren. (Potlesk poslancù nìm.
strany nár. socialistické.)
Meine Herren! Mit 30. Juni d. J. läuft
das Gesetz über die Höhe der Einkommensgrenze, die vom
Bezug einer Kriegsbeschädigtenrente ausschließt, ab.
Weil die Novelle zu dieser gesetzlichen Bestimmung im letzten
Augenblick dem Parlamente vorgelegt wird, so ist es klar, daß
deren unveränderte Verlängerung vorgeschlagen wird.
Bisher wurde diese gesetzliche Bestimmung immer nur auf ein Jahr
verlängert und die Regierung gab das Versprechen, daß
sie diese Zeit dazu benützen werde, um ein definitives Kriegsbeschädigtengesetz
auszuarbeiten und dem Hause zur Beratung vorzulegen. Diesmal wird
die Verlängerung auf unbestimmte Zeit bis zu einer Neuregelung
vorgeschlagen. Daraus ergibt sich vollkommen klar, daß
die èechoslovakische Regierung gar nicht an eine endgiltige
Regelung des Kriegsbeschädigtenproblems denkt. Solange diese
Regierung im Amte ist, solange diese gemischtnationale, bürgerlich-konservative
Regierungsmehrheit besteht, ist keine Aussicht
vorhanden, daß die Kriegsbeschädigtenfürsorge
im Gesetzeswege verbessert wird. Es müßte wohl eine
neue Regierung kommen, und erst wenn eine neue Regierungskoalition
sich bilden wird, vielleicht erst nach den Neuwahlen, haben die
Kriegsbeschädigten Aussicht, daß sich wieder einmal
das Parlament mit ihren Forderungen und Wünschen hinsichtlich
der Kriegsbeschädigtenfürsorge ernstlich befassen wird.
Seit dem Jahre 1922 ist auf dem Gebiete der Kriegsbeschädigtenfürsorge
überhaupt keine Verbesserung im Gesetzeswege vorgenommen
worden. Die Organisationen der Kriegsbeschädigten haben das
ganze Material zusammengetragen, in Beschwerden, in Memoranden,
in Zeitungsartikeln. Die Regierung ist hinlänglich informiert.
Wenn nichts geschieht, dann sind wir berechtigt, von einem bösen
Willen der Regierung den Kriegsbeschädigten gegenüber
zu sprechen. Von der Tatsache des bösen Willens belehrt uns
auch ein Fall, der sich in der letzten Zeit hier in Prag zugetragen
hat und den schon zwei meiner Vorredner angezogen haben.
Am 19. März d. J. ist eine Deputation des Bundes der Kriegsverletzten
der Èechoslovakischen Republik in Deutschland aus Chemnitz
nach Prag gekommen unter Führung ihres Obmanns Gustav Zahm,
um hier bei den maßgebenden Kreisen
vorzusprechen und ihre Wünsche vorzubringen. Die Angelegenheit
war besonders wichtig, schon vom Standpunkte des Prestige des
Staates. Denn diese elend abgefertigten Kriegsbeschädigten
der Èechoslovakischen Republik im Ausland sind ja diejenigen,
welche am meisten geeignet sind, das Ansehen
des Staates im Auslande zu schädigen. Als nun die Deputation
auch in das Außenministerium gehen wollte, um dort ihre
Wünsche vorzutragen, da hetzte man hinter dem Obmann dieser
Organisation Gustav Zahm die Prager Polizei, ließ ihn verhaften
und vorführen und malträtierte ihn zwei Stunden lang
mit einem protokollarischen Verhör, in welchem man ihm die
unglaublichsten Vergehen und Verbrechen vorhielt, zu denen er
sich äußern mußte. Als die zwei Stunden vorüber
waren und die Deputation nicht mehr die Möglichkeit hatte,
in das Außenministerium zu gehen, als es klar war, daß
die Leute von Chemnitz nach Prag, die Reiseauslagen aus eigener
Tasche zahlend, den Weg umsonst gemacht hatten, entließ
man Herrn Gustav Zahm und er konnte nun nach Chemnitz zurückkutschieren.
Dort sagte ihm der èechische Konsul, das Ganze sei ein
Irrtum gewesen, er sei mit einer anderen Person verwechselt worden.
Gleichzeitig teilte ihm aber der èechoslovakische Konsul
mit, daß er nicht noch einmal nach Prag zurückfahren
dürfe, sonst würde ihn die Prager
Polizei verhaften. Ein solcher Vorfall nötigt uns, Herrn
Minister Beneš noch einmal darauf aufmerksam
zu machen, endlich einmal mit den unhaltbaren Verhältnissen
im èechoslovakischen Konsulat in Chemnitz aufzuräumen.
Ich habe über das skandalöse Vorgehen
des dortigen Konsuls gegen die Kriegsbeschädigtenorganisation
eine Interpellation eingebracht. Minister Dr. Beneš
hat sich nur dazu aufschwingen können, das Vorgehen dieses
Herrn durch leere Ausreden gutzuheißen. Jetzt hat er hier
in Prag einen neuerlichen Beweis für das merkwürdige
Vorgehen des èechoslovakischen Konsuls. Wir müssen
aber auch vom Herrn Innenminister Èerný
verlangen, daß er bei der Prager Polizei Ordnung macht,
denn die Polizei ist doch da, um die Sicherheit des Staatsbürgers
zu verbürgen, nicht aber, um sie zu bedrohen.
Ich habe als Redner meiner Partei von dieser
Stelle aus des öfteren Gelegenheit gehabt, die Wünsche
und Forderungen meiner Partei in der Kriegsbeschädigtenfrage
bekanntzugeben. Ich kann mich hier daher darauf beschränken,
dies kurz zu wiederholen. Wir verlangen: 1. die Verlängerung
der Anmeldefristen zum Bezuge einer Kriegsbeschädigtenrente,
2. die Novellierung des Versorgungsgesetzes überhaupt, 3.
Nachsicht und Schenkung der Übergenüsse, 4. Weglassung
einer jeden Einkommensgrenze, und wenn dies nicht möglich
ist, dann Festsetzung einer einheitlichen Einkommensgrenze für
die wirtschaftlich unselbständig Erwerbenden, die natürlich
niemals höher sein darf als 12.000 Kè, 5. ein Pflichtbeschäftigungsgesetz
für die Kriegsbeschädigten, 6. Steuererleichterungen,
7. Begünstigungen in der Heilfürsorge und 8. ein besonderes
Gesetz für die Schwerstbeschädigten und für die
Kriegsblinden.
Ich kann es mir ersparen, für diese unsere
Forderungen hier nochmals eine Begründung anzuführen.
Sie ist enthalten in den stenographischen Protokollen, sie kommt
zum Ausdruck in dem Initiativantrag, den ich im Namen meiner Partei
eingebracht habe und in den Abänderungsanträgen zu den
früheren Kriegsbeschädigtengesetzen. Es wäre nutzlos,
diese ganze Begründung zu wiederholen, denn die Regierung
will nicht, die Regierungsmehrheit läßt sich den Willen
der Regierung ganz einfach aufzwingen und die Opposition ist zu
schwach, um etwas von der Regierung zu erzwingen. Das Ergebnis
solchen Vorgehens in der Gesetzgebung ist, daß heute
die Èechoslovakei, der sogenannte Siegerstaat, derjenige
ist, der die schlechteste Kriegsbeschädigtenfürsorge
auf dem ganzen Kontinent überhaupt hat. Es wird dem Herrn
Dr. Beneš seine
Auslandspropaganda gar nichts nützen, daß die
Èechoslovakei der finanziell konsolidierteste unter den
Nachfolgestaaten ist. Wir werden schon dafür sorgen, daß
draußen auch bekannt wird, daß diese Konsolidierung
nur möglich ist, weil sie auf Kosten der Kriegsbeschädigten
und Kriegshinterbliebenen geht. Denn hier in
diesem Parlament ist das Wort eines Finanzministers gefallen,
er müsse die Kriegsbeschädigtenfürsorge abbauen,
weil sonst das Gleichgewicht im Staatshaushalt bedroht ist.
Die Versorgung der Kriegsbeschädigten
und Kriegshinterbliebenen ist eine auf Fürsorgeerwägungen
beruhende öffentlichrechtliche Pflicht des Staates. Die
Èechoslovakische Republik als Staat fordert von jedem ihrer
Bürger Pflichterfüllung bis ins Kleinste. Sie selbst
vernachlässigt aber ihre Pflichten gegenüber den Kriegsbeschädigten
und Kriegshinterbliebenen. Es nützt gar nichts, wenn der
Herr Berichterstatter hier aufzählt, wieviel
Millionen bisher die Kriegsbeschädigtenfürsorge gekostet
hat, wieviel Trafiken an Kriegsbeschädigte vergeben wurden,
wieviel Geld für die Heilfürsorge ausgegeben wurde.
Die Tatsache bleibt fest, daß all das unzureichend gewesen
ist. Der Staat erfüllt demnach nur einen Bruchteil seiner
Pflicht und das ist gleichbedeutend mit Pflichtverletzung. Und
jedes Unrecht rächt sich; wenn es die Regierung begeht, rächt
es sich an dem Staat. Ich kann mich nicht genug wundern, daß
die Herren Kollegen jener èechischen politischen
Parteien, mögen sie in der Regierung oder Opposition sein,
die sich so gerne als staatserhaltende Parteien aufspielen, daß
die nicht alle Mittel in Bewegung gesetzt haben, um gerade in
der Kriegsbeschädigtenfrage Ordnung
zu schaffen. Wenn ich einer solchen staatserhaltenden Partei angehören
würde, dann würde ich ungefähr in folgenden Gedankenketten
denken: Die Èechoslovakische Republik ist ein Militärstaat
kat´exochen mit allgemeiner Wehrpflicht,
Milliarden gibt er für die Erhaltung und Ausrüstung
des stehenden Heeres aus. (Pøedsednictví
se ujal pøedseda Malypetr.) Ich
will gar nicht untersuchen, ob die Èechoslovakei in kürzerer
oder fernerer Zukunft zu einem Abwehrkrieg gezwungen sein wird
oder aber ob sie sich von gewissenlosen Staatsmännern verleiten
läßt, einen Angriffskrieg zu führen. Immer wird
die Lage des èechoslovakischen Heeres eine schwere sein,
schwer deshalb, weil dies schon gegeben
ist durch die Form der Staatsgrenzen, schwierig, weil die Èechoslovakei
ein Völkerstaat ist und mit denselben Schwierigkeiten in
der Armee rechnen muß wie der gewesene Kaiserstaat Österreich.
Denn es kann Völker geben, die an einem Sieg und der Erhaltung
dieses Staates nicht das Interesse haben, wie die Èechen
es haben. Ich würde mir an Ihrer
Stelle sagen, daß das, Aufmarschgebiet des èechoslovakischen
Heeres in jedem Ernstfall in Gegenden liegt, die von Völkern
bewohnt sind, welche gegen ihren Willen diesem Staat einverleibt
wurden und die schon 1920 das ewige, unverjährbare
Anrecht auf Selbstbestimmung geltend gemacht haben und die vielleicht
eine kriegerische Verwicklung der Èechoslovakei dazu benützen
werden, um ihr Ziel endlich zu erreichen. Wenn dann noch diese
unmögliche, jeder Humanität hohnsprechende Kriegsfürsorge
dazu kommt, die die älteren Geschlechter
aus den Zeitungen und aus eigener Anschauung kennen, die der jüngeren
Generation durch den Bürgerkundeunterricht in der Schule
bekannt gemacht wurde und die zu Agitationszwecken vielleicht
gerade im Moment einer Mobilisierung noch mehr publik gemacht
wird, wo sollen dann die Menschen herkommen, die aus reiner Begeisterung
sieh für einen solchen Staat die Knochen zusammenschießen
lassen? Meine Herren! Wenn ich einer solchen staatserhaltenden
Partei angehören würde, dann würde ich mir sagen:
Die Zuverlässigkeit des Heeres hängt nicht ab von der
Vorzüglichkeit der Ausrüstung, sondern von dem Geist,
der die Soldaten beseelt und deshalb gehört eine ausreichende
Kriegsbeschädigtenfürsorge zum besten Rüstzeuo
einer Armee, zum unentbehrlichen Mittel, um eine Armee verläßlich
zu machen. Wenn diese Parteien heute hier sitzen, wenn die Regierungsparteien
gar nichts unternehmen, um die Regierung den Kriegsbeschädigten
gegen über zu einem anderen Standpunkt zu zwingen,
wenn die èechischen Oppositionsparteien zwar Sturm
laufen, es aber doch nicht ernst meinen, um hier Wandel zu schaffen,
dann behaupte ich: Für diese Herrschaften ist das Wort "staatserhaltend"
ein Schlagwort im Programm, sie setzen aber nicht eine einzige
Tat, um diesem Schlagwort Leben einzuhauchen.
Das vorliegende Gesetz gibt auch Anlaß,
einmal über das Verhältnis von Regierung zum Parlament
hier in diesem Staate zu sprechen. Bei jeder Verlängerung,
die das vorliegende Gesetz in diesem Parlament erfahren hat, hat
die Regierung versprochen, daß sie das Kriegsbesehädigtegtenproblem
durch ein definitives Gesetz lösen werde. Zweieinhalb Jahre
ist es her, daß die von einem Abgeordneten einer Regierungspartei,
Herrn Koll. Zajièek
gestellte Resolution einstimmig im Parlament angenommen wurde:
"Die Regierung wird aufgefordert, das Kriegsbeschädigtenfürsorgegesetz
ehestens zu novellieren und hiebei vor allem die in den Initiativanträgen
549, 557 und 698 dargelegten Forderungen weitestens zu berücksichtigen."
Zweieinhalb Jahre erfolgte keine Antwort der Regierung, trotzdem
diese Resolution durch die Form ihrer Annahme als der einheitliche
Wille des ganzen Parlaments der Regierung zur Kenntnis gebracht
wurde. Drei Jahre liegen Initiativanträge von Regierungsparteien
vor, welche das ganze Problem der Kriegsbeschädigtenfürsorge
regeln wollen. Bisher hat es immer geheißen und besonders
die- deutschen Regierungsparteien haben in diesem Sinne gesprochen:
Die Annahme eines Resolutionsantrages ist ein Erfolg, den wir
errungen haben. Bisher waren wir immer der Ansicht, ein Initiativantrag
darf überhaupt nur von Regierungsparteilern eingebracht werden,
damit er Aussicht habe, jemals in Verhandlung gezogen zu werden.
In der Frage der Kriegsbeschädigtenfürsorge ist das
nicht zutreffend. Im Gegenteil, der Herr Berichterstatter im sozialpolitischen
Ausschuß hat uns gesagt, daß der Antrag des Koll.
Zajièek
Hunderte von Millionen kosten würde, er muß daher ad
acta gelegt werden. Und die Regierungsmehrheit? Sie gibt nach
sie muckt nicht auf. So muß das Bild entstehen, daß
hier eine Diktatur der Ministerien und ihrer Beamten herrscht,
daß die Mehrheit zu einer bedeutungslosen parlamentarischen
Schutztruppe, zum Söldnerheer der Ministerbank herabgewürdigt
wird, daß sie Gott ergeben die Rolle eines Strohtellers
zu spielen gedenkt, auf dem auf der einen Seite die Regierung,
auf der andern Seite die mit der Gesetzgebung unzufriedenen Elemente
ihre Stiefelabsätze abwischen. Die Opposition wird machtlos
gemacht. Das ist die einzige Tat, zu der sich die Regierungsparteien
aufschwingen, daß sie die Opposition brutal niederstimmen.
So untergräbt die Mehrheit das Ansehen des Parlamentarismus
in diesem sogenannten demokratischen Staate. Hier sollte nach
den demokratischen Prinzipen die ganze Macht in den Händen
des Volkes bezw. der gewählten Volksvertreter liegen. Wenn
die Regierung gegen ein Kriegsbeschädigtengesetz ist, die
Regierungsmehrheit es aber wünscht, wie ihre Initiativ- und
Resolutionsanträge zeigen, so haben die Abgeordneten und
Senatoren der Regierungsmehrheit die Möglichkeit, so ein
Gesetz zu beschließen, und die Regierung muß nachgeben.
Nicht so, wie es bis jetzt war, daß die Regierungsmehrheit
so tanzt, wie die Regierung pfeift. Das sind unhaltbare Zustände.
Wenn Minister Dr. Spina in Eger gesagt
hat, die jetzige Regierungskoalition gedenke bis zum Jahre 1931
beisammen zu bleiben und weiter zu kutschieren, um ihr imaginäres
Regierungsprogramm, das er uns natürlich auch nicht verrät,
zu erledigen, stellen wir dem gegenüber wegen der Unhaltbarkeit
der Verhältnisse, die hier herrschen, die Forderung: Weg
mit dieser Regierung, weg mit dieser Regierungsmehrheit, freie
Bahn für eine neue Mehrheit, die endlich die Wege zur Arbeit
in diesem Parlamente freimachen wird und wenn es nicht anders
gelingt, dann mit Neuwahlen heraus, damit das Volk sein Urteil
über diese Gesetzesmacherei spreche!
Ich habe die Pflicht, zum Schlusse zu erklären,
daß meine Partei demonstrativ gegen den vorliegenden Gesetzesantrag
stimmen wird. (Souhlas a potlesk poslancù nìm.
strany národní.)