Auf Grund des Erlasses der Finanzlandesdirektion
in Prag vom 26. April 1929, Zahl XIII-73/39, welcher auf eine
Weisung des Finanzministeriums zurückgeht, haben die Vorsitzenden
der Steuerkommissionen unter Hinweis auf die Bestimmung des §
239, Abs. 1 des Gesetzes über die direkten Steuern aufmerksam
gemacht, daß sie durch die Beantwortung des von der Kammer
in der Angelegenheit der Steuerkommissionen ausgegebenen Fragebogens
die Pflicht der Geheimhaltung verletzen würden. Diese Weisung
ist im Gesetze nicht begründet, denn der § 239, Abs.
1 des erwähnten Gesetzes bestimmt wörtlich:
"Die Vorsitzenden, sowie alle Mitglieder
der Steuerkommissionen haben bei den Verhandlungen in der Kommission
nach dem Gesetz, ohne Ansehen der Person, unparteiisch und nach
bestem Wissen und Gewissen zu verfahren und die Verhandlungen
in der Steuerkommission sowie die bei den selben zu ihrer Kenntnis
gelangenden Verhältnisse der Steuerpflichtigen strengstens
geheim zu halten."
Die durch diese Bestimmung festgesetzte Geheimhaltungspflicht
wird noch durch das Gelöbnis näher erklärt, das
die Mitglieder der Steuerkommissionen bei Beginn ihrer Tätigkeit
zu leisten haben. Dieses Gelöbnis hat gemäß §
239, Abs. 2, folgenden Wortlaut:
"Ich gelobe auf Ehre und Gewissen, daß
ich bei den Verhandlungen in der Steuerkommission nach dem Gesetz,
ohne Ansehen der Person, unparteiisch und nach bestem Wissen und
Gewissen vorgehen und, was mir durch die Verhandlungen in der
Steuerkommission überhaupt und insbesondere von den Verhältnissen
der Steuerpflichtigen bekannt wird, strengstens geheim halten
werde."
Die Kammer, welche die Bestimmungen über
die Geheimhaltungspflicht genauestens selbstverständlich
schon vor der Aussendung des Fragebogens bekannt waren und die
als öffentlich rechtliche Körperschaft niemals den Versuch
machen würde, Kommissionsmitglieder zur Verletzung der Geheimhaltungspflicht
verleiten zu wollen, hat in ihren Fragebogen keine Fragen gestellt,
deren Beantwortung eine Verletzung der Geheimhaltungspflicht voraussetzen
würde. Es handelt sich lediglich um die Erhebung der formalen
Praxis der Kommissionen, ohne daß über den sachlichen
Inhalt der Verhandlungen oder über die Verhältnisse
der Steuerpflichtigen irgendwelche Auskünfte verlangt worden
wären.
Vor kurzem hat sich der Steuerausschuss der
Kammerzentrale in Anwesenheit des Vertreters der Aufsichtsbehörde,
d. i. des Handelsministeriums, mit den eingangs erwähnten
Weisungen des Finanzministeriums befaßt. Da in der Zwischenzeit
in Erfahrung gebracht wurde, daß im Finanzministerium die
Fragebogen der Kammern im Wortlaut gar nicht bekannt sind und
das Finanzministerium voreilig zu einer Angelegenheit Stellung
genommen hat, die es überhaupt nicht kennt, wurde dem Befremden
darüber Ausdruck gegeben, daß das Finanzministerium
in einer die Kammern betreffenden Angelegenheit Weisungen ergehen
läßt, ohne sich vorher über den Sachverhalt mit
den Kammern oder dem Handelsministerium ins Einvernehmen gesetzt
zu haben.
Indem die Unterzeichneten darauf hinweisen,
dass auch die Entsendung einer Abordnung in das Finanzministerium
und deren Aussprache mit dem Herrn Ministerialreferenten ergeben
hart, daß das Finanzministerium über Wesen und Zweck
der Erhebungen der Kammern vollständig uninformiert war,
stellen sie nachstehende Anfragen an den Herrn Finanzminister:
1. Ist er geneigt, dafür zu sorgen, daß
den Kammern die ihnen zustehenden gesetzlichen Rechte nicht durch
unnötige und unzweckdienliche Maßnahmen der ihm unterstellten
Ämter und Behörden geschmälert werden?
2. Ist er geneigt, diese Behörden zu belehren,
daß die Handelskammer eine Körperschaft ist, die mit
Rücksicht auf die ihr zustehende Bedeutung ihre Kompetenz
kennt?
3. Ist er geneigt, dafür zu sorgen, dass
überflüssige und verletzende Belehrungen aus dem Tätigkeitsbereiche
der ihm unterstellten Behörden angesehenen Körperschaften
des Landes und deren Mitgliedern gegenüber unterbleiben und
Auftrag zu geben, dass die Weisung des Finanzministeriums, welche
dem Erlaß der Finanz - Landesdirektion in Prag vom 26. April
1929, Z. XIII-73/79, zugrunde liegt, zurückgezogen wird?
Prag, am 27.
Mai 1929.
Die deutsche Gemeinde Albrechtsried wurde nach dem Umsturze durch
Ausgemeindung der deutschen Ortschaften Milschitz und Kumpatitz
in eine zu 50% èechische Gemeinde verwandelt. Gleichzeitig
wurde die öffentliche zweiklassige deutsche Schule aufgelöst
und eine èechische zweiklassige Minderheitsschule errichtet.
Die deutsche Ortsgemeinde Zallusch, die früher nach Albrechtsried
eingeschult war, wurde nunmehr nach Schüttenhofen
eingeschult, gleichzeitug aber auch die deutsche Schule in Schüttenhofen
aufgelöst. Alle Bemühungen nach Wiedereröffnung
der deutschen Volksschule in Albrechtsried blieben ergebnislos.
Die Folge davon war, daß rund 50 deutsche Volksschulkinder
seit dem Umsturze ohne ordnungsgemäßen deutschen
Schulunterricht geblieben sind. Im Jahre 1926 entschloß
sich der deutsche Kulturverband, Sitz Prag, in Albrechtsried eine
Privatvolksschule zu erbauen. Unter Führung des èechischen
Pfarrers Jarolímek setzte nunmehr eine
Gegenagitation ein, die es sich zum Ziele setzte, den Bau der
deutschen Privatvolksschule unter allen Umständen zu verhindern.
Die künstlich konstruierte èechische Mehrheit in der
Gemeindevertretung verstand es mit wohlwollender Unterstützung
der unter èechischer Leitung
stehenden politischen Bezirksverwaltung in Schüttenhofen
bis zum heutigen Tage den Bau der deutschen Privatvolksschule
zu verhindern.
Man kann geradezu von einem Martyrium sprechen,
denn alle Bemühungen, den Schulbau zu beginnen, blieben ergebnislos,
trotzdem 50 Schulkinder seit Jahren auf die Eröffnung der
deutschen Schule warten, und in dieser Zeit nur mühsam auf
dem Wege häuslichen Unterrichtes durch 4 Privatlehrer unterrichtet
werden können. Welche Methoden Pfarrer Jarolímek anwendet,
erhellt allein aus der Tatsache, daß er bei der im Mai 1928
veranstalteten Demonstrationsversammlung laut Bericht der èechischen
"Schüttenhofener Zeitung" vom 5. Mai 1928 am Schlusse
seiner Rede folgende Resolution zur Annahme vorschlug:
"Wir verlangen von der Regierung
der Èechoslovakischen Republik, daß sie im 10. Jubiläumsjahre
des Staates die Errichtung der deutschen Schule nicht erlaubt
und die Fortsetzung des Schulbaues den Deutschen verbietet."
Hierauf forderte er die Versammelten auf: "Wollt
ihr sein wie eine feste Mauer, auf die ich mich stützen kann
im Kampfe gegen die Deutschen, so schwört, daß ihr
gegen die Errichtung dieser Schule seid."
Wenn man sich nun vor Augen hält, welchen
entscheidenden Einfluß Jarolímek sowohl auf die Bezirksverwaltung
in Schüttenhofen als auch auf die Gemeindevertretungs - Mehrheit
in Albrechtsried hat, wird man verstehen, warum bisher alle Bemühungen,
die Bewilligung zur Errichtung des deutscher Schulbaues zu erhalten,
gescheitert sind. Das erste Gesuch um Bewilligung des Baues wunde
durch den deutschen Kulturverband am 28. April 1926 überreicht.
Im Juni 1926 wurde die für den Schulbau erworbene Bauparzelle
von der politischen Bezirksverwaltung in Schüttenhofen kommissionell
besichtigt und für Schulzwecke geeignet erklärt. Hierauf
wurde das Gesuch um Erteilung der Baubewilligung dem Gemeindeamte
in Albrechtsried vorgelegt. Bis August 1927 war es trotz wiederholter
Interventionen nicht zu erreichen, daß die Gemeinde eine
kommissionelle Begehung veranlaßt, bezw. die Baubewilligung
erteilt hätte.
Über Einschreiten bei der politischen
Bezirksverwaltung wurde endlich am 13. August 1927 der Gemeindevorsteher
auf Grund des § 104 der Gemeindeordnung beauftragt, die Baukommission
binnen 8 Tagen durchzuführen. Entgegen dem nationalen
Schlüssel der Zusammensetzung der Gemeindevertretung (5 Èechen,
7 Deutsche) wunde die Baukommission auf 4 Èechen und i
Deutschen gebildet. Infolge èechischen Einspruches verlief
die Kommission ergebnislos. Trotzdem wurde
am 14. August 1927 dem Deutschen Kulturverbande die Baubewilligung
enteilt und nach Eintritt günstiger Witterung am 4. April
1928 der Bau in Angriff genommen. Am 14. April 1928 wurde unter
Gendarmerieassistenz der bereits begonnene au eingestellt und
zwar auf Grund eines Rekurses an die Bezinksverwaltungskommission
und dies obwohl der Rekurs nicht innerhalb der gesetzlich offenen.
Frist eingereicht worden war. Um nicht durch den langwierigen
Beschwerdeweg aufgehalten zu sein, überreichte der Deutsche
Kulturverband am 5. Oktober 1928 ein neues Gesuch um Bewilligung
des Baues. Trotz wiederholter Intervention der deutschen Gemeindevertreter
war die nunmehrige èechische Gemeindevertretungsmehrheit
nicht zu bewegen, die kommissionelle Besichtigung des Bauplatzes
durchzuführen, obwohl nach der Bauordnung ein solches Gesuch
innerhalb von 14, Tagen zu erledigen ist. Da auch die eingebrachten
Beschwerden bei der politischen Bezirksverwaltung zu keinem Ergebnisse
führten und nachgewiesenermaßen der Deutsche Kulturverband
alle seitens der Gemeinde gestellten Bedingungen erfüllt
hat, sah sich der Deutsche Kulturverband genötigt, am 22.
April an das Landesamt in Prag eine Beschwerde zu überreichen,
in welcher das unerhörte Vorgehen der Baubehörde I.
Instanz als auch der Aufsichtsbehörde nachgewiesen wird.
Der hier geschilderte Sachverhalt läßt
erkennen, daß es sich hier letzten Endes um einen unwürdigen
Kampf gegen deutsche Schulkinder handelt, denen seit dem Umsturze
die Möglichkeit genommen wird, einen ordnungsgemäßen
deutschen Schulunterricht zu genießen. Die hier geschilderten
Zustände sind aber gleichzeitig ein Hohn auf die vom Ministerpräsidenten
Dr. Švehla verkündete Grundlage der èechisch
- deutschen Regierungsmehrheit: "Gleiche unser Gleichen".
Die Unterzeichneten fragen daher an, ob der
Herr Minister bereit ist, alles vorzukehren, um endlich diesen
Schulskandal in Albrechtsried aus der Welt zu schaffen und alles
vorzukehren, damit der Bau der deutschen Volksschule ehestens
in Angriff genommen werden kann?
Prag, am 6.
Juni 1929.
Die Bezirksbehörde Tetschen hat ein vom
23. März datiertes, offenbar von den Zentralstellen inspiriertes
Rundschreiben ausgesendet, in welchem für die Einbringung
von Gesuchen um Einreihung in die Ersatzreserve nachfolgende Weisungen
gegeben werden:
"Zu den Gesuchen als Besitzer einer Wirtschaft
kleineren oder mittleren Umfanges (§ 85) sind beizubringen:
1. Die Belege, auf welche Art der Gesuchsteller
Eigentümer des Anwesens geworden ist;
2. Bescheinigung, daß es sich um Anwesen
kleineren oder mittleren Umfanges handelt, ausgefertigt für
Gesuchsteller des Tetschner und Bensner Gerichtsbezirkes vom landwirtschaftlichen
Vereine in Niederebersdorf, für jene des Kamnitzer Gerichtsbezirkes
vom Land- und forstwirtschaftlichen Bezirksverband im Böhm.
Kamnitz."
Die angeführten Organisationen können
durchaus nicht als unparteiische Gutachter angesehen werden, da
sie nicht öffentlich-rechtliche Körperschaften sind,
sondern durchaus einseitig zusammengesetzt sind und geradezu als
Parteiorganisationen des Bundes der Landwirte angesehen werden
können. Es ist auch nicht recht einzusehen, wozu die Mitwirkung
dieser Bezirksvereine überhaupt in Anspruch genommen werden,
da die notwendige Bescheinigung über die Besitzgröße
in sachkundiger und objektiver Weise von den Gemeindeämtern
ausgestellt werden kann.
Wir fragen daher die Herren Minister:
1. Ist Ihnen das angeführte Rundschreiben
bekannt und wie können sie diese einseitige Art von amtlichen
Erhebungen rechtfertigen?
2. Sind sie bereit zu veranlassen, daß
in Hinkunft alle notwendigen Erhebungen nur durch öffentliche
Organe durchgeführt werden?
Prag, den
23. Mai 1929.
In der Nummer 123 des "Nordböhmischer
Volksboten" vom 26. Mai Z929 wurde in der Notiz "Zur
Aussperrung in Birkigt" folgende Stelle beschlagnahmt:
"Der Arbeiterschaft war es möglich,
von den noch im Betriebe beschäftigten Angestellten vier
zu überreden, sodaß die Firma außer den beiden
Kutschern, einen Maschinenführer, einen Hofarbeiter und einen
aus Deutschösterreich vor kurzem eingestellten Angestellten
und mit Hilfe der seit Freitag verstärkten Streikbrechergarde
11 an der Zahl, keinen Betriebsarbeiter zur Inbetriebsetzung zur
Verfügung hat. Freitag früh wurden unter Gendarmerieeskorte
11 Streikbrecher in den Betrieb gebracht, von deren Charaktereigenschaften
einige folgende sind: Der Bruder vom Nachtwächter, der vor
zwei Jahren in diesem Betriebe gearbeitet hat, mußte wegen
Gelddiebstahl entlassen werden, ein zweiter wurde erst vor acht
Tagen aus dem Arrest entlassen, wieder ein anderer war in einem
hiesigen größeren Betriebe als Portier angestellt und
wurde im Jahre 1922 entlassen. Von den übrigen fehlen uns
bisher noch genauere Daten, doch sind diese meist Gelegenheitsarbeiter
und mehr zum Lumpenproletariat zu zählen. Daß die Firma
imstande wäre mit dieser Arbeiterschaft den Betrieb in Gang
zu bringen, ist undenkbar. Inzwischen wird uns mitgeteilt, daß
Samstag früh von den 11 Streikbrechern nur 8 erschienen sind,
denen der Empfang der Birkigter Bevölkerung im Gedächtnis
bleiben wird. Die Arbeiterschaft samt der Bevölkerung ist
ziemlich über solche Handlungsweisen ihres gewesenen Betriebsleiters
aufgebracht, der sich nicht scheut, lichtscheue Elemente zur Niederhaltung
der Arbeiterschaft zu gebrauchen."
Wir stellen an den Herrn Justizminister die
Anfrage, ob er die angeführte Konfiskation billigt und ob
er es insbesonders billigen kann, daß die Zensur systematisch
zum Schutz von Streikbrechern ausgenützt wird?
Prag, den
4.. Juni 1929.
Infolge der äußerst günstigen
Ernteschätzungen und größeren, Weltvorräte
ist in den letzten Wochen ein rapider Preissturz auf den Produktenbörsen
eingetreten, der sich jedoch für die Konsumenten gar nicht
oder nur in ganz geringem Maße ausgewirkt hat.
Die Roggenpreise, welche noch am 26. März
in Prag mit 168 - 170 notierten, sind am 4. Juni auf 132-137 gesunken.
Während hier der Preissturz im Inland noch über das
Maß der Preisbewegung auf den Weltmärkten hinausgeht,
sind die inländischen Weizenpreise der Bewegung auf den Weltmärkten
nur zögernd gefolgt, wie folgende Gegenüberstellung
beweist.
26. März | ||
30. April | ||
4. Juni |
In Chicago beträgt also die Verbilligung
etwa 20%, in Prag nur ungefähr 10%. Daraus ist einerseits
ersichtlich, daß die Zölle sich nicht nur voll, sondern
noch über den Betrag des Zollsatzes hinaus auswirken, es
kann aber andererseits daraus auch geschlossen werden, daß
in der Èechoslovakei noch ein weiterer Rückgang der
Weizenpreise zu erwarten ist.
Damit ist die schädliche Wirkung der Zölle
für die Konsumenten, zugleich aber auch ihre Wertlosigkeit
für den Landwirt erwiesen. Es hat sieh gezeigt, daß
die Zölle, im Gegensatz zu den angeblichen Erwartungen ihrer
Befürworter weder die Spekulation ausschalten, noch die für
den Produzenten außerordentlich verderblichen Preisschwankungen
zu verhindern vermögen. Dieser Vorgang auf dem Getreidemarkte
bestätigt vollständig die von uns längst vertretene
Auffassung, dass nicht durch Zölle, sondern durch die Einführung
eines öffentlich - rechtlichen Getreidemonopols, das den
Zwischenhandel ausschalten und eine Stabilisierung der Preise
bewirken kann, dem arbeitenden Landwirt wirksame Hilfe gebracht
werden kann, ohne daß die Konsumenten belastet werden.
Für die Konsumenten hat sich, wie wir
bereits festgestellt haben, der Preissturz des Getreides nicht
ausgewirkt. Die Preise von Brot und Brotmehl sind nur unwesentlich
gesunken, die Preise des Weißgebäcks sind überhaupt
unverändert geblieben. Diese Tatsache ist in Anbetracht der
niedrigen Lebenshaltung der breiten Konsumentenschichten umso
schwerer zu ertragen, als gleichzeitig eine Reihe anderer Lebensmittel,
wie Hülsenfrüchte, Fett, Butter, vor allem aber die
Fleischpreise wesentlich gestiegen sind. Es sind nunmehr die von
uns vorausgesagten Wirkungen der vorjährigen Futtermittelnot
eingetreten, die Viehzüchter sind bemüht, ihnen durch
die erzwungenen Abverkäufe des Vorjahres verminderten Viehstand
wiederum aufzufüllen. Dazu trägt der Umstand bei, daß
die Produzenten infolge übermäßiger Spannung zwischen
Vieh- und Fleischpreisen trotz der Fleischteuerung für ihre
Produkte entsprechende Preise nicht zu erzielen vermögen.
Wir haben also beim Vieh dieselbe Erscheinung, wie bei den Getreide-
und Mahlprodukten zu verzeichnen: daß nämlich Produzenten
und Konsumenten durch die Einschaltung wirtschaftlich schädlicher
Zwischenhandelsglieder gleichermaßen geschädigt werden.
Es ist also der Ausbau der genossenschaftlichen Organisationen
und die Anbahnung des direkten Verkehrs zwischen Produzenten und
Konsumente erforderlich. In dieser Richtung ist jedoch die Regierung
vollkommen untätig. Die Regierung tut aber auch nichts, um
den breiten Massen der Bevölkerung den Fleischkonsum zu ermöglichen,
wozu in der augenblicklichen Situation in Anbetracht des gänzlich
unzureichenden Auftriebs die Beseitigung aller Einfuhrbeschränkungen
und die Suspendierung der Viehzölle erforderlich wäre.
Zu einer dauernden Verbesserung der Fleischversorgung, die eine
Hebung der einheimischen Viehzucht zur Voraussetzung hat, wäre
vor allem die Verbilligung der Futtermittel notwendig. Wir verweisen
in dieser Beziehung auf den Antrag der Abgeordneten Leibl, Schweichhart
und Genossen zur Hebung der Futtermittelnot (Druck 190). Die dort
gegebenen Anregungen hat die Regierung vollkommen unberücksichtigt
gelassen.
Auf Grund der vorangeführten Erwägungen
fragen wir die Regierung:
1. Welche Maßnahmen gedenkt sie zu ergreifen,
um herbeizuführen, daß die Preissenkung des Getreides
den Konsumenten zugute kommt?
2. Ist sie bereit, die Viehzölle zu suspendieren
und alle Einfuhrbeschränkungen für Lebensmittel zu beseitigen?
3. Ist sie bereit, dem Parlament einen Gesetzentwurf
vorzulegen, durch welchen die Zollfreiheit aller Futtermittel
hergestellt, weitere Maßnahmen zur Verbilligung der Futtermittel
vorgekehrt werden, die Einführung von Zucht- und Mastprämien
vorgesehen und ein wirksamer Schutz der Kleinpächter wieder
hergestellt wird, um so die heimische Viehzucht in Lage zu versetzen,
den Markt zu decken?
Prag, den
6. Juni 1929.
Das Deutsche Staats - Real - Gymnasium in Prag II mit seinen 16
Klassen und über 500 Schülern die stärkstfrequentierte
deutsche Mittelschule in den historischen Ländern der Èechoslovakischen
Republik, ist seit Jahren in dem Hoftrakt des Hauses Nr. 9 in
der Jindøišská ul. in einer Weise untergebracht,
daß man mit vollem Rechte von einem Kulturskandal sprechen
kann. Endlich hat die Tabakregie Ende Juni 1928 das Schulgebäude
in der Štìpánská ul. geräumt und
am 2. Juli 1928 sind die Schlüssel desselben der Direktion
des Deutschen Staats - Real - Gymnasiums in der Jindøišská
ul. übergeben worden, welches nach Vornahme der nötigen
Adaptierungen teilweise (mit 12 Klassen) und nach Durchführung
der erforderlichen Zubauten ganz dorthin übersiedeln
soll.
Über die Pläne zu diesen Zubauten
wird in den zuständigen Ministerien seit dem Monate Mai 1926,
also seit nahezu drei Jahren, offiziell und nicht offiziell verhandelt,
ohne daß es bisher zu einer Einigung bezüglich der
Pläne, geschweige denn zur Inangriffnahme der Arbeiten an
dem seit zehn Monaten leerstehenden Gebäude gekommen wäre.
Sollen aber wenigstens mit Beginn des nächsten Schuljahres,
also am 1. September 1929, in der Štìpánská
ul. in dem entsprechend adaptierten und mit den erforderlichen
Zubauten versehenen Schulgebäude die 16 Klassen des Heinrichs
- Real - Gymnasiums endlich ein den Anforderungen der modernen
Schulhygiene und Pädagogik zum mindesten halbwegs entsprechendes
Heim finden, dann gibt es nur ein Mittel, um noch rechtzeitig
zum Ziele zu gelangen: die schon wiederholt vorgeschlagene, unverzügliche
Einberufung einer interministeriellen Konferenz, beschickt von
Vertretern des Ministeriums für Schulwesen und Volkskultur,
des Ministeriums für öffentliche Arbeiten, des Finanzministeriums,
des Landesschulrates in Prag, der Direktion des Deutschen Staats
- Real - Gymnasiums in Prag II und des Elternrates dieser Anstalt,
eventuell des Magistrats als Baubehörde und der Anrainer.
Die Interpellanten stellen an die Regierung
die folgenden Anfragen:
1. Wann gedenkt die Regierung diesem Schulskandal in der Hauptstadt
der Republik, der geeignet ist, das Ansehen der Èechoslovakischen
Republik als Kulturstaat zu schädigen, ein Ende zu
machen?
2. Ist die Regierung bereit, das Erforderliche
zu veranlassen, damit die Zubauten ungesäumt in Angriff genommen
werden können, da nur durch entsprechende Zubauten für
die Bedürfnisse des Heinrichs - Real - Gymnasiums in ausreichendem
Maße bis zum Schulbeginn im Herbste 1929 gesorgt werden
kann?
Prag, am 23.
Mai 1929.