Støeda 16. èervna 1926

An dieser Stelle muß ich auch einen bedauerlichen und vollkommen unberechtigten Angriff gegen deutsche Parteien und gegen die deutsche Landwirtschaft entschieden und ernst zurückweisen. Ein Blatt, das den Titel "Der deutsche Staatsangestellte" führt, hat schwere Anschuldigungen gegen die Landwirtschaft erhoben. Dieser gehässige Artikelschreiber scheint in erster Linie nur an sich allein zu denken und nicht dem Grundsatz "Leben und leben lassen" zu huldigen, sondern dem Lande, von dem er vielleicht selbst stammt, schon lange entfremdet und untreu geworden zu sein. Überdies hat ein aufrechter Mann den Mut, unter einen Artikel, den er schreibt und in dem er andere angreift, seinen eigenen Namen zu setzen. Dies unsere Entgegnung von dieser Stelle. Der Artikel richtet sich von selbst und muß unsere allerschärfste Abwehr finden.

Weiters müssen wir uns gegen den Sprachenterror wenden, der gegen die Staatsangestellten ausgeübt wird. Gegen dieses schwere Unrecht bäumt sich die deutsche Volksseele auf. Es wäre hoch an der Zeit, eine mildere Praxis bei Sprachprüfungen walten zu lassen. Zu diesen Dingen zu schweigen, wäre ein schweres Unrecht. Das deutsche Volk ist ein Volk der stillen, ruhigen, wertesammelnden Art. Mit solchen Maßregeln wirft man Erbitterung und Verzweiflung in die breiten Volksschichten. Ist das die Friedensschalmei, die der Herr Außenminister so vielseitig zu spielen weiß? Unser Herr Außenminister hat in der Guildhall aus dem uralten goldenen Becher den Friedenswein getrunken, aber sowohl das Echo von London als auch von Locarno blieb aus und der Sprachenterror gegen unsere Staatsangestellten und gegen unser ganzes Volk geht ungehindert seinen Weg. An der Themse trinkt man Locarno-Frieden, an der Moldau führt man Krieg. Sie lieben vor allem französische Vorbilder, doch dies nur dort, wo es Ihnen zufällig genehm ist. Wenn Sie Frankreich kopieren wollen, charaktervoll kopieren, dann kopieren Sie es nicht nur in seiner gallischen Einseitigkeitsondern auch dort, wo es allerdings in seltenen Augenblicken eine bessere Erkenntnis hat.

Einen solchen zwar seltenen Fall will ich Ihnen ans Herz legen: Ein deutscher elsässischer Abgeordnete verlangte, daß seine Rede auch in deutscher Sprache im Elsaß affigiert werde. Und diesem seinen Verlangen wurde auch restlos entsprochen. Abgesehen davon, daß Sie die Ausrede gebrauchen werden, daß ein solches Verlangen in der èechoslovakischen Gesetzgebung nicht verstaut ist, würden wir, selbst wenn dies nicht der Fall wäre, alle miteinander Greise werden, bis wir ein Gleiches hier erleben würden. Allerdings was jetzt aus dem Elsaß herübertönt, trägt eine andere Melodie.

Für den Sprachenterror gibt es hier zu Lande keine Schranke und erst in der allerletzten Zeit mußten wir es erleben, daß das Oberste Verwaltungsgericht sich genötigt sah, zu erklären, daß die Notariatskammern keineswegs Organe der Republik sind und daher auch das Notariat kein Staatsamt sei. Der Sprachenterror lebt sich daher nicht nur gegenüber den Staatsangestellten aus, sondern greift auch auf andere Kreise über. Ein solches System ist zum Tode reif und muß naturgemäß die Zahl der Betroffenen und der Erbitterten steigern. Demokratie soll zu keines Menschen und zu keines Volkes politischer, finanzieller und kultureller Verfolgung und Vernichtung Brennscheite tragen.

Wenn Sie wissen wollen, wie man sich nicht nur in Republiken, sondern auch in Königreichen in der Sprachenfrage, das Volk und seine Staatsangestellten betreffend einrichtet, so liegen ja für Sie die esthländischen und belgischen Gesetze zur Hand. Die Zweige der Kulturautonomie in Estbland sind Finanzamt, Schulamt, Katasteramt und allgemeines Kulturamt, sowie eigene Steuergerechtsame für die Minderheit. Da Sie jedoch westlichere Vorbilder lieben, so bringe ich Ihnen die Staatsangestelltenvorlage bietet hiezu den besonders geeigneten Anlaß - einige klare Beispiele, wie man in Belgien die sprachliche Freiheit auffaßt und wie dort insonderheit in der Sprachenfrage liberal und vorbildlich nach vielen Richtungen vorgegangen wird. Flämen und Wallonen scheinen auf dem besten Wege, einen Dauerfrieden zu erreichen und damit die Pariser Chauvinisten, die Belgien und Luxemburg stets als ihre Unfriedensdomäne betrachten, für alle Zukunft auszuschalten. Der Schweiz, deren Neutralität schon durch die schwere Brüskierung ihres uralten garantierten savoyischen Besetzungsrechtes und nunmehr auch durch die Mussoliniemissäre gefährdet ist, scheint in Belgien ein ähnliches, wenn auch noch nicht gleiches Sprachenidyll zu erstehen. Das belgische Gesetz, betreffend den Sprachengebrauch in Verwaltungssachen vom 31. Juli 1921, bestimmt unter anderem: In den flämischen Provinzen gebrauchen die Verwaltungsbehörden des Staates, der Provinzen und der Gemeinden, sowie die diesen unterstellten Behörden die flämische Sprache im Innendienst, im schriftlichen Verkehr untereinander, im Verkehr mit den Zentralbehörden des Staates und den öffentlichen Behörden, die diesem Gesetze unterworfen sind. Welches beispiellose und dabei kleinliche Huronengetöse würde sich bei uns ergeben, wenn für unsere Gebiete diese gerechte Verfügung eingeführt würde. Alle Bekanntmachungen und Mitteilungen an die Bevölkerung haben von den Zentralstellen des Staates und den ihnen unterstellten Behörden in beiden Landessprachen allenthalben im ganzen Staate zu erfolgen. Natürlich in Belgien! Gerecht heißt es in diesem Gesetze: Die Bewerber um einen Beamten- oder Angestelltenposten müssen sich vor Eintritt einer Prüfung in der Sprache ihrer Wahl unterziehen und brauchen die zweite Landessprache betreffend nur den Nachweis der Grundkenntnisse zu erbringen. Ferner wird, allerdings nur für besondere Leitungsposten die gründliche Kenntnis beider Sprachen, also auch die des Flämischen verlangt, also nicht das Flämische wie bei uns das Deutsche als Aschenputtel erklärt, sondern als vollkommen gleichberechtigt anerkennt. Wo bleibt da die Gesetzgebung der Èsl. Republik, wo bleibt bei uns Recht und Billigkeit?

Dieses Gesetz entstammt bereits dem Jahre 1921 und da ist es besonders bezeichnend, was der Artikel 9 bestimmt, der zeigt, wie man wohlerworbene Rechte in Gesetzen und in allen Verfügungen schützen soll. Artikel 9 des belgischen Sprachengesetzes sagt - im Hochton will ich dies sagen: "Die persönliche Stellung der Staatsbeamten, Beamten und Angestellten, die vor dem 1. Jänner 1920 in den Dienst getreten sind, wird durch die Ausführung dieses Gesetzes nicht berührt, weder in Bezug auf ihre Beibehaltung im Dienst, noch auf ihre Beförderung." Das ist eine menschenwürdige, in Belgien selbstverständliche Auffassung. Bei uns aber die Kehrseite. Da gibt es keinen Schutz wohlerworbener Rechte wie in Belgien. Da wirft man einfach jene, die wohlerworbene Rechte besitzen, durch den Sprachenprüfungsterror aufs Pflaster. "Rückwirkend" heißt das schöne Wort, das alles Unrecht deckt. Und zum Schluß heißt es in diesem Gesetz, daß einen speziellen Artikel betreffend, durch eine "vorübergehende Verordnung" eine Regelung stattfindet. Ich bitte das Wort "vorübergehende Verordnung" sich ganz besonders ins Gedächtnis zu prägen und dies umsomehr, als der diesbezügliche Schlußartikel des Gesetzes sagt, daß diese vorübergehende Verordnung beiden Landessprachen die gleiche Berechtigung sichern muß. Vorübergehende Verordnungen sind bei Ihnen unbekannte Dinge, weiße Raben, bei Ihnen ist die Verordnung die Guillotine für unsere Sprachen- und auch für alle anderen Minderheitenrechte. In Belgien ist der Verordnungsweg die vorübergehende Ausnahme, bei Ihnen die Regel. Belgien mit 7,666.000 Einwohnern, die es jetzt nach dem Kriege zählt, hat nur 38 1/2% Franzosen, 43% Flämen und 12.9%, die sich als beidsprachig erklären. Diese 12.9% sind sprachliche Hermaphroditen, die jedoch im Laufe der Jahre wie in allen gemischtsprachigen Ländern verschwinden werden und die jedenfalls Flämen sind, die noch vor ihrer ehemaligen französischen Einstellung die Reverenz machen müssen. Die Mehrheit 3,2 Millionen ist flämisch. Belgien ist zur Einsicht gekommen und zwar sehr früh, bereits 1921, als noch die nationale Erregung durch den Weltkrieg nicht gebannt war, daß es tolerante Methoden einschlagen muß und seine tapferen Jungflämen nicht, wie es geschah, mehr mit dem Tode bestrafen darf. Bei uns harren 3 1/2 Millionen Deutsche und andereMinoritäten auf die Sprachenfreiheit, statt dessen setzt jedoch der Sprachen terror verschärft ein in Schule, Amt, und auch in Kirche. Wenn Sie auf die Aalandsinseln einen Blick werfen, auf jenen kleinen einsamen und weltverlorenen Schärenarchipel, wo im Weltkriege Schweden und Finnland ihre Klingen kreuzten, dann können Sie dort zu Ehren der kleinen Republik Finnland sehen, daß den 27.000 armen schwedischen Aalandsfischern der Finne das vollständige Sprachenrecht und auch andere Rechte gewährte. Bei uns sind jedoch 3 1/2 Millionen schutzlos und rechtlos und der Refrain, der immer von Zeit zu Zeit durch die Gassen dieser Hauptstadt tönt, lautet: "Kreuziget sie!" Wenn ich Ihnen betreffend das belgische Sprachengesetz einen klaren Spiegel vorgehalten habe, so bin ich mir ja dessen bewußt, daß bei Ihnen, daß hier auf diesem staatlichen Boden vernünftigere Auffassungen als bisher nur vereinzelt zu konstatieren sind und ich bin mir selbstverständlich auch dessen bewußt, daß auch das belgische Sprachengesetz noch Mängel besitzt, aber wenigstens Keime zu einer gesunden Lösung der Sprachenfrage in gemischtsprachigen Staaten in sich birgt. Mein Kollege Spina hat vor nicht langer Zeit einen Antrag betreffend die Autonomie des deutschen Schulwesens, die Freiheit, unsere Kinder unserem Volke zu erhalten, eingebracht, und der Herr Abgeordnete Srdínko hat damals den Ausspruch getan, daß der Antrag Spina diskutabel sei. Warum heben Sie den Antrag Spina, wenn Sie ehrlichen und guten Willens sind, nicht aus der Versenkung herauf? Wie immer Sie sich auch stemmen, unsere Naturrechte zu negieren, einmal kommt der Tag, die Geschichte, die große Lehrmeisterin lehrt es, daß auch Sie das vielleicht bei Ihnen heute verpönte Wort "deutsch-èechischer Ausgleich", wiederkennen werden und daß Sie der Not gehorchend, nicht dem eigenen Triebe, die diesbezüglichen Konsequenzen werden ziehen müssen, so wie sie ja Ihr Historiker Franz Palacký zog, als er für die nationale Autonomie eintrat. Wollen Sie in Ihrer Auffassung palackýtreu bleiben, dann müssen Sie eine andere politische Einstellung suchen. Nicht damit, daß Sie Fahnen hissen und Standarten flattern lassen, ehren Sie das Andenken eines Palacký, sondern Sie ehren sein Angedenken erst dann aufrichtig, wenn Sie in seinem Sinne den Minderheiten die Autonomie gewähren, für die er selbst für die Sudetenländer die beiden Teilungsgebiete "Èechowien und Bojerheim" und zwei Hauptstädte Prag und Teplitz vorschlug. Ich erinnere ferner an die denkwürdige Sitzung des böhmischen Landtags, bei der ich als junger Fant anwesend war, vom 7. November 1889, in der Ihr Patriot Dr Ladislaus Rieger in der Debatte über den bekannten Antrag Dr Julius Grégrs, eine Adresse an die Krone zu senden, seinen eigenen Konnationalen in deutscher Sprache zurief: "Allzuscharf macht schartig!" Und ich erinnere an die gleiche Sitzung, in der Dr. Julius Grégr gleichfalls in Parenthese in deutscher Sprache sagte: "Im Kampfe sollst du dein Recht finden, von dem Momente an, wo das Recht seine Kampfbereitschaft aufgibt, gibt es sich selber auf, denn für das Recht gilt der Spruch des Dichters: Das ist der Weisheit letzter Schluß, nur der verdient sich Freiheit und das Leben, der täglich sie erobern muß!" So sprachen Rieger und Grégr. Riegers Wort sei für Sie eine Lehre und ernste Warnung, Grégrs Wort ist für uns ein Signalruf. Wir wissen ja allerdings, daß nicht Sentimentalität, nicht Gefühlsüberschwang in der Politik entscheidet, denn nicht nur das Wort "Liebe", sondern selbst das bescheidene Wort "Zuneigung" ist im Völkerleben ein wechselhaftes, ein seltenes Ding. Aber das eine wissen wir, daß Sie abseits von Zuneigung seit jeher, seit Jahrhunderten verhängnisvolle Katastrophenpolitik zum schweren Schaden Ihres eigenen Volkes getrieben haben. Allerdings ist das Ihre und nicht unsere Sache. Das Schicksal, das sich ein Volk selbst schafft, ist oft härter und schwerer als das, welches ihm andere Völker bereiten möchten. Ihre Politik ist keine Politik der kalten Vernunft und des Verstandes, im Gegenteil, sie war und ist eine Politik des überströmenden Gefühls. Gefühl allein, bei dem jedoch der Verstand nicht Pate steht, ist ein Verhängnis für jene Völker* die von ihnen beseelt sind und sich von ihnen hinreißen lassen. Im Interesse der Zukunft bei der Völker müßten. Sie anders erwägen, anders urteilen und aus Erwägung und Urteil, aus diesen beiden Prämissen resultierend, auch anders handeln. Wenn ich natürlich verhärteten Seelen und tauben Ohren predige, so ist das Ihre Schuld, Ihre eigene Schuld, die Sie vor Ihrem Gewissen und Ihren Konnationalen und vor Ihrer Geschichte zu verantworten haben werden. Offensichtlich tritt auchdas Bestreben hervor, die verschiedenen Staatsangestelltenkategorien gegen ein andern auszuspielen. Anstatt einer einheitlichen Vorlage bringt man gleich drei Vorlagen, um die einzelnen Angestelltenkategorien von einander abzusplittern und man sucht mit sophistischen Auslegungen die Regierungsabsichten zu stützen. Es sind Taaffesche Regierungsmethoden, einer längst verstrichenen Zeit, die hier wieder ihre unrühmliche Auferstehung feiern. Daß natürlich eine solcheVorgangsweise auch eine schwere Benachteiligung der Administrative nach sich zieht, daran scheinen die Herren bis lang noch wohl gar nicht gedacht zu haben. Vom landwirtschaftlichen Standpunkte müssen wir ferner beanständen, daß viele Staatsangestellte ihrer eigentlichen Bestimmung oft entzogen und zu Dingen verwendet werden, die weder in ihrem Interesse, noch im Interesse der anderen hiebei Beteiligten gelegen sind. Erhebungen landwirtschaftlicher Art, wie z. B. die Erhebungen der Schäden landwirtschaftlicher Seuchen, Elementarschäden usw. gehören nicht der Gendarmerie und nicht der politischen Behörde zu, sondern den landwirtschaftlichen Freiwilligenverbänden, den Gemeinden. Erhebungen über Wasserkraftanlagen und über Wasserkräfte haben Fachleute und nicht die Gefällskontrolle zu bestreiten. Aus solchen mannigfachen Nebentätigkeiten, zu denen die Staatsangestellten ungehörigerweise verwendet werden, ergeben sich unausgesetzte Bevormundungen der Bevölkerung, die auch nicht als besondere Annehmlichkeit empfunden werden.

Ein Zuviel der Bevormundung des urteilsreifen Staatsbürgers ist niemals am Platz. Regieren heißt, die Massen leiten und erziehen und nicht den Zwang sie aufdringlich fühlen zu lassen.

Ihre Gesetzgebung kennt keine weitblickende Aufgabe, keine klare Orientierung. Sie arbeiten nur, um von Fall zu Fall - wir sehen es hier - die nackte kümmerliche Mehrheit zu erhalten. Ihrem Tun und Handeln fehlt das klare Ziel, fehlt die Konsequenz, auf Sie ist dasselbe Wort anwendbar, das in den berühmten Prager Kundschafterbrief von Weimar vom 10. August 1546 steht, in dem berühmten Briefe Ihrer Geschichte, in dem es heißt: "Ich halte: die Beheim wissen es selbst nicht, wo sie daran sein, was sie endlich tun und unterlassen sollen!" Das bittere Wort von 1546 gilt auch für die heutigen Beheim. Die Zerklüftung in Ihren Reihen war vorerst derartig, daß Sie wochenlang das Parlament ausschalteten. Die Koalitionssehnsucht ist jedoch nunmehr wieder ganz besonders rege geworden. Trotz allen Kampfes haben die èechischen Parteien die Brücken zueinander nicht abgebrochen. Bei der Beratung dieser Vorlagen im sozialpolitischen Ausschusse trat es ganz offensichtlich zutage, daß Sie die Koalition wieder renovieren wollen und alle Segel aufgespannt sind, um wieder in dem Hafen einer neuen Koalition zu münden und in neuer Ministerherrlichkeit sich zu sonnen. Das Beamtenkabinett wird dann als politischer, parlamentarischer Notstandsausschuß zu den Toten geschickt werden: Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan, der Mohr kann gehen. Im sozialpolitischen Ausschusse debattieren die ehemaligen Koalitionsparteien denn doch nur zum Scheine gegeneinander. Brachte irgend ein Paragraph eine ernste Meinungsverschiedenheit, so half man sich einfach damit, daß man beschloß, die Abstimmung über diesen Paragraph zu verschieben, um Zeit für einen neuen internen Kuhhandel zu gewinnen. Die verschämte Koalitionsliebe und Koalitionssehnsucht schlummert nach wie vor in Ihrem Herzen. Heines Spruch ist auf die ehemaligen Koalitionsparteien deshalb wohl sehr zutreffend: "Blamier mich nicht, mein schönes Kind, und grüß mich nicht unter den Linden, abends - im Herbste - wenn wir alleine sind, wird sich schon alles finden". (Posl. Hackenberg: Das geht auch bei Ihnen!) Und es wird sich auch bei Ihnen alles finden. Bei der Sozialversicherung haben wir es in erster Auflage erlebt. Sie werden trotz allen Koalitionshaders und trotz allen Koalitionszwistes und trotz der Zölle und der Kongrua bald Ihre Koalitionsverlobung feiern.

Die Staatsangestelltenvorlage scheint Anlaß für den ersten Waffenstillstand zu geben und wenn die Bedeckungsfrage gelöst sein wird, wird der Waffenstillstand vollständig sein. Der Kampf der in den Ausschuß entsandten Männer war kein offener Frontkampf, er war ein Scheingefecht, er war ein Kampf pour le drapeau, dazu nur dienend, um den Rückzug und die verblaßte Ehre der Parteifahne zu decken. Wenn Sie strittige Paragraphen untereinander einrenkten und sich diesbezüglich auf eine gemeinsame Textierung einigten, so erfuhren wir dies nicht etwa aus dem Munde des Referenten, sondern konnten es beispielsweise vorerst in den Morgen- und Abendnummer der "Národní Listy" lesen. Darin liegt eine offene Mißachtung der Volksvertreter und nicht etwa nur jene der Opposition. Es scheinen somit die "Národní Listy" und auch andere Blätter anderer Parteirichtungen, die sich früher schon Indiskretionen leisteten, zu politischen Parteibibeln der "vernewerten" Koalition avanciert zu sein, die vernewerte Koalition ist im Anmarsche.

Ihr Vorgehen gegen uns im sozialpolitischen Ausschusse war jeder Rücksicht bar. Die politische Maschinerie der neu kommenden Koalition funktionierte bereits tadellos und es verschwanden alle deutschen und alle oppositionellen Anträge restlos in der Versenkung. Sie bleiben sich ihrer Auffassung auch ferner treu und sind nach wie vor Totengräber jeder parlamentarischen Verhandlung. Auffallend ist es auch, daß Sie - ob absichtlich oder unabsichtlich, will ich dahin gestellt sein lassen - brachliegende, unbenützte Steuerquellen nicht sehen wollen. Die beste bisher nicht berührte Steuerquelle ist zu finden, wenn Sie die Übernehmer der billigen, eigentlich geschenkten Restgüter, die diese im Wege der Bodenreform erworben haben, zu einer außerordentlichen neuen Vermögensabgabe heranziehen würden. Diese Leute haben zu lächerlichen Preisen den Boden erhalten, deshalb sind sie auch ganz besonders verpflichtet, erhöhte Zahlungen zu leisten. Die Steuerträger und der Staat haben nichts zu verschenken. Als Landpartei sind wir stets für ein vernünftiges Sparen eingetreten, für das Sparen am richtigen Platze. Doch ist uns Ihre Ersparungskommission, die so überaus lautvoll einberufen wurde, bis heute noch einen erschöpfenden Bericht schuldig geblieben. Zum Sparen wäre überall ein guter Anlaß zu finden. Schon die Legationsräte der èechoslovakischen Gesandtschaften sollen nach heimischen Gelde 350.000 Kè Gehalt beziehen. Wie viele Millionen werden da nicht unnütz vergeudet! Hier, wo der Abbau in allererster Linie am Platze wäre, scheint man demselben aus dem Wege zu gehen. Falscher Ehrgeiz läßt Sie diesbezüglich mit den Großmächten konkurrieren. Die kürzere militärische Dienstzeit, die von weiten Kreisen der Bevölkerung verlangt wird und durch deren Einführung große Summen erspart würden, sie scheitert an Ihrer imperalistischen Einstellung.

Dieses Gesetz kommt für die vielen abgebauten Deutschen überdies zu spät. Diese Gesetzesvorlage gibt uns den gewünschten Anlaß, diese unsere Beschwerden, die ja nur einen kleinen Bruchteil unserer Beschwerden darstellen, hier vorzubringen. Das Beamtenkabinett hat die schwere Aufgabe übernommen, alle Steine des Anstoßes aus dem Wege zu räumen und die Bahn frei zu machen für die neuen Machtgelüste einer neuen unnatürlichen Koalition. Das eine ist jedoch offen und klar, daß eine können wir Ihnen sagen: Mit solchen Methoden werden Sie keine neue Schweiz hier schaffen, geschweige den ein neues großes Paneuropa. Solche Methoden führen zum Abgrund und werden nicht nur uns, sondern allen Völkern dieses Staates, auch Ihnen, zum Verderben werden. Wir können Ihre Methoden nicht hindern, aber warnen können wir Sie, so wie Sie Ihr Patriot Dr. Rieger warnte, als er sagte: "Allzu scharf macht schartig". Doch Warnungen kommen im Völkerleben, auch das ist ein alter Erfahrungssatzstets nachhinkend und zu spät. Eines ist jedoch sicher: Keine Hintansetzung und keine Bedrückung, die wir erleiden müssen, wird unserem selbstbewußten Volke den Nacken beugen, denn jede Unbill, jedes Unrecht rächt sich einmal auf Erden. Dies unsere offene und ehrliche Stellungnahme.

Halten Sie nicht hinter den Bergen mit der gerechten Behandlung der Minoritäten. Revidieren Sie von Haus aus Ihre gesamte verfehlte Gesetzgebung, die für uns ein finanzielles, politisches und kulturelles Golgatha bedeutet. Wählen Sie selbst, Sie haben es in Ihrer Hand. Um unser eigenes Schicksal ist und wird uns niemals bange sein. Ihre Gesetzgebung, die uns Deutschen und allen anderen Minderheitsvölkern nach jeder Richtung und in allen Belangen das Grab gräbt, kann nicht als ideale Gesetzgebung bezeichnet werden. Infolgedessen habe ich diese Gelegenheit benützt, um im Namen meiner Partei unseren ernsten und schweren Beschwerden Ausdruck zu verleihen. (Potlesk stoupencù.)

2. Øeè posl. Simma (viz str. 1877 tìsnopisecké zprávy):

Hohes Haus! Wir haben schon zu wiederholten Malen Kritik an der Ausschaltung des Parlamentes bei der Beratung lebenswichtiger Fragen geübt. Noch nie aber gab es für uns eine solche Berechtigung, Beschwerde über die Ausschaltung der gesetzgebenden Körperschaften zu führen als in dem Augenblicke, da das Haus in die sogenannte Behandlung der Gesetzentwürfe Druck 100, 101 und 102 eingeht, eine Ausschaltung, die für das Parlament geradezu eine Degradation bedeutet. Eine solche ist es unserer Meinung nach, wenn ein Gesetzeskomplex von ungeheurer Bedeutung, für den ein Interesse der weitesten Schichten und Kreise der Bevölkerung besteht und zu dem wir so viel zu sagen und so viele Abänderungen zu beantragen hätten, mit dem Gebot der unbedingt unveränderten Annahme in das Haus gelangt. Das war ja der Inhalt aller Äusserungen der Regierungsvertreter bei der sogenannten Behandlung der angezogenen Gesetzentwürfe sowohl im sozialpolitischen Ausschuß, wie im Unterausschuß desselben, im Kulturausschuß, im Budgetausschuß und jetzt im Hause.

Die Einleitung zu dieser Behandlung der Gehaltsgesetze bot die bekannte Erklärung des Herrn Finanzministers im sozialpolitischen Ausschusse. Sie war ein geradezu charakteristisches Präludium, das nicht nur dazu diente, den Standpunkt der Regierung wiederzugeben. Das wäre auch unserer Meinung nach des Herrn Finanzministers gutes und unzweifelhaftes Recht gewesen. Aber die Erklärung des Herrn Finanzministers, mit welcher die Behandlung der Gehaltsgesetzentwürfe im sozialpolitischen Ausschusse eingeleitet wurde, war weit mehr, als eine solche Erklärung des Standpunktes der Regierung. Sie war ein kategorischer Imperativ, stärker als er jemals von uns gehört ward, ein Imperativ, der von uns gebieterisch verlangte, mit dem Maße des Zugeständnisses der Regierung zufrieden zu sein, das Zugeständnis wäre das Maß des Möglichen, und wer mit diesem Maße des Möglichen nicht einverstanden sein wollte, würde das ganze Werk gefährden. Das war eine Einleitung, die wir nicht ruhig hinnehmen konnten. Was in einigen Köpfen, deren Berufung zu der ihnen übertragenen Arbeit wir keinesfalls abstreiten wollen, gereift war in Berücksichtigung der volkswirtschaftlichen und staatsfinanziellen Verhältnisse, das sollte fertige Tatsache sein. Es erübrigte sich nur noch das an uns zu stellende Verlangen, der Regierung überhaupt die Ermächtigung zu geben, die Fragen, die mit der Besoldungsreform der Staatsbeamten, Lehrer und Ärzte verbunden sind, im Verordnungswege zu regeln. (Výkøiky.)

Nun sind wir keineswegs so naiv, anzunehmen, daß eine Regierungsvorlage anders zustandekommen kann als etwa so, daß ihre Fassung in der Tat zunächst nur in einigen Köpfen reift, daß zunächst einige wenige die Vorlage verfassen und sie dem zuständigen Minister, der Regierung und dann dem Parlamente vorlegen. Aber wir sind auch nicht so naiv zu glauben, daß die Mitarbeit der berufsständischen Gliederungen und gar des Parlamentes, das ja immerhin ein kostspieliger Apparat ist, nur darin bestehen kann, die Arbeit der Einzelpersonen mit Unterlassung auch selbst der leisesten Stellungnahme als unfehlbares Werk anzusehen und anzunehmen. Das hieße uns, dem Parlamente, unsere Überflüssigkeit allzu deutlich beweisen, ebenso aber auch, das schwere Unrecht, das wir begingen, bei einer solchen Überflüssigkeit dennoch weiter bestehen zu lassen. So lange wir als parlamentarische Vertretung bestehen, werden wir uns gegen eine solche Übung verwahren, nicht nur der Erfüllung der Aufgabe wegen, die wir als Interessenvertretung über nahmen, sondern auch aus Achtung vor uns selbst. Dabei fühlen wir uns dem möchte ich sehr starken Nachdruck verleihen frei von jeder Demagogie. Gegen die geschilderte üble Praktizierung des Parlamentarismus haben wir uns aber auch als Opposition grundsätzlich zur Wehr zu setzen und - das ist eigentlich die Tragikomödie des Ganzen - wir leisten dabei den Mehrheitsparteien einen viel größeren Dienst, als sie selbst einsehen wollen. Was wäre aus diesem Parlamente nicht alles schon geworden, wenn wir als Opposition nicht manchmal eine Korrektur der Methode dargestellt hätten, die sich da immer aufzutun bestrebte. Dieser Parlamentarismus wäre wie anderswo schon durch etwas anderes ersetzt worden.

Jedes Gesetz hat seine Geschichte. Die vorliegenden Gesetzentwürfe haben sie im besonderen. Ihre Geschichte ist die materielle Not der Staatsangestellten und Lehrer, eine Not, die man wohl theoretisch anerkennt" aber praktisch nicht in dem notwendigen Ausmaße beheben will. Das zeigt ja eben der Inhalt der Beamtengesetzentwürfe. Die breiten Massen leben seit Jahren tief unter dem Vorkriegsstand. Sie sind verschuldet, Tausende gar sehr verschuldet. Die Lösung dieser materiellen Nöte von Hunderttausenden von Menschen ist nicht nur Personeninteresse, sondern Staatsinteresse. Theoretisch, sagte ich, wird das wohl anerkannt. In seiner Rede von 18. Dezember 1925 hat der seinerzeitige Ministerpräsident, Herr Švehla, in Beziehung auf den Gegenstand gesagt und sich und den Regierungen, also auch der kommenden Regierung, hiebei präjudiziert: "Nach der materiellen Seite ist neben anderen die definitive Regelung der Verhältnisse der Staatsangestellen eine dringliche Forderung. Diese Regelung haben wir den Staatsangestellten vor Schluß der letzten Session des Abgeordnetenhauses versprochen, als nicht mehr Zeit war, technischer Gründe wegen in die Behandlung einzutreten. Das gegebene Versprechen wollen wir im vollem Umfange einlösen. Wir wollen die Gehaltsverhältnisse aller Kategorien der Staatsbeamten und Bediensteten, sowie aller Lehrer bestmöglichst regeln. Wir sind uns der Wichtigkeit des Problems bewußt, weil eine geordnete und tadellos funktionierende Verwaltung das Rückgrat des Staates bildet."

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