An dieser Stelle muß ich auch einen bedauerlichen
und vollkommen unberechtigten Angriff gegen deutsche Parteien
und gegen die deutsche Landwirtschaft entschieden und ernst zurückweisen.
Ein Blatt, das den Titel "Der deutsche Staatsangestellte"
führt, hat schwere Anschuldigungen gegen die Landwirtschaft
erhoben. Dieser gehässige Artikelschreiber scheint in erster
Linie nur an sich allein zu denken und nicht dem Grundsatz "Leben
und leben lassen" zu huldigen, sondern dem Lande, von dem
er vielleicht selbst stammt, schon lange entfremdet und untreu
geworden zu sein. Überdies hat ein aufrechter Mann den Mut,
unter einen Artikel, den er schreibt und in dem er andere angreift,
seinen eigenen Namen zu setzen. Dies unsere Entgegnung von dieser
Stelle. Der Artikel richtet sich von selbst und muß unsere
allerschärfste Abwehr finden.
Weiters müssen wir uns gegen den Sprachenterror
wenden, der gegen die Staatsangestellten ausgeübt wird. Gegen
dieses schwere Unrecht bäumt sich die deutsche Volksseele
auf. Es wäre hoch an der Zeit, eine mildere Praxis bei Sprachprüfungen
walten zu lassen. Zu diesen Dingen zu schweigen, wäre ein
schweres Unrecht. Das deutsche Volk ist ein Volk der stillen,
ruhigen, wertesammelnden Art. Mit solchen Maßregeln wirft
man Erbitterung und Verzweiflung in die breiten Volksschichten.
Ist das die Friedensschalmei, die der Herr Außenminister
so vielseitig zu spielen weiß? Unser Herr Außenminister
hat in der Guildhall aus dem uralten goldenen Becher den Friedenswein
getrunken, aber sowohl das Echo von London als auch von Locarno
blieb aus und der Sprachenterror gegen unsere Staatsangestellten
und gegen unser ganzes Volk geht ungehindert seinen Weg. An der
Themse trinkt man Locarno-Frieden, an der Moldau führt man
Krieg. Sie lieben vor allem französische Vorbilder, doch
dies nur dort, wo es Ihnen zufällig genehm ist. Wenn Sie
Frankreich kopieren wollen, charaktervoll kopieren, dann kopieren
Sie es nicht nur in seiner gallischen Einseitigkeitsondern auch
dort, wo es allerdings in seltenen Augenblicken eine bessere Erkenntnis
hat.
Einen solchen zwar seltenen Fall will ich Ihnen
ans Herz legen: Ein deutscher elsässischer Abgeordnete verlangte,
daß seine Rede auch in deutscher Sprache im Elsaß
affigiert werde. Und diesem seinen Verlangen wurde auch restlos
entsprochen. Abgesehen davon, daß Sie die Ausrede gebrauchen
werden, daß ein solches Verlangen in der èechoslovakischen
Gesetzgebung nicht verstaut ist, würden wir, selbst wenn
dies nicht der Fall wäre, alle miteinander Greise werden,
bis wir ein Gleiches hier erleben würden. Allerdings was
jetzt aus dem Elsaß herübertönt, trägt
eine andere Melodie.
Für den Sprachenterror gibt es hier zu
Lande keine Schranke und erst in der allerletzten Zeit mußten
wir es erleben, daß das Oberste Verwaltungsgericht sich
genötigt sah, zu erklären, daß die Notariatskammern
keineswegs Organe der Republik sind und daher auch das Notariat
kein Staatsamt sei. Der Sprachenterror lebt sich daher nicht nur
gegenüber den Staatsangestellten aus, sondern greift auch
auf andere Kreise über. Ein solches System ist zum Tode reif
und muß naturgemäß die Zahl der Betroffenen und
der Erbitterten steigern. Demokratie soll zu keines Menschen und
zu keines Volkes politischer, finanzieller und kultureller Verfolgung
und Vernichtung Brennscheite tragen.
Wenn Sie wissen wollen, wie man sich nicht
nur in Republiken, sondern auch in Königreichen in der Sprachenfrage,
das Volk und seine Staatsangestellten betreffend einrichtet, so
liegen ja für Sie die esthländischen und belgischen
Gesetze zur Hand. Die Zweige der Kulturautonomie in Estbland sind
Finanzamt, Schulamt, Katasteramt und allgemeines Kulturamt, sowie
eigene Steuergerechtsame für die Minderheit. Da Sie jedoch
westlichere Vorbilder lieben, so bringe ich Ihnen die Staatsangestelltenvorlage
bietet hiezu den besonders geeigneten Anlaß - einige klare
Beispiele, wie man in Belgien die sprachliche Freiheit auffaßt
und wie dort insonderheit in der Sprachenfrage liberal und vorbildlich
nach vielen Richtungen vorgegangen wird. Flämen und Wallonen
scheinen auf dem besten Wege, einen Dauerfrieden zu erreichen
und damit die Pariser Chauvinisten, die Belgien und Luxemburg
stets als ihre Unfriedensdomäne betrachten, für alle
Zukunft auszuschalten. Der Schweiz, deren Neutralität schon
durch die schwere Brüskierung ihres uralten garantierten
savoyischen Besetzungsrechtes und nunmehr auch durch die Mussoliniemissäre
gefährdet ist, scheint in Belgien ein ähnliches, wenn
auch noch nicht gleiches Sprachenidyll zu erstehen. Das belgische
Gesetz, betreffend den Sprachengebrauch in Verwaltungssachen vom
31. Juli 1921, bestimmt unter anderem: In den flämischen
Provinzen gebrauchen die Verwaltungsbehörden des Staates,
der Provinzen und der Gemeinden, sowie die diesen unterstellten
Behörden die flämische Sprache im Innendienst, im schriftlichen
Verkehr untereinander, im Verkehr mit den Zentralbehörden
des Staates und den öffentlichen Behörden, die diesem
Gesetze unterworfen sind. Welches beispiellose und dabei kleinliche
Huronengetöse würde sich bei uns ergeben, wenn für
unsere Gebiete diese gerechte Verfügung eingeführt würde.
Alle Bekanntmachungen und Mitteilungen an die Bevölkerung
haben von den Zentralstellen des Staates und den ihnen unterstellten
Behörden in beiden Landessprachen allenthalben im ganzen
Staate zu erfolgen. Natürlich in Belgien! Gerecht heißt
es in diesem Gesetze: Die Bewerber um einen Beamten- oder Angestelltenposten
müssen sich vor Eintritt einer Prüfung in der Sprache
ihrer Wahl unterziehen und brauchen die zweite Landessprache betreffend
nur den Nachweis der Grundkenntnisse zu erbringen. Ferner wird,
allerdings nur für besondere Leitungsposten die gründliche
Kenntnis beider Sprachen, also auch die des Flämischen verlangt,
also nicht das Flämische wie bei uns das Deutsche als Aschenputtel
erklärt, sondern als vollkommen gleichberechtigt anerkennt.
Wo bleibt da die Gesetzgebung der Èsl. Republik,
wo bleibt bei uns Recht und Billigkeit?
Dieses Gesetz entstammt bereits dem Jahre 1921
und da ist es besonders bezeichnend, was der Artikel 9 bestimmt,
der zeigt, wie man wohlerworbene Rechte in Gesetzen und in allen
Verfügungen schützen soll. Artikel 9 des belgischen
Sprachengesetzes sagt - im Hochton will ich dies sagen: "Die
persönliche Stellung der Staatsbeamten, Beamten und Angestellten,
die vor dem 1. Jänner 1920 in den Dienst getreten sind, wird
durch die Ausführung dieses Gesetzes nicht berührt,
weder in Bezug auf ihre Beibehaltung im Dienst, noch auf ihre
Beförderung." Das ist eine menschenwürdige, in
Belgien selbstverständliche Auffassung. Bei uns aber die
Kehrseite. Da gibt es keinen Schutz wohlerworbener Rechte wie
in Belgien. Da wirft man einfach jene, die wohlerworbene Rechte
besitzen, durch den Sprachenprüfungsterror aufs Pflaster.
"Rückwirkend" heißt das schöne Wort,
das alles Unrecht deckt. Und zum Schluß heißt es in
diesem Gesetz, daß einen speziellen Artikel betreffend,
durch eine "vorübergehende Verordnung" eine Regelung
stattfindet. Ich bitte das Wort "vorübergehende Verordnung"
sich ganz besonders ins Gedächtnis zu prägen und dies
umsomehr, als der diesbezügliche Schlußartikel des
Gesetzes sagt, daß diese vorübergehende Verordnung
beiden Landessprachen die gleiche Berechtigung sichern muß.
Vorübergehende Verordnungen sind bei Ihnen unbekannte Dinge,
weiße Raben, bei Ihnen ist die Verordnung die Guillotine
für unsere Sprachen- und auch für alle anderen Minderheitenrechte.
In Belgien ist der Verordnungsweg die vorübergehende Ausnahme,
bei Ihnen die Regel. Belgien mit 7,666.000 Einwohnern, die es
jetzt nach dem Kriege zählt, hat nur 38 1/2% Franzosen,
43% Flämen und 12.9%, die sich als beidsprachig erklären.
Diese 12.9% sind sprachliche Hermaphroditen, die jedoch im Laufe
der Jahre wie in allen gemischtsprachigen Ländern verschwinden
werden und die jedenfalls Flämen sind, die noch vor ihrer
ehemaligen französischen Einstellung die Reverenz machen
müssen. Die Mehrheit 3,2 Millionen ist flämisch. Belgien
ist zur Einsicht gekommen und zwar sehr früh, bereits 1921,
als noch die nationale Erregung durch den Weltkrieg nicht gebannt
war, daß es tolerante Methoden einschlagen muß und
seine tapferen Jungflämen nicht, wie es geschah, mehr mit
dem Tode bestrafen darf. Bei uns harren 3 1/2 Millionen Deutsche
und andereMinoritäten auf die Sprachenfreiheit, statt dessen
setzt jedoch der Sprachen terror verschärft ein in Schule,
Amt, und auch in Kirche. Wenn Sie auf die Aalandsinseln einen
Blick werfen, auf jenen kleinen einsamen und weltverlorenen Schärenarchipel,
wo im Weltkriege Schweden und Finnland ihre Klingen kreuzten,
dann können Sie dort zu Ehren der kleinen Republik Finnland
sehen, daß den 27.000 armen schwedischen Aalandsfischern
der Finne das vollständige Sprachenrecht und auch andere
Rechte gewährte. Bei uns sind jedoch 3 1/2 Millionen
schutzlos und rechtlos und der Refrain, der immer von Zeit zu
Zeit durch die Gassen dieser Hauptstadt tönt, lautet: "Kreuziget
sie!" Wenn ich Ihnen betreffend das belgische Sprachengesetz
einen klaren Spiegel vorgehalten habe, so bin ich mir ja dessen
bewußt, daß bei Ihnen, daß hier auf diesem staatlichen
Boden vernünftigere Auffassungen als bisher nur vereinzelt
zu konstatieren sind und ich bin mir selbstverständlich auch
dessen bewußt, daß auch das belgische Sprachengesetz
noch Mängel besitzt, aber wenigstens Keime zu einer gesunden
Lösung der Sprachenfrage in gemischtsprachigen Staaten in
sich birgt. Mein Kollege Spina hat vor nicht langer Zeit
einen Antrag betreffend die Autonomie des deutschen Schulwesens,
die Freiheit, unsere Kinder unserem Volke zu erhalten, eingebracht,
und der Herr Abgeordnete Srdínko hat damals den
Ausspruch getan, daß der Antrag Spina diskutabel
sei. Warum heben Sie den Antrag Spina, wenn Sie ehrlichen
und guten Willens sind, nicht aus der Versenkung herauf? Wie immer
Sie sich auch stemmen, unsere Naturrechte zu negieren, einmal
kommt der Tag, die Geschichte, die große Lehrmeisterin lehrt
es, daß auch Sie das vielleicht bei Ihnen heute verpönte
Wort "deutsch-èechischer Ausgleich", wiederkennen
werden und daß Sie der Not gehorchend, nicht dem eigenen
Triebe, die diesbezüglichen Konsequenzen werden ziehen müssen,
so wie sie ja Ihr Historiker Franz Palacký
zog, als er für die nationale Autonomie eintrat. Wollen Sie
in Ihrer Auffassung palackýtreu bleiben, dann müssen
Sie eine andere politische Einstellung suchen. Nicht damit, daß
Sie Fahnen hissen und Standarten flattern lassen, ehren Sie das
Andenken eines Palacký, sondern Sie ehren sein Angedenken
erst dann aufrichtig, wenn Sie in seinem Sinne den Minderheiten
die Autonomie gewähren, für die er selbst für die
Sudetenländer die beiden Teilungsgebiete "Èechowien
und Bojerheim" und zwei Hauptstädte
Prag und Teplitz vorschlug. Ich erinnere ferner an die denkwürdige
Sitzung des böhmischen Landtags, bei der ich als junger Fant
anwesend war, vom 7. November 1889, in der Ihr Patriot Dr Ladislaus
Rieger in der Debatte über den bekannten Antrag Dr Julius
Grégrs, eine Adresse an die Krone zu senden, seinen eigenen
Konnationalen in deutscher Sprache zurief: "Allzuscharf macht
schartig!" Und ich erinnere an die gleiche Sitzung, in der
Dr. Julius Grégr gleichfalls in Parenthese in deutscher
Sprache sagte: "Im Kampfe sollst du dein Recht finden, von
dem Momente an, wo das Recht seine Kampfbereitschaft aufgibt,
gibt es sich selber auf, denn für das Recht gilt der Spruch
des Dichters: Das ist der Weisheit letzter Schluß, nur der
verdient sich Freiheit und das Leben, der täglich sie erobern
muß!" So sprachen Rieger und Grégr. Riegers
Wort sei für Sie eine Lehre und ernste Warnung, Grégrs
Wort ist für uns ein Signalruf. Wir wissen ja allerdings,
daß nicht Sentimentalität, nicht Gefühlsüberschwang
in der Politik entscheidet, denn nicht nur das Wort "Liebe",
sondern selbst das bescheidene Wort "Zuneigung" ist
im Völkerleben ein wechselhaftes, ein seltenes Ding. Aber
das eine wissen wir, daß Sie abseits von Zuneigung seit
jeher, seit Jahrhunderten verhängnisvolle Katastrophenpolitik
zum schweren Schaden Ihres eigenen Volkes getrieben haben. Allerdings
ist das Ihre und nicht unsere Sache. Das Schicksal, das sich ein
Volk selbst schafft, ist oft härter und schwerer als das,
welches ihm andere Völker bereiten möchten. Ihre Politik
ist keine Politik der kalten Vernunft und des Verstandes, im Gegenteil,
sie war und ist eine Politik des überströmenden Gefühls.
Gefühl allein, bei dem jedoch der Verstand nicht Pate steht,
ist ein Verhängnis für jene Völker* die von ihnen
beseelt sind und sich von ihnen hinreißen lassen. Im Interesse
der Zukunft bei der Völker müßten. Sie anders
erwägen, anders urteilen und aus Erwägung und Urteil,
aus diesen beiden Prämissen resultierend, auch anders handeln.
Wenn ich natürlich verhärteten Seelen und tauben Ohren
predige, so ist das Ihre Schuld, Ihre eigene Schuld, die Sie vor
Ihrem Gewissen und Ihren Konnationalen und vor Ihrer Geschichte
zu verantworten haben werden. Offensichtlich tritt auchdas Bestreben
hervor, die verschiedenen Staatsangestelltenkategorien gegen ein
andern auszuspielen. Anstatt einer einheitlichen Vorlage bringt
man gleich drei Vorlagen, um die einzelnen Angestelltenkategorien
von einander abzusplittern und man sucht mit sophistischen Auslegungen
die Regierungsabsichten zu stützen. Es sind Taaffesche Regierungsmethoden,
einer längst verstrichenen Zeit, die hier wieder ihre unrühmliche
Auferstehung feiern. Daß natürlich eine solcheVorgangsweise
auch eine schwere Benachteiligung der Administrative nach sich
zieht, daran scheinen die Herren bis lang noch wohl gar nicht
gedacht zu haben. Vom landwirtschaftlichen Standpunkte müssen
wir ferner beanständen, daß viele Staatsangestellte
ihrer eigentlichen Bestimmung oft entzogen und zu Dingen verwendet
werden, die weder in ihrem Interesse, noch im Interesse der anderen
hiebei Beteiligten gelegen sind. Erhebungen landwirtschaftlicher
Art, wie z. B. die Erhebungen der Schäden landwirtschaftlicher
Seuchen, Elementarschäden usw. gehören nicht der Gendarmerie
und nicht der politischen Behörde zu, sondern den landwirtschaftlichen
Freiwilligenverbänden, den Gemeinden. Erhebungen über
Wasserkraftanlagen und über Wasserkräfte haben Fachleute
und nicht die Gefällskontrolle zu bestreiten. Aus solchen
mannigfachen Nebentätigkeiten, zu denen die Staatsangestellten
ungehörigerweise verwendet werden, ergeben sich unausgesetzte
Bevormundungen der Bevölkerung, die auch nicht als besondere
Annehmlichkeit empfunden werden.
Ein Zuviel der Bevormundung des urteilsreifen
Staatsbürgers ist niemals am Platz. Regieren heißt,
die Massen leiten und erziehen und nicht den Zwang sie aufdringlich
fühlen zu lassen.
Ihre Gesetzgebung kennt keine weitblickende
Aufgabe, keine klare Orientierung. Sie arbeiten nur, um von Fall
zu Fall - wir sehen es hier - die nackte kümmerliche Mehrheit
zu erhalten. Ihrem Tun und Handeln fehlt das klare Ziel, fehlt
die Konsequenz, auf Sie ist dasselbe Wort anwendbar, das in den
berühmten Prager Kundschafterbrief von Weimar vom 10. August
1546 steht, in dem berühmten Briefe Ihrer Geschichte, in
dem es heißt: "Ich halte: die Beheim wissen es selbst
nicht, wo sie daran sein, was sie endlich tun und unterlassen
sollen!" Das bittere Wort von 1546 gilt auch für die
heutigen Beheim. Die Zerklüftung in Ihren Reihen war vorerst
derartig, daß Sie wochenlang das Parlament ausschalteten.
Die Koalitionssehnsucht ist jedoch nunmehr wieder ganz besonders
rege geworden. Trotz allen Kampfes haben die èechischen
Parteien die Brücken zueinander nicht abgebrochen. Bei der
Beratung dieser Vorlagen im sozialpolitischen
Ausschusse trat es ganz offensichtlich zutage, daß Sie die
Koalition wieder renovieren wollen und alle Segel aufgespannt
sind, um wieder in dem Hafen einer neuen Koalition zu münden
und in neuer Ministerherrlichkeit sich zu sonnen. Das Beamtenkabinett
wird dann als politischer, parlamentarischer Notstandsausschuß
zu den Toten geschickt werden: Der Mohr hat seine Schuldigkeit
getan, der Mohr kann gehen. Im sozialpolitischen Ausschusse debattieren
die ehemaligen Koalitionsparteien denn doch nur zum Scheine gegeneinander.
Brachte irgend ein Paragraph eine ernste Meinungsverschiedenheit,
so half man sich einfach damit, daß man beschloß,
die Abstimmung über diesen Paragraph zu verschieben, um Zeit
für einen neuen internen Kuhhandel zu gewinnen. Die verschämte
Koalitionsliebe und Koalitionssehnsucht schlummert nach wie vor
in Ihrem Herzen. Heines Spruch ist auf die ehemaligen Koalitionsparteien
deshalb wohl sehr zutreffend: "Blamier mich nicht, mein schönes
Kind, und grüß mich nicht unter den Linden, abends
- im Herbste - wenn wir alleine sind, wird sich schon alles finden".
(Posl. Hackenberg: Das geht auch bei Ihnen!) Und es wird
sich auch bei Ihnen alles finden. Bei der Sozialversicherung haben
wir es in erster Auflage erlebt. Sie werden trotz allen Koalitionshaders
und trotz allen Koalitionszwistes und trotz der Zölle und
der Kongrua bald Ihre Koalitionsverlobung feiern.
Die Staatsangestelltenvorlage scheint Anlaß
für den ersten Waffenstillstand zu geben und wenn die Bedeckungsfrage
gelöst sein wird, wird der Waffenstillstand vollständig
sein. Der Kampf der in den Ausschuß entsandten Männer
war kein offener Frontkampf, er war ein Scheingefecht, er war
ein Kampf pour le drapeau, dazu nur dienend, um den Rückzug
und die verblaßte Ehre der Parteifahne zu decken. Wenn Sie
strittige Paragraphen untereinander einrenkten und sich diesbezüglich
auf eine gemeinsame Textierung einigten, so erfuhren wir dies
nicht etwa aus dem Munde des Referenten, sondern konnten es beispielsweise
vorerst in den Morgen- und Abendnummer der "Národní
Listy" lesen. Darin liegt eine offene Mißachtung der
Volksvertreter und nicht etwa nur jene der Opposition. Es scheinen
somit die "Národní Listy" und auch andere
Blätter anderer Parteirichtungen, die sich früher schon
Indiskretionen leisteten, zu politischen Parteibibeln der "vernewerten"
Koalition avanciert zu sein, die vernewerte Koalition ist im Anmarsche.
Ihr Vorgehen gegen uns im sozialpolitischen
Ausschusse war jeder Rücksicht bar. Die politische Maschinerie
der neu kommenden Koalition funktionierte bereits tadellos und
es verschwanden alle deutschen und alle oppositionellen Anträge
restlos in der Versenkung. Sie bleiben sich ihrer Auffassung auch
ferner treu und sind nach wie vor Totengräber jeder parlamentarischen
Verhandlung. Auffallend ist es auch, daß Sie - ob absichtlich
oder unabsichtlich, will ich dahin gestellt sein lassen - brachliegende,
unbenützte Steuerquellen nicht sehen wollen. Die beste bisher
nicht berührte Steuerquelle ist zu finden, wenn Sie die Übernehmer
der billigen, eigentlich geschenkten Restgüter, die diese
im Wege der Bodenreform erworben haben, zu einer außerordentlichen
neuen Vermögensabgabe heranziehen würden. Diese Leute
haben zu lächerlichen Preisen den Boden erhalten, deshalb
sind sie auch ganz besonders verpflichtet, erhöhte Zahlungen
zu leisten. Die Steuerträger und der Staat haben nichts zu
verschenken. Als Landpartei sind wir stets für ein vernünftiges
Sparen eingetreten, für das Sparen am richtigen Platze. Doch
ist uns Ihre Ersparungskommission, die so überaus
lautvoll einberufen wurde, bis heute noch einen erschöpfenden
Bericht schuldig geblieben. Zum Sparen wäre überall
ein guter Anlaß zu finden. Schon die Legationsräte
der èechoslovakischen Gesandtschaften sollen nach heimischen
Gelde 350.000 Kè Gehalt beziehen. Wie
viele Millionen werden da nicht unnütz vergeudet! Hier, wo
der Abbau in allererster Linie am Platze wäre, scheint man
demselben aus dem Wege zu gehen. Falscher Ehrgeiz läßt
Sie diesbezüglich mit den Großmächten konkurrieren.
Die kürzere militärische Dienstzeit, die von weiten
Kreisen der Bevölkerung verlangt wird und durch deren Einführung
große Summen erspart würden, sie scheitert an Ihrer
imperalistischen Einstellung.
Dieses Gesetz kommt für die vielen abgebauten
Deutschen überdies zu spät. Diese Gesetzesvorlage gibt
uns den gewünschten Anlaß, diese unsere Beschwerden,
die ja nur einen kleinen Bruchteil unserer Beschwerden darstellen,
hier vorzubringen. Das Beamtenkabinett hat die schwere Aufgabe
übernommen, alle Steine des Anstoßes aus dem Wege zu
räumen und die Bahn frei zu machen für die neuen Machtgelüste
einer neuen unnatürlichen Koalition. Das eine ist jedoch
offen und klar, daß eine können wir Ihnen sagen: Mit
solchen Methoden werden Sie keine neue Schweiz hier schaffen,
geschweige den ein neues großes Paneuropa. Solche Methoden
führen zum Abgrund und werden nicht nur uns, sondern allen
Völkern dieses Staates, auch Ihnen, zum Verderben werden.
Wir können Ihre Methoden nicht hindern, aber warnen können
wir Sie, so wie Sie Ihr Patriot Dr. Rieger warnte, als er sagte:
"Allzu scharf macht schartig". Doch Warnungen kommen
im Völkerleben, auch das ist ein alter Erfahrungssatzstets
nachhinkend und zu spät. Eines ist jedoch sicher: Keine Hintansetzung
und keine Bedrückung, die wir erleiden müssen, wird
unserem selbstbewußten Volke den Nacken beugen, denn jede
Unbill, jedes Unrecht rächt sich einmal auf Erden. Dies unsere
offene und ehrliche Stellungnahme.
Halten Sie nicht hinter den Bergen mit der
gerechten Behandlung der Minoritäten. Revidieren Sie von
Haus aus Ihre gesamte verfehlte Gesetzgebung, die für uns
ein finanzielles, politisches und kulturelles Golgatha bedeutet.
Wählen Sie selbst, Sie haben es in Ihrer Hand. Um unser eigenes
Schicksal ist und wird uns niemals bange sein. Ihre Gesetzgebung,
die uns Deutschen und allen anderen Minderheitsvölkern nach
jeder Richtung und in allen Belangen das Grab gräbt, kann
nicht als ideale Gesetzgebung bezeichnet werden. Infolgedessen
habe ich diese Gelegenheit benützt, um im Namen meiner Partei
unseren ernsten und schweren Beschwerden Ausdruck zu verleihen.
(Potlesk stoupencù.)
Hohes Haus! Wir haben schon zu wiederholten
Malen Kritik an der Ausschaltung des Parlamentes bei der Beratung
lebenswichtiger Fragen geübt. Noch nie aber gab es für
uns eine solche Berechtigung, Beschwerde über die Ausschaltung
der gesetzgebenden Körperschaften zu führen als in dem
Augenblicke, da das Haus in die sogenannte Behandlung der Gesetzentwürfe
Druck 100, 101 und 102 eingeht, eine Ausschaltung, die für
das Parlament geradezu eine Degradation bedeutet. Eine solche
ist es unserer Meinung nach, wenn ein Gesetzeskomplex von ungeheurer
Bedeutung, für den ein Interesse der weitesten Schichten
und Kreise der Bevölkerung besteht und zu dem wir so viel
zu sagen und so viele Abänderungen zu beantragen hätten,
mit dem Gebot der unbedingt unveränderten Annahme in das
Haus gelangt. Das war ja der Inhalt aller Äusserungen der
Regierungsvertreter bei der sogenannten Behandlung der angezogenen
Gesetzentwürfe sowohl im sozialpolitischen Ausschuß,
wie im Unterausschuß desselben, im Kulturausschuß,
im Budgetausschuß und jetzt im Hause.
Die Einleitung zu dieser Behandlung der Gehaltsgesetze
bot die bekannte Erklärung des Herrn Finanzministers im sozialpolitischen
Ausschusse. Sie war ein geradezu charakteristisches Präludium,
das nicht nur dazu diente, den Standpunkt der Regierung wiederzugeben.
Das wäre auch unserer Meinung nach des Herrn Finanzministers
gutes und unzweifelhaftes Recht gewesen. Aber die Erklärung
des Herrn Finanzministers, mit welcher die Behandlung der Gehaltsgesetzentwürfe
im sozialpolitischen Ausschusse eingeleitet wurde, war weit mehr,
als eine solche Erklärung des Standpunktes der Regierung.
Sie war ein kategorischer Imperativ, stärker als er jemals
von uns gehört ward, ein Imperativ, der von uns gebieterisch
verlangte, mit dem Maße des Zugeständnisses der Regierung
zufrieden zu sein, das Zugeständnis wäre das Maß
des Möglichen, und wer mit diesem Maße des Möglichen
nicht einverstanden sein wollte, würde das ganze Werk gefährden.
Das war eine Einleitung, die wir nicht ruhig hinnehmen konnten.
Was in einigen Köpfen, deren Berufung zu der ihnen übertragenen
Arbeit wir keinesfalls abstreiten wollen, gereift war in Berücksichtigung
der volkswirtschaftlichen und staatsfinanziellen Verhältnisse,
das sollte fertige Tatsache sein. Es erübrigte sich nur noch
das an uns zu stellende Verlangen, der Regierung überhaupt
die Ermächtigung zu geben, die Fragen, die mit der Besoldungsreform
der Staatsbeamten, Lehrer und Ärzte verbunden sind, im Verordnungswege
zu regeln. (Výkøiky.)
Nun sind wir keineswegs so naiv, anzunehmen,
daß eine Regierungsvorlage anders zustandekommen kann als
etwa so, daß ihre Fassung in der Tat zunächst nur in
einigen Köpfen reift, daß zunächst einige wenige
die Vorlage verfassen und sie dem zuständigen Minister, der
Regierung und dann dem Parlamente vorlegen. Aber wir sind auch
nicht so naiv zu glauben, daß die Mitarbeit der berufsständischen
Gliederungen und gar des Parlamentes, das ja immerhin ein kostspieliger
Apparat ist, nur darin bestehen kann, die Arbeit der Einzelpersonen
mit Unterlassung auch selbst der leisesten Stellungnahme als unfehlbares
Werk anzusehen und anzunehmen. Das hieße uns, dem Parlamente,
unsere Überflüssigkeit allzu deutlich beweisen, ebenso
aber auch, das schwere Unrecht, das wir begingen, bei einer solchen
Überflüssigkeit dennoch weiter bestehen zu lassen. So
lange wir als parlamentarische Vertretung bestehen, werden wir
uns gegen eine solche Übung verwahren, nicht nur der Erfüllung
der Aufgabe wegen, die wir als Interessenvertretung über
nahmen, sondern auch aus Achtung vor uns selbst. Dabei fühlen
wir uns dem möchte ich sehr starken Nachdruck verleihen frei
von jeder Demagogie. Gegen die geschilderte üble Praktizierung
des Parlamentarismus haben wir uns aber auch als Opposition grundsätzlich
zur Wehr zu setzen und - das ist eigentlich die Tragikomödie
des Ganzen - wir leisten dabei den Mehrheitsparteien einen viel
größeren Dienst, als sie selbst einsehen wollen. Was
wäre aus diesem Parlamente nicht alles schon geworden, wenn
wir als Opposition nicht manchmal eine Korrektur der Methode dargestellt
hätten, die sich da immer aufzutun bestrebte. Dieser Parlamentarismus
wäre wie anderswo schon durch etwas anderes ersetzt worden.
Jedes Gesetz hat seine Geschichte. Die vorliegenden
Gesetzentwürfe haben sie im besonderen. Ihre Geschichte ist
die materielle Not der Staatsangestellten und Lehrer, eine Not,
die man wohl theoretisch anerkennt" aber praktisch nicht
in dem notwendigen Ausmaße beheben will. Das zeigt ja eben
der Inhalt der Beamtengesetzentwürfe. Die breiten Massen
leben seit Jahren tief unter dem Vorkriegsstand. Sie sind verschuldet,
Tausende gar sehr verschuldet. Die Lösung dieser materiellen
Nöte von Hunderttausenden von Menschen ist nicht nur Personeninteresse,
sondern Staatsinteresse. Theoretisch, sagte ich, wird das wohl
anerkannt. In seiner Rede von 18. Dezember 1925 hat der seinerzeitige
Ministerpräsident, Herr Švehla, in Beziehung
auf den Gegenstand gesagt und sich und den Regierungen, also auch
der kommenden Regierung, hiebei präjudiziert: "Nach
der materiellen Seite ist neben anderen die definitive Regelung
der Verhältnisse der Staatsangestellen eine dringliche Forderung.
Diese Regelung haben wir den Staatsangestellten vor Schluß
der letzten Session des Abgeordnetenhauses versprochen, als nicht
mehr Zeit war, technischer Gründe wegen in die Behandlung
einzutreten. Das gegebene Versprechen wollen wir im vollem Umfange
einlösen. Wir wollen die Gehaltsverhältnisse aller Kategorien
der Staatsbeamten und Bediensteten, sowie aller Lehrer bestmöglichst
regeln. Wir sind uns der Wichtigkeit des Problems bewußt,
weil eine geordnete und tadellos funktionierende Verwaltung das
Rückgrat des Staates bildet."