Das haben uns die Herren Unternehmer immer
bei den Lohnverhandlungen in den letzten Jahren erklärt.
Sie erklären, daß sie bei der jetzigen finanziellen
Verfassung nicht mehr lebensfähig sind. Außerdem sollen
diese Firmen dadurch genötigt gewesen sein, falsch zu bilanzieren
und stille Reserven anzusammeln, die die Bilanz undurchsichtig
machten. Es hat immer anders geklungen, wenn man mit den Unternehmern
sprach, da hieß es: Wir leben von der Materie, wir haben
nicht genügend Barkapital, es können keine Gewinne ausgeschüttet
werden und das Unternehmen muß von seinen früheren
Reserven oder von der Materie, vom festen Besitz leben. Dieses
Übelstand soll nun durch das vorliegende Gesetz, soweit es
geht, behoben werden. Leider, heißt es in Unternehmerkreisen,
soll dies nicht vollständig möglich sein, da die Anwendung
des Gesetzes nur fakultativ, von Fall zu Fall ist und in der Bewertung
der wichtigsten Aktiva des Anlagevermögens der Erwerbsgesellschaften
ein weiter Spielraum gelassen wird. Daß die Unternehmer
es bedauern, ihre verheimlichten Gewinne nicht vollständig
ohne die Gefahr einer Belästigung durch den Steuerfiskus
in Sicherheit zu bringen, glauben wir. Sehr gefährlich aber
kann es meiner Meinung nach nicht sein, da ja das "Prager
Tagblatt" schon im Mai 1926 ganz offen geschrieben hat: "Immerhin
ist durch die beabsichtigte Reform jetzt den Gesellschaften die
Möglichkeit gegeben, die im Laufe der Jahre angesammelten
stillen Reserven den Aktionären in der Form von Gratisaktien,
Kapitalsaufstempelung oder durch Auszahlung eines Bons zugute
kommen zu lassen." Das heißt, das "Prager Tagblatt"
gibt unumwunden zu, daß geheime, stille Reserven angesammelt
wurden, welche versteckt wurden und daß nun die Möglichkeit
besteht, diese Summen den Unternehmern zur Auszahlung zu bringen,
ohne dafür Steuer bezahlen zu müssen. Die Herren verteilten
also schon lange, bevor das Gesetz im Parlament zur Beratung stand,
ihre versteckten Gewinne, das Resultat ihrer gefälschten,
verschleierten Bilanzen, das Resultat des Steuerbetruges. Wir
möchten sehen, wie ein kleiner Unternehmer, Handwerker oder
Geschäftsmann bestraft würde, wenn er in gleicher Weise
versuchen würde, den Steuerfiskus um die gesetzlichen Abgaben
zu betrügen und dadurch dem Staate Einkommensteuer vorzuenthalten.
Wir geben zu, daß eine neue Bilanzierung zu einer klaren
Gebahrung notwendig ist, da ein großer Teil der Materialwerte
aus verschiedenen Zeitperioden stammt, zu verschiedenen Währungsverhältnissen
angekauft wurde und infolgedessen bei der buchmäßigen
Festhaltung dieser Werte ganz bedeutende Schwierigkeiten entstehen.
Noch mehr Schwierigkeiten entstehen dann, wenn diese Materialwerte
verarbeitet werden und dann auf Grund der verschiedenen Unterlagen,
die sich aus der Währungsdifferenz ergeben, kalkuliert werden
soll. Das vorliegende Gesetz entspricht aber nicht dem, was wir
brauchen. Das Gesetz müßte obligat und auf eine feste
Währung gestützt sein, die doch vorhanden sein soll.
Weiter dürfte das Gesetz nicht so ungeheuere Spannungen für
die willkürliche Erstellung der Bilanz lassen. Die Unternehmer
haben 5 Jahre Zeit, innerhalb 5 Jahren können Sie sich den
Zeitpunkt auswählen, wo sie am meisten Reserven ohne Steuerpflicht
unterbringen können. Der Unternehmer kann sich durch die
Valorisierung Vorteile verschaffen, er kann Beträge aus den
Reserven in die Passiva übernehmen und diese Posten werden
als Abzugspost behandelt. Der Unternehmer hat eine ganze Reihe
von Möglichkeiten, sich diese versteckten Gewinne zu erschließen
und dienstbar zu machen, ohne Gefahr zu laufen, bestraft zu werden
und dem Fiskus Abgaben entrichten zu müssen. Nun hat wohl
der Herr Minister und auch der Motivenbericht zu diesem Gesetz
erklärt, daß schwere Erschütterungen des Wirtschaftslebens
wohl nicht zu erwarten sind. Aber ich möchte mir zum Schluß
erlauben, auf die Auswirkung dieses Gesetzes über die Stabilisierungsbilanzen
auf die Arbeiter hinzuweisen u. zw. will ich nicht eine Darstellung
dieser Auswirkungen in einer sozialdemokratischen Zeitung anführen,
sondern aus einem Regierungsblatt. Die "Prager Presse"
hat im Jänner 1926, also zu einer Zeit, wo über das
Stabilisierungsgesetz noch nicht entschieden war, folgendes angeführt.
Pøedseda (zvoní): Pane poslanèe,
upozoròuji vás znovu, že øeènická
lhùta je u konce.
Posl. Kaufmann (pokraèuje):
Gleich, Herr Präsident. Die "Prager Presse" sagt,
daß die großen Unternehmungen bemüht sein werden,
die Preise nicht zu erhöhen und die früheren Gewinne
durch Ersparnisse auf anderen Gebieten hereinzubringen. Eine durchgreifende
Herabsetzung der Löhne scheint unter den gegenwärtigen
Verhältnissen ausgeschlossen zu sein, man wird sich deshalb
bemühen, die Arbeitsleistung zu erhöhen, die Kranken-
und Unfallversicherungsbeiträge zu kürzen, Tarifermäßigungen
zu erzielen. Sie sagt dann weiter, wenn alle diese Mittel nicht
ausreichen, um eine rationelle Arbeit zu ermöglichen, ist
doch eine Herabsetzung der Löhne auf der einen Seite und
eine Verteuerung der Preise auf der anderen Seite zu erwarten.
Das ist die Auswirkung des Gesetzes über die Stabilisierungsbilanzen.
Die Unternehmer bekommen wiederum ungeheuere Vorteile, für
die Unternehmer besteht die Möglichkeit verschleierte, versteckte
Beträge aus der Vergangenheit bekannt zu geben und ohne Gefährdung
und Bestrafung zu verwenden, also die Sanktionierung der Steuerhinterziehung
auf der einen Seite und auf der anderen Seite ungeheuere wirtschaftliche
Nachteile für die Arbeiter.
Zum Schluß möchte ich sagen: Wir
haben drei Gesetze von großer Bedeutung für unser Wirtschaftsleben
zur Beratung. In diesen Gesetzen sind bereits die Vorarbeiten
für die Verwaltungsreform zu erblicken. Wir sehen, daß
der Hauptzweck dieser Gesetze nicht wirtschaftlicher Natur ist,
sondern damit wird die Festigung der Herrschaft der jetzigen Regierungsparteien
verfolgt, bevor noch die sogenannte Verwaltungsreform in diesem
Hause beschlossen wird und in Kraft tritt. Für die Kapitalisten
und großen Unternehmungen große Vorteile, die Selbstverwaltung
erdrosseln und umbringen, den Staatsabsolutismus pflanzen und
festzulegen, Entlastung und Abbau der direkten Steuern auf der
einen und Erhöhung der indirekten Steuern auf der anderen
Seite. Diese Gesetzeswerke, die von so ungeheuerer Bedeutung sind,
werden, wie Sie sehen, in diesem Hause, wie es im Ausschuß
gewesen ist, durchgepeitscht, nach unserer Meinung, damit die
Bevölkerung nicht zur Erkenntnis kommt und nicht prüfen
kann, sondern vor die fertige Tatsache gestellt wird. Sie werden
mit den Machtmitteln des Staates erzwingen, was Sie wollen. Die
sozialdemokratische Partei, meine Fraktion, wird auf ihrem Posten
stehen. Sie wird die Bevölkerung und die Wähler über
das, was hier beabsichtigt ist, aufklären, über das,
wozu die deutschen Regierungsparteien ihre Zustimmung gegeben
und ihre Mitwirkung geliehen haben. Wir werden den Kampf auf dem
Gebiete der Verwaltung organisieren und führen. Die Massen
werden sich der Führung der sozialdemokratischen Partei auch
auf dem neuen Kampfboden so siegreich durchsetzen wie auf dem
Gebiete der Gesetzgebung. Der Tag des Gerichtes wird für
Sie kommen. Für dieses neue Verbrechen, den Mord an der Autonomie
der Selbstverwaltung, für den Verrat, den die deutschbürgerlichen
Parteien mit ihren Abänderungsanträgen und mit ihrer
Mitwirkung bei diesem Gesetz begehen, werden Sie vor den Völkern
dieses Staates Rechenschaft ablegen müssen, wenn die Wähler
wieder das Wort haben werden. (Potlesk nìm. soc.-demokratických
poslancù.)
Hohes Haus! Gemeinsam mit dem Entwurf über
die Steuerreform sind noch zwei andere wichtige Gesetze, das Gesetz
über die Stabilisierungsbilanzen und der Gesetzentwurf über
die Neuregelung der Finanzwirtschaft der territorialen Selbstverwaltungskörper,
dem Hause zugegangen. Ich werde mich in meinen Ausführungen
hauptsächlich mit dem letzteren beschäftigen, weil gerade
dieses Gesetz für uns von der allergrößten Bedeutung
ist. Der heftige Widerstand, der in der gesamten Öffentlichkeit,
u. zw. in den Lagern aller Völker dieses Staates, nicht nur
in den oppositionellen Kreisen, sondern auch in den Kreisen der
Regierungsparteien gegen den vorliegenden Gesetzentwurf erhoben
worden ist, hat gezeigt, als wie tief einschneidend und wichtig
gerade diese Vorlage von den betroffenen Kreisen betrachtet wird.
Es ist nicht nur ermüdend, immer wieder
auf die Verhältnisse im alten Österreich hinzuweisen,
sondern es widerstrebt auch vielfach unserem inneren Gefühl.
Aber, meine Verehrten, wenn wir heute vor einer Gesetzesvorlage
stehen, die tatsächlich eine alte Institution in ihrem Bestande
nicht nur zu gefährden, sondern auch zu vernichten droht,
so müssen wir unseren Blick zurück auf die Entwicklung
unseres Gemeindewesens und unserer Selbstverwaltungsorganisationen
werfen, wie sie sich im alten Österreich entwickelt haben,
so sehen wir: Jener Staat, der als so reaktionär, rückständig,
absolut und volksfeindlich bezeichnet wurde, hat in einer Zeit,
wo der erste Beginn einer wirklich freiheitlichen Regierungsform
platzgegriffen hat, bereits die Grundlagen für unsere Selbstverwaltung
gelegt. Die österreichische Gemeindeverfassung stammt vom
Grafen Stadion. Sein "alleruntertänigster Vortrag des
treugehorsamsten Ministerrates, betreffend die Erlassung eines
Gemeindegesetzes" vom 20. März 1849, der von allen Ministern
unterzeichnet war und in der "Wiener amtlichen Zeitung"
veröffentlicht wurde, dieser Vortrag kann als die magna charta
der Gemeindeverfassung Österreichs bezeichnet werden. In
diesem hochinteressanten Dokument heißt es unter anderem:
"Das Ministerium war von der Überzeugung geleitet, daß
der Gemeindeverband ein urwüchsiger sein muß, daß
derselbe überall, wo er sich durch natürliche und positive
Verhältnisse, gemeinsame Interessen, gemeinsames Leben und
Wirken entwickelt, gesetzlich anerkannt und in seiner Existenz
gewährleistet werden müsse. Die Gemeinden, die Ortsgemeinde,
wie sie faktisch besteht, hat eben durch ihren Bestand ein begründetes
gutes Recht, ihre individuelle Existenz anzusprechen, sie ist
eine moralische Person, welche die Anerkennung und Gewährleistung
ihres Fortbestandes zu fordern berechtigt ist. Es wäre eine
Verletzung des obersten Rechtsprinzipes, wie des obersten Grundsatzes
der Freiheit, sie zu zwingen, sich dieser ihrer individuellen
Existenz zu entäußern."
Das ist in einem Zeitpunkt gesprochen worden,
den wir als reaktionär bezeichnen. Das ist das Dokument eines
Ministerrates, der noch einer Zeit angehörte, wo wir von
Demokratie herzlich wenig zu reden gewohnt waren, wo aber vielleicht
desto mehr die großen Gedanken eines demokratischen Zusammenlebens
gepflegt worden sind. Meine sehr Verehrten, es ist nichts anderes,
als eine Anerkennung dieser Tatsache, wenn ein ausgezeichneter
Kenner unseres Selbstverwaltungsrechtes, der Oberlandesrat der
böhmischen Landesverwaltung Dr Rudolf Slawitschek in seinem
Werke über die "Selbstverwaltung, ihr Wesen, Recht und
Ziel" Folgendes sagt: "Aus diesem Geiste heraus ist
also das noch heute geltende österreichische Reichsgemeindegesetz
vom 5. März 1862, Nr. 18 R. G. Bl., geschaffen worden. Trotz
mancher Einschränkungen in der Rechtsstellung der Gemeinde,
trotzdem ein unter Umständen recht weitgehender Einfluß
der staatlichen Behörde auf die Gemeinde gewahrt bleibt,
ist hier sicher ein wahrhaft freiheitliches Gemeinderecht festgelegt,
ist hier das deutsche Selbstverwaltungsideal zur Wirklichkeit
geworden. Insbesondere ist die Ortspolizei ganz im Sinne der Frankfurter
Verfassungsurkunde der Gemeinde überlassen und auch sonst
ist ihr Wirkungskreis so reichlich bemessen, daß man von
einer staatsfreien Sphäre in der Verwaltung sprechen kann."
Und ein anderer hervorragender Kenner des österreichischen
Gemeinderechtes Dr. Josef Redlich sagt in seiner Schrift über
das Wesen der österreichischen Kommunalverwaltung: "Wie
weitgehend gerade die Rechte der Gemeinden sind, geht daraus hervor,
daß sie" - ich zitiere wörtlich - "der Eigenmacht
des Staates entrückt, daß sie staatsfrei sind."
Tatsächlich war im alten Österreich die Gemeinde trotz
aller sonstigen Einschränkungen im Staate selbst eine Insel
eines Freiheitsideals, eine Insel der bürgerlichen, wirtschaftlichen
und ökonomischen Freiheit der Gemeindeinsaßen.
Meine sehr Verehrten, das bestätigt
uns aber auch ein Mann, der in der Èechoslovakischen Republik
an der Gründung dieses Staates und an der Regelung seiner
Finanzen, also seiner wirtschaftlichen Grundlage und Macht, wohl
den hervorragendsten Anteil überhaupt genommen hat: der
erste Finanzminister dieses Staates Dr. Alois Rašín.
In seinem Buche "Die Finanz- und Wirtschaftspolitik der Èechoslovakei"
heißt es in der Einleitung folgendermaßen: "Das
böhmische Volk, welches seine volle staatliche Selbständigkeit
verloren hatte, trachtete sich mit Hilfe der
Autonomie den Einfluß auf die öffentlichen Angelegenheiten
zu erhalten und die Selbstverwaltung war für die Nation eine
Schule der bürgerlichen und politischen Fähigkeiten.
Alle Bestrebungen, mit Hilfe der Wahlordnungen Österreich
als einen deutschen Staat zu erhalten, scheiterten daran, daß
die böhmischen Bürger" - er will natürlich
"èechische Bürger" sagen, denn die Mährer
würden sich heftig dagegen verwahren, nicht daran beteiligt
gewesen zu sein - "sich der Selbstverwaltung als
Rettung zur Stärkung ihrer Nation bemächtigten. Die
Gemeinden bauten Gemeindeschulen, errichteten Gymnasien und Realschulen,
die Bezirke bauten Kranken- und Armenhäuser und sorgten für
die Bildung und Gesundheit des Volkes. Die Èechen trachteten
durch Opferwilligkeit ihre moralische Kraft
zu heben. Was ihnen Wien versagte, zahlten sie sich selbst. Sie
sammelten und sammelten, legten sich neben den kaiserlichen Steuern
Nationalsteuern auf. Sie bauten und erhielten Schulen für
die Kinder der unter Deutschen lebenden Arbeiter, sie erbauten
aus Sammlungen das Nationaltheater in Prag und andere Institute.
Dabei sorgten sie für den durch die Ungarn unterdrückten
slovakischen Zweig, errichteten eine Organisation, welche dem
slovakischen Volke zu Hilfe kam. Die Nation, welche ihre Selbständigkeit
verloren hatte, bereitete sich durch eifrige Arbeit auf die Wiedererlangung
der Freiheit vor."
Dr. Rašín sagt also hier
ausdrücklich, allerdings in dem Teile, der von einer besonderen
Eigenorganisation spricht, in einer etwas heroisierenden
und verschönernden Art, daß doch grundsätzlich,
was die Gemeinde und Selbstverwaltung anbelangt, diese die Voraussetzung
für den Aufstieg des èechischen Volkes war. (Posl.
Patzel: Das sollten sich die deutschen Regierungsparteien hinter
die Ohren schreiben!) Jawohl, es
ist vielleicht für die Herren der deutschen Regierungsparteien
sehr interessant, gerade diese Stelle zu lesen, damit die Öffentlichkeit
erfährt, daß jetzt die Grundlage, die ein Volk haben
muß, um jemals sich wieder irgendwie selbst verwalten zu
können, mit dieser Gesetzvorlage zerstört werden soll.
Dr. Rašín spricht hier von der besonderen Wichtigkeit
der Schulung der Bevölkerung in der Selbstverwaltung und
Selbstregierung. Er zeigt, daß auf diesem Wege ein Volk
nicht nur frei werden kann, sondern daß ein Volk sich selbst
zu verwalten in der Lage ist. Was aber erleben wir jetzt? In dieser
demokratischen Republik, in der man die Demokratie als Diskussion
bezeichnet, in der man die Demokratie als einen Bestandteil der
Wirtschaft bezeichnet, in diesem Staate, in dem wir so viele schöne
Reden von der Volksherrschaft gehört haben, in welchem die
Volksherrschaft in der Verfassung und ihrer Präambel als
eine der wichtigsten Tatsachen der Aufrichtung und Befreiung der
Nation oder dieses Staates bezeichnet wird, in diesem Staate werden
an allen Ecken und Enden die Grundlagen der Demokratie, die Gemeindeselbstverwaltung,
die Bezirksselbstverwaltung erschüttert, unterwühlt,
der Freiheit beraubt. Es war für uns kein Wunder und keine
Überraschung mehr, als diese selbe Tendenz auch da zum Vorschein
kam, wo es den Anschein hatte, als ob der Staat sich um die wirtschaftlichen
Verhältnisse der Gemeinden kümmern wollte, als ob er
ibnen in einer schwierigen wirtschaftlichen Lage zu Hilfe eilen
wollte. Aber es war nur ein Vorwand, die Regelung der Finanzen
der Selbstverwaltungskörper ist nichts anderes als ein Vorwand,
die Selbständigkeit und Freiheit unserer Selbstverwaltungsorganisationen
zu erschlagen.
Wenn man den Motivenbericht dieses Gesetzentwurfes
liest, muß man zur Erkenntnis kommen, daß die Regierung
die eigentlichen Ursachen der Finanznot der Gemeinden und Bezirke
recht gut kennt. Die Unterlassung der Aufwertung der Zuschlagsgrundlagen
der Gemeinde, die ungeheueren Rückstände an Vorschreibungen
und Einhebungen der Steuern und deren Zuschläge durch die
staatlichen Steuerämter, die dadurch bedingten massenhaften
Steuerausgleiche und Steuernachlässe usw. waren die Hauptursache
der Finanznot unserer Selbstverwaltungsverbände. Statt diese
Übelstände abzuschaffen und den Gemeinden den Weg zu
einer geordneten Wirtschaft freizumachen, bezichtigte man die
Gemeinden des mangelnden Sparsinnes und der Unkenntnis, der unsachlichen
Verwaltung, wie das sowohl aus dem Wortlaut des Motivenberichtes,
als auch aus den Äußerungen der führenden Männer
der Regierung bei dieser Gesetzesvorlage hervorgeht. Der Gesetzentwurf
beabsichtigt die Einnahmen der Gemeinden derart zu drosseln, daß
diese ihre großen Aufgaben in Zukunft nicht mehr zu lösen
imstande sein werden. Aber je länger die Erneuerung und Wiederherstellung
der Gemeindeeinrichtungen hinausgeschoben wird, desto teuerer
wird das zum Schluß wieder sein. Aber die Mehrkosten werden
schließlich und endlich doch wieder die Steuerträger
zu bezahlen haben, die dann nicht nur die Mehrkosten zu bezahlen,
sondern auch den Untergang der Selbständigkeit der Gemeindeeinrichtungen
zu betrauern haben werden.
Unsere Wirtschaft hat das allergrößte
Interesse, das ihre Steuermittel den Gemeinden und Bezirken zufließen
und nicht in den unkontrollierbaren Dotierungsfond der Regierung
gelangen. Dieser Dotierungsfond wird übrigens kaum mehr als
300 bis 400 Millionen Kronen Jahreseinkommen haben und deshalb
für die Finanzierung der Gemeinden in keiner Art und Weise
genügen. Es soll nur noch eine größere Aufsicht
über die Gemeinde, d. h. eine Einschränkung ihres freien
Rechtes, mit den Geldmitteln zu wirtschaften, eingeführt
werden. Die bereits von der unmittelbaren Aufsichtsbehörde
überprüften, adjustierten und genehmigten Voranschläge
werden bei der Fondsverwaltung einer neuen Überprüfung
unterzogen, wobei die höheren Aufsichtsbehörden ebenso
wie die unmittelbaren das Recht der Änderung der Voranschlagsposten
haben. Da die Mittel des Fonds sehr beschränkt, die Anforderungen
natürlich aber ungeheuer groß sein werden, wird man
eine Rangordnung unter den Ansprüchen feststellen müssen,
die außerordentlich schwierig sein wird. Diese Feststellungen
werden physisch nach unserer Behauptung nicht durchführbar
sein, ganz abgesehen davon, daß es der höheren Aufsichtsbehörde,
die einen viel zu großen Wirkungskreis hat, einfach ganz
unmöglich ist, festzustellen, welche Bedürfnisse der
einen oder der anderen Gemeinde wichtiger und dringlicher sind.
Selbstverständlich wird das zu den größten Ungerechtigkeiten
führen, zur politischen, nationalen wirtschaftlichen und
finanziellen Korruption führen. Wer die schleppende Erledigung
bei unseren höheren Aufsichtsbehörden kennt, wird wissen,
daß auch heute schon die Erledigungen von Gemeindevoranschlägen
bei der Landesverwaltung ein bis zwei Jahre dauern. In noch viel
größerem Umfange wird das in Zukunft der Fall sein
und es ist kein Zweifel, daß die höheren Aufsichtsbehörden
nicht in der Lage sein werden, die Arbeiten fristgerecht zu überprüfen
und durchzuführen und daß die Gemeinden daher bei der
Erstellung ihres Budgets wiederum in die größten Schwierigkeiten
kommen werden.
Auf die Verwaltung des Fonds wird die Gemeinde
überhaupt keinen Einfluß haben, die Vertreter der Gemeinde
werden überhaupt keine Möglichkeit haben sie zu kontrollieren.
Überhaupt ist die öffentliche Kontrolle bei diesem Fonde
noch ein dunkles Kapitel, worüber wir noch manches zu sprechen
haben werden. Aber bei dieser Gelegenheit sagen wir, daß
wie in allen übrigen staatlichen Fondsverwaltung en, auch
hier die dringendste Notwendigkeit besteht, zumal es sich um einen
großen Fond handelt, daß wir endlich ein Gesetz über
die staatlichen Fondsverwaltungen erhalten und daß der Legislative
das Recht einer Kontrolle über die Fonds eingeräumt
wird.
Wir haben im Budgetausschuß den Antrag
eingebracht, über diese Vorlage zur Tagesordnung überzugehen.
Wenn wir diesen Antrag eingebracht haben, so müssen wir ihn
auch eingehend begründen. Wir begründen ihn zunächst
damit, daß diese Gesetzesvorlage im engen Zusammenhange
mit der beabsichtigten Verwaltungsreform in der èechoslovakischen
Republik steht, daß weiter das Unifizierungsgesetz zur Errichtung
und Erhaltung der Schulen mit den Gemeindefinanzen innig zusammenhängt.
Durch die beiden Gesetze werden den Gemeinden
neue und nicht unbeträchtliche Auslagen aufgebürdet
werden. Auf diese künftige Belastung der Steuerträger
und der Gemeinden, ist bei der Festsetzung der Einnahmsquellen
keine Rücksicht genommen worden. Wir verweisen darauf, daß
insbesondere nach dem Unifizierungsgesetz über das Schulwesen
den Gemeinden der Schulaufwand für die Minderheitsschulen,
soweit sie Pflichtschulen sind, übertragen werden soll, also
Beträge, die bei unseren kleinen Gemeinden in den Voranschlägen
sehr große Summen ausmachen werden. (Posl. Simm: Schulpaläste
werden gebaut werden müssen!) Wenn wir wissen, daß
z. B. eine Stadt wie Bilin, mit etwa 8000 bis 9000 Einwohnern
einen Schulpalast hat, der ungefähr 3 Millionen gekostet
hat, dann ersehen wir beiläufig, welche Erhaltungskosten
damit verbunden sind und was das für die Gemeinde bedeutet.
Wir haben auch noch andere Gemeinden, z. B. Deutsch-Gießhübel
im Adlergebirge, wo eine Schule mit einem Aufwand von nahezu einer
Million Kronen errichtet worden ist, in einer Gemeinde, die im
ganzen 22.000 Kronen staatliche Steuerbasis hat. Wie sollen diese
Gemeinden diese Schulpaläste überhaupt erhalten können?
Dabei ist dort ein Bedürfnis für die èechische
Schule gar nicht gegeben, weil es dort bis auf einige èechische
Finanzer und Gendarmen keine Èechen
gibt.
Wir müssen bei diesen Erwägungen
über die Selbstverwaltung unserer Gemeinden eine grundsätzliche
Frage aufwerfen. Unsere Gemeinden sind doch nicht allein Verwaltungsorganisationen,
sie haben doch noch eine viel größere Bedeutung, als
die der reinen Verwaltung. Hier muß man an die Regierungsmehrheit
und an die Initiatoren dieses Gesetzes die Frage richten: Was
ziehen Sie vor, eine selbstbewußte und freie Gemeinde, in
der der Bürger, Arbeiter und Bauer zur Mitverantwortung mit
herangezogen wird, an deren Aufblühen und finanziellem Aufstieg
diese Stände, die Einwohner der Gemeinde, ihre Freude haben
und für die sie die Verantwortung in wirtschaftlicher und
politischer Beziehung gerne übernehmen, oder wollen Sie aus
den Gemeinden Lakaien der Staatsverwaltung machen? Wollen Sie
anstelle der aufrechten und ehrlichen Selbstverwaltung den gekrümmten
Rücken vor den Verwaltern des Dotierungsfondes sehen? Es
ist dies eine Frage, die nicht nur die Selbstverwaltungskörper
und die Gemeinden angeht, sondern für die gesamte menschliche
Entwicklung von der größten Bedeutung ist. Das vergangene
Jahrhundert hat sich dadurch ausgezeichnet, daß es von dem
absoten Staat, von dem Staat, der mit dem Zentralismus, mit dem
in Frankreich gezüchteten und überzüchteten Zentralismus
gebrochen und an Stelle der reinen absoluten Staatsverwaltung
die Mitwirkung der Gemeinden, der Selbstverwaltungskörper,
der Bürger des Staates gesetzt hat. Ich behaupte, dieser
Fortschritt war für die Entwicklung der Menschheit viel wichtiger,
als etwa die Erteilung des allgemeinen, gleichen Wahlrechtes,
wenn dieses Wahlrecht so mißbraucht wird, wie wir es heute
hier im Parlamente sehen. Welchen Zweck kann das allgemeine Wahlrecht
haben, wenn ein geradezu terroristisches System der Mehrheit auf
der einen Seite aufgestellt und wenn auf der anderen Seite die
Opposition zur Ohnmacht und absoluten Bedeutungslosigkeit verurteilt
wird? Ist es nicht ein viel größerer Fortschritt in
der Entwicklung der Menschheit gewesen, wenn man zur Verwaltung,
zur tatsächlichen Entscheidung in kleinem und später
in größerem Umfange die Einwohner der Gemeinde, die
Bürger, Arbeiter und Landwirte herangezogen hat?