Diese Vertretungen werden nichts anderes als
ein Beirat sein, der wahre Herrscher über alles wird der
Polizist sein. Genau dasselbe, was von den Ländern gilt,
gilt für die Bezirke: Dieselbe Beamtenherrschaft in den Bezirken,
dieselben Ernennungen. Was das in wirtschaftlicher Hinsicht bedeutet,
daß diese Bezirke den Deutschen aus der Hand genommen werden,
möchte ich an einigen Zahlen aufzeigen. (Pøedsednictví
pøevzal místopøedseda Stivín.)
Es machen die ordentlichen Voranschläge
der deutschen Bezirke ca 200 Millionen aus, die außerordentlichen
ca 100 Millionen. Jährlich fließen durch diese Bezirke
300 Millionen der deutschen Wirtschaft zu. In diesen deutsch en
Bezirken gibt es 6.000 Angestellte.
Stellen Sie sich vor, was mit den Lieferungen
in dem Augenblicke geschehen wird, wo die neue Verwaltung in den
Bezirken Tatsache sein wird, wie viele von den 6000 deutschen
Angestellten das Schicksal derer teilen werden, die bei den staatlichen
Betrieben, bei der Bahn und der Post angestellt gewesen sind.
Die deutschen Bezirke verwalten, heute die Fonds vieler Sparkassen
u. s. w., die 1000 Millionen Spareinlagen haben. Welche Folgen,
es zeitigen wird, wenn die Verwaltung verèecht und
bürokratisiert sein wird, kann sich jeder leicht ausmalen..
Das, glaube ich, dürfte auch manchen Bauern und Gewerbetreibenden
ganz außerordentlich interessieren, wenn
er sich nur eine Vorstellung machen würde und könnte,
was dann eintreten wird.
Aber das ist noch lange nicht alles. Man macht
in einem Aufwaschen ganze Arbeit. Es ist wirklich ein Mittel,
um auf Umwegen zum Fascismus zu kommen, was man mit dieser Verwaltungsreform
plant. Es ist der erste Schritt zur Aufhebung des allgemeinen
Wahlrechtes. (Výkøiky: Ein ziemlich direkter!)
Ja, ein ziemlich direkter. Einmal wird
das Wahlalter auf 24 Jahre, dann wird die Seßhaftigkeit
erhöht. Man muß ein Jahr seßhaft sein. Das richtet
sich gegen die Arbeiter. Die Erhöhung des Wahlalters richtet
sich gegen die Jugend und zeigt die Furcht der Regierungsparteien
vor der Jugend. In der Erhöhung der Seßhaftigkeit äußert
sich die Furcht vor der Arbeiterschaft überhaupt. Die wirtschaftlichen
Verhältnisse zwingen die Arbeiter, ihren Wohnsitz zu wechseln,
und durch die Erhöhung der Seßhaftigkeit kann man also
viele Zehntausende Arbeiter um ihr Wahlrecht betrügen.
Dazu kommt die Ernennung eines Drittels der
Vertreter. Ein Drittel der Vertretung en wird aus ernannten Personen
bestehen. Die Regierung wird Fachmänner ernennen. Sie erklärt,
diese Fachmänner seien eine Notwendigkeit; als man aber das
Gesetz gemacht hat, da hat man keine Fachmänner beigezogen,
da hat man es abgelehnt, Fachmänner zu hören. Dort aber
sind Fachmänner notwendig! Man wird als Fachmänner natürlich
jene ernennen, die weil sie bei der Bevölkerung sich in Mißkredit
gebracht haben, wahrscheinlich auf anderem Wege nicht so leicht
in die Vertretungen hineinkommen könnten. Es wird sich herausstellen,
daß die Landbündler, daß die Gewerbeparteiler
und daß die Christlichsozialen über ein ganzes Heer
von Fachmännern verfügen, während es Fachmänner
nicht geben wird, die oppositionellen Parteien angehören.
Eine bedeutende und in ihren Wirkungen von
der Masse der Bevölkerung vielleicht noch nicht ganz erkannte
nationale Gefahr birgt die Beamtenherrschaft in sich. Es ist ganz
köstlich nachzulesen, wie die "Deutsche Presse"
versucht, diese Beamtenherrschaft sozusagen als Gewinn für
das deutsche Volk hinzustellen. So sagt die "Deutsche Presse"
in ihrer Ausgabe vom 24. Feber: "Nun ist es bekannt, daß
bei der Aufstellung der Ministerien das deutsche Element nur vereinzelt
herangezogen wurde und auch später nicht nach dem Schlüssel
des Bevölkerungsverhältnisses in die Ministerien einzog.
Dagegen blieb das deutsche Element in der zweiten und ersten Instanz,
insoweit es nicht durch Abgang und geringeren Eintritt in den
Staatsdienst eine verhältnismäßige Minderung erlitt.
Stattet man aber diese Instanzen mit größeren Kompetenzen
aus, so partizipiert das hier numerisch stärker als in den
Ministerien vertretene deutsche Beamtenelement dieser unteren
Instanzen automatisch an deren ausgestatteter Machtvollkommenheit."
Das scheint sehr bestechend zu sein: Wir sind viel besser daran,
wenn diese deutschen Beamten in den untern Instanzen sitzen,
daß beim Land der Instanzenzug aufhört und nicht an
das Ministerium gehen muß, wo die èechischen Beamten
sitzen. Aber am 16. April bringt dieselbe "Deutsche Presse"
ein en Artikel, der sich "Verwaltungsreform und Systemisierung"
nennt, worin gesagt wird: "Aber gerade
während man auf der einen Seite gute Vorkehrungen trifft,
kommen andererseits Sachen vor, die imstande sein könnten,
die besten Absichten und Theorien zunichte zu machen. Als Beweis
dafür müssen wir auf die bedauerliche Tatsache der Ernennungen
hinweisen, welche in den letzten Wochen in der Prager politischen
Landesverwaltung erfolgt sind. Dieser gehören 45 Regierungsräte
an, von denen nur 7 Deutsche sind." Das ist das stark vertretene
deutsche Element in den unteren Instanzen! Das Blatt fährt
fort: "Dieselbe Landesregierung verfügt derzeit über
158 Statthaltereiräte, von denen 29 Deutsche sind. Im ersten
Falle also 12.7 % im zweiten Falle 18.3 % Deutsche,
Zahlen, welche weder der Bevölkerungsziffer, noch den verwendbaren
deutschen Kräften entsprechen. In der letzten Zeit wurde
eine Reihe dieser Statthaltereiräte zu Departementschefs
ernannt. Daß man bei den erwähnten Ernennungen die
54 rangältesten Statthaltereiräte, von denen doch sicherlich
nicht alle ausnahmslos ungeeignet gewesen sein können,
übersprang, daß man erst den èechischen Statthaltereirat
zum Departementchef ernannte, der in der Rangliste rein an 55.
Stelle steht, daß sich unter den übergangenen Vordermännern
12 deutsche Statthaltereiräte befinden, die seit Jahren bei
der Statthalterei Dienst machen und außerdem
noch 3 deutsche Statthaltereiräte, die als Chefs von politischen
Bezirksverwaltungen tätig sind, das ist eine Tatsache, die
begreiflichen und begründeten Unwillen erregen muß,
umsomehr als sich übergangene deutsche Statthaltereiräte
an dritter, vierter, fünfter usw. Stelle befinden."
Also hier gibt dieselbe "Deutsche Presse" zu, daß
es die Regierung in der Hand hat - und sogar in einer Zeit, in
der Herr Mayr-Harting Justizminister und Herr Dr Spina
ebenfels Mitglied des Kabinetts ist - von dem Ernennungsrecht
einen Gebrauch zu machen, der sich gegen die Deutschen richtet.
(Výkøiky: Betrogene Betrüger!) Gewiß!
Ganz außerordentlich interessant, ja, lustig mutet es an,
daß man wenigstens eines getan hat:
Dem Bürokraten, den man an die
Spitze des Bezirkes setzt, den man mit allen erdenklichen Vollmachten
ausrüstet, dem man einen Freibrief gibt, zu handeln wie er
will, diesem Bürokraten wollte man ursprünglich den
Namen eines náèelník geben, eines Bezirksvorstehers;
glücklicherweise ist es aber soweit gekommen,
daß man wiederum den Namen Bezirkshauptmann gefunden hat.
Das soll heißen: Er ist euer Herr, er ist euer Gebieter;
in dem Namen schon soll zum Ausdruck gebracht werden, das ist
der Herr, dem wir unbedingt zu folgen haben, denn er ist unser
Hauptmann. Ich glaube, man hätte noch einen beßeren
Titel finden können: Landvogt! So wäre der richtige
Ausdruck gewesen.
Wir sehen also schon bei der flüchtigsten
Übersicht über das, was die Verwaltungsreform bringen
soll, daß sie ein Grab für die nationale Autonomie
sein wird, wir wissen, daß sie ein Grab für die soziale
Fürsorge wird. Die "Deutsche Presse" hat sogar
den Versuch gemacht, in einem Artikel darzulegen, daß man
die Fachleute ernennen müsse deshalb, weil es sich doch um
die Verwaltung von - nicht bloß staatlichen - Wohlfahrtseinrichtungen
in den Bezirken, Gauen und Ländern handle. Das Blatt schreibt:
"Das Interesse der Verwaltung solcher Wohlfahrtsinstitutionen
ist viel stärker, als das Bedenken, daß nicht jeder
Bürger durch seinen Stimmzettel an ihr teilnimmt, ihre -
wenn auch nur teilweise - Entpolitisierung viel wichtiger, als
der Grundsatz des allgemeinen Stimmrechtes." Und es konnte
wohl auf diese Verdrehung der Tatsachen niemand anderer besser
antworten, es war wohl niemand zuständiger zur Antwort als
der Reichsverband für deutsche Jugendfürsorge, der in
einer Entschließung ausdrücklich darauf aufmerksam
gemacht hat, daß er die größte Gefahr für
die Jugendfürsorge, die größte Gefahr für
die soziale Fürsorge in der Tatsache sieht, daß die
Bezirksverwaltungen bürokratisiert werden und daß sie
nicht Menschen, die von der Bevölkerung hingestellt sind
auf diesen Posten, darüber zu bestimmen haben, was in den
Bezirksverwaltungen in Bezug auf soziale Fürsorge, in Bezug
auf Jugendfürsorge zu geschehen hat, sondern, daß mit
dieser Aufgabe ein Bürokrat betraut werden soll.
Aber die Krönung des Ganzen ist wohl das
Prügelpatent. Was im Jahre 1854 Metternichs Erbe, Alexander
Bach, ausgeheckt hat zu dem Zwecke, um Untertaten zu züchtigen,
die der hohen Obrigkeit nicht genehm waren, feiert in der Verwaltungsreform
der èechoslovakischen Republik seine Auferstehung, nur
noch ärger, nur noch mit bedeutend höheren Strafausmassen.
Die Landes- und Bezirksämter können alle ihnen zweckdienlich
erscheinenden Verfügungen und Anordnungen treffen und die
Nichtbefolgung mit schweren Strafen, mit Geld- und Freiheitsstrafen,
ahnden. Selbst unzuläßiges Betragen an öffentlichen
und öffentlich zugänglichen - man höre - öffentlich
zugänglichen Orten können sie mit schweren Strafen belegen.
Der politische Beamte, bzw. der Polizist erläßt Verordnungen
und er wird zu gleicher Zeit zum Richter über die Bevölkerung
eingesetzt.
Man tut sich hierzulande viel darauf
zugute, daß die èechoslovakische Republik sich gründlich
entösterreichert habe. Man stürzt Denkmäler aus
der österreichischen Zeit, geht gegen jede Gedenktafel vor,
gegen jede Strassenbenennung, gegen Hausschilder, die an Österreich
erinnern, gleichzeitig aber sucht man die Rumpelkammer
des einstigen absolutistischen Österreich mit allem Eifer,
der Lumpensammler auszeichnen kann, durch nach Ketten, um das
Volk zu fesseln, und nach Prügeln, mit denen man es schlagen
kann. In der Republik Österreich war man nicht so kindisch,
Denkmäler zu stürzen, man entösterreicherte sich
dort, indem man die kaiserlichen Verordnungen und die Hofdekrete
aus der absolutistischen Ära aufhob. Pressefreiheit, Versammlungsfreiheit,
Freiheit der Staatsbürger, das sind Österreichs
Zeichen. Abgetragene Denkmäler, übertünchte Weg-
und Häusertafeln, Unfreiheit, Zensur, Polizeiherrschaft,
Prügelpatent, das sind der freien demokratischen, èechoslovakischen
Republik Zeichen. Die èechoslovakische Republik hat nichts
gemein mit der Republik Österreich, aber
in ihr steht auf das Österreich des Vormärz.
Die Republik Österreich hat eine Verwaltungsreform
durchgeführt, die ausdrücklich das Prügelpatent
aufhebt und es durch Bestimmungen ersetzt, die jegliche polizeiliche
Willkür ausschließen und überdies jedem
Bestraften den Weg zum Verwaltungsgericht freilassen. Umso größer
die Schande, mit der sich die èechoslovakisch-deutsche
Regierung, die Èechoslovakische Republik unter Führung
Kramáøs bedeckt, umso
gemeiner die Niedertracht, die diesen Block auszeichnet, daß
nun hier nicht nur das Prügelpatent des Bach vom Jahre 1854
über unser Volk verhängt werden soll sondern noch ein
verschärftes, ein mit neuen und erhöhten Gemeinheiten
ausgestattetes Prügelpatent. Die Republik des Alexander Bach,
die Republik, die den Geist der Metternischen Zeit widerspiegelt,
dahin ist es unter Kramáøs Führung,
unter der deutschen Regierungsparteien beispiellosem Verrat gekommen!
Würden die deutschen Volksmassen ahnen, was ihnen bevorsteht,
es hätte gestern kein Kramáø hier
oben stehen dürfen und es dürfte kein Regierungsdeutscher
mehr in sein Heimatsdorf zurückkehren. Das alte österreichische
Prügelpatent gestattet den politischen Behörden die
Erlassung von Verboten im legalen Wirkungskreise, das èechoslovakische
Prügelpatent gibt den Landes- und Bezirkspaschas freie Hand,
zu gebieten und zu verbieten. Das alte österreichische
Prügelpatent hat Vorkehrungen wegen Störung der Ruhe
vorgesehen, in dem hier in Vorbereitung befindlichen Gesetz ist
schon die Bedrohung der Ruhe ein Anlaß, mit dem Prügelpatent
einzuschreiten. Das alte österreichische Prügelpatent
kennt nur Strafe für ein Ärgernis, das durch polizeiwidriges
Verhalten hervorgerufen wurde, das èechoslovakische hat
Strafen für polizeiwidriges Verhalten und außerdem
für Ärgerniserregung. Das alte österreichische
Prügelpatent setzt Geldstrafen von 2 bis
200 Kronen fest, im èechoslovakischen werden bis zu 5000
Kè festgesetzt. Das alte österreichische Prügelpatent
hat Höchststrafen von 14 Tagen geduldet, das èechoslovakische
kennt Arrest bis zu 6 Wochen. Das alte österreichische Prügelpatent
sieht vor, daß die höchste
Polizeistrafe nicht höher sein dürfe, als die geringste
Gerichtsstrafe im ähnlichen Delikt, das èechoslovakische
kennt diese Beschränkung nicht. Und neben diesen noch eine
Reihe von Verschlechterungen und Verschärfungen. Die Regel
eines Rechtsstaates heißt: Keine Strafe
ohne Gesetz. Diese Regel ist hier durchbrochen, das Gesetz ist
durch eine vor 70 Jahren in Österreich erlassene Verordnung
ersetzt.
Prof. Rauchberg faßt sein Urteil über
dieses ungeheuerliche Attentat auf die bürgerliche Freiheit
zusammen in die Worte: "Das berüchtigte alte Prügelpatent
nimmt sich wie ein harmloses lyrisches Gedicht aus neben den Schrecken
des neuen Prügelpatentes, das die Regierung in ihre Verwaltungsreformvorlage
eingeschmuggelt hat. Hierauf gibt es nur eine Antwort: Außerster
Widerstand. Um die Freiheit wäre es sonst geschehen!"
Nun einen Überblick darüber, wie
die deutschen Regierungsparteien hier gekämpft haben, um
diesem Gesetze seine Härten zu nehmen, wie sie sich des Volkes
angenommen haben. Bedingungslos standen hinter dieser Vorlage,
mit der die Arbeiter ohnmächtig gemacht, mit der die Deutschen
zu Parias erniedrigt werden sollen, sofort die deutschen Christlichsozialen,
deren Führer Herr Mayr-Harting - ich möchte jedes
Wort das ich hier sage mit Überlegung aussprechen - deren
Führer Mayr-Harting wohl die übelste Rolle spielt,
die je ein Angehöriger des deutschen Volkes gespielt hat.
Herr Mayr-Harting hat es fertig gebracht, im Blatte des
Moritz Benedikt die faustdicke Unwahrheit unterzubringen, daß
diese Verwaltungsreform ein Vorteil für die Deutschen sei.
Als wir in Karlsbad, in der Hauptstadt seines Wahlkreises, uns
mit ihm darüber auseinandersetzen wollten, ließ er,
der aktive Justizminister, schnell seine schon angesagte Versammlung
von der Polizei verbieten. Er, der Justizminister schämte
sich nicht, sich hinter das bestellte Machtwort eines Polizisten
zu verstecken. Als in seinem eigenen, also im christlichsozialen
Lager Unruhe ausbrach, verlegte er sich auf Versprechungen. Man
weiß niemals bei Herrn Mayr-Harting, wieviel man
auf sein Wort zu geben hat, man weiß niemals bei ihm, was
man als wahr oder als unwahr zu unterscheiden hat. Er gibt aber
Versprechungen, von denen er weiß, daß seine Partei
sie nicht halten werde. Am Prager Kreisparteitag der christlichsozialen
Partei er klärte er, die Verwaltungsreformvorlage bilde nur
eine Verhandlungsgrundlage und müsse verbessert werden, wozu
er folgende Forderungen aufstellte: Sicherung des deutschen Schulwesens,
Schulautonomie, entsprechende Berücksichtigung deutscher
Beamten, eine solche politische Ordnung, die dem deutschen Volk
das entsprechende Maß von Mitbestimmung sichere und sprachliche
Gleichberechtigung. Wie er sein Wort gehalten hat, das geht aus
der Tatsache hervor, daß seine Partei im Verfassungsausschuß
das gerade Gegenteil von dem tat, was er versprochen hat. Herr
Mayr-Harting erklärte z. B. die Schulautonomie als
eine Bedingung. Nun brachten die deutschen Sozialdemokraten im
Verfassungsausschuß den Antrag ein, die Schulautonomie festzulegen,
und sie legten hiezu gleich einen fertigen Gesetzentwurf vor.
Und siehe da, Herrn Mayr-Hartings Partei stimmte dagegen.
Ebenso natürlich die anderen deutschen Regierungsparteien,
da ihnen Herr Kramáø nicht
erlaubte, für die Schulautonomie zu stimmen.
Herr Mayr-Harting stellte die Forderung
nach sprachlicher Gleichberechtigung auf. Als die deutschen Sozialdemokraten
aber verlangten, daß alle Vertreter in den Ländern
und Bezirken sich ihrer Muttersprache bedienen dürfen,
stimmten dem wohl die èechischen sozialistischen Parteien
zu, aber die Herren der Partei Mayr-Hartings,
die deutschen Christlichsozialen, die Landbündler und Gewerbeparteiler
stimmten flott gegen diese sprachliche Gleichberechtigung. Herr
Mayr-Harting verlangt, um die eigenen Anhänger zu
beruhigen, eine politische Ordnung, die die Rechte des deutschen
Volkes sichere: aber seine Partei, und mit ihr die beiden anderen
deutschen Regierungsparteien, stimmten sogar den sozialdemokratischen
Antrag auf nationale Abgrenzung der Bezirke nieder. Die drei deutschen
Regierungsparteien verlangten eine nationale Sicherung bei der
Ernnenung der Fachmänner in den Bezirks- und Landesvertretungen.
Nun beantragten die deutschen Sozialdemokraten, daß die
Regierung verpflichtet werde, bei Ernennungen das Wahlergebnis
zu respektieren - das war die einzig mögliche nationale Sicherung
- und die drei deutschen Regierungsparteien stimmten dies auf
Kramáøs Geheiß
sofort nieder.
Die deutschen Regierungsparteien haben von
allem Anfang an die Verwaltungsreform gutgeheißen. Die hochgehenden
Wogen der Empörung des Volkes haben sie dazu gebracht, zur
Ermattungsstrategie ihre Zuflucht zu nehmen. Sie versprachen Sicherungen
der nationalen Interessen, Sicherungen der persönlichen Freiheit,
Sicherungen im Sprachenrechte. Und nichts, nichts, nichts haben
sie davon gehalten. Alle grundlegenden Bestimmungen des ursprünglichen
Entwurfes sind geblieben. Sie haben im Verfassungsausschuß
bei der Beratung des Verwaltungsreformentwurfes nicht den Mund
aufgetan, - mit einer Ausnahme: Als es gegolten hat, einen Akt
der Korruption zu setzen und den Mitgliedern der Landes- bzw.
Bezirksvertretung die Beteiligung an Lieferungen zu ermöglichen
- das Recht des Staatsbürgers, die Freiheit der Angehörigen
des eigenen Volkes, der Bestand der Selbstverwaltung, das deutsche
Volk galt ihnen nicht einen Pfifferling. Herr Kramáø
konnte erklären: Wir haben Zugeständnisse gemacht,
soweit èechische Parteien dies mit ihrem nationalen Standpunkte
vereinbaren konnten.
Die "Prager Presse", das Regierungsorgan
schrieb erst gestern wieder voller Freude, es seien wohl Zugeständnisse
gemacht worden, aber keine grundsätzlichen Zugeständnisse.
Sogar das haben die deutschen Volksverräter
geschluckt, als Herr Èerný ihnen
höhnisch gesagt hat, man brauchte sich vor der Allgewalt
der Bürokratie nicht mehr zu fürchten, weil wir jetzt
nicht mehr österreichische sondern unsere, das heißt
èechische, das heißt èechisch-nationale Beamte
haben. Ich fasse zusammen: gewissenlos, skrupellos liefern diese
deutschen Regierungsparteien, liefern die Christlichsozialen,
die Landbündler und die Gewerbeparteiler
unser Volk, unsere Selbstverwaltung dieser èechisch-nationalen
Bürokratie aus. Es bleibt bei der Auflassung der deutschen
Gaue, es bleibt bei den Landesverwaltungen, in denen wir Deutsche
nichts gelten und niemals etwas gelten können, es bleibt
bei dem Raub des gleichen Wahlrechtes, es bleibt
bei den Ernennungen durch die Regierung, es bleibt bei dem Prügelpatent,
es bleibt bei der Vernichtung der Selbstverwaltung, bei der Verschüttung
der nationalen Autonomie, es bleibt bei der Allmacht der Landes-
und Bezirkspaschas, es bleibt bei der Festlegung der Minderwertigkeit
des deutschen Volkes. Und das alles mit ausdrücklicher Zustimmung
der drei deutschbürgerlichen Parteien, jener Parteien, die
bis in die Letzte Zeit hinein die unglaubliche Frechheit aufgebracht
haben, den deutschen Sozialdemokraten, nationale Unzuverlässigkeit
vorzuwerfen, sich bei der Bevölkerung als die Deutschen,
als die nationalen Parteien aufzuspielen und uns als weniger gut
deutsch hinzustellen. Es bleibt bei all dem mit ausdrücklicher
Zustimmung der deutsch-bürgerlichen Parteien, die elender
Profite wegen zu Henkern und zu Toten gräbern des deutschen
Volkes werden. Alle Parteien, die nicht in der Regierung sitzen,
haben sofort, als der erste Entwurf der Verwaltungsreform herausgekommen
ist, Protestkundgebungen gegen das beabsichtigte Schandgesetz
abgehalten.
Wir deutsche Sozialdemokraten haben allein
an 1000 Versammlungen, die oft zu riesigen Manifestationen wurden,
abgehalten. Das ganze Volk ist aufgestanden und bis in das Lager
der Regierungsparteien hinein ging die Welle der Erregung. Fast
alle Städte und Bezirke erhoben feierlichen Protest gegen
die Absicht, die Selbstverwaltung zu erwürgen und die Polizei
zu unserem absoluten Herrn zu machen. Selbst jene Èechen,
die sich noch ihre Ansichten aus besserer Zeit bewahrt haben,
haben aufgeschrien. Senator Dr Karas der
klerikalen èechischen Volkspartei schrieb im Organ des
Herrn Ministers Šrámek unter
anderem: "Die Durchführung aller ihrer Angelegenheiten
soll also in den Händen von Staatsbeamten liegen, die ausschließlich
dem Innenminister unterstellt sind und auf welche die Vertretungen
absolut keinen Einfluß haben." Senator Dr Karas
fragt, ob eine solche Vorlage einem demokratischen Parlament
überhaupt unterbreitet und von gewählten Volksvertretern
angenommen werden kann. Es sei nicht zu begreifen, daß sie
von Ministern genehmigt worden sei, die parlamentarischen Klubs
angehören. Sogar ein Blatt der Partei des Herrn Kramáø,
also des Herrn Paten dieser Mißgeburt von einer Verwaltungsreform,
erhebt heftige Kritik. Es ist das "Demokratický
støed", das unter anderem schreibt:
"Der Präsident der Landesverwaltung,
ein Staats-, nicht autonomer Beamte, wird sozusagen der absolute
Herrscher des Landes sein, der nur zur Verzierung der Vorlage
mit einer beratenden Körperschaft umgeben ist, die nur in
genau angeführten Fällen im beschränkten Umfang
mitzuentscheiden die Möglichkeit hat. Es wird Sache des Präsidenten
sein, ob er verschiedene Bestimmungen der Vorlage liberal oder
mit bürokratischer Schärfe auslegen wird. Seine Macht
wird so weitgehend sein, daß sich nicht einmal die ehemaligen
Statthalter hätten davon träumen lassen. So vereinigt
sich Macht und Einfluß des Statthalters mit der Macht und
dem Einfluß der Leiter der Staatsverwaltung. Der Oberstlandmarschall
wurde vom Kaiser auf die Dauer der Wahlperiode ernannt. Der neue
Landeschef, der Träger beider Funktionen, soll auf unbegrenzte
Zeit lebenslänglich, bezw. auf die Dauer seiner Dienstzeit
ernannt werden." Zum Schluß hat das Blatt auf das Prügelpatent
hingewiesen.
In der christlichsozialen "Deutschen Presse"
vom 10. März d. J. fällt der christlichsoziale Senator
Stolberg ein vernichtendes Urteil über den Entwurf.
Er verweist auf die Arbeit, die von der Republik Österreich
geleistet wurde, um ein modernes Verwaltungsrecht zu schaffen
und damit endlich die Rechtsanschauung des Polizeistaates von
ehedem zu erledigen und stellt fest, daß der vorliegende
Entwurf dem umgekehrten Weg zur Rückbildung des Rechtes im
Sinne des alten Polizeistaates geht. Schließlich sagt er:
"Es ist kaum verständlich, wieso die Regelung dieses
ganzen Rechtsgebietes als Durchführung eines bestimmten Gesetzes
und im Rahmen desselben angesehen werden könnte. Die Republik
Österreich hat dieses Rechtsgebiet im Jahre 1925 in 5 Gesetzen
behandelt. Durch diese 5 Gesetze werden 14 Hofkanzleidekrete und
Verordnungen der absolutistischen Zeit vom Jahre 1799 bis 1868
außer Kraft gesetzt. Die hiesige Regierung scheint den Ehrgeiz
zu haben, diesen 14 Dekreten und Verordnungen noch eine 15. hinzuzufügen."
Wenn man dieses scharfe Urteil über eine von Herrn Mayr-Harting
unterstützte Vorlage im Blatte desselben Mayr-Harting
liest, braucht man nicht überrascht zu sein. Herr Mayr-Harting
ist ja auch Vorsitzender des Deutschen Juristentages, der
diese Vorlage als "im höchsten Maß überstürzt",
als ein "Ermächtigungsgesetz schlimmster Art",
als eine Ignorierung der lokalen und nationalen Selbstverwaltung,
als Aufhebung der kleinen Anfänge zur nationalen Autonomie
erklärte. Herr Mayr-Harting bringt es eben fertig,
gegen sich selbst zu protestieren und dann auf seinen Protest
zu pfeifen, was Parteigenosse Czech unlängst in einem
treffenden Zwischenruf festgestellt hat, indem er sagte: "Er
fährt im Doppelgeleise."