Pátek 1. èervence 1927

Und nun möchte ich mich zu der zweiten außerordentlich wichtigen Frage zuwenden, die aufgeworfen werden muß, wenn der Staat daran geht, die innere Verwaltung aufzubauen. Es ist dies die Frage des Zusammenlebens und der Zusammenarbeit der Völker dieses Landes. Sooft diese Frage angeschnitten wurde, hieß es immer, daß dieses Problem mit der Verwaltungsreform nichts gemein habe. Dieser Meinung hat wiederholt der Herr Innenminister Èerný Ausdruck gegeben und auch eine ganze Reihe von Koalitionsführern. Ja, es blieb sogar dem Herrn Vizepräsidenten Zierhut vorbehalten, meiner Frage nach der Regelung der Geschäftssprache, wie diese Regelung für die neugeschaffenen Organisationen stehe, die Frage entgegenzuwerfen, was das eigentlich mit der ganzen Landesreform und Verwaltungsreform zu tun habe. Aber wir sind ganz anderer Meinung. Wir halten dafür, daß gerade die Stunde, in der der innere Aufbau des Staates durchgeführt wird, zur Aufrollung dieses Problems verpflichtet. Gerade weil wir von der Notwendigkeit der Zusammenarbeit der dieses Land bewohnenden Völker durchdrungen sind, gerade weil wir bereit sind, die für die Herbeiführung dieser Zusammenarbeit notwendigen Kräfte für dieses Werk einzusetzen, richten wir an die Machthaber dieses Staates die Frage, ob nicht auch sie die Stunde für gekommen erachten, um allen Völkern dieses Landes ein wohnlich es Heim zu schaffen und dem Lande den so heiß ersehnten Frieden zu geben, dem Lande die harmonische Zusammenarbeit aller Völker auf sozialem und wirtschaftlichem Gebiete zu sichern. Wir haben diese Frage im Zuge der Beratungen über die Verwaltungsreform immer und immer wieder gestellt und durch ein ganze Reihe von Anträgen den Weg aufgezeigt, der nach unserer Meinung zu dem ersehnten Ziel führen soll. Auch hier konnten wir uns wieder auf die Geschichte und vor allem auf die alten Vorkämpfer des èechischen Volkes berufen. Ich verweise auf die Vorgänge in den Plenarversammlungen des Kremsierer Reichstags. Schon am 22. Jänner 1848 erklärte Palacký im Kremsierer Reichstag: "Es muß nicht nur jede Nationalität gewahrt, sondern bei der provinziellen Einteilung muß die Nationalität berücksichtigt werden, denn sonst ist die so sehr gepriesene Gleichberechtigung eine reine Illusion. Dann ist in Steiermark und Kärnten der Slave, in Tirol der Italiener, in Böhmen der Deutsche eine Null. Eine unnatürliche Ehe trägt niemals Früchte und deshalb ließ man die Ehescheidungen zu. Ebenso ist die unnatürliche Ländervereinigung ein Fluch der Menschheit." Palacký schlug damals, wie Sie besonders die Mehrheitsparteien, wissen, als Lösung die Teilung Böhmens in ein Èechisch-Böhmen und Deutsch-Böhmen vor. Tags darauf, am 23. Jänner kam Dr Rieger zum Wort und sagte: "Ich finde die Einteilung Österreichs nach den bisherigen Provinzen nicht für zeitgemäß. Ich finde einige Provinzen zu groß und die anderen zu klein" - Argumente, die man heute für die Verwaltungsreform mit Nutzen verwenden könnte - "so stimme ich der von Palacký vorgeschlagenen Einteilung nach Landesgruppen zu. Der slavische Böhme will nur selbständig sein", sagte Dr Rieger "nicht aber erobern und andere Elemente unterdrücken. Ich habe es mehr als genug gefühlt, wie wehe es einem Volke tut, unterdrückt zu sein." Karl Havlíèek, der auch zu dieser Frage zum Worte kam, meint: "Die Nationalität bedeutet bei uns, daß dort, wo unser Volk wohnt, auch die Regierung èechisch sei und daß sowohl bei den Gerichten, als auch bei den Behörden und in allen öffentlichen Angelegenheiten die Sprache des Volkes angewendet werden möge. Das Wort: "Überall wo unser Volk wohnt," nehmen wir im ehrlichen Sinne. Wir verlangen, daß die Nationalitäten zum Zwecke der Landesverwaltung in angemessener Weise arrondiert werden. Nach diesem Grundsatze überlassen wir die Gegenden, wo die Deutschen geschlossen wohnen, der deutschen Verwaltung." Ich zitiere die Worte führender Menschen, die viele Jahrzehnte zurückliegen, aber in diesem Sinne sprachen sich auch im Laufe weiterer Jahrzehnte zahllose führende Politiker aus und unter diesen Politikern befand sich eine zeitlang auch Herr Dr Kramáø, von dem bekannt ist, daß er sich für den von sozialdemokratischer Seite, von Seliger-Nìmec-Daszyòski eingesetzten Nationalitätenausgleichsantrag mit größter Wärme und Begeisterung eingesetzt hat. Aber seit dem Umsturz haben sich die Meinungen der èechischen bürgerlichen Politiker wesentlich gewandelt, ja sie sind eigentlich ins Gegenteil umgeschlagen. Die Èechen, die in Österreich die Apostel der nationalen Selbstbestimmung und Verwaltung gewesen sind, sind nun die fanatischsten Verfechter des starrsten Zentralismus geworden. Dieselben bürgerlichen Politiker, die die Vorkämpfer des föderalistischen Nationalitätenstaates gewesen sind, haben sich in die Gewalthaber des èechoslovakischen Nationalstaates verwandelt. So wurde denn nach Konstituierung dieses Staates in den ersten Jahren das nationale Problem, das Jahrzehnte lang das Um und Auf der èechischen Politik gewesen ist, von den èechischen Politikern einfach von der Tagesordnung abgesetzt, die Existenz der nationalen Frage für den èechischen Staatsbereich einfach abgeschafft und jede Erörterung dieses Problems für ausgeschlossen erklärt. Als es aber dann zur deutschen Mitarbeit kam, ist man zu einer anderen Taktik übergegangen. Man gab wohl gütigst die Existenz eines nationalen Problems zu, aber man erklärte gleich dieses Problem als zeitweilig gelöst. Charakteristisch dafür ist ein Wort des aktiven Ministers Hodža, das er im "Pesti Napló" geschrieben hat. Das war vor nicht langer Zeit. Er meinte: "Nun sind die deutschen Agrarier und die deutschen Christlichsozialen zur Teilnahme an der Regierung vorbereitet, sie werden für das Budget stimmen, sie werden die Militärvorlagen votieren, wie jede andere èechoslovakische Partei, sie werden die gleiche gouvernementale Verantwortung haben, wie jede Partei der früheren Koalition", und das bedeutet, meint Herr Dr Hodža, daß im èechoslovakischen Staat die nationale Frage praktisch bereits gelöst sei. (Rùzné výkøiky nìm. soc. demokratických poslancù.) Hohes Haus! Daß eine solche Lösung den èechoslovakischen Machthabern praktisch erscheint, wollen wir Ihnen glauben. Allerdings ist hier mehr der Wunsch der Vater des Gedankens, die Wirklichkeit aber sieht anders aus. In Wirklichkeit wurde die ausländische Öffentlichkeit hier durch Vorspiegelung falscher Tatsachen geradezu zum Besten gehalten. Das Rezept des Herrn Dr Hodža mag sehr schön, es mag sehr praktisch sein, aber wahr ist es deshalb nicht. Auch für Herrn Dr Viškovský scheint die schöne Lösung des nationalen Problems schon entschieden zu sein. Herr Dr Viškovský hat vor einigen Tagen hier im Parlamente wörtlich gesagt: "Wir haben keinen Anlaß, in der Demokratie die Selbstverwaltung gegen den Staat zu stellen, ebenso wie den Mißbrauch der Verwaltung zuzulassen, damit sie ein Mittel zu Agitationszwecken und ein Feld für nationale und soziale Kämpfe werde." Hohes Haus! Was hier gesagt wurde, ist nicht mehr und ist nicht weniger als die Einladung an die Minoritätsparteien des Landes, alle Hoffnungen auf Selbstverwaltung an den Nagel zu hängen, sich mit der von Dr Viškovský verheißenen Demokratie abzufinden, mit einem Wort, auf das gute Recht vollkommen zu abdizieren.

Nun möchte ich mich den gestrigen Darlegungen des Herrn Dr Kramáø zuwenden. Auch er hat sich veranlaßt gesehen, im Ausschußberichte wie in seinen gestrigen Schlußdarlegungen das nationale Problem wenigstens zu streifen. Schon der Ausschußbericht apostrophiert die Deutschen und setzt ihnen auseinander, daß ihnen die Selbstverwaltung nichts nütze, da die Èechen die zweite Instanz in Händen haben und daher nur die Zusammenarbeit zwischen Staatsverwaltung und autonomer Verwaltung das wirksamste Mittel zur Befriedigung ihrer kulturellen Bedürfnisse bilden könne. In der Plenarberatung des Hauses ist Herr Dr Kramáø deutlicher geworden. Man muß Herrn Dr Kramáø als Anwalt der deutschen Aktivisten agieren gesehen haben. Man brauchte nur seine Darlegungen zur slovakischen und deutschen Frage nackt gegenüber zu stellen, um sich dessen bewußt zu werden und zu begreifen, welche Tragödie Herr Dr Kramáø der deutschen Bevölkerung dieses Landes zu bereiten sich anschickt. Sehen wir uns die Darlegungen des Herrn Dr Kramáø näher an, greifen wir gleich nach seinem Argument von der zweiten Instanz. Stolz verkündet Herr Dr Kramáø, daß die Èechen schon im alten Österreich gegen die wie er sich ausdrückt - Wiener bašta die zweite Instanz besessen haben, und daß sie auch heute die zweite Instanz fest in Händen haben. Und nun deduziert er weiter, daß die Selbstverwaltung für die Deutschen nur dann Zweck und Sinn hätte, wenn die Èechen die zweite Instanz nicht in Händen hätten. Da aber die zweite Instanz bereits in festen èechoslovakischen Händen sei, meint Herr Dr Kramáø, sei die Selbstverwaltung für die Deutschen schon dadurch allein wertlos geworden. Dem gegenüber erlaube ich mir festzustellen, daß die Behauptungen des Herrn Dr Kramáø von der zweiten Instanz an sich unzutreffend sind und daß diese zweite Instanz weiters angesichts der Erfahrungen, die die Deutschen bisher mit ihrer Selbstverwaltung trotz dieser zweiten Instanz gemacht haben, alle Schrecken für sie verloren haben. Herr Dr Kramáø möge also die Sorge um Selbstverwaltung getrost den Deutschen selbst überlassen. Daß übrigens Herr Dr Kramáø mit solcher Offenheit den nationalistischen Charakter der zweiten Instanz enthüllt, diese Instanz ohne Bedenken als einen èechischen nationalen Besitz deklariert, das ist so nebenbei eine kleine Pikanterie, die hoffentlich ihre Wirkungen in deutschen aktivistischen Kreisen draußen nicht verfehlen wird. Und was schlägt Herr Dr Kramáø vor? In seinem überaus großen Wohlwollen für die Deutschen, für die er von nun an eine neue Falte seines Herzens erschlossen hat und in seiner ganz übergroßen Sorge um das Schicksal der deutschen aktivistischen Parteien, die er nun ganz offen vor aller Welt unter seine Fittiche genommen hat, weiß er sich heute, so leid ihm dies tun mag, so sehr sein Herz darüber auch zerbrechen möge, keinen anderen Rat, als den Deutschen, da er ihnen die zweite Instanz nicht zu geben vermag, nunmehr auch noch die erste wegzunehmen. Wer erinnert sich nicht an das bekannte Wort jenes Bankiers, der seinem Diener zurief: "Johann, werf ihn hinaus, er zerbricht mir sonst mein Herz!" Eigentlich hätte sich Herr Dr Kramáø, wenn er nur wollte, auch über die Kalamität der zweiten Instanz hinweghelfen können und, da wir jetzt just mit der Verwaltungsreform befaßt sind, auch bezüglich der zweiten Instanz gewisse Vorsorgen für seinen Schützling treffen können. Im alten Österreich hat Herr Dr Kramáø sich in ähnlicher Lage wohl zu helfen vermocht. Es wird vielleicht dem Gedächtnis des Herrn Dr Kramáø entschwunden sein, daß sich Herr Dr Kramáø im Jahre 1909 mit aller Wärme für die Kreisverfassung und Kreiseinteilung einsetzte, also damals seine Zustimmung zu dieser Kreiseinteilung davon abhängig machte, daß den Èechen dafür die zweite Instanz gewahrt bleibe. Herr Dr Kramáø brauchte also nur die zweite Instanz den Bedürfnissen der Deutschen gemäß auszugestalten und es werden seine Bedenken sofort hinfällig geworden.

Nicht anders steht es um die anderen Argumente des Herrn Dr Kramáø. Als ich ihm während seiner Darlegungen über die slovenská krajina die Forderung nach der deutschen krajina in Erinnerung brachte, glaubte er, mich nicht besser widerlegen zu können, als durch der Zuruf, daß er für die protistátní politika des Herrn Dr Czech nicht zu haben sei. Man beachte, in der Èechoslovakei leben 2 Millionen Slovaken, 3 1/2 Millionen Deutsche. Die Forderung nach der slovenská krajina für die 2 Millionen Slovaken erklärt Herr Dr Kramáø als Ausfluß der státotvornost, die Forderung der Deutschen nach deutscher Selbstverwaltung, als Ausfluß einer protistátní politika. Der slovenská krajina widmete der Referent in seinem Schlußwort einen ganzen Hymnus. Dem slovakischen Separatismus brachte er geradezu jubelnde Ovationen dar, während er die Forderung nach einer deutschen Selbstverwaltung als staatsfeindlich in den Grund bohrte. Für die 2 Millionen Slovaken hat Dr Kramáø eine offene Hand, für die 3 1/2 Millionen Deutschen hat er nichts als eine glatte vorbehaltslose und bedingungslose Eingliederung in den von ihm selbst geschaffenen nationalistischen Staatsund Behördenapparat. Und alles das wurde gestern im Beisein der beiden deutschen Minister, in Anwesenheit nahezu der ganzen deutschen aktivistischen Delegation von Dr Kramáø ausgesprochen, ohne daß sich der leiseste Widerspruch im aktivistischen Lager geregt, ohne daß auch nur ein einziger von den aktivistischen Abgeordneten aufgeschrien und Dr Kramáø in die Schranken gewiesen, gegen seine erniedrigenden Zumutungen Einspruch erhoben und aus seinen Erklärungen die Konsequenzen gezogen hätte. Und in dieser Tatsache erblicke ich für meinen Teil die Katastrophe der deutschen aktivistischen Politik dieses Landes, die sich unter die Patronanz und unter das Diktat Dr Kramáøs gestellt hat, sich von diesem sogenannten und oft so genannten Erbfeind des deutschen Volkes unter die Fittiche nehmen ließ, jede Züchtigung schweigend und demütig über sich ergehen lässt und sich allem Anschein nach das alte kernige Wort "Maul halten und weiter dienen" zur Devise gemacht hat.

Nun fragen wir uns: Was bietet Herr Dr Kramáø den Völkern dieses Landes? Den Slovaken hat er die slovenská krajina gegeben und eine Autonomie, von der ich für meinen Teil ruhig sagen kann, und jeder Kenner der Vorlage, jeder Jurist und Verfassungsmensch sagen muß, daß sie von geradezu Potemkinscher Aufmachung ist, eine Autonomie, die ganz in die Willkür der èechoslovakischen Machthaber gestellt, ihnen auf Gnade und Ungnade ausgeliefert und wohl der grandioseste Hereinfall ist, den es in der Geschichte dieses Landes in der letzten Zeit überhaupt gegeben hat. Als ich neulich Herrn Abgeordneten Juriga hier auf dem Podium sah, wie er sein liebes neugeborenes slovakisches Kind streichelte und liebkoste, da hatte ich nur einen Gedanken, daß das Erwachen der Slovaken aus dem Traume ein fürchterliches sein wird. Denn die Slovaken haben sich - das wurde übrigens vom Abgeordneten Juriga von dieser Tribüne hier auch eingestanden, das Danaergeschenk des Dr Kramáø nicht angeschaut. Die Slovaken scheinen da einem Rausch erlegen zu sein, dessen Zeche sie selbst schließlich zu bezahlen haben werden. Unwillkürlich habe ich mich da an ein kleines Epigram Havlíèek-Borovskýs erinnert, das so die ganze Situation packend und drastisch illustriert. Es wird da von einem Bauer und einem Herrn gesprochen, die gemeinsam aufs Eis gehen. Dieses Epigramm würde in der Paraphrase und in Anwendung auf die èechoslovakischen Verhältnisse etwa so lauten: "Nechoï Ferdo s Kramáøem na led. Mnoho pøíkladù máme: Kramáø sklouzne, a Ferdiš pøi tom nohu zláme." lns Deutsche übersetzt: "Geh" nicht mit dem Kramáø auf 's Eis, Ferdiš, laß Dir 's sagen. Es stürtzt der Kramáø und es bricht der Ferdiš sich den Kragen." (Veselost.) Doch Alles in Allem wurde den Slovaken doch Einiges wenigstens geboten. Für die deutsche 3 1/2 Millionen zählende Bevölkerung aber hat Dr Kramáø, haben die Koalitionsparteien, hat das neue System, der bürgerliche Block nicht einmal das übrig, was er den Slovaken gegeben hat. Die Minderheiten wissen also jetzt, wessen sie sich von der èechslovakischen Koalition zu versehen haben.

Und nun müssen wir uns die Frage vorlegen, wie sich die deutschen Aktivisten die weitere Gestaltung der Verhältnisse in diesem Lande denken und was sie zur Durchsetzung der berechtigten Forderungen der deutschen Bevölkerung unternommen haben, was sie weiter zu tun beabsichtigen. Soweit wir wissen, haben sich die deutschen aktivistischen Parteien mit der Forderung nach nationaler und kultureller Selbstverwaltung bisher nicht an die Oberfläche heraus gewagt und sich lediglich mit ein paar schäbigen Brosamen begnügt, die von der reichlichen Tafel der èechischen Koalitionsparteien abgefallen sind. Statt ihrerseits, ebenso wie es seinerzeit Szent-Iványi getan hat - ich erinnere an die lex Dérer - ebenso wie es die Slovaken gemacht haben - ich habe über den Erfolg ihrer Bemühungen schon gesprochen - auch ihre Forderungen mit aller Schärfe zu formulieren und zur Geltung zu bringen, haben sie alle Argumente zusammengetragen, die der Öffentlichkeit klarlegen sollen, daß eine Geltendmachung von programmatischen Forderungen bei diesem Stande ganz unmöglich sei und zum Zusammenbruch der Koalition führen würde. Daß sie damit das unerhörte Spiel der èechischen Regierungsparteien nur erleichtert haben, brauche ich nicht erst zu sagen. In zahllosen Reden haben die deutschen aktivistischen Politiker - ich nenne Mayr-Harting und auch Zierhut - der deutschen Wählerschaft immer und immer wieder auseinandergesetzt, daß die Lehren der altösterreichischen Ausgleichspolitik gegen die Geltendmachung konkreter programmatischer Forderungen und gegen einen Ausgleich sprechen. Ja, aus allen Reden, die seitens des Ministers Mayr-Harting, Zierhut etc. gehalten worden sind, kann man ersehen, wie sie sich alle über einen Ausgleich, eine Verständigung zwischen den Völkern, über die Forderung nach Ermöglichung der Zusammenarbeit auf Grund eines klaren Programms, einfach lustig gemacht haben. Jüngst hat dies auch der Herr Minister Spina in der Versammlung in Bärn getan, in der er auseinandersetzte, daß die Stellung von Bedingungen einfach lächerlich sei, denn sonst hätte die Zusammenarbeit keine zwei Monate angehalten, denn sie wäre infolge der dadurch entstehenden Schwierigkeiten und Streitigkeiten unmöglich gewesen. Wie falsch diese Behauptung des Herrn Ministers Dr Spina ist und überhaupt wie falsch alle die Behauptungen sind, die im Zusammenhang mit dem deutsch-èechischen Ausgleich und mit der deutsch-èechischen Verständigung gemacht wurden, das haben wir wiederholt von dieser Stelle aus, in unserer Presse und in sonstigen Kundgebungen auseinandergesetzt. Daß Ausgleichspakte auch dauernde Wirkungen auslösen können, das beweist beispielsweise der mährische Pakt, der seinerzeit von uns wegen seiner arbeiterfeindlichen Tendenzen auf das heftigste bekämpft wurde, der aber, wie von deutscher und èechischer Seite zugegeben werden muß, doch bis zu einem gewissen Grade eine nationale Entspannung, eine Befriedigung der Verhältnisse herbeigeführt hat und der noch heute fortbestehen würde, wenn nicht der Umsturz gekommen wäre und diesem Ausgleichspakt das Rückgrat gebrochen hätte. Daß ein nationaler Ausgleich von Wert sein kann, das schrieb beispielsweise am 19. Dezember 1926, also vor der Konstituierung der deutsch-èechischen Regierung das Regierungsorgan des Herrn Ministerpräsidenten Švehla, der "Venkov". Er sagte: "Der vor dem Krieg in Mähren durchgeführte nationale Ausgleich hat nirgends unsere nationalen Positionen geschwächt, obwohl dieser Ausgleich unter schwierigeren Verhältnissen stattfand, als heute. Das ist uns", schließt der Artikel, "ein Beweis, daß der nationale Frieden nicht das Gedeihen der Nation bedroht. Ein künstlicher Schutz hat keine Dauer". Also auch die èechischen Koalitionsparteien halten das, was wir fordern, das, wonach die deutsche Öffentlichkeit ruft, für möglich und es ist daher doppelt unverantwortlich, wenn von deutschaktivistischer Seite das Gegenteil gesagt wird. Wir wollen alles dies den deutschen Aktivisten gesagt, ihnen in dieser Stunde noch einmal in Erinnerung gebracht und nahegelegt haben, darnach in Zukunft ihre Arbeit einzurichten. (Pøedsednictví pøevzal místopøedseda Slavíèek.)

Früher einmal sind die deutschen aktivistischen Parteien etwas beherzter aufs Ziel losgegangen. Als wir gestern zu lesen bekamen, daß Dr Hodža wieder einmal die Schulautonomie vorbereitet und daß man auch den Slovaken Schulräte zugedacht hat, wie sie für uns das alte Österreich vorgesehen hatte, wird in uns die Erinnerung an die Rede lebendig, die Herr Minister Dr Spina im Oktober 1924 im Parlament gehalten hat und in der er vor dem versammelten Haus sein autonomes Schulautonomieprogramm entwickelt hat. Herr Minister Dr Spina setzte damals auseinander: "Die kulturelle Selbstverwaltung ist unser höchstes Ziel. Sie ist die der wahren Demokratie und eines seines kulturellen Wertes sich bewußten Volkes einzig würdige Form. Sie allein kann die Verhältnisse der beiden Völker, was das Schulwesen betrifft, auf das richtige Maß zurückführen. Sie ist unanfechtbar. Ja, wenn das Wort Autonomie ausgesprochen wird, da sollte doch jedes Auge auf der gegnerischen Seite glänzen. Hat aber nur ein einziger der èechischen Abgeordneten dieses Wort bei seiner Entgegnung in den Mund genommen? Und doch, welches Schiboleth war der Begriff der Selbstverwaltung für die Èechen im alten Österreich!" Herr Minister Spina schloß seine Rede damals folgendermaßen: "Die Samospráva war das Herzblatt der èechischen Bevölkerung im alten Staat und wir haben die Èechen immer beneidet, wie sie es verstanden haben, in zähem Ringen Schritt für Schritt die Selbstverwaltung aufzubauen. Aber heute", ruft Herr Minister Spina aus, "kräht kein Hahn mehr nach dieser Selbstverwaltung, die Selbstverwaltung ist aus dem politischen Wörterbuch der Èechen verschwunden". Wohl, aber nicht nur aus dem èechischen, sondern auch aus dem deutschen aktivistischen Lexikon ist sie verschwunden, und zwar einfach deshalb, weil sich die deutschen Aktivisten das èechische Lexikon ausgeborgt haben. Die deutschen Aktivisten haben sich mit Haut und Haaren in das èechische aktivistische Fahrwasser begeben und sie sehen alles nur im rosigen Licht und halten alles, was dem deutschen Volke von drüben beschert wird, so die Verwaltungsreform usw., für eine segensreiche Einrichtung.

Alle diese Feststellungen gegenüber dem Herrn Dr Kramáø, gegenüber den deutschen Aktivistischen Parteien zu machen, war der Zweck meiner Darlegungen, die die große Schuld des internationalen Bürgerblocks, vor allem aber der deutschen aktivistischen Parteien aufzuzeigen sollen, sie für die Vernichtung der Demokratie und der demokratischen und kulturellen Selbstverwaltung, für die Verschärfung der Polizeigewalt in diesem Staate, für die Wiedereinsetzung des altösterreichischen Obrigkeitsstaates, für die gesetzliche Festlegung der Allmacht der Bürokratie in diesem Lande, aber auch für die Verewigung der Fremdherrschaft in diesem Lande einzig und allein verantwortlich machen sollen. Im übrigen lassen wir die weitere Entwicklung ruhig an uns herankommen. Die Arbeiterklasse aller Nationen wird sich für die schweren Stunden und die schweren Kämpfe, die ihrer harren, rüsten und kalten Blutes auf die Auseinandersetzung mit der internationalen Herrenklasse dieses Landes sich vorbereiten. Die Beschlußfassung über die der Schicksalsvorlage können wir nicht verhindern, die Vollendung dieses Schandwerkes nicht aufhalten. Wir könnten höchstens diese Vorlage hier auf dieser Tribüne in Stücke zerreisen und sie voller Abscheu den Herren Aktivisten vor die Füße werfen. Die Herren vom internationalen Bürgerblock tragen für alles, was sich in Hinkunft als die Folge dieser Vorlage entwickelt, die geschichtliche Verantwortung. Wie in allen, kommen auch bei der Vollbringung des Schandwerkes nicht Rechtsfragen, sondern Machtfragen zum Worte. Darum ist unter den Händen des Bürgerblocks auch die Verwaltungsreform zur Machtfrage geworden. Im übrigen können wir sagen, daß noch lange nicht aller Tage Abend ist, daß auch die Klassenherrschaft des internationalen Bürgerblocks ein Ende nehmen wird, daß auch die Macht des internationalen Bürgerblocks gebrochen werden wird. Damit wird freie Bahn geschaffen werden für den Aufstieg der Arbeiterklasse, für ihre neue Sammlung und ihren Sieg! Hohes Haus, Ich kann meine letzten Ausführungen nicht besser schließen, als mit den Worten Lassalles: "Und so zeigt sich, daß während es feststeht, daß Recht vor Macht gehen sollte, die Macht vor Recht so lange geht, bis das Recht nun auch seinerseits eine hinreichende Macht hinter sich gesammelt hat, um die Macht des Unrechtes zu zerbrechen." (Souhlas a potlesk nìm. soc. demokratických poslancù.)


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